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Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Action im Karton!
  2. 2 Orbid Sound Pluto: Klangeindrücke

Nahezu im Jahresrhythmus habe ich die Gelegenheit, Lautsprecher von Orbid Sound (Web: www.orbid-sound.de) in meinen vier Wänden zum Test zu begrüßen. Im August 2017 war es die Standbox Telesto, die mir sehr viel Freude bereitete, und im April 2018 zeigte mir die kompakte Neso – zudem in leuchtendem Orange –, dass ihre Entwickler aus dem Schwäbischen die Traute besitzen, einen Schallwandler anzubieten, der eher etwas für individuelle Hörgeschmäcker ist. Mein aktuelles Testmuster Orbid Sound Pluto (Preis: 1.290 Euro/Paar) ist nun rein optisch ein Mittelding zwischen der handlichen Neso und der als Floorstander konzipierten Telesto. Gerade einmal 70 Zentimeter in der Höhe misst sie, was ihr ein eigentümlich „gedrungenes“, gleichzeitig aber auch zurückhaltendes Äußeres verleiht. Dazu trägt auch ihr betont schlichtes Design bei.

Orbid Sound Pluto, Paar

Fans der Marke werden sich erinnern, dass es eine Pluto schon mal gab. Sie gehörte einst zu den meistverkauften Lautsprechern des Hauses. Da ist es nur folgerichtig, dass die Schwaben ihr Erfolgsmodell nicht nur namentlich wieder aufleben lassen, sondern es dem Stand der Zeit angepasst haben. Die heutige Orbid Sound Pluto ist eine Kombination aus den Modellen Star I und der Ur-Pluto – und ersetzt damit gleichzeitig die bisherige Kerbero. In das Gehäuse der Pluto haben die Entwickler nunmehr ein 20 Zentimeter durchmessendes Basschassis eingesetzt und wollen damit einen Schallwandler anbieten, der bei kompakten Abmessungen Räume bis 25 Quadratmeter problemlos bespielen kann. Soviel sei vorab verraten: Es ist ihnen gelungen.

Die Bestückung der Orbid Pluto darf man im besten Sinne klassisch nennen, sie arbeitet als Drei-Wege-Bassreflex-System, wobei das „Atemrohr“ des Tieftöners nach vorne abstrahlt. Die Chassis selbst werden allesamt vom spanischen Lieferanten Beyma bezogen, wobei sowohl der Tief- als auch der Mitteltöner durch ihre großzügig bemessenen Sicken auffallen. Dem Tweeter wurde eine Art kleiner Hornvorsatz („Waveguide“) verpasst, damit laut Hersteller „trotz der geringen Gesamthöhe der Box in den höheren Frequenzbereichen bei der Hörposition und generell im Raum nichts verloren geht.“

Der Hochtöner der Orbis Sound Pluto besitzt einen kleinen Waveguide

Der Hochtöner der Orbid Sound Pluto besitzt einen Waveguide

Typisch für Orbid Sound ist der hohe Individualisierungsgrad, den die Fertigung in Handarbeit zulässt. Grundsätzlich ist die Orbid Sound Pluto in Schwarz oder Weiß erhältlich und wird ohne Abdeckung und Füße geliefert. Es gibt zwei Lackarten: Struktur und Seidenmatt; gegen geringen Aufpreis lackieren die Schwaben das Kabinett in jeder RAL-Farbe. Empfehlenswert ist, bei der Bestellung gleich zwei Sätze Schwingungsdämpfer, vulgo Absorberfüße, in den Warenkorb zu packen. Es gibt zwei Typen: Wählt man „nackte“ Kunstkoralle sind 20 Euro je 4er-Satz fällig, möchte man mit handgearbeiteter Aluminiumhülse „verkleidete“ Kunstkoralle, liegt man preislich bei 60 Euro pro Satz. Wer eine Stoffbespannung wünscht, kann aus fünf Farben wählen und zahlt 35 Euro Aufgeld pro Stück. Also alles im fairen Rahmen.

Die optional erhältlichen Standfüße der Orbid Sound Pluto

Die optional erhältlichen Standfüße der Orbid Sound Pluto

Über die Auslegung und Bestückung der Frequenzweiche äußert sich Orbid-Sound-Entwickler Daniel Beyersdorffer traditionell nicht, da diese unmittelbar den Klangcharakter seiner Lautsprecher prägen würden und man sich ein wenig Geheimnis durchaus bewahren wolle. Nur soviel: Die Bauteile seien allesamt „ausgesucht hochwertig“. Was auch für das für den Singlewire-Betrieb ausgelegte Anschlussterminal der Orbid Sound Pluto gilt. Es ist robust und offenbar für ein langes Leben gedacht.

