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Wie sich die Bühne in üppiger Breite, ja, fast schon umarmend öffnet und die schweren, tiefen, mächtigen Drumkicks von hinten – da wo auch die Streicher platziert sind – startend zum Hörplatz rollen, just in dem Moment, wo Henriette Sennenvaldt beginnt, sich knapp an der Kitschgrenze vorbeizuhauchen …
Ja, das alles spricht fürs nun schon dreizehn Jahre alte Debutalbum Kyst von Under Byen, aber es spricht eben auch für den kleinen Naim-Streamer, denn derart geschmeidig, saftig und extra-sündig groovend, wie der dänische Psychedelic-Sexy-Pop nun durch meine Bude kurvt, ist das schon großer und vor allem auch lässiger Hörgenuss. Manchmal denkt man schon beim ersten Song, im Grunde sei alles klar. „Absolut reine Lehre ist das hier nicht – aber wohl deshalb hat es diesen Appeal“, dachte ich im Fall des Naim ND5 XS.
Klar, jetzt muss ich wieder einschränken – die Aussage bezieht sich nur aufs Tonale – und allgemein relativieren: Was soll das schon heißen, „reine Lehre“? Nun, es meint „neutral“, und das wiederum meint vielleicht nur mein tonal arithmetisches Mittel aller über die Jahre gehörten Gerätschaften. So definiert, scheint es mir sicher zu sagen, dass der Naim-Netzwerkplayer eher auf der leicht volleren, wärmeren Seite dieses gedachten Mittels liegt. Was mehrere Ursachen – und Nebenwirkungen – hat:
Zu den Ursachen gehört natürlich dieser saftige Bassbereich, schon beim oben genannten Under-Byen-Stück „Sejler“ fiel mir – durchaus positiv – auf, dass die tiefen Trommeln wie auch das E-Bassspiel mit ordentlich Schub und Substanz transportiert werden. Doch auch bei völlig anders gelagerter Musik, nämlich Cakes Song „Palm Of Your Hand“ (eher die Richtung entspannter Alternativ-Country-Rock, oder so ähnlich), strömt mir der E-Bass schön fett-schnurrig schnalzend entgegen, das hat was. Aber es hat eben auch etwas, das andere Digitalquellen, sei’s mein Luxman-Player, sei’s der kürzlich getestete B.M.C-Wandler oder andere Gerätschaften, nicht haben, und beispielhaft Genannte halte ich vom Tieftonpegel her betrachtet schon für neutraler. Was natürlich nicht gegen den Spaßfaktor des Naim-Netzwerkers spricht, ganz im Gegenteil. Diese subtile Dosiserhöhung macht Laune. Qualitativ betreffend, würde ich von halbtrocken sprechen: Konturen und Strukturen in den unteren Oktaven kommen rüber, aber es geht nie soweit, dass dafür die Grundsaftigkeit geopfert würde, wenn sie wissen, was ich meine. Kein Akademiker, dieser Bass.
Eine weitere Ursache liegt im Mittenband, dessen Schwerpunkt leicht tiefer gelegt wurde. Wohlgemerkt: leicht. Dieser Eindruck hat wiederum, so meine ich, zwei Ursachen: Der Grundton ist etwas voller geraten – aber nicht viel – und der Bereich ab obere Mitten bis ganz nach oben gibt sich leicht defensiver. Hieraus entspringt in Summe ein körperreicher, sonorer Vortrag. Toll, wie substanziell und geerdet Stimmen präsentiert werden. Das bereits erwähnte Gehauche (naja, ich übertreibe ein wenig) der Under-Byen-Sängerin Sennenvaldt klingt mit dem Naim tatsächlich etwas weniger hauchig, und mancher wird das vielleicht auch als „weniger offen“ bezeichnen, andere dagegen als „Gott sei Dank nicht so kehlig“ – Geschmackssache.
