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Klar, die meisten unserer Leser wissen das: Technics ist weit mehr als das High-End-Hifi-Label der riesigen Panasonic-Gruppe (rund 60 Milliarden Euro Jahresumsatz) und kann heuer sogar auf eine exakt 60 Jahre währende eigene Geschichte zurückblicken. Happy Birthday! Die ebenso kultigen wie prominenten Plattenspieler, proprietären Verstärkertechnologien und Lautsprechergeheimtipps der letzen Jahrzehnte und der Neuzeit muss ich hier wohl nicht extra aufs Tapet bringen. Zumal es hier und heute um Kopfhörer geht: Nach dem Markenrelaunch im Jahre 2014 wagte man sich mit der EAH-AZ-Reihe in den hart umkämpften Wireless-In-Ear-Markt vor. Der neueste Sprössling hört auf den Namen Technics EAH-AZ100 (299 Euro | www.technics.com/de/) und soll mit Leckerbissen wie einem Magnetic-Fluid-Treiber oder Dolby Atmos die technologische Speerspitze darstellen. Wie sich der zum Firmenjubiläum präsentierte In-Ear schlägt, soll im Folgenden abgeklopft werden.
Optik, Haptik, Ostereier …

Nicht zuletzt Technologien wie Magnetic-Fluid-Treiber, spezielle Harmonizer oder Dolby Atmos sollen den Technics EAH-AZ100 zu einem wahren Hightech-Hörer machen
Der Technics EAH-AZ100 kommt in einer kompakten, platzsparenden und umweltfreundlichen Verpackung – sie sei laut Technics zu 100% plastikfrei. Der kabellose In-Ear befindet sich bereits in der mitgelieferten Ladeschale. Die geringen Abmessungen der Verpackung lassen allerdings nicht allzu viel Zubehör zu. Neben den zusammengefalteten Beipackzetteln zu den Garantiebestimmungen und der Pflege der Kopfhörer gibt es noch ein 20 Zentimeter kurzes USB-C-Ladekabel sowie fünf Paar austauschbare Silikon-Aufsätze in verschiedenen Größen, um einen guten Sitz der In-Ears zu gewährleisten. Und ja, für die optimale Funktion des Noise-Cancelling ist tatsächlich eine gute „Abdichtung“ erforderlich, wir kommen drauf noch zurück. Etwas verwundert bin ich zunächst, dass weder eine Bedienungsanleitung noch ein Quickstart-Guide in Papierform beigelegt sind. Wo sich diese Ostereier genau verstecken, finden wir im Verlauf dieses Textes noch heraus …
Das Gehäuse des Technics EAH-AZ100 ist, wie auch die Ladeschale, aus einem Mix aus Aluminium und hochwertigem Kunststoff gefertigt, offenbart eine hohe Verarbeitungsqualität und sieht noch dazu schick aus. Die gewählte Form des In-Ears sollte sich gut in die meisten Ohrmuscheln einfügen und für ein angenehmes Tragegefühl sorgen. Auch bei mir sitzt der EAH-AZ100 angenehm im Ohr ohne zu drücken – und doch genügend fest, dass man keine Angst haben muss, den Kopfhörer bei Kopfbewegungen zu verlieren. Vorausgesetzt natürlich, die Ohrpasstücke wurden richtig gewählt.
Neue Features
Technisch wurde der Technics EAH-AZ100 im Vergleich zu seinem Vorgänger EAH-AZ80 in vielerlei Hinsicht modernisiert. So bietet er neben einem neu entwickelten Treiber auch beim Bluetooth-Funk Neuerungen. Dolby Atmos und Head Tracking hat der kabelfreie In-Ears ebenfalls intus. Bedient wird der AZ100 – wie all seine Geschwister – mittels rückseitigen Touchfeldes. Oder natürlich mittels der „Audio Connect“-App von Technics, die wir uns später noch näher anschauen werden.
