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Exemplarisch möchte ich Sie deshalb in die Welt der seltensten und kostspieligsten Streichinstrumente entführen, die unser Globus kennt: Auf meiner aus den sechziger Jahren stammenden MCA-Ausgabe der LP The glory of cremona spielt der leider im August 2012 94jährig verstorbene Violinist Ruggiero Ricci auf einer Sammlung von zwölf Geigen aus den Werkstätten berühmter Cremoneser Geigenbauer wie Antonio Stradivari, Andrea Amati oder Joseph Guarneri del Gesu.
Auch wenn sich inzwischen ein wenig Patina auf die ansonsten klanglich einwandfreie Aufnahme gelegt hat, so lassen sich mit den Plinius-Verstärkern die klanglichen Charakteristiken der eingesetzten Instrumente wunderbar differenzieren. Eine gute Gelegenheit, sich über den „Hausklang“ der mythenumrankten Geigenbaumeister zu informieren. Ohne feinste Auflösung und Präzision im Hochtonbereich wäre dies bei so hochtonkritischen Instrumenten schlechterdings nicht möglich. Hören Sie sich mal verschiedene Violinen bewusst über eine qualitativ einfache Anlage an. Sie werden sofort bemerken, wie ähnlich und beliebig sie klingen.
Über die Plinius-Verstärkerkombi wiedergegeben, treten auf einmal die ganz individuellen klanglichen Eigenschaften jedes einzelnen Meisterinstrumentes hervor. Sei es, dass die Amati sich eines leicht harzigen, dennoch nie strähnigen Tonfalls bemüßigt, eine Stradivari mit besonders gleißenden, durchsetzungsstarken Höhen aufwartet oder immer wieder die Instrumente von Joseph Guarneri del Gesu mit dunklerem Timbre, aber auch mit schier unerschöpflichem Klangfarbenreichtum den Hörer in ihren Bann ziehen. Dabei zerren die neuseeländischen Verstärker Details nicht exhibitionistisch in den Vordergrund, sondern achten stets auf eine stimmige Einbettung in das Klanggeschehen. Tendenziell einen Touch auf der dunkleren Seite angesiedelt, was, wie mir Quervergleiche zeigen, für Vor- und Endstufe gleichermaßen charakteristisch ist, geizen sie nicht mit Auflösung oder Analyse. Weil das aber alles unaufdringlich geschieht, bleibt es dem Hörer überlassen, ob er sich nun dem Aufdröseln filigraner Klangstrukturen widmen möchte oder sich einfach mal von der Musik wegtragen lässt.
Läuft die Plinius SA-103 in Class-A, erwärmt sich ihre Aluminium-Behausung erheblich. Trotz sinkender Außentemperaturen habe ich die Zimmerheizung während der Testphase nie einschalten müssen und konnte mich trotzdem über behagliche 22 – 24 °C freuen. Auch unser örtlicher Energieversorger dürfte sich mitgefreut haben. Dass sich die Endstufe nach einer Zeitspanne ohne Signal selbstständig wieder auf den vergleichsweise stromsparenden AB-Betrieb umschaltet, ist da mehr als ein reines Komfortmerkmal. Allerdings weiß, wer sich für einen Class-A-Verstärker „erwärmt“, natürlich im Voraus, dass das nicht mit einer ausgemachten Energiesparneigung unter einen Hut zu bekommen ist.
Reiner Class-A-Betrieb wird ja häufig mit einer besonders natürlichen und wohlklingenden Stimmwiedergabe in Verbindung gebracht. Was liegt da näher als den Multiplayer Gondul M mit ein paar Weihnachtsliedern zu füttern. Dennoch hat Descemberbarn nicht allzu viel mit den üblichen Verdächtigen dieses Genres gemein, sodass diese Scheibe nicht nur in der Vorweihnachtszeit eine willkommene Abwechslung darstellt. Kari Bremnes und Rikard Wolff, beide mit interessanten, charaktervollen Stimmen gesegnet, haben mehr als ein Dutzend nordischer Weihnachtslieder und Traditionals eingespielt. Allesamt Kleinode, die, da kein geringerer als Jan Eric Kongshaug am Mischpult saß, auch mit perfektem Klang verwöhnen.
Das von Rikard Wolff interpretierte „Ave Maria“ aufgelegt, und schon fühlt man die Anspannungen des Alltages allmählich von sich abfallen und ein schwer beschreibbares Gefühl innerer Ruhe einkehren. Wolffs minimal kratziger, gereifter Tonfall kontrastiert dabei mit den sonst so gerne eingesetzten hohen Knaben- und Sopranstimmen, die sich in ihrer Makellosigkeit häufig schon mal ins Beliebige zu verlieren drohen. Wieder sind die beiden Plinius-Verstärker ganz in ihrem Element. Es gelingt ihnen bei Rikard Wolffs Interpretation den ergreifenden, sakralen Charakter des „Ave Maria“ in der Version von Bach/Gounod auf den Punkt herauszuarbeiten.
