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Nun ein Ausflug ins klassische Fach: Der schwedische Barock-Komponist Johan Agrell mit seiner Sinfonie in A-Dur, eingespielt 2010 vom Helsinki Baroque Orchestra unter Aapo Häkkinen, hier der vierte Satz: Presto. Da geht’s richtig ab. Die Streicher sind kurz davor, mit ihren Stakkato-Läufen die Saiten durchzusägen, das Cembalo ackert um sein Leben – ein Stück, welches sich ganz schön chaotisch anhören kann, wenn die Abhörkette da nicht ein wenig Struktur reinbringt.
Sie ahnen es bereits: Der Ampollo kann das. Er bürstet sämtliche Partitur-Spuren geradezu gegen den Strich, auf dass sie schön „hochstehen“ und ihre akustische Integrität und Nachvollziehbarkeit bewahren. Man kann es nicht anders sagen, es ist wirklich mitreißend – aber eben auch präzise. Wie weiter oben schon gesagt, es offenbart sich jedes Detail, aber auch der Gesamteindruck ist stimmig. Abermals bestätigt sich hier der Eindruck, dass die tonale Durchzeichnung tadellos – und gleichmäßig ist.
Mehr Klassik! Mozarts Requiem in d-moll, zweiter Teil, die Kyrie, eine gewaltige Fuge für Chor und Orchester, für Mozart formal ungewöhnlich streng und fast an den großen Fugenmeister Johann Sebastian Bach erinnernd. Die große Schwierigkeit hier: Die sich umeinander windenden Gesangspassagen klar wiederzugeben, da sie teilweise unisono mit den Orchesterstimmen laufen.
Und ja, dem Ampollo gelingt dies wiederum. Es ist – zumindest, wenn man das Stück zuvor ein bis zwei Mal gehört hat – spielend leicht möglich, jede der Chorlagen nachzuverfolgen. Sie setzen sich hervorragend voneinander ab – aber auch von den sie unterstützenden oder kontrastierenden Orchesterstimmen. Eines fiel mir beim Hören jedoch auch auf – ich hatte das Stück in der vorliegenden Einspielung (Collegium Cartusianum, Kölner Kammerchor, P. Neumann) insgesamt über meine Referenzkette tonal etwas „sanfter“ in Erinnerung. Ein guter Ausgangspunkt für Experimente – warum an dieser Stelle nicht einmal meine ansonsten im Verbund mit dem Myryad MXA 2150 werkelnde Vorstufe Funk LAP-2 vorschalten. Interessant! Tatsächlich wirkt der Mitten-Hochtonbereich nun eine hörbare Nuance zurückgenommener – was hier wiederum kein Werturteil darstellen soll, ich war es nur so „gewohnt“ und konnte das bei dieser diffizilen Hörkost einmal schön nachvollziehen.
Über eines haben wir noch gar nicht gesprochen (ich lasse mich beim Hören und Schreiben gerne treiben und hake nicht so gerne einfach immer in derselben Reihenfolge die jeweiligen Hörkritierien und/oder Musikrichtungen ab): Kann der Ampollo Rock’n’Roll? Nehmen wir einfach mal die schottische Postrock-Band The Twilight Sad. Der Song „That Summer At Home I Had Become The Invisible Boy“ (Hörprobe hier) plätschert anderthalb Minuten mit einem Gemisch aus Gesang, Gitarren, Schlagzeugtoms – und ausgerechnet einer Melodica – dahin. Gerade, als es etwas öde wird, gibt’s ein paar vielversprechende Schläge auf die halboffene Hi-Hat, und dann bratzen die Jungs dermaßen brutal-breitwandig mit ihren elektrisch verstärkten Saiteninstrumenten los, dass wohlige Gänsehäute entstehen.