Klar ist aber, dass die Dame nun mehr Platz auf der Bühne beansprucht, weil ihr Gesang mit einem raumgreifenderen Körper daherkommt als das mit vielen anderen Digitalquellen der Fall ist. Eine Sache, die sich regelmäßig zeigt, Beth Gibbons (im Duo mit Rustin Man, die meisten kennen sie wohl als Portishead-Stimme, Album: Out Of Season) fällt mir als zweites Beispiel für weiblichen Gesang ein, der mir recht ungewohnt physisch-substanziell dargeboten wird. Von Männerstimmen sowieso mal abgesehen.
Dieser Faktor „Präsenz im Raum“ scheint mir überhaupt wesentlich für den Naim ND5 XS zu sein. Hierdurch bekommt das Klangbild einerseits eine großzügige, souverän-reife Note (Beschreibungen wie nervös, klein-klein, pedantisch liegen wirklich ganz weit weg), andererseits gelingt es damit auch, den Hörer zu involvieren, in die Musik hineinzuziehen. Da gibt’s auch andere „Tricks“, wie man das erreichen kann – und jeder Hörer spricht wohl auf anderes an:
Man kann den Präsenzbereich etwas anschärfen, was die Wiedergabe lebendig-frisch (oder nervenaufreibend) gestaltet und für eine direktere Ansprache sorgen kann – der Naim gibt sich hier, wie gesagt, eher etwas behutsamer und somit softer. Man kann auch mit dem Pfund Auflösungsvermögen wuchern, leisesten Ausschwingern eines Beckens bis in den Rauschteppich hinein nachrennen, Klangtexturen minutiös aufdröseln – der BMC DAC1 war so einer – und damit den geneigten Hörer faszinieren. Der Naim löst klassenbezogen gut auf, überhaupt keine Baustelle, aber da ist auch noch etwas mehr drin, es ist einfach nicht sein Schwerpunktthema.
Naims Motto scheint mir eher zu sein „Musik ist etwas Materielles und keine Kopfgeburt!“ und erstaunlicherweise schaffen es die Engländer regelmäßig, dies in ihre Komponenten einzupflanzen. Und so arrangiert der Netzwerkplayer ND5 XS großzügig dimensionierte Klang-Körper auf einer ebenfalls großzügig (vor allem breit) aufgezogenen Bühne geschmeidig zu einem lebhaften Ganzen. Der HiFi-Neurotiker wird einwenden, dass schon mal schärfer gerastert wurde, dass schon mal mehr Luft zwischen den einzelnen Instrumenten war. Stimmt. Warum aber klingt es dann so entspannt und natürlich, ja, charmant? Deshalb oder trotzdem? Keine Ahnung. Letztlich ist das wohl auch egal, vor allem für den, der sich gern vom Naim-Charme verführen lässt.
Dynamisch und rhythmisch ist man mit dem ND5 XS auf der richtigen, nämlich vitalen Seite. Aber man überspanne das Naim-Klischee an dieser Stelle auch nicht. „Attackig“ beispielsweise klingt er gar nicht, harte Klavieranschläge beispielsweise kommen unmittelbar, aber bei anderen Quellen, die in den oberen Mitten/dem Hochton mehr Energie applizieren, durchaus auch noch härter und detaillierter. Der Naim ND5 XS besitzt allerdings sowas wie eine hohe Grundschnelligkeit bis in die unteren Lagen hinein, sodass er Tempo und Drive der Musik richtig schön rüberbringen kann.
Ein Beispiel aus dem Soulbereich mag die Grundrichtung verdeutlichen: Erykah Badus Album Baduizm beginnt mit dem Track „Rimshot“, wenig überraschend gibt‘s da ebensolche zu hören: Das klingt mit dem Naim zwar schön klackend – aber es klackte doch auch schon mal mehr. Allerdings groovte die Platte als Ganzes auch schon mal deutlich weniger! Schwierig in trockene Worte zu fassen … „Hey, kleiner HiFi-Freak im Sweetspot, mach dich doch mal locker, leg den Notizblock weg und schnipps mit den Fingern“, so diese Richtung. Gar nicht übel, der Ansatz, hat Grandezza. Das mit dem Notizblock ist auch wirklich ein bisschen verklemmt, aber hey, das ist hier mein Arbeitsplatz!
Test: Naim ND5 XS | Netzwerk-Player