Auch „I den kalde vinter“ ist ein Anspieltipp. Wann hat Kari Bremnes Stimme jemals so feierlich und dennoch frei von schwülstigem Zierrat geklungen? Wenn es um das Aufspüren des inneren Kerns eines Musikstückes geht, scheinen mir M8 und SA-103 jedenfalls zwei heiße Kandidaten zu sein.
Mit den Kharmas hat der Plinius SA-103 ohrenfällig ein leichtes Spiel. Dank ihres vernünftig hohen Wirkungsgrades von um die 90 dB und einer kaum unter 8 Ohm abfallenden Impedanz sind sie ideal geeignet, mich von der verführerischen Musikalität von Class-A zu überzeugen. Besonders wenn Stimmen und akustische Instrumente auf dem Programm stehen, kommt der sensible, samtene Ton der Neuseeländer dem sehr guter Röhrendesigns schon verblüffend nahe.
Auch die Gamut PHI3, als Minimonitor mit eher mäßigem Wirkungsgrad gesegnet, kann an der Plinius-Endstufe die klangliche Klasse, welche in ihrer einfachen, aber konsequent realisierten Konstruktion verborgen liegt, eindrucksvoll demonstrieren. Naturgemäß ist echter Bass unterhalb von 60 Hertz auch mit einer Topverstärkung nicht aus so kleinen Gehäusen zu gewinnen. Versuchsweise schalte ich noch einmal in den AB-Modus der Endstufe und prompt gelingt es dem fünfzehn Zentimeter kleinen Tief-Mitteltöner einen so prägnanten und festen Bass im Bereich unter 100 Hertz zu entlocken, dass erst der direkte Vergleich mit den größeren Lautsprechern die Verhältnisse wieder einigermaßen zurechtrücken kann. Da auch die übrigen Frequenzbereiche souverän und ausgewogen klingen, muss ich mir schon ein paar Mal die Augen reiben, um sicherzugehen, dass die Musik wirklich aus diesen Lautsprechern kommt, deren Stirnfläche nicht einmal die Größe eines Din-A4-Blattes erreicht.
Bleibt noch die Frage offen, wo sich, bei den vielen Lorbeeren für den Plinius SA-103, die Vorstufe positionieren kann. Denn auch der neuseeländische Endverstärker kann ja nur das in Klang umsetzen, was über die Vorstufe M8 an seine Eingangsbuchsen gereicht wird.
Nun, die lässt sich leicht als klangfarbenstarke, dynamisch extrem aufgeweckte Zuspielerin identifizieren. Ihre lebendige, druckvolle Spielweise, welche die M8 auch an meinen Mudra-Monos beibehielt, kombiniert sie mit einer Tiefenstaffelung und Raumausleuchtung, die weniger auf die Erforschung hinterster Winkel Wert legt, sondern eher ein in die Breite gezogenes Panorama entwirft.
Auch sind mir Vorstufen bekannt, die bei der Aufarbeitung von Quellsignalen analytischer vorgehen und dabei eine große Menge kleiner Details ans Tageslicht bringen können. Die Plinius M8 hält mit einer wunderbar körperhaften Darstellung von Instrumenten und Interpreten dagegen. Zu den Vorverstärkern, die Auflösung mit Seziererei verwechseln, gehört sie jedenfalls definitiv nicht. Wenn bei „The beauty way“ auf Reunion erst die Gitarre am rechten Rand den Song einleitet und dann Lucy Kaplanskys Stimme überraschend aus dem Nichts mit großer Körperhaftigkeit einsetzt, ist die Illusion nahezu perfekt. Besser kann das meine Röhrenvorstufe Melody 1688 II auch nicht. Zu wilde Klangkaskaden kontert sie, wieder röhrenähnlich, eher mit sanfter Verrundung als mit Komprimierung. „Lebendig und relaxt“ sowie „Sehr langzeithörtauglich“ steht in meinen Notizen.
Insgesamt ergibt sich ein sehr stimmiges, viel Hörspaß vermittelndes Gesamtbild. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Plinius M8 gerade tendenziell etwas zurückhaltend agierenden Ketten ein zusätzliches Quäntchen mehr Druck und Verve spendiert.
Test: Plinius M8 und SA-103 | Vor-End-Kombi