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Von handgemachtem Rock in artifizielle Klangwelten. Die britische Postrock-Band Doves pflegt einen fetten und abwechslungsreichen Gitarrenrock-Sound, der zuweilen ein wenig an Radiohead erinnert, ohne jedoch den gleichen Grad an musikalischer Komplexität und Düsternis zu erreichen, sondern etwas – tja – dem Leben zugewandter wirkt.
Die Alben der Doves sind ausgefeilt produziert und voller klanglicher Überraschungen. Der Song „Darker“ beispielsweise lebt von einem sehr akzentuiert gespielten Schlagzeug, das zeitweilig durch einen Flanger geschickt wirkt, von weiten, tiefen Gitarrenwänden und einem interessantem Wechselspiel von akustischen und elektronischen Bass-Sounds. Der A5 bringt jedes Detail davon zur Geltung, und zwar mit einer sehr guten Mischung aus Involvement und Musikalität. Genauer: Es gibt ja Verstärker, die einen mit ihrer Präsenz geradezu „anschreien“: Sei es, dass sie Betonungen gewisser Frequenzbänder, zum Beispiel im Oberbass oder in den Höhen, mitbringen; sei es, dass die stereofone Bühne auf den ersten Höreindruck verführerisch groß ist. Das ist anfangs nicht selten beeindruckend, aber schon nach kurzer Zeit anstrengend. Genau das geschieht beim A5 eben nicht. Er bietet durchaus eine packende, fesselnde Wiedergabe, die mich aber trotzdem auch bei längerem Hören nicht ermüden ließ.
Und nun: Gesang und akustische Gitarren: Thurston Moore, der Gitarrist und (Co-)Sänger von Sonic Youth macht ganz gerne auch mal dann und wann ein Soloalbum. Das Album Trees Outside The Academy zeigt Moore von seiner ruhigeren Seite, zumindest was die Instrumentierung angeht: Fast nur akustische Gitarren, kaum Schlagzeug oder Percussion, trotzdem aber sehr intensives und dichtes Songwriting.
Der Track „Honest James“ beginnt mit einem sehr langen Instrumental-Intro, ganz klassisch eine Gitarre links, eine Gitarre rechts und mittig der Bass. Hier zeigt der A5 seine Fähigkeiten im Timing. Er stellt den Hörer dicht ins Geschehen, zeigt minimale Laufzeitdifferenzen beider Gitarren deutlich auf – und erzeugt damit eine sehr echte Live-Atmosphäre. Genauer gesagt: Man sitzt mittendrin! Links und rechts witschen einem die Gitarren um die Ohren. Das ist Klarheit, die gefällt, denn da der A5 unheimlich direkt und schnell antritt, entsteht ein sehr lebendiges Klangbild. Der später einsetzende Gesang – Frauen- und Männerstimme gedoppelt – zieht den Hörer über den A5 ebenfalls in den Bann. Die Stimmen liegen nämlich eine Oktave auseinander, jedoch im Stereo-Setting absolut mittig übereinander. Trotzdem sind die Unterschiede zwischen beiden Stimmen zu jeder Sekunde gut herausgearbeitet: Thurston Moore klingt eher nach Raucher, leicht heiser, kratzig und belegt – und seine Gesangspartnerin Christina Carter zur gleichen Zeit elfengleich, rein – sehr weiblich.
Anton Bruckners achte Sinfonie, die „Mystische“, steht nun auf dem Programm, in der Urfassung, einer Einspielung der Hamburger Philharmoniker unter Simone Young, auf SACD. Besonders der dritte Satz „Adagio“ hat es mir angetan, denn Bruckner zieht hier alle kompositorischen Register: Zarteste Melodien mit fast ersterbenden Bratschen und haarscharf am Kitsch vorbeilaufenden Harfen-Arpeggien treffen auf brutale, kantige Blechbläserattacken. Von pianissimo bis Schweinetutti mit großem Beckenschlag – alles da!
Der Aurum A5 zeigt sich hier erneut als hochpräzises „Medium“. Er lässt nichts weg, er fügt nichts hinzu. Der Hörer kann quasi sämtliche Gefühlswallungen, die im klassischen Konzert hochkommen würden, auch zu Hause erleben. Vom unterdrückten Zorn (welche blöde Kuh hustet da gleich zu Beginn mitten ins „pianissimo“ hinein?) bis hin zum ganz großen Glück und zur Gänsehaut bei schmetterndem Plenum.
Tonal agiert der A5 für meinen Geschmack auch hier in allen Lagen blitzsauber und mit höchster Genauigkeit. Die Qualität eines Verstärkers bemisst sich für mich jedoch vor allem am Talent, ein Orchester einerseits als Gesamt-Klangkörper abzubilden, andererseits auch in all seinen Einzelkomponenten hör- und begreifbar zu machen. Der etwas unakademische Begriff „Gesamt-Klangkörper“ meint an dieser Stelle: So, wie es einen „Berliner-Philharmoniker-Karajan“-Sound gibt, so gibt es eben auch einen „Berliner-Philharmoniker-Simon-Rattle“-Sound. Wir reden hier vom großen Bild, vom „Schmelz“, den ein Orchester hat, vom sinnlichen Gesamtauftritt.
