Inhaltsverzeichnis
Lautsprecher gibt es viele. Manche sagen sogar: zu viele. Ich selbst schätze die große Auswahl beim wohl faszinierendsten und klanglich maßgeblichsten Teil einer Audiokette jedoch schon. Und freue mich, dass auch immer wieder neue Marken den Mut haben, in den hart umkämpften Markt einzutreten. Besonders begrüßenswert ist es, wenn sie mit eigenständigen Lösungen aufwarten und eine hohe Fertigungstiefe aufweisen, Stichwort „Freak Credibility“. Perlisten (https://www.audio-reference.de/) gibt es seit 2015, die Fertigung erledigt man zwar in China, dort allerdings in einer eigenen Fabrik. Zu den wesentlichen Unterscheidungsmerkmalen von Perlisten-Lautsprechern zählt ein Array aus zwei Mitteltönern und einem Hochtöner, das optisch zunächst wie ein einzelner Treiber anmutet. Auch klanglich erwachsen aus diesem Kniff Besonderheiten, wie uns die Perlisten S5m (12.680 Euro) noch hören lassen werden.
Kompaktbox mit fünf Treibern
Schauen Sie genau hin: Ober- und unterhalb des zentralen Hochtöners finden sich auf dessen Hornvorsatz zwei kleine runde Gitter, hinter denen sich zwei überraschend kleine (28 Millimeter) Mitteltöner verbergen. Die Mittel-Hochtoneinheit der Perlisten S5m ist tatsächlich ein proprietäres Bauelement („Directivity Pattern Control“ – DPC) und nicht bloß ein D’Appolito-System. Die Übertragungsbereiche von Mittel- und Hochtöner überlappen sich im Gegensatz zu D’Appolito-Systemen nämlich: Sie beginnen gemeinsam bei ungefähr einem Kilohertz, ab drei Kilohertz klinken sich dann aber die 28-mm-Mitteltöner aus, um den 28-mm-Tweeter bis weit über 20 kHz (+/-1,5 dB bis 20 kHz) das Schallfeld gänzlich alleine bestellen zu lassen.
Wow, ein Arbeitsbereich von tausend Hertz bis open end – viel Verantwortung für einen kleinen Treiber. Der mit einem Durchmesser von 28 Millimetern dann auch ein bisserl größer ausfällt als die handelsübliche 1-Zoll-Hochtonkalotte und darüber hinaus vor allem qualitativ besticht: Anders als bei den preisgünstigeren Perlisten Audio R5m wartet der Tweeter der S5m mit einer gerade mal 0,9 Gramm wiegenden Beryllium-Membran auf und verfügt zudem über eine spezielle Rückkammerkonstruktion zur Absorption nach hinten gerichteter Reflexionen, mehrere Kurzschlussringe zur Induktivitätsminimierung sowie eine Sickenkonstruktion, die für Homogenität und Verzerrungsarmut auch in Regionen oberhalb von 25 kHz Sorge trage, so Perlisten.
Und natürlich sind auch die vier weiteren Treiber der Perlisten nicht von Pappe – und auch nicht von „Polyprop“: Deren Membranen rekrutieren sich vielmehr aus einem Kohlefaser- beziehungsweise Karbongewebe, das unter dem Namen „Textreme“ hauptsächlich in der Industrie vermarktet wird. Der schwedische Hersteller Oxeon fertige die Membranen quasi maßgeschneidert, so Daniel Roemer, CEO und Mitgründer von Perlisten. „Das Textreme-Material lässt sich durch Simulationen so abstimmen, dass man genau den Frequenzgang erhält, der fürs jeweilige Design optimal ist. Die Dicke und die Ausrichtung der verschiedenen Schichten werden entsprechend von uns vollständig festgelegt. Das Material hat fast die Festigkeit von Beryllium, ist aber besser gedämpft und leichter.“
Ziele muss man haben …
Die beiden Mitteltonkalotten kommen übrigens auf Massen von jeweils 1,2 Gramm – im Zusammenspiel mit dem Berylliumhochtöner lässt das eine besonders hohe Auflösung und leichtfüßige Feindynamik erwarten. Wir werden hören. Auch die beiden 14-cm-Tieftöner sind mit je 17 Gramm alles andere als Schwergewichte ihrer Art. Gleichwohl stellt Perlisten als Vorzüge seines „Directivity Pattern Control“ nicht die Analytik ins Rampenlicht, sondern das Abstrahlverhalten, sprich die Energieverteilung im Hörraum: Die durch das Array beförderte vertikale Bündelung des abgestrahlten Schalls minimiere Decken- sowie vor allen Bodenreflektionen, die sich in der Hörwahrnehmung sonst als „early reflections“ mit dem eigentlichen Signal vermischen würden. Horizontal zahlen die kleinen Mitteltöner hingegen auf ein breites, homogenes Abstrahlverhalten ein. Beide Zielsetzungen lassen sich im Hörraum übrigens leicht nachvollziehen: Auch auf einer Hörposition links oder rechts der Sofamitte mutet die Abbildung schlüssig und homogen an, steht man hingegen auf, wirkt das Klangbild hochtonseitig matter.