Akku mit Läuferlunge
Der integrierte Akku des EAH-AZ100 hält bis zu zehn Stunden durch. Im Vergleich zu anderen Dauerläufern in diesem Marktsegment, wie dem Melomania Touch (neun Stunden, 199 Euro) oder dem Sony WF-1000XM5 (acht Stunden, 229 Euro) ein nochmals besserer Wert. Der Technics sollte also einen ganzen Arbeitstag ohne Probleme überstehen können. Wie sich herausstellt, kein reines Marketing: Nach einer Zugfahrt mit jeweils vier Stunden Dauerbetrieb war der Akku noch mehr als halb voll. Mit Ladeschale sind sogar 28 Stunden Laufzeit möglich, bevor der In-Ear beziehungsweise die Ladeschale wieder an die Steckdose müssen. Apropos Steckdose: Das Case des EAH-AZ100 lässt sich erfreulicherweise auch induktiv aufladen. Wer also ein Qi-Ladepad sein Eigen nennt, kann das Ladeetui auch ohne USB-Ladekabel wieder auf 100% bringen.
Neuer Treiber mit Kniff
Die für den Technics EAH-AZ100 neu designte Treiberkonstruktion kommt mit gleich mehreren neuen Kniffen. Wie etwa der „Magnetic Fluid Driver“–Technologie. Bei dieser Lösung wird unter die hauchdünne Aluminium-Membran eine magnetische Flüssigkeit gebracht, um Verzerrungen beim Ausschwingen zu reduzieren und so nicht zuletzt bei höheren Lautstärken eine saubere Wiedergabe zu gewährleisten.
Und es gibt noch mehr proprietäre Feinmechanik zu bewundern: Eine akustische Kammer vor dem Schallröhrchen – von Technics Kontrollkammer genannt –, soll für einen kontrollierteren Luftstrom und schlussendlich optimierten Frequenzgang bürgen. Außerdem soll ein Harmonizer die Hochtonenergie dergestalt bändigen, dass sie sich besonders „harmonisch“ ins restliche Frequenzband einfügt.
Auf den Blauzahn gefühlt
Der Technics EAH-AZ100 greift auf den neuesten Bluetooth-Standard-Codec LC3 (Low Complexity Communication Codec) zurück, eine Weiterentwicklung von SBC (Low Complexity Subband Codec). Dieser wurde speziell für Bluetooth LE (Low Energy) entwickelt und soll bei geringerem Energieverbrauch überdies eine bessere Audioqualität bieten. aptX von Qualcomm zählt nicht zum Codec-Repertoire des Technics EAH-AZ100. Eine leicht zu verschmerzende Entscheidung, wird stattdessen erfreulicherweise LDAC unterstützt. Das von Sony ins Leben gerufene Kodierungsverfahren arbeitet mit Bitraten von bis zu 990 kb/s und kann somit eine deutlich höhere Übertragungsqualität bieten als die Standard-Codecs.

Die Auswahlmöglichkeiten der verschiedenen Bluetooth-Modi des EAH-AZ100 in der „Audio Connect“-App von Technics
Active Noise Cancelling
Als besonderes Markenzeichen der Technics-In-Ears geht schon länger das integrierte ANC (Active Noise Cancelling) durch. Konnte mich der ANC-Modus des Technics EAH-AZ70W vor vier Jahren schon überzeugen, wurde die Geräuschunterdrückung von Technics beim neuen EAH-AZ100 nochmals verbessert. Gerade die adaptive Variante, bei der die Geräuschunterdrückung den Umgebungsgeräuschen angepasst wird, hat einen weiteren Sprung nach vorne gemacht. Sowohl Vibrationsgeräusche, welche von Eisenbahnrädern auf das Innere des Zug-Wagons übertragen werden, als auch ein Großteil des Straßenlärms filtert die Geräuschunterdrückung sauber heraus.
Dabei arbeitet das Noise Cancelling auf beiden Kanälen unabhängig: Wenn zum Beispiel am linken Ohr Außengeräusche lauter sind, werden diese dort stärker gefiltert als am rechten Ohr, wo die Schallanteile ohnehin schwächer ankommen. Wie schon der EAH-AZ70W verrichtet auch der AZ100 seine musikalischen Dienste mit aktiviertem ANC ohne jegliche klangliche Verfärbung gegenüber dem Betrieb ohne ANC. Die exzellente Geräuschunterdrückung funktioniert allerdings nur dann optimal, solange der Technics-In-Ear dicht im Ohr sitzt – ich wies auf die Bedeutung der „Abdichtung“ oben ja schon hin. Dringen Schallanteile von außen am In-Ear vorbei ins Ohr, kann das ANC nicht mehr optimal arbeiten und verliert an Effektivität. Ach ja, ein Ambient-Modus lässt sich mit längerem Druck auf den rechten In-Ear ebenfalls aktivieren, um Außengeräusche wie Durchsagen trotz der passiven Abschirmung zu hören.
