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Das mit den vier Superhochtönern ist eine lustige Sache: Die Musik spielt, aber auch wenn ich mein Ohr quasi direkt auf so einen EMIT lege, bekomme ich kaum etwas mit. Vielleicht wenig verwunderlich, klinken sich die oben angebrachten Folientreiber doch erst bei 13 kHz ein und so weit oben passiert – lautstärketechnisch – eben wenig. Doch drängt sich da natürlich auch automatisch die Frage auf: Wozu dann das Ganze? Nun, eleganterweise lassen sich diese Treiber ja schnell abdecken, sodass ein mit/ohne-Supertweeter-Check leicht gemacht ist und Antworten auf die Frage geben sollte.
„Ohne“ klingt es – gerade im Stimmbereich – zwar auf gewisse Art „prägnanter“, was aber mit einem leicht artifiziellen Touch einhergeht, denn die Klänge geraten nun auch eine Spur rauer und poröser. Wäre dieses Klangbild ein Foto, dann wäre es eines mit weniger Pixeln: Auf den ersten Blick wirken die Konturen der Instrumenten und Stimmen schön knackig gezeichnet, aber schaut man dann etwas genauer hin, fallen diese leicht sägezahnartigen Säume auf, diese fransigen Treppenabsätze an den Rändern – und die gröbere Rasterung von Farbverläufen.
Die „Luftigkeit“, für die die EMITs sorgen, wirkt für die einzelnen Klänge wie ein milderndes Balsam, es legt sich um die porösen Stellen, ebnet Sägezahnkonturen ein und sorgt dergestalt für eine glatteres, sanfteres Erscheinungsbild – und so wirkt sich dies eben auch bei Joan Wassers mäßig eingefangener Stimme auf In Deep Field aus, aber freilich nicht nur dort. Tatsächlich ist es so, dass es einem – hat man sich erst einmal an „ohne“ gewöhnt und legt dann die oberen Tweeter der Neat frei – zunächst leicht weichzeichnerisch vorkommen kann, da diese „schafkantige Prägnanz“ gekittet wird. Doch spielt es „mit“ letztlich deutlich geschmeidiger und natürlicher.
EMIT-Hochtöner der Neat Ultimatum XL6
Ich halte die EMITs für eine klug gewählte Maßnahme zur Abstimmung der Neat: Der Lautsprecher punktet nicht zuletzt durch seine trockene, rhythmisch-direkte Art, doch wird „Trockenheit“ ja meist nur in den unteren vier-fünf Oktaven gerne gesehen. Ohne dieses besonders luftige-samtige Air liefe die Ultimatum XL6 Gefahr, nach oben hinaus – vor lauter Drahtigkeit – ein wenig dröge und spröde zu wirken. Die Gefahr besteht mit den „Luftpumpen aufm Dach“ nicht, im Gegenteil, gerade ab obere Mitten aufwärts spielt die Neat Ultimatum XL6 eher einen Tick milder-samtiger als üblich.
Zudem haben die EMITs auch eine „Raumwirkung“: So klein die runden Folientöner auch sind, sie vergrößern die Dimensionen der virtuellen Bühne nicht unerheblich. Deckt man sie ab, spielt die Musik a) weiter vorne, b) Höhe und Breite des Bühneneindrucks schrumpfen etwas, insbesondere aber wirkt c) die Bühnentiefe recht begrenzt – das ist schon ein interessantes Phänomen. Aber egal, wer deckt denn schon die Chassis seiner Lautsprecher ab? Ich mache dies ja auch nur aus einem gewissen Tester-Forschungsgeist heraus.
Oder vielleicht auch aus Verlegenheit, denn insgesamt, also mit allen Treibern gehört, tue ich mich etwas schwer mit der Beschreibung des räumlichen Eindrucks, den die Neat Ultimatum XL6 hinterlässt – denn ich kann mich darauf einfach nicht recht konzentrieren. Ich registriere alles Mögliche bei dieser Box, den physischen Bass zum Beispiel, den rhythmischen Drive oder diese samtig-strahlenden Becken – aber was mit der Bühne los ist? Na, die ist einfach da. Sie wirkt breit, hoch, tief, die Präzision der Abbildung ist gut, plastisch sind die Klänge auch; und es geht noch breiter, höher, tiefer, präziser und plastischer. Ich habe schon einmal mehr Luft und Raum zwischen den einzelnen Akteuren des Tord Gustavsen Trios gehört – stimmt. Und ja, das ist ganz schön, wenn jedes Instrument seine eigene Auslaufzone auf der Bühne hat. Doch stört es mich exakt null, dass die bei der Neat anscheinend etwas kleiner ist als ich’s sonst gewohnt bin – klingt so nämlich auch gut. Die Neat entwirft eine Bühne, über die ich mir überhaupt keine Gedanken mache, außer ich werde dazu gezwungen, so wie jetzt. Die Musik spielt einfach natürlich-frei im Raum, ohne Mätzchen. Und vielleicht ist das gar kein so geringes Kompliment.
Grobdynamisch geben sich die Neats äußerst kompetent, dies dürfte nicht zuletzt auch dem schon mehrfach erwähntem Umstand geschuldet sein, dass in den unteren Lagen richtig Substanz vorhanden ist. Das ist kein Kinderkram, wenn lautere Passagen der Musik anstehen und man vorher nach der Devise „das müssen die Nachbarn abkönnen“ den Pegel justiert hat – da steht die Musik auf, wird richtig groß. Und wer das zum ersten Mal erlebt, reibt sich die Augen: Aus den Dingern da vorn‘, wie denn das?! Cool gemacht.
Auch feindynamisch darf man sehr zufrieden sein, zwar werden hier – preisklassenbezogen – nicht gleich Wunder vollbracht, aber es bleiben auch keine echten Leerstellen. Man sollte allerdings schon mit einem gewissen Grundpegel hören, passionierte Leisehörer werden mit der Neat Ultimatum XL6 nicht in Gänze glücklich (im Gegensatz vielleicht zur Spendor ST, die dafür kein Partyluder ist). Ab Zimmerlautstärke fängt der Spaß an, davor ist’s okay, aber okay reicht nicht, also landet man wieder bei Zimmerlautstärke – so ging es mir zumindest meist. Ich bin aber auch kein passionierter Leisehörer …
Test: Neat Acoustics Ultimatum XL6 | Standlautsprecher