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Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Einfach ehrlich
  2. 2 Rotel A8: Klangtest & Vergleiche

Bitte gehen Sie weiter, es gibt hier nichts zu sehen! Lediglich ein kleines Kästchen in Standardvermaßung, es mag silberfarben sein oder schwarz, auffällig allenfalls die geringe Höhe, die eher auf einen CD-Spieler der 90er Jahre schließen lässt. Es gibt eine nicht hässliche Front aus gebürstetem Aluminium und ein paar Regler, an denen sich drehen lässt, drei kleine links und einen großen in der Mitte, dann noch vier Drucktaster. Ein bisschen was leuchtet im Dunklen, aber nicht so, dass man noch Tage später seinen Freunden davon erzählen würde. Und das ist eigentlich alles ganz hübsch sogar.

Unprätentiös, so muss man das Design des Rotel A8 (399 Euro | https://www.audiotra.de/) wohl nennen. Es ist der kleinste Verstärker, den der japanische Hersteller anbietet, und er kommt mit so wenig Ausstattung daher, dass dies fast schon wieder sensationell ist: Er versteht kein Bluetooth, braucht kein Internet, verarbeitet keine digitalen Signale, wandelt nichts und gibt auch nichts aus – von Signalen für Kopfhörer und Lautsprecher einmal abgesehen. Bedienen lässt sich das Gerät entweder am Frontpanel oder mithilfe der beiliegenden Infrarot-Fernbedienung aus, ja, Plastik; keinesfalls jedoch mit einem Smartphone oder irgendeiner iPad-App. Wenn man etwas genauer hinschaut, entdeckt man Features, die eher selten geworden sind oder vollkommen anachronistisch anmuten: Es gibt einen Moving-Magnet-Phonoeingang, einen Balance-Regler sowie eine Klangregelung für Bass und Höhen. Und laut Beschriftung eignet sich einer der drei Hochpegeleingänge doch tatsächlich für die nun wirklich längst in Vergessenheit geratene Gerätekategorie „Tuner“. Also: Phono, Tuner, CD, Aux. Ende Gelände, aus die Maus. Der Rotel A8 ist aber kein Vintage-Gerät aus der Zeit, als Herbert von Karajan noch die Vorzüge der Puls-Code-Modulation der Fachhörerschaft anpries. Das Gerät ist brandneu.

Gute Verarbeitung und ein Eis inklusive …

Balance-, Höhen-, Bass- und Lautstärkeregler am Rotel A8

Klassisch, schlicht – und irgendwie schön: Der puristische Rotel A 8 strahlt trotz seines günstiges Preises zeitlose Wertigkeit aus

Spoiler alert: Wenn man 400 Euro aus dem Geldautomaten zieht, kann man sich davon nicht nur einen Rotel A8 kaufen, sondern hat eventuell – wenn man in einer preisgünstigen Mittelstadt wohnt – noch Geld übrig für eine sehr kleine Kugel Eis. Das Verblüffende: Man kann damit nicht nur hervorragend Musik hören. Sondern man kann auf eine extrem entspannte Art hervorragend Musik hören.

Zunächst mag man das nicht so recht glauben: Mit 5,8 Kilogramm Gewicht ist der A8 für einen Verstärker, erst recht für einen Vollverstärker, beunruhigend leicht, und beim Einstecken des geräteseitig festverkabelten Netzsteckers hat man nicht gerade das Gefühl einer überbordenden Premium-Haptik. Das ist aber schnell vergessen, denn die Verarbeitungsqualität wirkt ansonsten tadellos und hochwertig. Beim aufgesetzten Frontpanel zeigen sich keine Auffälligkeiten bei den Spaltmaßen, die Vorderseite fasst sich gut an, die Taster haben einen klar erspürbaren Druckpunkt, die Drehregler liefern eine gute Rückmeldung, die Mittelmarkierung von Balance- und Tonregelung ist klar und weist kein Spiel auf.

Ein bisserl Praxis

Die Rückseite des Rotel A8

Komplett analog – inklusive Phono: die keine Fragen aufkommen lassende Rückseite des Rotel A8

Rückseitig finden sich neben den drei vergoldeten Line-Eingängen die Cinch-Eingänge für den Plattenspieler sowie der Masseanschluss zwecks Erdung. An den Lautsprecherterminals lässt sich per Bananenstecker, Schuh oder Litze genau ein Lautsprecherpaar anschließen. Für den Kopfhörer steht vorn ein Miniklinkenausgang zur Verfügung, neben dem sichtbaren IR-Sensor für die Fernbedienung. Das ist übersichtlich, Aufbau (worunter eher „Hinstellen“ zu verstehen ist) und Inbetriebnahme („Anmachen“) sind daher im Nu zu bewerkstelligen. Um den Verstärker stets unter Dampf zu halten, bevorzuge ich es, automatische Abschalt- oder Schlafvorrichtungen zu deaktivieren. Dies geht beim Rotel über einen kleinen Rastschalter auf der Rückseite.