Dolby Atmos + Head Tracking
Eine Besonderheit des neuesten Technics-In-Ears ist des Weiteren die Zertifizierung mit dem Dolby-Atmos-Ready-Logo. Bei Kopfhörern wird hier – anders als bei Lautsprechern mit ihren zusätzlich nach oben hin abstrahlenden Membranen – softwareseitig per Algorithmus ein Surroundeffekt erzielt, der beim Mixing zuvor hinzugefügt wurde. Dadurch funktioniert das ebenfalls bei Stereo-Kopfhörern wie dem Technics EAH-AZ100. Mit zusätzlich aktiviertem „Raumklang“ in der App lässt sich zudem erstmals bei Technics ein „Dolby Head Tracking“ hinzuschalten. Ein integrierter Sensor ermittelt die Lage der Ohrhörer zum Zeitpunkt der Aktivierung der Tracking-Funktion, und verteilt je nach Kopfdrehung die Schallanteile sodann auf die beiden Kanäle dergestalt, dass der Eindruck einer fixierten Schallquelle im Raum entsteht. Dadurch kann der Surroundeindruck von Dolby Atmos noch weiter verstärkt und mit dem EAH-AZ100 ein nochmals realistischeres Raumgefühl resultieren. Einziger Wermutstropfen: Surroundmodus und LDAC sind nicht gemeinsam aktivierbar. Hier fällt der AZ100 auf den etwas weniger bandbreitenstarken AAC-Modus zurück.
Tunen und steuern: Die „Audio- Connect“-App von Technics
Viele Einstellungen wie der Raumklang-Modus, das Head Tracking oder auch die ANC-Konfiguration können nur mit der von Technics für Android und iOS zur Verfügung gestellten App „Audio Connect“ vorgenommen werden. Die App bietet unter anderem auswählbare Klanganpassungen in Form vorgefertigter Frequenzkurven (Direkt, Bass+, Superbass+, Vocal, Treble+). Ein grafischer 8-Band-Equalizer, um die EAH-AZ100 an die individuellen Hörbedürfnisse anpassen zu können, ist außerdem verfügbar. Man kann sicher Stunden damit verbringen, die individuell „perfekte“ Tonalität zu finden. Für den Test bleiben die Regler gleichwohl in Nullstellung.
Wunderte ich mich zu Beginn noch, Sie erinnern sich, wo die Bedienungsanleitung steckt, hier nun die Auflösung: Samt Tipps zur Bedienung und zu den Einstellmöglichkeiten findet sich das Manual in einem Unterpunkt der App. In ihm lässt sich überdies auch nachlesen, dass die Touch-Gesten zur Steuerung der Musikwiedergabe oder der Anrufe ebenfalls per App konfigurierbar sind. Sollte man also von Kopfhörern mit einer abweichenden Remotesteuerung kommen, kann man die Touch-Gesten am Technics EAH-AZ100 nach dem gewohnten Muster konfigurieren und muss nicht neu lernen. Die Standardgesten entsprechen aber weitgehend denen, die man von marküblichen Headsets kennt.

Gesucht & gefunden: Die Bedienungsanleitung des Technics EAH-AZ100 findet sich in der „Audio Connect“-App
Ebenfalls über die App einstellbar sind die verschiedenen Bluetooth-Verbindungsoptionen: Es kann zwischen Classic-Bluetooth (typische Codecs wie SBC, AAC oder LDAC) und Bluetooth LE mit dem LC3-Codec gewählt werden. Die ebenfalls verfügbare Mehrpunkt-Wiedergabe, bei welcher sich der Technics EAH-AZ100 mit bis zu drei Geräten simultan verheiratet, fällt bei Bluetooth LE allerdings weg. Auch die Raumklang-Option inklusive des Head Trackings bleibt der Verbindung über Classic-Bluetooth vorbehalten.
