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Kompaktmonitor – wenn ich diese Beschreibung höre, dann verbinde ich das mit einem ganz bestimmten Klangbild. Kleine Boxen, die grobdynamisch vergleichsweise begrenzt sind und Musik mitunter ein bisschen blutleer wiedergeben, dafür aber riesige Räume aufreißen und eine geradezu unnatürliche Abbildungsschärfe erreichen, gerne auch mal durch den weiter oben schon angesprochenen Trick, den Hochtöner ein bisschen lauter zu machen oder ihm zumindest nach oben heraus ein bisschen zusätzlichen Pegel mitzugeben. Die Burmester B10 folgt diesem Klischee nicht, sie klingt alles andere als blutleer.
Aber der Reihe nach. Auf dem Album Parade von Prince findet sich einer der großen Hits dieses gelegentlich begnadeten Künstlers, „Kiss“. Der ist etwas besonderes, weil Prince’ Stimme völlig ohne zugemischten Hall auskommt. Die B10 gibt Prince’ Stimme mit superber Klangfarbentreue, Klarheit und Verständlichkeit wieder, mit einer Direktheit und Unmittelbarkeit, die sonst eher bei guten Hörnern als bei konventionellen dynamischen Lautsprechern zu erwarten ist. Der Rhythmus von Bass, Schlagzeug und Gitarre kommt messerscharf abgezirkelt. Becken werden glaubwürdig metallisch, aber ohne jeden künstlichen Glanz wiedergegeben. Auch sonstige Impulse kommen bis hinunter in den Bass mit exzellenter Attacke. Der Bass geht dabei ziemlich tief runter, subjektiv würde ich sagen, dass man – bei der von mir bevorzugten Aufstellung und Abstimmung der Box, dazu später mehr – vollen Pegel bis ungefähr 55 oder 60 Hz hat.
Trotz ihrer kompakten Abmessungen klingt die Burmester B10 wie ein großer Lautsprecher. Sie entwickelt ihr Klangbild aus einem kräftigen, dabei aber äußerst beweglichen Grundton. Männlichen Stimmen, zum Beispiel der etwas bemühte Bariton auf dem Stück „16 Toneladas“ der brasilianischen Band Funk Como le Gusta (von der Compilation The Essential Guide to Brazil) haftet eine ganz ungewöhnliche Ausdruckskraft und Direktheit an. Der Rhythmus wird bei diesem Stück zunächst vom Bass bestimmt, später im nahtlosen Wechsel zunehmend von anderen Instrumenten. Über die B10 gerät das so zwingend wie selbstverständlich. Erste Sahne.
Dasselbe gilt für das Stück „My Baby just cares for me“ von Nina Simone von einer gleichnamigen Compilation. Ihre Stimme wird wunderbar natürlich wiedergegeben. Frau Simone spielt mit der linken Hand auf dem Klavier eine absteigende Tonfolge, die kurz darauf vom akustischen Bass gedoppelt wird. Diese Instrumente, die bei anderen Lautsprechern schon mal ineinander rutschen können, werden von der B10 hervorragend differenziert, der tonale Charakter bleibt voll erhalten, man hört das Holz des Basses und kann ihn quasi vor sich stehen sehen – das habe ich auch von deutlich größeren Lautsprechern selten so überzeugend gehört.
Hat man bei diesem Stück den Eindruck, die B10 könne tonal vielleicht etwas in Richtung sonor-kraftvoll tendieren, zeigt der Wechsel zu einer anderen Aufnahme, dass darin vielleicht ein kleines Fünkchen Wahrheit steckt, die B10 vor allem aber ungeheuer wandlungsfähig ist, oder, um dasselbe mit anderen Worten zu sagen: der Musik sehr wenig eigenen Charakter überstülpt.
Clara Haskils Klavier auf einer Einspielung von Mozarts Klavierkonzert Nr. 13 mit den Festival Strings Lucerne aus dem Jahre 1961 wird jedenfalls mit der dieser Pianistin eigenen Leichtigkeit und Leuchtkraft wiedergegeben, Anschläge geraten federnd und geradezu tänzerisch. Bei anderen, in der Regel teureren Boxen mag es mitunter ein kleines bisschen mehr Luft im Hochtonbereich zu hören geben, es ganz oben noch ein kleines bisschen freier und leichter tönen und vielleicht auch noch ein bisschen mehr Transparenz – im räumlichen Sinn – geboten werden. Die Streicher scheinen bei dieser Aufnahme eine leichte Betonung der unteren Höhen zu offenbaren. Auch bei anderen Aufnahmen klassischer Musik habe ich den Eindruck, dass Geigen etwas prominenter wiedergegeben werden als bei anderen Lautsprechern.
Die Abbildung gerät jedenfalls preisklassengerecht, Instrumente werden auf einer breiten Bühne mit angemessener Tiefe und sehr guter Ortungsschärfe wiedergegeben. Die Burmester B10 macht aber vor allem deutlich, dass dynamischer Ausdruck – ob grob- oder feindynamisch – für die Freude an der Musik allemal wichtiger ist als die Frage, ob das Klavier nun einen halben Meter näher oder weiter weg positioniert wird.
Die Wandlungsfähigkeit zeigt sich auch darin, dass die Burmester B10 problemlos Aussagen über die sie ansteuernde Kette erlaubt. Insgesamt habe ich sie an vier Endstufen gehört, darunter solche von Bryston, Symasym und Naim. Die unterschiedlichen Charaktere waren leicht und ohrenfällig nachzuvollziehen – kraftvoll und kontrolliert die Bryston, offen, lebendig und impulsiv die Symasym, rhythmisch und dynamisch besonders ausdrucksstark die Naim. Kraft kann die Burmester B10 gut vertragen, sie geht erstaunlich laut, aber sie klingt auch mit den begrenzten Wattzahlen von Symasym und Naim und ist nicht zwingend auf Giganto-Endstufen angewiesen.
Und was ich unbedingt erwähnen muss – die B10 kann unglaublich gut elektrische Gitarre. Gary Moore spielte 2007 ein Konzert als Ehrerbietung an Jimi Hendrix, enthalten auf dem – übrigens sehr gut aufgenommenen – Album Blues for Jimi. Bei den letzten drei Stücken wurde er von den Original-Mitgliedern der Jimi Hendrix Experience, Billy Cox (Bass) und Mitch Mitchell (Schlagzeug) begleitet. Wie Moore Hendrix nachahmt und ihm dadurch seine Reverenz erweist und dem Spiel dennoch seine eigene Note gibt, das ist schlicht genial. Nicht viele Gitarristen würden mit so etwas durchkommen. Die Burmester B10 tut hier sehr erfolgreich so, als sei sie ein ziemlich großer Marshall-Stack. Die weiße Magie des Rock – über die B10 wird sie in einem Maß erlebbar, das man einer Kompaktbox nie zutrauen würde. Energie pur.
Test: Burmester B10 | Kompaktlautsprecher