Klassisch

Der Rotel A8 ist ein Transistorverstärker und mit einer klassischen Class-AB-Schaltung ausgestattet. Pro Seite kommt ein Transistorpaar von Sanken zum Einsatz, als NPN-Typ wurde der 2SC4468 und als PNP-Typ der 2SA1695 verbaut. Befeuert wird die Schaltung von einem Ringkerntrafo mit nicht gerade übermäßig üppigen 82 VA aus Rotel-eigener Fertigung. Das japanische, familiengeführte Unternehmen betreibt in der südchinesischen Stadt Zhuhai eine eigene Fabrik, der nicht zuletzt die Premiumlinie Michi entstammt. Laut Vertrieb habe sich Rotel im Interesse eines möglichst guten Preis-Sound-Verhältnisses auf klangwichtige Bauteile konzentriert – und weniger auf ein eindrucksvolles Gehäuse oder ein Drumherum an Ausstattungsmerkmalen. Auch der Kopfhörerausgang ist lediglich durchgeschleift.

Der Ringkerntrafo des Rotel A8

Klein, aber fein: Der Ringkerntrafo des Rotel A8 wird tatsächlich inhouse gefertigt

Der Rotel A8 liefert zwei Mal 30 Watt an 8 Ohm und zwei Mal 40 Watt an 4 Ohm. Viel Nennleistung ist das freilich nicht, dürfte aber für viele alltagstaugliche Setups ausreichen. Im Test zeigt sich der Rotel A8 auch bei ambitionierterer Pegelstellung mit den nicht gerade übereffizienten Neat Momentum 4i (88 dB/W/m) keineswegs überfordert, bleibt stets klar und erlaubt auch über längere Strecken ermüdungsfreies Hören. Passionierte Pegeljunkies können zur Sicherheit auf wirkungsgradstarke Boxen jenseits der 90 dB achten.

Schön bunt

Eine Besonderheit sei noch aufs Tapet gebracht: Der leuchtende LED-Kranz, der sich um den Lautstärkeregler schmiegt, lässt sich von einem defaultmäßigen Blau in andere Farben umschalten: Violett, Rot und Grün. Wer dies ausprobieren möchte, informiert sich in der Bedienungsanleitung darüber, welcher der Eingangswahlschalter wie viele Sekunden zu drücken ist. Nicht ändern lässt sich allerdings die Farbe der LED, die den eingeschalteten Betriebszustand anzeigt: Die bleibt stets blau. Das Dimmen der Beleuchtung ist hingegen wieder ganz einfach: Hier steht ein deutlich beschrifteter Button auf der Remote zur Verfügung.

Rotel A8: Klangtest & Vergleiche

Stevie Nicks Trouble in Shangri-LaWie klingt er denn nun, der unscheinbar daherkommende und günstig zu habende Vollverstärker? Nun ja: Er klingt „teuer“. Man es muss es wirklich sagen: Nach einer kurzen Einspielzeit, in der der Amp etwas an Schärfe verliert und insgesamt „runder“ wird, vermisst man erstaunlich wenig –  vor allem angesichts der Preisklasse. Dies zeigt ein erstes Anspielen von Stevie Nicks‘ Titelsong des gleichnamigen Albums „Trouble in Shangri-La“, eine auf Gefälligkeit angelegte Westcoast-Produktion, die überall fett klingen soll. Und das tut sie: Das voluminöse Bassspiel ist unterbrechungsfrei durchhörbar, die unverwechselbare Stimme von Stevie Nicks steht klar im Raum, ebenso die sehr hellen Zildjian-Becken des Drummers Vinnie Colaiuta. Die Klangregelung, mit der sich der Bereich um 100 Hertz bzw. 10 Kilohertz anheben oder absenken lässt, kann also im Folgenden getrost in neutraler Stellung gehalten werden. In der Paarung mit den Bryston-Mini-A-Kompaktboxen (87 dB/W/m) wird die Zimmerlaufstärke auch für eine diesbezüglich eher robuste Hörerschaft in meinem Wohnzimmer ab der Pegelstellung auf halb elf bereits sehr deutlich überschritten.

