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März 2016 / Ralph Werner
Siebzig Lenze zählt das analoge Urgestein inzwischen, dabei hatte es zur Gründungszeit gar nichts Phonographisches im Sinn, sondern maßstabsgetreuen Modellbau – deshalb auch der Name Scale Model Equipment (www.sme-audio.com). Im eigentlichen „Analogbau“ kommt SME auf fast 60 Jahre, schuf in dieser Zeit so manchen Klassiker und setzte Standards. Wobei das britische Unternehmen das „echte Geld“ ganz woanders verdient, nämlich bei der Fertigung von Präzisionsteilen für die Flugzeugindustrie und den Rennsport, wie Dirk Räke vom Deutschlandvertrieb Transrotor (www.transrotor.de) weiß. Interessant.
Die Tonarme aus Steyning, Südengland, kennt so gut wie jeder Phonobegeisterte, was nicht zuletzt historische Gründe hat – das erste Analogprodukt 1959 war nun mal ein Tonarm –, aber auch an der weiten Verbreitung von SME-Armen auf Plattenspielern anderer Marken liegen dürfte. Dass das Unternehmen auch Laufwerke herstellt, dürfte hingegen etwas weniger bekannt sein. Auch hierfür gibt es Gründe.
Zum einen ist da der Preis: So ganz umsonst sind SME-Turntables nicht, was das Potenzial möglicher Interessenten einschränkt. Der günstigste Plattenspieler (also Laufwerk + Tonarm) startet bei 7.980 Euro, der größte belastet das Konto mit 41.480 Euro. Zum anderen die Optik: Persönlich finde ich die ja sehr cool, aber es gibt eben auch andere Geschmäcker – die Dreher sind aber nun mal ausschließlich in Schwarz erhältlich. Matt-Schwarz, um es zu präzisieren. Kein Holz, kein Acryl, kein Chrom, kein noch so dezentes Zierwerk ist irgendwo auszumachen. Jahrzehntelang das gleiche zurückhaltende Design anzubieten werden manche starrsinnig, andere grundsympathisch finden. Der dritte Grund liegt darin, dass es einfach auch nicht wirklich viele Plattenspieler von SME gibt: über lange, lange Jahre ganze drei Modelle mit den Nummern 10, 20, 30 (jetzt mal ohne die 12-Zoll-Varianten gerechnet).
Nach guten 15 Jahren hat man jetzt offenbar erkannt, dass zwischen dem SME Model 10 und dem Model 20 eine nicht unerhebliche Preislücke (von über 7.000 Euro) klafft – und siehe da: Ein neuer Plattenspieler ward geboren, unser Testkandidat, der SME Model 15. Je nachdem, wie man es sehen möchte, ist der 15er ein 10er mit Subchassistechnik oder ein 20er mit abgeschnittenen Ecken. Preislich liegt er ziemlich genau in der Mitte. Wir haben ihn zusammen mit dem Tonarm SME 309 SPD kommen lassen, was der Typbezeichnung ein „A“ anhängt. Ohne diesen Arm kostet das Laufwerk 8.500 Euro, mit ihm 10.900 Euro.
Konzeptionelles
Der SME Model 15 ist, wie gesagt, im Grundsatz ein Subchassis-Plattenspieler, denn das obere Ensemble, bestehend aus Plattenteller, Tellerlager und Armboard, ist vom zweiten, unteren Chassis entkoppelt gelagert. Im Untergeschoss haust der Motor, welcher wiederum mittels Gummifüßen und -bändern entkoppelt wurde und über einen Gummiflachriemen den auf dem oberen Subchassis befindlichen Subteller antreibt.
Ein Gummiflachriemen treibt den Subteller des SME an
Gegenüber vom Motorpulley wurde ein weiteres Gummiband gespannt, welches dem Zug des Antriebsriemens entgegenwirkt und für zusätzliche Dämpfung sorgt. Mit einigem Recht könnte man den SME Model 15 durchaus auch als Kombination aus Subchassis- und Masse-Laufwerk bezeichnen, schließlich wiegt der obere Teil um die 11 kg, wovon der Plattenteller circa 4,6 kg verantwortet. Das gesamte Laufwerk kommt auf 18,5 kg.