Und zu den Einzelkomponenten: Von einem guten Verstärker erwarte ich, dass er mir neben dem Gesamtsound auch die einzelnen Gruppierungen herunterbrechen kann – bis hin zu den Solisten. Und dies sowohl tonal-instrumentell als auch räumlich. Mein Ideal sieht so aus, dass der Verstärker das Orchester als akustische Einheit präsentiert, in die man sich beruhigt fallen lassen kann, trotzdem aber quasi auf 20 Zentimeter genau angibt, wo denn nun der Schlagwerker genau steht. Es sollte sein wie beim Konzertbesuch: Man möchte zuweilen einfach nur mit geschlossenen Augen genießen und sich hingeben – aber dann und wann auch mal plinsen und sich die schicke erste Cellistin genauer beäugen. Wenn ein Amp das beides ermöglicht, dann finde ich ihn gut. Und das gelingt dem A5. Dabei hilft neben der tonalen Genauigkeit und Feinzeichnung sicherlich auch, dass er aus dem Stand heraus große Kräfte mobilisieren kann und eine Tutti-Passage so vehement in den Raum knallt, dass die Gläser in der Vitrine vibrieren würden, wenn man denn eine Vitrine hätte.
Bisher nur Lob, Lob, Lob. Hat denn der A5 keinerlei Schwächen? Tja, man müsste da schon recht erbsenzählerisch sein. Verglichen mit meiner eigenen Verstärkerkombination (Funk LAP-2 Vorstufe und Myryad MXA2150 Endstufe) steht der Aurum A5 jedenfalls unverschämt gut da: Er kostet 300 Euro weniger und ist ihr für meinen Geschmack klanglich mehr als ebenbürtig. Bei Lautstärken bis hin zu deutlich gehobener Zimmerlaustärke klingt er gegenüber der Referenzkombi tonal neutraler, aber auch detailreicher.
Auch ist er in Sachen räumlicher Ortungssschärfe überlegen. Dies betrifft sowohl die stereofone Sortierung größerer und/oder unübersichtlicher Ensembles als auch die „Festgenageltheit“ von Schallquellen. Man kennt den Effekt: Manchmal ist eine Klangquelle genau mittig gemischt, scheint aber eher diffus „aus beiden Lautsprechern“ zu kommen. Der A5 stellt sie wirklich in die Mitte und sagt: „Sitz!“. Erst wenn man richtig Vollgas gibt und sich in Lautstärkebereiche vorwagt, die man guten Gewissens nur noch als Besitzer eines freistehenden Einfamilienhauses nutzen kann, überzeugt die Referenzkombi mehr, sie verzerrt dann schlicht und einfach etwas weniger.
Einen kleinen Makel möchte ich nicht verschweigen: Der Aurum A5 bringt ab Werk ein – wenn auch geringes – Grundrauschen mit, das unabhängig von angeschlossener Quelle und/oder eingestellter Lautstärke ist. Es ist bei nicht überempfindlichen Standboxen jedoch ab anderthalb Metern Hörabstand nicht mehr zu vernehmen. Kleine Macke Nummer 2 – wenn auch keine akustische: Wenn man mittels der Fernbedienung den Mute-Zustand eingeschaltet hat, kann dieser am Gerät selbst nicht mehr abgestellt werden. Egal, welchen Knopf man drückt, der Mute-Zustand ist nicht wieder aufzuheben, das kann wiederum nur mit der Fernbedienung geschehen. Klar, nicht dramatisch, aber etwas kauzig.
Vielleicht noch ein paar Worte zur Paarung des A5 mit verschiedenen Lautsprechern: Da er sehr transparent aufspielt – und zwar bis in höchste Lagen – kann ihm je nach Geschmackslage ein etwas samtiger und neutral bis leicht warm abgestimmter Lautsprecher als Sparringpartner ganz gut tun. Das Gespann aus Aurum A5 und PSB Synchrony One (die mit 4.600 Euro Paarpreis auch finanziell in einer durchaus passenden Liga spielt) war in meinen Ohren eine absolute Traumkombination. Tiefsatter, konturierter, blitzblanker Bass, ausgesprochen farbenprächtige Mitten und ein wunderbar gut aufgelöster, aber nicht zu greller Hochtonbereich – das war Vergnügen pur.
An meinem anderen „Arbeitsgerätepaar“, der Neat Momentum 4i mit ihrem gnadenlos genau auflösenden magnetostatischen Hochtöner, funktioniert der A5 zwar gut, bei dieser Kombi kann sich jedoch ein winziges Quäntchen zu viel an Obertonglanz in die Ohren schleichen. Spaßeshalber habe ich auch mal die Nubert nuBox 101 angeleint, kleine Kompaktlautsprecher in geringfügig dreistelliger Preisklasse (Bild links) – doch der Aurum A5 konnte an ihnen seine Fähigkeiten in Räumlichkeit und Tiefenstaffelung überraschend gut ausspielen. Klar, dass der Bassbereich hier zu kurz kommt, aber die Paarung aus beiden Komponenten war deutlich brauchbarer, als der doch recht große Preisunterschied vermuten ließe. Der A5 ist also durchaus für Experimente zu haben.
Test: Quadral Aurum A5 | Vollverstärker