Der On/Off-Taster des Rotel A8

Power on! In praxi sollte die Ausgangsleistung des Rotel A8 für die meisten Anwendungsfälle ausreichen

Ziemlich weit unten

The Prodigy The Fat of the LandWagen wir uns also vor in herausfordernde Wiedergabesituationen. Angstthema: Bass. Wird ein Vollverstärker für 400 Euro einen echten Tiefbass herbeizaubern können, noch dazu über Kompaktlautsprecher, am besten noch mit einer blitzsauberen Kontur? Natürlich nicht, objektiv sollte dies auszuschließen sein. Subjektiv geht das aber durchaus: Warten wir gespannt die mittig gemischten Drumloops im Intro von „Smack My Bitch up“, dem Opener des Albums The Fat of the Land von The Prodigy, ab. Bis die Bass Drum einsetzt, dauert es eine gute Minute – und dann: Bumm. Tatsächlich: Da ist es etwas – und augenscheinlich auch gar nicht mal so wenig. Wie etwa der schöne Punch, der schon mal Spaß macht. Nur der noch tiefer reichende Ton hinter der Attack, die in der Widergabe klar im Vordergrund steht, verliert sich etwas. Beim Synthesizer-Ostinato auf dem nachfolgenden Stück „Breathe“ muten die Konturen des Sechzehntelnoten-Pattern und akzentuierten Synkopen nicht gerade übermäßig scharf definiert an.

Das Lautsprecherterminal des Rotel A8

Single Wiring: Das Lautsprecherterminal des Rotel A8 kommt mit Spades und Bananas klar

Stain Living ColourEin Wunder in Sachen Tiefbass ist der Rotel A8 also erwartungsgemäß eher nicht. Hier liefert der Testgegner, ein damals auch deutlich teurerer Creek Evo 2, nicht nur mehr, sondern auch klarer umrissene Konturen und einen zackigeren, weniger weichen Antritt. Allerdings lässt sich das durchaus verschmerzen, wie sich anhand des Albums Stain von Living Colour überprüfen lässt. Doug Wimbish spielt hier einen sechssaitigen Bass, der im Klangbild brutal in den Vordergrund gemischt wurde und dem musikalisch eine durchaus tragende Rolle zukommt. Auf „Bi“ ist gut zu erleben, wie große Teile des Griffbretts ausgenutzt werden und der Bass fallweise außerdem durch einen Filtereffekt geschickt wird. Der A8 zeichnet das lebendige Spiel plausibel nach (auch der Bass Drum im Loop am Ende des Stück mangelt es nicht an Präsenz). Lediglich die Grundtonbegleitung fällt im Verhältnis zu den Slides, Slaps und Flageoletts sowie den geschickt in Szene gesetzten Spielgeräuschen an Druck und Pegel etwas ab.

Insgesamt ergibt sich bassseitig also ein zu erwartendes Bild: Weder sind Überraschungen noch Wunder zu erleben, aber eben auch keine Enttäuschungen – vor allem, wenn man an den aufgerufenen Preis denkt. Wobei der der Amp seine Stärken eh nicht in einzelnen Bereichen hat, sondern in seinem Gesamtauftritt:

Mittig und darüber

Die Frontpartie des Rotel A8

Zu den klanglichen Stärken des Rotel A8 zählen sein reiner Ton und seine unverstellte Klangfarbenwiedergabe – alles andere als selbstverständlich in dieser Klasse

Denn was den Rotel-Verstärker so besonders macht, ist, dass er eigentlich nichts Besonderes macht. Er verhält sich im Wesentlichen neutral und macht keinen großen Unterschied der jeweiligen Spielsituation gegenüber. Er hebt nichts überdeutlich hervor und macht sich auch nicht der Unterschlagung schuldig. Er tritt zurück hinter der Musik und wirkt fast ein klein wenig unbeteiligt. Ja, wie gutes, teures Highend das im Idealfall sonst vermag! Selbst wenn man den A8 der berühmten „Wahnsinnsszene“ in Donizettis Lucia di Lammermoor in der Maria-Callas-Einspielung für EMI von 1959 unter der Leitung von Tullio Serafin aussetzt. „Il dolce suono“ ist eine bewegende Szene und eine bewegte Darbietung, so etwas kann man nicht singen, wenn man stillhält und direkt in ein Mikrofon singt. Die Stimme ist also mal hier und mal da. Wir erfahren nicht nur plastisch, in welche Richtung die Callas gerade ausatmet, sondern auch die feinsten Nuancen der reichlich eingesetzten Koloraturen. Der A8 verhält sich hier sowohl detailgetreu als auch zurückhaltend. So löst er den eigentlich von Feiereifer getragenen Dialog zwischen Sopranisten und Flöte nachvollziehbar auf, ehe sich der Schlusston in schwindelnde Höhe ergeht. Bei allem zeigt sich der Amp völlig unberührt und ausgewogen.