Alle Regler nach rechts! Zupackend und ungerührt verrichtet der Ampollo hier im Zusammenspiel mit meinen Neat-Momentum-4i seine Arbeit. Schockt ihn gar nicht. Wie ein Apotheker zieht er ganz entspannt aus einer langen Schublade eine Packung „Rock und Roll 400 retard“ und legt sie auf den Zahltresen. Das soll nicht heißen, dass er ohne Biss spielt – nein! Er gibt richtig Gas und schiebt voluminöse Gitarren in den Hörraum, wirkt dabei aber völlig relaxed: Keine Verzerrungen, kein Mumpfen oder Wumpfen im Bass, kein ohrenschreddernder Obertonsalat trotz angstfreiem Crashbeckeneinsatz des Drummers.
Nun auch noch einmal etwas ausführlicher zur Tonalität: Der Ampollo verfügt – meinen Hörerfahrungen zufolge – über kaum ein wahrnehmbares „Sounding“ in irgendeine Richtung. Er scheint mir tonstudiohaft neutral. Wobei Tonstudio nun auch nicht gleich Tonstudio ist, es ist ja derzeit bei audiophilen Produktionen ganz schick, bewusst den Obertonbereich minimal herunterzukühlen, um eine gewisse Sämig- und Samtigkeit des Klangs zu erzielen. Das ist nicht die Sache des Ampollo: Wo Becken, Hi-Hats und Obertonreiches drin ist, da darf ruhig Freude aufkommen, oder um es im audiohpilen Jargon zu formulieren: Die Höhen haben zu jeder Zeit eine gute Präsenz, Becken werden funkelnd, zischend, farbig und lebendig präsentiert, zugleich aber jederzeit sauber und differenziert .
Wenn ich mich also darauf festlegen müsste, ob der Obertonbereich des Abacus eher samtig oder eher crisp wirkt, würde das Zünglein an der Waage leicht in Richtung crisp ausschlagen. Als Endstufe eingesetzt habe ich ihn diesbezüglich auch nochmal mit meiner „Arbeits“-Endstufe, der ebenfalls sehr rhythmisch und kontrolliert aufspielenden Myryad MXA 2150, kontrastiert. Zwei Dinge fallen auf: Die Myryad scheint mir, im Vergleich zu den anderen Lagen, eine minimale Betonung von Bass und Oberbass mitzubringen – oder ist es vielleicht auch nur „Schubkraft“? – während der Ampollo hier für meinen Geschmack ganz neutral durchzeichnet. Ich mag üblicherweise diesen winzigen Zacken Extra-Wums im Bass durchaus gerne, habe ihn aber beim Ampollo im Direktvergleich nicht wirklich vermisst.
Im Bereich der Mitten spielen Myryad und Ampollo auf sehr ähnlichem Niveau, nämlich facettenreich und ausgewogen. Im Hochtonbereich wiederum erscheint mir der Ampollo differenzierter aufzulösen. Sehr deutlich hörbar ist dies beispielsweise beim Song „Back with a Lie“ von der Formation Das Weeth Experience. Hier macht der Schlagzeuger etwas Verwirrendes, indem er zwar einen sauberen Viervierteltakt spielt, auf die jeweilige „eins“ aber stets nur eines von drei breit übers Stereopanorama verteilten Ridebecken anschlägt. Das ergibt also eine tonal-rhythmische „drei-gegen-vier“-Figur. Die drei verschiedenen Becken klingen beim Ampollo bezüglich ihres Obertonspektrums sehr deutlich unterschiedlich, während man beim Myryad die Lauscher schon etwas genauer spitzen muss, um festzustellen, dass die Becken eben nicht nur alternierend von rechts, links oder aus der Mitte kommen, sondern eben auch jeweils ihre eigene Klangsignatur aufweisen.
Im Bereich der Feindynamik halten sich die Talente von Abacus Ampollo und Myryad MXA 2150 in etwa die Waage; was die Grobdynamik angeht, würde ich dem Ampollo etwas bessere Reserven attestieren. Superkurze Impulsspitzen und Lastwechsel, wie sie komplexe Orchesterwerke, aber auch elektronische Musik (zum Beispiel Yellos „Daily Disco“, dort die Drums und E-Percussion) abverlangen, wirken über den Ampollo tatsächlich noch etwas flinker und unvermittelter als über den eigentlich ebenfalls ausnehmend zackig-spielfreudig zu Werke gehenden Engländer.
Test: Abacus Ampollo | Endstufe, Vollverstärker