Dass die App für den Betrieb der Technics-In-Ears nahezu unerlässlich ist, zeigt außerdem die standardmäßig deaktivierte automatische Abschaltfunktion: Die EAH-AZ100 würden außerhalb der Ladeschale ständig eingeschaltet bleiben und so ohne Musik unnötig Energie verbrauchen. In der App lassen sich sowohl die Zeit, bis sich der In-Ear abschaltet, sowie die Trageerkennung konfigurieren.
Technics EAH-AZ100: Klangtest & Vergleiche
Die Einstellmöglichkeiten und die Features des neuen Technics EAH-AZ100 bieten also massig Fummelmöglichkeiten, vor der Klangbeurteilung kann sich der kleine In-Ear aus Japan natürlich dennoch nicht drücken.
Bereits bei den ersten musikalischen Takten wird klar, dass der Technics seinem Namen durchaus auch klanglich gerecht wird. Sauber und mit Präferenz für eine detaillierte, dynamisch ansprechende Wiedergabe gibt sich der EAH-AZ100 trotz leichter Betonung an den beiden Frequenzenden gefühlt ausgewogen und erwachsen.
Bitte ein letztes Bit: Der Hochton
Man merkt: Die Hochtonwiedergabe des Technics EAH-AZ100 lässt nichts anbrennen. Das obere Frequenzspektrum mutet durchaus präsent an und fällt auch im Superhochton nicht ab. Dank des hohen Maßes an Sauberkeit und Detaillierung gerät die Darstellung dennoch nie nervig oder anstrengend – sicherlich redet hier auch der erwähnte Harmonizer ein Wörtchen mit, welcher die Höhen ja etwas angenehmer gestalten soll. So hört man beim Stück „Air Guitar“ des Tingvall Trios (Album Birds) nicht nur jeden kleinsten Beckenanschlag luftig aus dem Gesamtarrangement heraus. Das Ausklingen, das Sustain der Becken, der Obertöne des Klaviers und des Kontrabasses stellen sich ebenfalls bis zum letzten Bit der Aufnahme akkurat dar. Generell gibt sich der EAH-AZ100 im Hochton einen Tick präsenter als streng neutral. Gut heraushörbar ist dies etwa im Vergleich mit dem im obersten Frequenzbereich leicht zurückgenommenen und mittenbetonten Cambridge Audio Melomania 1+ (129 Euro). Der Technics wirkt hier insgesamt minimal schlanker. Auch gegenüber dem ähnlich abgestimmten Melomania Touch fällt auf, dass der Detaillierungsgrad des EAH-AZ100 gerade im Superhochton um einiges höher ausfällt. Trotz eher analytischer Anmutung kann ich mit dem japanischen In-Ear länger am Stück Musik genießen als mit den beiden True-Wireless-Hörern aus Cambridge.

Die Melomania Touch (links) und Melomania 1+ (rechts) von Cambridge Audio zählen mit zu den Sparringspartnern für diesen Test
Dynamik auf leisen Sohlen – und lauten
Durch den sauber und stark aufspielenden Hochton – aber auch aufgrund des exzellenten Noise Cancellings in Verbindung mit dem geringen Grundrauschen des ANC-Algorithmus – lässt sich sehr gut mit geringer Lautstärke hören. Denn die involvierende Dynamik bleibt bei leisen Tönen keineswegs auf der Strecke, die Musik lädt selbst dann zum Mitswingen ein, wenn der Technics EAH-AZ100 pegelseitig auf Sparflamme läuft.
Die Mitten
Der frische Hochton fällt auf dem Weg in Richtung Mitten zwar leicht ab, das gesamte Mittenband bleibt bis an die obere Grenze des Bassbereichs aber konstant auf gleichem Pegel. Hier ordnet sich der Technics EAH-AZ100 tonal interessanterweise zwischen dem Melomania Touch, der durch eine hörbare Frequenzsenke im oberen Mittenbereich etwas zurückhaltender wirkt, und dem Melomania 1+ ein. Letzterer tönt durch die Betonung im Präsenzbereich vordergründiger und dadurch weniger langzeittauglich als der Technics.