Die Türme mit den O-Gummis …
Zwei SME-typische Besonderheiten fallen auf. Erstens: Statt wie es sonst üblich ist, sitzt das Subchassis hier nicht auf Federn/Dämpferelementen, sondern hängt an Gummibändern. Mit je zehn speziell für diesen Zweck gegossenen O-Gummis wird das Subchassis an höhenverstellbaren „Türmen“ aufgehängt, und da es derer drei gibt, sind’s insgesamt 30 Gummiringe, die die Entkopplung besorgen und zum charakteristischen Hängebrücken-Look beitragen. Dass durch das Hängen der Schwerpunkt insgesamt tiefer gelegt wird, dürfte der Stabilität zuträglich sein. Warum, so fragt man sich, sieht man dergleichen nicht öfter?
… lassen sich bequem in der Höhen justieren.
An alles gedacht: Damit die Justage auch in der vorgesehenen Höhe erfolgt, liegt dem SME ein kleines Metall-Maßstück bei
Zweitens: Um auch letzten Taumelbewegungen den Garaus zu machen, gibt es im Zentrum des unteren Chassis‘ eine Silikonöl-Wanne, in der das (am oberen Subchassis montierte) Lagergehäuse ein Vollbad nimmt. Der SME Model 15 ist also alles andere als ein „Wackelpudding“. Tippt man den Plattenteller von oben an, schnellt er taumelfrei und zügig zurück. Zudem soll das Öl-Bad auch für einen definierten Abtransport von Vibrationsenergie und Resonanzen aller Art (und wohl speziell des Lagers) sorgen.
Zentral die Wanne mit dem dämpfenden Silikon-Öl. Hinten-links zu sehen: Gespannter Gummiriemen, der dem Zug des Antriebsriemens entgegenwirkt
Auf den SME Model 15 passen 9- wie 10-Zoll-Tonarme, 12er hingegen nicht. Die meisten Kunden werden wohl auch einen SME-Arm wählen, allein schon wegen des Systemgedankens, und von denen vermutlich das Gros den 309 SPD, da er im Paket mit dem 15er-Plattenspieler angeboten wird. Wer aber unbedingt „fremdgehen“ möchte, kann das natürlich auch, solange sich ein SME-Adapter für den jeweiligen Tonarm auftreiben lässt, der die Montage an den Armausleger des SME Model 15 erlaubt. Und solange nicht allzu schwere Konstruktionen montiert werden – SME empfiehlt, sich am Gewicht ihrer Tonarme zu orientieren (der SME 309 SPD wiegt 717 g).
Zum SME-309-Tonarm ließe sich viel schreiben, aber das haben auch schon andere getan, weshalb ich mich kurzfassen möchte. Zum Grundkonzept gehört das konisch verlaufende, gedämpfte Tonarmrohr aus Magnesium mit abnehmbarer Headshell aus dem gleichen Material. Der Arm ist in spielfreien Lagern kardanisch aufgehängt – das horizontale befindet sich in Höhe der Platte, um negative Effekte von verwellten Scheiben (im Englischen viel schöner „wrap-wow“ genannt) zu minimieren. Aus dem gleichen Grund wurde auch das Gegengewicht „tiefer gelegt“ – dies soll das Trägheitsmoment verringern und so mechanische Speichereffekte klein halten. Für die Praxis entscheidend: Alle relevanten Parameter wie Azimut, VTA, Überhang, Antiskating, Auflagekraft sind getrennt voneinander einstellbar. Und mit welcher feinmechanischen Präzision hier gearbeitet werden kann! Die Tonabnehmerjustage gerät da glatt zum Genuss.
Ein Gegengewicht der aufwendigeren Art
Beispiel Auflagekraft: Erst löst man eine vertikale Schraube, damit man den Transportschlitten auf der Schiene überhaupt bewegen kann, der eine Art feinziselierte Gondel mit einem Inlay aus Wolfram (= das eigentliche Gegengewicht) hält – natürlich wurde die ganze Konstruktion mit Dämpfern entkoppelt. Ist die erste Schraube locker, kann man nun mit der zweiten, horizontal liegenden die Auflagekraft feinfühlig einstellen. Sie wollen exakt 0,04 g zusätzlich auf die Nadel bringen? Kein Problem mit dieser Konstruktion.
Die Justage des Überhangs macht bei SME fast schon Spaß: mit einem kleinen Werkzeug schiebt man den kompletten Tonarm vor und zurück, bis …
Beispiel Überhangeinstellung: Mit einem beiliegenden kleinen Hebel lässt sich der SME 309 wie auf Schienen als Ganzes vor- und zurückbewegen. Das, in Kombination mit der typischen SME-Einstellschablone, ermöglicht die perfekte Justage dieses Parameters in unter einer Minute. Ich weiß, ein alter Hut, trotzdem großartig und nach wie vor das beste System, das ich kenne, zumindest mal das benutzerfreundlichste. Während andere noch fummeln & fluchen, hört der SME-Besitzer schon lange Musik.