Angenehm unaufgeregt verhält sich der Rotel A8 auch im Hochtonbereich. Auf „A Night in Tunesia” von Art Blakey & The Jazz Messengers werden die Schläge auf die sich rasch aufschaukelnden und zum „Wash“ neigenden Becken gut herausgearbeitet, auch deren dunkler Vintage-Sound ist gut eingebettet. Der Rotel musiziert obenrum luftig und sanft, in den Obertönen am obersten Spektrum etwas zurückgenommen, er versilbert nicht unnötig.

Der Rotel A8 mit Fernbedienung

Der Rotel A8 kommt inklusive Fernbedienung

Kompromisse, wie sie in dieser Preisklasse nun mal unvermeidlich sind,  wurden von den Entwicklern elegant gelöst: Auf Akribie in Sachen Feindynamik oder Auflösung versteift sich der Rotel-Verstärker erst gar nicht, hier erfüllt er mit Blick auf seine Preisklasse schlichtweg seine Pflicht. Im Gesamteindruck ergibt sich dennoch der Eindruck einer unverschnörkelten Klarheit ohne störende Ecken und Kanten. Man hört dem Rotel einfach gerne zu, weil das Gesamtbild stimmig ist: neutral, dabei aber keineswegs technisch, sondern angenehm rein und musikalisch. Auf diese Meriten wurde er trainiert – und weniger auf maximale Präzision und das gleißende Ausleuchten der allerletzten Winkel.

Räumlichkeit und Dynamik

Der Rotel reagiert auf dynamische Impulse allerdings schnell und genau genug, um für ein lebendiges Hörerlebnis zu sorgen. Einschränkungen ergeben sich freilich, wenn man den Rotel A8 unfairen Vergleichen aussetzt: Ein Abacus Ampollo Dolifet kostet deshalb mehr als das Zehnfache, weil er bei – man verzeihe mir das etwas abgehangene Beispiel – einen Unterschied macht zwischen dem Piano im Balladenteil und dem Boogie-Klavier bei den bewegteren Passagen. Letztere springen einen an wie ein Percussion-Instrument.

Schön zudem: Der Rotel liefert durchaus dreidimensional ab. Man ist keinesfalls von einer einzigen Klangwolke umfangen, ohne dass man gleich eine millimetergenaue, hochplastische Tiefenstaffelung erleben würde. Die Bühne ist tadellos breit, der Klang löst sich von den Lautsprechern anstandslos frei.

Die Cincheingänge am Rotel A8

Analoges Quartett: die Cincheingänge am Rotel A8

Phono-Stufe

Mehr als eine freundliche Dreingabe ist die Phonostufe, die sicher gut geeignet ist für moderne Spieler auf Augenhöhe, an der aber auch ein geerbter Plattenspieler, etwa ein Thorens TD 320, sich als ein ebenbürtiger Mitspieler erweist. Das Klangbild wirkt frisch, vielleicht etwas weniger breit aufgefächert. Lou Reeds Frikative auf den Album „New York“ oder die zischenden Hi-Hat-Openings wirken sogar etwas scharf, wer über einen separaten Vorverstärker verfügt, kann vielleicht etwas an Klarheit und Wärme herausholen. Allerdings wird der Zauber von Vinyl sofort greifbar, wenn Led Zeppelin mit „Your Time is Gonna Come“ die zweite Seite eröffnen und den Raum mit sakralem Orgelspiel fluten, sich für einen Moment etwas zurücknehmen, ehe John Bonham mit einem brutalen Crash tatsächlich für eine Schrecksekunde sorgt. Grobdynamisch geht der Rotel eindrucksvoll mit, auch die wechselnde Räumlichkeit der beiden Orgelsounds ist ortungsscharf und reicht weit in den Raum – denn allzu klein sollte eine Bühne für Led Zeppelin nicht gerade sein!

Billboard
Transrotor

Test: Rotel A8 | Vollverstärker

  1. 1 Einfach ehrlich
  2. 2 Rotel A8: Klangtest & Vergleiche

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