Stimmen stimmen
Die Stimmenwiedergabe gerät mit dem neuen Technics-Hörer wunderbar natürlich. Bei „Shine a Light“ beschleicht mich nie das Gefühl, der Gesang der Interpretinnen KT Tunstall und Suzi Quatro (Album Face to Face) wäre zu aufdringlich oder würde gegenüber der Gitarrenbegleitung in den Hintergrund rücken. Zudem bringt der etwas präsentere Hochton eine exzellente Sprachverständlichkeit mit sich, ohne das Zischlaute dabei zu prägnant geraten. Etwas anders wirken sich bei manchen Aufnahmen die obersten Frequenzen aufs Timbre von Saiteninstrumenten aus. So muten die Obertöne der Westerngitarre von KT Tunstall leicht überrepräsentiert an, die Gitarre klingt dadurch etwas metallischer. Der gut dosierte Grundton des Technics EAH-AZ100 lässt den Korpus der Gitarre dann aber doch realistisch groß klingen und gleicht die vermeintlich hellere Färbung der Stahlsaiten wieder aus.
Mag der Technics im Mittenband zwar nicht noch die aller letzten Pegelkrümel ans Tageslicht befördern, tönt er dennoch wesentlich detaillierter als die beiden Melomanias (Touch und 1+) und übertrifft hier sogar den Bluetooth-Over-Ear Bowers & Wilkins PX7 S2 (UVP zum Testzeitpunkt: 429 Euro). Die von KT Tunstall gezupften sowie geschlagenen Saiten gibt der EAH-AZ100 derart präzise wieder, dass man feine Unterschiede in der Anschlagstärke heraushört, die mit dem PX7 S2 so offensichtlich nicht zutage treten. Selbst bei weniger sauber aufgenommenem Musikmaterial wie einem „All the Small things“ von Blink 182 überrascht der Technics EAH-AZ100 dennoch mit einem Klangbild, das nicht ermüdet.
Pegelorgiast
Pegelfestigkeit zählt zu den weiteren Stärken des EAH-AZ100. Was einigermaßen erstaunlich ist, habe ich doch schon oft die Erfahrung gemacht, dass Verzerrungen durch eine Treiberübersteuerung umso eher auf den Plan treten, je analytischer der jeweilige Kopf- beziehungsweise Ohrhörer abgestimmt ist. Doch die Magnetic-Fluid-Treiber des Technics EAH-Z100 zeichnen bei Pegeln über „Zimmerlautstärke“ ein derart klares, artefaktefreies Klangbild, dass ich teilweise gar nicht bemerke, wie laut ich schon höre. Und laut hören macht mit den kleinen In-Ears aus Osaka ungemeinen Spaß! Das schon zum Klassiker gewordene „The Middle“ von Jimmy Eat World rockt über den Technics genauso gut, wie mich die erwachsen und mühelos erscheinende Wiedergabe der Limp-Bizkid-Interpretation von „Behind Blue Eyes“ begeistert. Nicht die Spur eines komprimierten Klangbilds. Andere In-Ears wie der Audiofly AF160 (400 Euro) mit BA-Treibern und sogar Over-Ears wie ein Sennheiser HD650 (400 Euro) stoßen hier wesentlich früher an ihre Grenzen.
Schwieriges Erbe im Bass
Im Bassbereich tritt der Technics EAH-AZ100 ein schwieriges Erbe an, konnten mich doch schon andere Technics-In-Ears mit einer druckvollen und sauberen Performance überzeugen. Meine hohen Erwartungen an die Tieftonperformance sollen nicht enttäuscht werden: Ja, der Pegel im untersten Frequenzbereich ist gegenüber dem angrenzenden Mittenband hörbar angehoben, strahlt dennoch nicht in die unteren Mitten hinein und fungiert harmonisch als Gegengewicht zum präsenteren Hochton. Ober-, Mid- und Tiefbass halten sich relativ zueinander die Waage und tragen trotz ihrer Betonung zum überaus sauberen und sich ausgewogen anfühlenden Klangbild bei. Bei „Sailed“ des Elektronikduos Kiasmos kommt der Kickbass ausgesprochen punchy daher. Klar, die Bassqualität eines Fabs Fabulous Basic Dual Drivers (440 Euro) erreicht auch der neueste Sprössling von Technics nicht, kommt dem aber schon sehr nahe. Allerdings wurde der kabelgebundene Fabs ja speziell für meine Ohrform angepasst und ist durch die ideale Ohrabdichtung und dem potenten Bass-Treiber im Balanced-Armature-Design geradezu prädestiniert für die hochwertige Basswiedergabe.