Ab in den Süden: die Bassabteilung
Natürlich führen die Perlisten S5m auch außerhalb des DPC ein Musikleben: Die beiden bereits erwähnten 14-cm-Tieftöner erfahren dabei von einem vergleichsweise tief abgestimmten (23 Hertz Tuningfrequenz) Bassreflexsystem Unterstützung, wodurch sich einerseits im Tiefbass noch etwas tun soll, andererseits insgesamt eine Bassqualität resultiere, die Großteils eher an ein geschlossenes System erinnere, so Perlisten.
Die Bassreflexöffnung bläst übrigens nach Süden, dennoch sind die Perlisten S5m im Zweifel auch sideboardtauglich beziehungsweise mit allen handelsüblichen Lautsprecherständern hinreichender Größe kompatibel. Ich selbst habe sie auf Lovan-Ständern platziert – wenngleich die sauschweren und mit den Lautsprechern verschraubbaren Perlisten-Ständer natürlich die optimale Kombi ergeben.
Die Bassreflexöffnung bläst nämlich auf eine Handbreit entfernte, abnehmbare Bodenplatte, die Töne werden über seitliche und rückwärtige Lüftungsschlitze entlassen, deren Gitter gleichzeitig Designakzente setzen. Abnehmbarer Boden? Ja, wer beispielsweise wegen einer wandnahen Lautsprecheraufstellung den Bass noch weiter zähmen möchte, vermag dies mittels beiliegender Schaumstoffstopfen zu tun, die sich durch den offenen Boden in die jeweilige Bassreflexöffnung einbringen lassen. Im Hörtest bin ich bei freier Aufstellung (> 80 cm zu allen Seiten) aber durchweg „offen gefahren“.
Perlisten S5m – Klangtest und Vergleiche
Mein Pärchen Perlisten S5m hatte augenscheinlich zwar schon ein paar Einsätze absolviert, spielte sich während der ersten zwei Wochen nichtsdestotrotz noch weiter ein, um in dieser Zeit tonal einen Tick ins Volltönende, Warme überzuwechseln. Unbedingt angeraten war zudem, die – leicht zugänglichen – Schrauben der Treiber nachzuziehen, die sich merklich gelöst hatten, was unter anderem die Basspräzision hörbar schmälerte.
Adäquat mit Tendenz zum Staunen: Der Bass
Derart präpariert machen die S5m untenrum einen guten Job – und zwar quantitativ wie qualitativ. Der Tiefbass gerät zwar weniger massiv als mit meinen kleinen, ebenfalls nicht übermäßig druckvollen Standlautsprechern Wilson SabrinaX – aber das stand zu erwarten, die S5m sind halt Kompaktlautsprecher, wenn auch große. Da bringen andere Vertreter der Zunft wie etwa die Bowers & Wilkins 805 D4 ebenfalls nicht mehr, eher im Gegenteil.
Und letztlich gerate ich sogar ein wenig ins Staunen darüber, dass die Perlisten S5m die nur kurz stehenden, sehr tief liegenden Basstöne in „Am I“ von Kode9 (Album: Black Sun) noch minimal an deren oberen Rändern ankratzt. Kurzum: Der Tiefgang der Perlisten erfüllt die Erwartungen an solche großen Kompaktlautsprecher; die ähnlich dimensionierten Sehring 901 sind die einzigen passiven Kompakten, die mir spontan als „noch tiefer hinabreichend“ in den Sinn kommen. Aber viel wichtiger: Tonal integriert sich der Bass bestens ins Gesamtklangbild, allenfalls eine minimale, schmale Erhöhung irgendwo im Ober- oder Mittelbass lässt sich mit überkritischen Ohren ausmachen, doch eigentlich ist das kaum der Rede wert, die Tieftonabstimmung der Perlisten S5m mit offenen Bassreflexrohr darf als neutral mit einer Minitendenz ins Warme gelten.