… die Schablone die perfekte Passung anzeigt
Die einzige Sache, bei der ich nicht recht weiß, ob ich sie konzeptionell gut oder so lala finden soll, ist die Headshell. Die Möglichkeit des schnellen Austauschs ist super – aber eine abnehmbare Headshell geht auch immer mit zusätzlichen Kontaktstellen einher und der Steifheit der Konstruktion ist’s zumindest nicht zuträglich, auch wenn SME Nebenwirkungsfreiheit garantiert. Warum machen die Briten es dann aber bei ihren großen Armen anders?
Die Headshell des SME 309 SPD ist abnehmbar
Da die Tonabnehmer-Kabel beidseitig auf Pins befestigt werden, kann es unter der Headshell ganz schön eng werden
Treten & Klopfen
Hartnäckig hält sich das Gerücht, Subchassis-Plattenspieler seien eine Lösung bei Problemen mit Trittschall. Es widerspricht zwar jeder Erfahrung, aber trotzdem kann man es überall hören und lesen. Kontinuierlich wird es in die Welt gemutmaßt, wahrscheinlich – so stelle ich mir das jedenfalls vor – von Leuten, die in ihren Einfamilienhäusern auf meterdicken Betonböden stehen und über das Leben in Altbauwohnungen spekulieren.
Die Detailaufnahme der Plattentellerauflage zeigt, dass sie mit vielen kleinen Rillen versehen wurde – dies soll die Kontaktfläche zum Vinyl maximieren
Doch mal ehrlich: Wenn man wirklich auf Altbauböden mit Trittschall-Problemen zu kämpfen hat, dann gibt’s nur zwei konsequente Lösungen: Plattenspieler ins Wandregal oder dorthin, wo vor langer Zeit mal ein Kachelofen stand, der nun aber weg ist – da gibt’s nämlich häufig massiven Boden, der von den Bewegungen der Dielen/des Parketts baulich entkoppelt ist. Guter Platz! Aber allzu oft ist weder die eine noch die andere Lösungen praktikabel, und dann muss man halt mit einem Kompromiss leben – was für die meisten Audiophilen auch völlig okay ist, schlicht und einfach deshalb, weil sie sich beim Musikhören nicht bewegen, sondern still im Sweetspot sitzen. Doch wenn man mit so einem Kompromiss lebt – also der Plattenspieler steht auf einem Rack, das wiederum auf dem mehr oder minder schwankendem Boden steht –, dann zeigt sich häufig, dass Massekonzepte weniger empfindlich reagieren als normale Subchassis-Laufwerke. Ausnahme: das SME Model 15. Aber das ist ja auch nicht normal, sondern ungewöhnlich schwer und ölbedämpft. Nein, es verhält sich in dieser Hinsicht nicht wirklich unempfindlicher als mein Masselaufwerk von VPI, aber es ist doch eine ganz andere Nummer als so ein „Brett auf Federn“ von 6-7 kg.
Für guten Kontakt der Platte zum Teller sorgt auch die schraubbare Klemme
Wie auch immer: Was ein Subchassis-Laufwerk Massekonzepten voraushaben kann, ist nicht die bessere Entkopplung von extrem tieffrequenten Signalen höchster Amplitude (vulgo: Trittschall), sondern von Körper- und Luftschall, der durch die Musikwiedergabe selbst entsteht. Ein einfacher Klopftest macht den eklatanten Unterschied deutlich: Mit der Griffseite eines Schraubenziehers klopfe ich auf den Boden vor meinem Rack, auf dem obenauf mein VPI Scout II (s. a. Test Scout I) steht – der Teller ruht, die Nadel liegt in der Rille einer Schallplatte. Leise, aber vernehmbar höre ich das Klopfen auch aus meinen Boxen. Ich arbeite mich nun peu à peu die Ebenen bis zum „Laufwerkstisch“ hinauf, wobei das Pochen – logisch – immer lauter wird. Gleiches nun mit dem SME Model 15, nur dass ich sofort oben anfange. Und ich höre … nichts, überhaupt gar nichts. Absolute Ruhe – und ich klebe mit dem Ohr am Horn meiner 96-dB/W/m-Blumenhofer und habe den Volumeregler ziemlich aufgerissen. Ich höre noch nicht einmal etwas, wenn ich die untere Standebene des SME selbst mit dem Schraubenzieher traktiere! Das ist der Unterschied! Und der stimmt mich erwartungsfroh …
Test: SME Model 15A | Plattenspieler