Ja, auch im Tiefbass ist mit dem Technics EAH-AZ100 keinerlei Pegelabfall wahrzunehmen. Das verschafft dem kleinen Japaner nahezu Subwoofer-Qualitäten, wie bei „Byrta“ vom gleichnamigen Album der färöischen Interpretin Guðrið Hansdóttir mit Nachdruck demonstriert wird. Mit dem AZ100 grollt der Bassbeat schön unangestrengt aus dem Frequenzkeller heraus. Überhaupt macht der Technics-In-Ear mit elektronischer Musik sehr viel Spaß und ich konnte mich einige Male ertappen, wie mich das Rhythmusgefühl des Ohrhörers geradezu zum Tanzen animierte.
Kleiner In-Ear auf großer Bühne
Angesichts eines In-Ear-Kopfhörers mutet die Raumgröße bei Aufnahmen mit entsprechender Mikrofonierung realistisch an – weder zu klein noch künstlich aufgeblasen. Die Links-Rechts-Ortung gelingt dem Technics-In-Ear wie den meisten anderen Kopfhörern bauartbedingt besser als die Tiefenwahrnehmung. So oder so verteilen sich Instrumente klar voneinander abgegrenzt und glaubwürdig im Raum. Nicht selbstverständlich in dieser Preisklasse. Sucht man ähnliche Bühnenkünstler im Miniaturformat, kratzt man zum Beispiel mit einem Westone W60 (999 Euro) oder einem Beyerdynamic Xelento der zweiten Generation (999 Euro) schon an vierstelligen Eurobeträgen.
Der Technics EAH-AZ100 hat in Sachen Räumlichkeit aber noch ein paar weitere Tricks auf Lager:
Tiefsinnig – der Surroundsound
Eigentlich bin ich bei Kopfhörern – und Lautsprechern – eher ein Anhänger reiner Stereo-Lehre. Und der EAH-AZ100 serviert in puncto Bühnendarstellung für einen In-Ear doch schon gehobene Kost. Neugierig macht mich die Technik, die hinter Dolby Atmos und auch dem Head Tracking für Kopfhörer steckt, aber allemal. Zugegebenermaßen erwarte ich von einem softwarebasierten Raumklang nicht allzu viel, bin dann aber recht beeindruckt, was man in Sachen Mehrkanalwiedergabe so alles aus einem kleinen In-Ear herausholen kann.
Das Surround-Feeling ist – logisch – zwar nicht dasselbe wie bei großen Lautsprechermehrkanalsystemen. Die Musik wird dennoch weiter vom Hörer weg projiziert und die Bühne wirkt dadurch zwar nicht breiter, gewinnt gleichwohl merklich an Tiefe. Von der Einstellung „Raumklang“ in der App sollte man allerdings absehen, wenn Musik läuft, die nicht speziell für Dolby Atmos abgemischt wurde. Hier ist ein deutlicher Abfall im Bassbereich vernehmbar. Die Musik erscheint dann zwar distanzierter, realisiert sich aber mit einem leicht diffuseren Klangbild und verminderter Dynamik.
Mit einem Dolby-Atmos-Track hingegen, wie dem sehr gut neu gemischten Bilder einer Ausstellung von Mussorgsky (interpretiert von den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Herbert von Karajan), lässt sich das bereits 1986 aufgenommene Konzert jedoch nochmal ganz neu erleben. Räumlich nimmt man die Bläser bei „Promenade“ glaubwürdig in den hinteren oberen Reihen wahr, die Streicher weiter vorne über die gesamte Orchesterbreite. Zusammen mit aktiviertem Head Tracking, das übrigens nicht nur in der horizontalen sondern auch in der vertikalen Achse funktioniert, gewinne ich tatsächlich den Eindruck, direkt im Konzertsaal zu sitzen.
Test: Technics EAH-AZ100 | In-Ear-Kopfhörer