Terminal der Orbid Sound Pluto

Orbid Sound Pluto: Klangeindrücke

Was soll ich groß drumherum reden? Selbstverständlich gibt es einen „Familienklang“ – und das nicht nur bei Orbid Sound. Er fällt mir hier natürlich auch deshalb auf, weil ich mit der Pluto bereits den dritten Schallwandler der Balinger Manufaktur in meinem Hörraum begrüßen kann. Und der Eindruck, den die Geschwister Neso und Telesto bei mir hinterließen, manifestiert sich auch bei der Pluto: Orbid Sound versucht‘s erst gar nicht mit Gemütlichkeit. Hier ist Action im Karton!

Dampf auf den Kessel

A Perfect Circle - Eat The Elephant_Laden wir doch einfach gleich zu Beginn mit „The Doomed“ von A Perfect Circle (Album: Eat the Elephant; auf Amazon anhören) mal ein wenig Dampf auf den Kessel und freuen uns über die herrlich attackig und staubtrocken peitschenden Drumkicks und den sehnig-straff definierten E-Bass, den die Orbid Sound Pluto in den Hörraum jagt. Das tut sie mit solcher Präzision, als produziere ihr Basschassis praktisch keinerlei Nachschwinger. Fußpedal treten – „Bupp!“ – und schon steht die Membran wieder. Auch bei forcierter Lautstärke lässt sich der Treiber da nicht irritieren. Richtig cool, um mal ein abgedroschenes Trendwort einzubringen.

Der Tieftöner der Orbid Sound Pluto

Der Tieftöner der Orbid Sound Pluto

Gleichwohl: Die Pluto tauscht am unteren Frequenzende Attacke und Punch gegen absoluten Tiefgang ein. Von einem 20-Zentimeter-Treiber im Bassreflexgehäuse würde ich eigentlich etwas mehr „Kawumm“ erwarten – hach, irgendwie habe ich gerade Spaß an Comicsprache – oder, sachlicher formuliert, ein etwas voluminöseres Fundament. Was etwa die größere Schwester Orbid Telesto liefert. Diese verfügt allerdings auch über zwei „Zwanziger“ im Bauch, nutzt diese verdoppelte Membranfläche aber ebenfalls nicht zum Auslösen seismographischer Ereignisse, wie es bei manchem Wettbewerber das Ziel zu sein scheint.

Marcus Wiebusch - KonfettiUnd so geht auch die Orbid Sound Pluto – wie die Telesto – gezielt mit ihren energetischen Reserven um. Sie grummelt und poltert niemals einfach drauflos, sondern landet ihre „Tiefschläge“ genau dann, wenn es passt – und dann auch mit Druck. Das lässt manchmal vergessen, dass es mit anderen Lautsprechern dieser Klasse oft tiefer runter geht. Der elektronisch generierte Tiefbass in „Haters gonna hate“ von Marcus Wiebusch (Album: Konfetti; auf Amazon anhören) kriecht über eine Saxx CX90 (um 1.400 Euro) beispielsweise physisch spürbarer unter die Fußsohlen, ohne dass die hochglanzlackierte Klangsäule in Antritt und Attacke wesentlich „langsamer“ als die Orbid Sound wäre. Letztlich läuft es auf eine Geschmacksfrage und auf persönliche Hörgewohnheiten hinaus.

Mittel- und Hochton

Der Mitteltöner der Orbid Sound Pluto

Der Mitteltöner der Orbid Sound Pluto

Ich erinnere mich noch genau an mein erstes akustisches Rendezvous mit der Orbid Sound Telesto. Als sie in meinem Hörraum die ersten Töne von sich gab, dachte ich: „Hui, da hat es jemand im Mittelhochtonbereich aber mal so richtig gut gemeint!“ Sprich: Ich fand sie recht forsch, fast frech, ja, im ersten Moment sogar ein wenig aufdringlich. Der Charme ihrer Abstimmung erschloss sich mir erst mit der Zeit. Und nein: Ich musste sie mir weder schönhören noch -trinken. Da war so eine Art involvierende „Freshness“, die mich ins Geschehen hineinzog. Um diesen klanglichen Fingerabdruck der Schwäbinnen wissend, konnte mich die Orbid Pluto jetzt nicht mehr überraschen. Auch sie hat diesen sehr frischen Mittelhochtonbereich, der vor allem bei Sprache und Gesang ausnehmend involvierend wirkt. Stimmen und Naturinstrumente treten weit aus den Lautsprechern heraus und stehen mit frappierender Plastizität im Raum.