Die Bassqualität der Perlisten-Lautsprecher gestaltet sich passend zur Quantität. Meine Wilson-Lautsprecher setzen in Sachen Basspräzision eine schöne Benchmark – ohne übertrieben ausgetrocknet oder eckig zu klingen, geben sie einen angenehm „tendenzlosen“ Maßstab vor. Im direkten Vergleich muten die Tieftöner der S5m einen Tick weicher aufgehängt an und tönen einen Hauch runder und gefälliger als es strenge Lehre wäre.
Geschmeidig schaufeln
Grobdynamisch haben die Textreme-Konusse also gut Bassmasse auf der Schippe, schaufeln diese tendenziell aber mit eher fließender denn übermäßig zackiger Bewegung in Richtung Hörer. Genusshörern sollte eine solche Abstimmung so ziemlich zupasskommen, zumal es die Perlisten S5m keineswegs übertreiben und selbst bei Musik, die tieftonseitig schnell aus dem Ruder laufen kann, bestens funktionieren: Neben Kode9 hatte ich noch Free the Robots, The Bug und Weval in der Playlist. Überdies wird ein vorbildlich akkurates Timing geboten, sämtliche Frequenzbereiche erscheinen wie aus einem Guss.
Präzision meets Geschmeidigkeit
„Vorbildlich akkurat“ würde sich mit Blick aufs Auflösungsvermögen fast zu tiefstapelnd lesen – denn hier sind die Perlisten S5m top notch. Wobei: Mit ihnen lassen sich keineswegs mehr Details hören als mit meinen Sehring 903 oder Wilson SabrinaX. Vielleicht werden sie einem von den S5m sogar weniger unter die Nase gerieben als von vielen anderen Lautsprechern. Die pegelseitig leicht abfallenden oberen Lagen und die Attack der Feindynamik mögen hier ursächlich sein, dazu verliere ich gleich noch ein paar Worte.
Aber: Der Körper, das Sustain einzelner Töne und die Musik als Ganzes erscheinen texturierter, filigraner, wenn man genauer hinhört; der Berylliumtweeter und die kleinen, leichten Textreme-Mitteltöner verrichten ihre Arbeit offenkundig sehr, sehr sensibel. Die Feinpixeligkeit, die Feinstofflichkeit des Hochtons – ja, des gesamten Klangbilds – sind extrem ausgeprägt. Wie automatisch glänzt das Klangbild überdies durch Abwesenheit jeglicher Körnigkeit oder unbotmäßiger Ecken und Kanten. Penible Präzision meets genüssliche Geschmeidigkeit, könnte man sagen, bei alledem strahlt das Gebotene irgendwie eine angenehme, souveräne Ruhe aus.
In den dichten Passagen von „Too real“ der irischen Postpunk-Kapelle Fontaines D.C. (Album: Dogrel) lässt diese Feinstofflichkeit das Gefühl aufkommen, nahezu grenzenlos in den Mikrokosmos des rauen Sounds hineinzoomen zu können, ja, in die Widersprüchlichkeit von Weich und Hart, von Grob und Fein förmlich einzutauchen. Bei alledem profitieren Feinauflösung und -dynamik von einer besonderen Hintergrundruhe und -schwärze: Die Perlisten S5m geben sich bei leisen bis mittelhohen Lautstärken sicherlich auch messtechnisch äußerst verzerrungsarm – bei noch höheren Pegeln kippt es dann allerdings. Hier unterscheiden sich die S5m maßgeblich von den kleineren Perlisten Audio R5m, die seinerzeit weder diese quellwasserartige Reinheit noch extreme Hintergrundruhe ausstrahlten.
Understatement als Highlight
Trotz des hohen Auflösungsvermögens zeitigen die Perlisten S5m – sofern endgültig eingespielt – also ein eher mildes und auf keinen Fall ausgeprägt analytisches Klangbild. Darauf zahlt bestimmt auch der pegelseitig leicht zurückgenommene Hochton ein, wie überhaupt der gesamte Frequenzgang nach oben hin allmählich und leicht abzufallen scheint. Davon unbenommen ist es wirklich klasse, wie leichtfüßig und fluffig beispielsweise die an Handtrommeln, Hi-Hat und Shaker erinnernde, gleichwohl elektronische Percussion in Doomsquads „Who owns Noon in Sandusky“ (Total Time) übertragen werden. Die kurzlebigen Texturen und Pegelverläufe solcher Transienten sind mit den S5m extrem gut nachvollziehbar. Selbst meine Referenzlautsprecher bieten einen weniger klaren Blick aufs feindynamische Profil von Tonkörpern. Dafür mutet die Perkussion über die Wilson SabrinaX zackiger und energetischer an, sie setzen die Attack einzelnen Töne schneller um, lassen sie mithin unmittelbarer, markanter erscheinen und hochtonseitig offener.
