Inhaltsverzeichnis
März 2011 / Ralph Werner
Das Spitzenmodell der Mastersound-Vollverstärker (www.friends-of-audio.de) darf auch als Sinnbild für die leidenschaftliche Unvernunft gewisser Highendkreise angesehen werden: Wer den Amp aufstellen möchte, braucht ein wenig mehr Platz als ein normales Rack bietet. Wer ihn bewegen möchte, sollte sich eine helfende Hand besorgen, denn dreiundfünfzig Kilogramm sind nicht eben wenig. Und wer ihn einschaltet, darf die Heizung runter drehen, denn die gut fünfhundertundvierzig Watt, die er im Leerlauf verbrät, wärmen ganz gut. Der Evolution 845 Reference ist in mancher Hinsicht ein heißes Teil – und eben auch im Wortsinn.
Es waren schon ein paar Verstärker des italienischen Röhren-Spezialisten Mastersound zu Gast bei uns (zwei 300B-Bestückte, ein EL34- und ein KT88-Bestückter), aber derart breitspurig kam noch keiner daher: Inklusive der Wangen aus dunklem Walnussholz misst der Evolution 845 fünfundfünfzig Zentimeter in der Breite – und rechnet man vorne die Knöpfe und hinten die Anschlüsse hinzu, braucht es auch ‘nen halben Meter Tiefe auf der Stellfläche. Wissend um Ausmaße und Gewicht des Amps, hatte Rainer Israel vom deutschen Vertrieb praktischerweise einem Amp-Stand von BassoContinuo – einer italienischen Audiomöbel-Marke, die er ebenfalls führt – mit im Gepäck, was mir größere Kraftanstrengungen bei der Aufstellung ersparte.
Dass der Brummer einen optisch nicht erschlägt, mag am besonderen Gefühl der Italiener fürs Design liegen oder einfach an der offenen Konstruktion mit den Röhren auf der Haube. Ein Plus-50-Kilo-Amp im geschlossenen Gehäuse sieht jedenfalls in aller Regel noch „fetter“ aus. Aber wer auf martialisch steht beziehungsweise Kind, Hund, Katze schützen möchte, kann dem Mastersound Evolution natürlich auch noch das Schutzgitter anziehen.
Allerdings nehme ich an, dass dies eher selten geschehen wird, schließlich hört das Auge doch mit.
Salopp könnte man den Mastersound Evolution 845 als gedopten SET-Amp bezeichnen, gehört er doch zur Gattung der Single-Ended-Trioden-Verstärker und bringt – artuntypisch – mehr als eine Handvoll Watt an die Klemmen. Der Sendetriode 845 sagt man eine nutzbare Ausgangsleistung von ungefähr 20 Watt nach, zwei dieser Kolben laufen hier pro Kanal parallel, macht nach italienischer Arithmetik 50 Watt Dauerleistung. Und auch, wenn man diese Herstellerangabe für optimistisch hält, wird hier doch erheblich mehr Power freigesetzt als sich aus einer einsam schwitzenden 300B herauspressen lässt. Der Evolution 845 ist also ein SET-Verstärker, der auch halbwegs normale und nicht nur Hochwirkungsgrad-Lautsprecher betreiben können sollte.
Der schwere Italiener ist in Doppelmono gehalten, der Blick aus der Vogelperspektive zeigt eine hübsche Links-Rechts-Symmetrie, einzig die beiden „inneren Töpfe“ für die Netztrafos wurden aus Platzgründen (!) hinter- statt nebeneinander angeordnet.
Als Eingangsröhren dienen dem Mastersound zwei ECC 802 S und als Treiberröhren für die parallel laufenden 845er kommen 6SN7 zum Einsatz. Apropos Endröhre: Das Testmuster des Mastersound Evolution 845 Reference wurde mit einer recht ungewöhnlichen (und 380 Euro aufpreispflichtigen) Variante bestückt: Sie nennt sich „Psvane 845K“ und unterscheidet sich von einer normalen 845er in der Hauptsache durch den größeren Glaskörper, was, bedingt durch die größere Oberfläche, thermische Vorteile bieten und so – unter sonst gleichen Umständen – der Lebensdauer zugutekommen soll. Die Psvane-Modelle wurden zum 60jährigen Firmenjubiläum des Herstellers Shuguang aufgelegt.
Anschlussseitig und bedientechnisch können Fehler eigentlich nur mutwillig begangen werden. Drei Hochpegeleingänge gibt es sowie einen Direktzugang zur Endstufe.
Auf der Rückseite des Mastersound stehen zudem 4 und 8 Ohm Abgriffe für Lautsprecher entsprechender Impedanz zur Verfügung, zur Rechten sind dann noch die Messpunkte für die Ruhestromeinstellung der Endröhren zu finden – das war‘s.
Dann schalten wir den Röhrenboliden doch einmal an …
Test: Mastersound Evolution 845 Reference | Vollverstärker