Orbid_Sound_Pluto_Front_Abdeckung

Beth Hart - Fire on the FloorÜber die Saxx CX90 steht Beth Hart in „No Place Like Home“ (Album: Fire on the Floor; auf Amazon anhören) etwa einen halben Schritt weiter von meiner Hörposition entfernt. Was kein Nachteil sein muss – die künftigen Besitzer einer Orbid Sound Pluto sollten es indes ein wenig intimer mögen: Mit akustischer Distanz hat sie es nicht so. Charmant-forsch – aber eben ein bisschen anders als andere. Vorteilhaft ist die im besten Sinne klare Vorstellung vor allem bei dichten musikalischen Arrangements wie im progressiven „Antitype“ von The Intersphere (Album: The Grand Delusion; auf Amazon anhören), in die die Orbid Sound Pluto brennglasartige Einsichten erlaubt. Hier bleibt nichts verborgen, und trotzdem stört ihre Liebe für Feinheiten weder den musikalischen Fluss noch den dynamischen Groove – sie vermag beides miteinander zu verbinden. Ein Talent, das mir bereits bei der größeren Telesto sehr angenehm auffiel. Die andere Seite der Medaille: Ausnehmend volltönenden Stimmen wie etwa Bernard Allison in „Serious“ (Album: Chills & Thrills) fehlt es ein wenig an Volumen und Wärme. Die Saxx CX90 bietet an dieser Stelle ein Quäntchen mehr Körper, ihre Stimmfarben tendieren ins Wärmere.

Orbid_Sound_Pluto_Tieftöner

Unterstützt wird der lebendig-frische Charakter der Orbid Sound Pluto natürlich durch ihren Tweeter, der das obere Frequenzende quasi mit Scheinwerfern ausleuchtet. Die können auch um und in die Ecken strahlen, was viele Informationen offenlegt. Eine solche Abstimmung macht bei sauber gemasterten Aufnahmen viel Freude, bei zu stark komprimierten Produktionen kann das aber auch schon mal anstrengend werden. Sibilanten werden mitunter vordergründig präsentiert. In meinem Hörtest trat dieser Effekt indes nur bei Lautstärkepegeln auf, die ich zum dauerhaften Hören nicht empfehlen würde. Es scheint mir aber sinnvoll zu sein, die Pluto nicht unbedingt an Elektronik zu betreiben, die an sich schon ins tonal Frische/Helle tendiert.

Nach vorne!

Auch was die Raumabbildung betrifft, sucht die Orbid Sound Pluto, wie schon erwähnt, einen etwas innigeren Kontakt zu ihrem Auditorium. Sie setzt dem Hörer das Geschehen nicht direkt auf den Schoß, aber von der Boxen-Grundlinie aus betrachtet, tritt sie doch hörbar auf das Publikum zu. Mich hätte es gewundert, wenn es anders wäre, denn dieser Charakterzug passt zum Hersteller. Die Akteure auf der Bühne werden sehr gut ortbar dargeboten und in Tiefe und Breite nachvollziehbar realistisch gestaffelt. Es gibt zwar Wettbewerber, die den Musikern noch etwas mehr Luft und Raum gönnen als die Schwäbin, grundsätzlich hält sie sich aber recht eng an jede Vorgabe. Hier wird nichts vorgegaukelt, was nicht da ist. Oder umgekehrt.

Dynamik-Check

Bliebe abschließend noch der Dynamik-Check. Und wer sich bis hierhin so hellwach und lebendig gezeigt hat wie die Orbid Sound Pluto, wird in dieser Disziplin doch wohl nicht patzen? Richtig! Christone „Kingfish“ Ingram bluesrockt sein „Outside of this town” (Album: Kingfish; auf Amazon anhören) so laut und dreckig in den Hörraum, dass ruhig sitzen bleiben eine zu harte Probe darstellt. Zumindest der Kopf ruckt im Takt, Arme und Beine wollen es ihm wenig später gleichtun.

Orbid_Sound_Pluto_Front_02

Schnell aufeinander folgende Laut-Leise-Passagen verdaut die Pluto ohne hörbare Anstrengung auch bei forcierter Gangart, sprich: wenn der Lautstärkeregler nach rechts wandert. Beim dynamisch fordernden „Toma“ von Puscifer (Album: Conditions of my Parole; auf Amazon anhören) läuft sie insofern zur Hochform auf, als dass sie völlig ansatzlos und knochentrocken „puncht“. Und zwar wirklich bis in grenzwertige Lautstärkeregionen hinein. Meine „Sparringspartnerin“ CX90 von Saxx lässt sich in dieser Hinsicht nur widerwillig die Butter vom Brot nehmen, verliert aber bei hohen Pegeln ein wenig die Contenance, denn ihr Bassbereich wird dann ein wenig undifferenziert.

Aber man muss es ja auch nicht so übertreiben: Die Orbid spielt auch schon sehr vollständig, wenn es mal nicht so krachen soll (oder darf). Die Feindynamik haben die Entwickler selbstverständlich nicht außen vor gelassen. Am wohlsten fühlt sich die Pluto indes, wenn man die Zügel locker lässt und sie auch mal so richtig loslegen darf.

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Test: Orbid Sound Pluto | Standlautsprecher

  1. 1 Action im Karton!
  2. 2 Orbid Sound Pluto: Klangeindrücke

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