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Ascendo System F – Pflicht und Kür

Inhaltsverzeichnis

  1. 4 Ascendo System F - Pflicht und Kür

Über das rein tonale Mischungsverhältnis im Mitten-/Hochtonband kann ich nichts schreiben außer: äußerst ausgewogen. Ja freilich, ich könnte aufzählen, welche Tendenzen die System F alle nicht besitzt, aber damit will ich nicht langweilen. Selten habe ich etwas derart Tendenzloses vor mir gehabt. Punkt.

Ascendo System F im Hörraum

Das man sich tonal nicht einmischt, scheint für die Ascendo also eine achselzuckende Selbstverständlichkeit zu sein – stand so im Pflichtenheft. Haken dran. Was da auch noch steht ist „Bitte richtig pegelfest“ und „Grobdynamik macht Spaß“. Haken dran. Unterhalten wir uns lieber über die Kür als über die Pflicht (ohne diese Pflichterfüllung gering schätzen zu wollen). Was als Steckenpferd der System F gelten darf, sind Auflösung und räumliche Darstellung.

Ascendo System F - Hochtonmodul von hinten

Um zum ersten Punkt zu kommen: Es ist ja nicht nur die Frage, wie leise ein Signal überhaupt sein darf, um noch übertragen zu werden – da geht die F bis zum Grundrauschen der Aufnahme vor -, die Frage ist natürlich auch, wie leiseste Passagen dargestellt werden. Beispiel: Jemand atmet leise ein. Gibt ein Lautsprecher das überhaupt wieder, kann man sich erstmal über seine Auflösung freuen. Aber bei Lichte betrachtet ist doch häufig so, dass es zu hell klingt, so als würde einer durch die Zähne atmen. Und meist ist das Geräusch dann auch diffus und zerfasert. Nun: Die Ascendo kann einem knapp über der Hörbarkeitsgrenze klanglich balancierte, plastisch umrissene, völlig frei im Raum hängende – schlicht und ergreifend: echte Einatmer servieren. Und so geschieht es mit allen leisen und leisesten Geräuschen, seien sie beabsichtigt oder nicht. Als ich dergleichen zum ersten Mal beim eingangs erwähnten Nic Bärtsch vernahm – ich dachte eigentlich, das Stück sei zuende -, musste ich laut lachen, hatte ich doch reflexartig die Augen geöffnet, um zu schauen, wer denn da die Aufführung stört. Außer drei-vier LEDs war im nachtdunklen Zimmer natürlich nix zu sehen. Ich hätte schwören können, dass da jemand ist, ganz klar, dass das ein Geräusch im Raum war, nicht aus den Boxen … Jesses, nicht schlecht gemacht.

Ascendo System F - Hochtöner

Man kann natürlich auch die berechtigte Frage stellen, ob sowas zum Verständnis der Musik notwendig sei, und ich kann sie (für mich) auch beantworten: nein. Und weiter: Es klang auch nicht so wie live. Es klang intimer, unmittelbarer. Zumindest unmittelbarer als beim Konzert der Schweizer Kombo im Berliner Radialsystem, bei dem ich im Sommer des letzten Jahres war. Es war ein tolles Konzert, keine Frage, auch klanglich hat man sich redlich Mühe gegeben, ich hatte da gar nichts zu beanstanden. Aber so dicht und direkt an der Musik dran wie nun zuhause war ich nicht. Wie denn auch, schließlich saß ich den Künstlern nicht auf dem Schoß, sondern in Reihe 5! Und was interessiert mich auf einem Konzert, wie der Stuhl des Percussionisten knarzt? Okay, auch zuhause kann ich meist drauf verzichten – doch gelingt es perfekt und spielt die Anlage auch sonst auf den Punkt, so trägt diese vermeintliche Nebensächlichkeit entscheidend mit dazu bei, die Trennung von „da spielt Musik / dort bin ich“ einzureißen. Man versinkt vollends in Musik, da die Illusion, drei Meter vor einem sitzt, atmet und spielt jemand, so perfekt zur Aufführung gelangt. Was für ein verrücktes Hobby. Was für ein Genuss.