In gewisser Weise sind die Perlisten S5m in Teilbereichen das Gegenstück zu mir bekannten B&W-Lautsprechern wie den Bowers & Wilkins 805 D4 Signature oder den B&W 805 D4. Deren Hochtonwiedergabe ist qualitativ zweifelsohne exzellent, und genau das wollen die Engländer dem Hörer ostentativ unter Beweis stellen, man kann die B&W obenrum als Sensation empfinden, viele Hörer lieben das. Wie beschrieben, gelingt es den S5m ebenfalls extrem detailliert zu klingen, hochtonseitig gehen sie dennoch leiser, weniger zackig und insgesamt merklich seidiger zu Werke. Leichte Übertreibung hier, leichte Untertreibung dort – da zeigen die Amerikaner den Engländern doch glatt, wie Understatement geht
Mitten mit Reminiszenzen …
Im Mittelton spielen die kompakten Perlisten feindynamisch einen Tick akzentuierter als im Hochton. Aber vor allem gilt: Stimmen klingen unglaublich durchsichtig und klangfarblich rein. Aufgrund der beschriebenen Seidigkeit der Wiedergabe wirken sie dennoch auf besondere Art und Weise weich – ja: weiches, klares, minimal angewärmtes Wasser wäre das Beispiel für die Synästhetiker unter den Lesern.
Die verschwörerische, intim eingefangene Stimme von Edward Ka-Spel in „On Another Shore“ (Legendary Pink Dots – 9 Lives to Wonder), der düster-monotone Sprechgesang von Adi Newton (Clock DVA – Final Program) oder die rebellisch-zynisch vorgetragenen Lyrics von Grian Chatten (Fontaines D.C. – Dogrel) klingen ebenso hochtransparent wie eingängig und organisch. Gerade für feine Schwebungen und die Obertöne von Stimmen sind die Perlisten S5m ausnehmend durchlässig. Und das, obwohl sie nach oben heraus eine Nuance weniger präsent und schneidig tönen, als ich das gewohnt bin. By the way: Der Charme der Mittenwiedergabe der Perlisten hat zwar nicht unmittelbar etwas mit dem vielbeschworenen Extraschmelz oder üppiger Wärme zu tun, die man manchen klassischen britischen Lautsprecherklassikern nachsagt. Dennoch bin ich mir sicher, dass auch und gerade Fans solcher Klangstimmungen die S5m spontan in ihr Herz schließen werden.
Bühne frei
Ganz ähnlich wird es wohl auch Freunden einer involvierenden Räumlichkeit gehen: Die dicht gepackte DPC-Einheit aus Tweeter und den beiden Mitteltönern der S5M hat hörakustisch tatsächlich schon etwas Punktstrahlquellenartiges an sich – und wirkt zudem phasenseitig ausnehmend kohärent. Details definieren sich dadurch sehr fokussiert, unverschmiert und greifbar, und das – wie schon erwähnt – auch über ihren (feindynamischen) Verlauf. Ja, in dieser Angelegenheit kommt den Perlisten schon beinahe eine Art Alleinstellungsmerkmal in ihrer Klasse zu.
Nur logisch, dass sich Stimmen extrem schlüssig manifestieren und eine tolle Physis entwickeln können – wobei sie zusätzlich von einer ausnehmend guten Tiefenstaffelung profitieren, sofern dass die Aufnahme hergibt. Ich weiß nicht, ob ich all das überhaupt schon mal wirklich besser gehört habe. Die präzise Definition der Stereomitte – dort erscheinen Stimmen ja meistens – sei zudem hervorgehoben. Unterm Strich wirkt die Abbildung wirklich vorbildlich losgelöst – scheinbar „boxenfrei“.
Wobei ich mir einbilde, dass gute Kompaktlautsprecher generell eine besondere räumliche Freiheit suggerieren können – und auch die Perlisten S5m vermögen einzelne Klänge noch glaubhafter durch den Raum schweben zu lassen als die Standlautsprecher, die ich kenne. Man meint fast, der eigene Kopf hätte beim Hören weniger korrigierende Rechenarbeit zu leisten, um die virtuelle Bühne schlüssig einrasten zu lassen. Bei alledem öffnet sich die Abbildung mit den Perlisten S5m schön nach vorne Richtung Hörer, so wie es bei guten Lautsprechern in meinem Hörraum üblich ist, sie zeichnen aber keineswegs unüblich groß oder frontal.
Test: Perlisten S5m | Kompaktlautsprecher