Alles Geräuschmäßige, Transiente bringt die Ascendo System F frappierend echt an die Ohren, es gleicht dem Unterschied zwischen einem Hinweis, dass da hinten in der Ecke irgendjemand irgendwas macht – und der Illusion, dass da jemand ist. Doch verlassen wir die Welt der Geräusche und kommen zu den Klängen oder genauer: zu Klangtexturen. Je höher die Auflösung eines Wandlers (und wir sind ja noch bei diesem Stichwort) ist, umso besser gelingt ihm auch die Ausarbeitung dieser Texturen. Und auch hier überzeugt die F. Doch zunächst mal ein bisschen Begriffsklärung:

Im Gegensatz zum Geräusch besteht ein Klang aus einem Frequenzgemisch, in welchem die einzelnen Frequenzen ein harmonisches, also ganzzahliges Verhältnis zueinander besitzen. Der tiefste Ton eines Klanges, sein Grundton, bestimmt dabei die Tonhöhenwahrnehmung. Die Wahrnehmung der Klangfarbe – also das, was eine Trompete von einer Geige unterscheidbar macht, obwohl beide die gleich Tonhöhe anstimmen – ist vor allem abhängig vom Mischungsverhältnis der einzelnen Frequenzen zueinander (der spektralen Komponenten des Klangs) und deren jeweiligen Pegeln – und von der charakteristischen Startphase (Attack) eines Klangs, seinem Einschwingverhalten, welches unserer Wahrnehmung als eine Art tonaler Fingerabdruck dient.

Ascendo System F

Geht es also um die maximale Differenzierbarkeit von unterschiedlichen Klängen, so sollte nicht nur kein Frequenzbereich vernachlässigt oder bevorzugt werden (denn jeder „Charakter“ betont oder dämpft gewisse spektrale Anteile – freilich kann das auch ganz „gut“ klingen, nur eben weniger differenzierend), sondern möglichst auch die zeitliche Kohärenz des Signals gewahrt bleiben, da sonst der „Fingerabdruck“ verwischt wird. Um zur Ascendo zurückzukommen und den Ball mal bewusst flach zu halten: In dieser Hinsicht ist die System F gut aufgestellt. Was ich schon mit Blick auf den Bassbereich sagte – dass er irgendwie „reicher an Tönen“ klingt – gilt im Grunde auch für den Rest des Frequenzbandes. Es klingt für mich nach einem Mehr an tonalen Zwischenstufen, nach einem klarer differenzierterem Bild von Instrumenten und deren Klangmöglichkeiten. Soweit, so gut. Doch das ist noch nicht mal das, worauf ich eigentlich hinaus will. Die F legt noch einen drauf, indem sie auch Klangtexturen en détail aufdröselt. Was mich in die Schwierigkeit bringt, zu sagen, worum es dabei geht …

Nun, ich spreche hier sozusagen von der physischen Konsistenz hinter der „eigentlichen“ Klangfarbe – es macht ja auch einen Unterschied, ob mit Öl auf Leinwand oder mit Aquarellfarbe auf Papier gemalt wird, egal, ob es nun „eigentlich“ das gleiche Rot, Grün oder Blau ist. Sie wissen, was ich meine. Im Bereich der Akustik dürfte es hierbei letztlich um sehr subtile feindynamische Prozesse gehen, um das zeitliche Changieren der Klangfarbe beim Ausklang eines Klaviertons etwa (der wird ja nicht nur einfach immer leiser, sondern ändert sich auch tonal), um Mikroschwebungen „innerhalb“ des Tons eines ausschwingenden Blechs, um die hundert kleinen Dinge, die die Feinstruktur eines Klangs im Zeitablauf ausmachen. Gelingt es einem Lautsprecher, dies zu offenbaren, dann tönt es weniger glatt, weniger „wie nachgemacht“. Es klingt echter, griffiger und anfassbarer – undAscendo System F genau das sind die Begriffe, die meiner Meinung nach zur System F passen. Nicht nur werden unterschiedliche Noten / Instrumente sehr klar voneinander unterschieden, es wird auch mehr vom je einzelnen Ton und dessen Verlauf verdeutlicht. Die F spielt ungemein nuanciert und informativ.

Kommen wir zur räumlichen Darstellung, einer weiteren Stärke dieses Lautsprechers. Wie ich das von der Ascendo C8 schon kenne, wird auch hier scharf geschossen – soll heißen, die Lokalisationsschärfe geht ins Holografische und die Klänge werden körperlich statt flach / 2-dimensional gestaltet. Eine weitere Ähnlichkeit: Das Vermögen zur Tiefenstaffelung ist enorm. Wer auf Weitblick steht, sollte mal eine Ascendo hören. Das ist richtig gut. Wenn mich meine Erinnerung aber nicht täuscht, baut die System F im Vergleich die Bühne nochmal eine gehöriges Stück breiter auf – bei der C8 sprach ich von einem „Fenster zur Musik“ und meinte einen imaginären Ausschnitt zwischen den Boxen, durch den hindurch die Musik betrachtet wird. Bei der F hingegen habe ich das Gefühl – bei passenden Programm und Pegel natürlich -, das die komplette Breitseite meines Wohnzimmers mit Musik geflutet wird, ohne dass dadurch die Tiefenschärfe abnähme oder lässig-diffus vorgegangen werden würde … es ist einfach mal größer.

Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass die F zwar ebenfalls überwiegend auf der Grundlinie zwischen den Boxen arbeitet, doch sie traut sich ab und an auch mal hervor. In Kombination mit dem Vorgenannten – also der breiteren, ausladenderen Darstellung – und ihrem für meine Begriffe doch rhythmischeren Grundnaturell, gelingt ihr nicht nur eine freie und genaue Verortung der Klangereignisse, sondern das Geschehen auf der Bühne bekommt auch einen sehr lebhaften und involvierenden Ausdruck. Es ist wunderbar – bei guten Aufnahmen.

Zappa / Yellow SharkSo genieße ich Zappas Orchesterfassung von G-Spot Tornado (Album: The Yellow Shark) in vollen Zügen: Sehr plastisch und präzise wird abgebildet, ohne lästig harte Schnittkanten an den „Klang-Rändern“ der Instrumente. Dabei wird auch der Sinn fürs organische Miteinander bewahrt, ausladend tönt es, tief wie breit – wie aus dem Lehrbuch, sehr fein! Nächstes Album: Cat Power / Jukebox. Wunderbare Musik, aber mit der AbbildungspräzisionCat Power / Jukebox hapert es hier und da. Und vor allem hätte man nicht zwingend so viel Hall beimischen müssen, der über die System F dann doch manchmal zu sehr nach Getrickse aus dem Studio schmeckt … Insgesamt macht es aber trotzdem jede Menge Spaß, das fängt schon mit dem Opener an, der Coverversion von New York, New York, wie da die wuchtigen Drumkicks von hinten auf eine zurollen – nett! Next one: Martina Topley Bird / The Blue God. Der Song Something To Say klingt wie mit ‘nem ollen Commodore C64 zusammengeschraubt, und zwar nach dem dritten oder vierten Drink. Martina Topley Bird / The Blue GodSorry. Wahrscheinlich ‘ne prima Abmische fürs Auto. Wenn das die künstlerische Absicht war – erstklassig umgesetzt! Allein, ich glaube, dergleichen höre ich zuhause dann doch lieber über einen diffuser zeichnenden Wandler als über eine „akustische Lupe“. Hier sind sie, besagte harte Schnittkanten, es wirkt wie zusammengepusselt. Von manchen Details gewisser Aufnahmen will ich gar nicht alles wissen. (Übrigens: Meine Erfahrung mit der System F ist die, dass es in diesen Fällen mit aktivierter TOS-Einheit meist angenehmer klingt – weniger zusammengebastelt, etwas integrierter.)

Die Moral der Geschicht‘: Mit der Erwartung, dass ausnahmslos jedes Album mit der System F klanglich gewinnt, wird es nix. Die F zieht die Aufnahme quasi nackt aus und stellt sie vor einen hin. Nicht immer ist der Anblick erfreulich – aber häufig eben auch umwerfend. Man mache sich darauf gefasst, die klangliche Schwankungsbreite seiner Plattensammlung hier und da neu bewerten zu müssen. Kein Grund zur Dramatisierung, es ist nur Schade, dass nicht alle Alben tip-top produziert werden. Aber das wissen ja Sie sowieso schon …

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Test: Ascendo System F | Standlautsprecher

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