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Februar 2017 / Benjamin Baum
„Swiss Army Amp“ wäre als Überschrift für diesen Test im Grunde ebenfalls passend gewesen. Ja, schon richtig, der Oppo HA-2 SE (www.oppodigital.de) kommt nicht aus der Schweiz, sondern aus dem weiter entfernten China. Und ein Taschenmesser ist er auch nicht. Vielmehr ein mobiles Kombigerät aus D/A-Wandler und Kopfhörerverstärker. Dennoch befriedigt das kleine Kästchen so viele Bedürfnisse mobiler Audiophiler, dass mir die Metapher des „Schweizer Taschenmessers“ unwillkürlich in den Sinn schießt. Zu den Gründen …
Spätestens seitdem Streaming-Dienste wie Spotify, TIDAL oder Qobuz dank LTE weitgehend lückenlos den öffentlichen Klangraum bewirtschaften, schießen mobile Wandler und kleinformatige Kopfhörerverstärker allerorten wie Pilze aus dem Boden. Kaum ein Hersteller, der seinen geneigten Anhängern den typischen Hausklang inzwischen nicht auch als mobiles Lausch-Paket für Bus, Bahn und Joggingrunde bereitgestellt hätte. Angesichts des Wildwuches an mobilen Klangveredlern für minderwertige Ausgangsstufen gängiger Smartphones, Tablets oder Laptops lässt es durchaus aufhorchen, wenn ein bestimmtes Gerät über anderthalb Jahre hinweg regelmäßig seriös ermittelte Publikumspreise wie etwa den „Best of Show“-Award der CamJam 2015 abstaubt.
Warum der Oppo HA-2 seit seiner Markteinführung 2015 (die zum Test anstehende SE-Variante ist erst seit Herbst letzen Jahres am Start) derart viele Kopfhörerfans für sich hat einnehmen können, wird auch mir ziemlich unmittelbar klar — und zwar unmittelbar nach dem Auspacken. Selten war mein von ungelenkem Rumfummeln und Rantasten geprägter Erstkontakt mit einem neuen Stück Audiotechnik von derart vielen „Ahs“ und „Ohs“ begleitet wie die ersten Stunden mit dem fabrikfrisch duftenden Oppo HA-2 SE.
Als Erstes überzeugen Verarbeitung und Anfassqualität. Griffsicher eingeschlagen in sorgfältig vernähtes Leder und in Größe und Gewicht einem (etwas älteren) Smartphone entsprechend, können Lautstärkerad und Schaltknöpfe des Oppo nicht wie bei vielen seiner Konkurrenten lediglich von spinnenfingerigen Uhrmachern, sondern auch von Otto-Normal-Hörern mit Wurstfingern frustrationsfrei bedient werden. Ein erstes „Ah“. Nichts wackelt, nichts gibt nach, statt Plastik signalisiert hier Echtmetall: Begleiter, bleib entspannt, ich kann auch mal aus deiner Hosentasche purzeln, ohne deine Nachlässigkeit mit wochenlanger Reparatur-Abwesenheit zu strafen.
Der Gain-Wahlschalter und der Bass-Booster des Oppo HA-2 SE
Weniger zuwendungsfreudig mutet der Lieferumfang an, wenngleich die beigepackten Kabel (jeweils ein extrakurz gehaltenes Lightning-Kabel USB-A 2.0 für Apple-Devices, eine USB-B-Micro-Strippe für Android-Geräte sowie ein analoges 3,5-mm-Klinken-Kabel) für hartgesottene Audiophile ohnehin bestenfalls zur Betriebsprüfung Verwendung finden werden. Ein anerkennendes „Oh!“ entlockt mir der Oppo durch die OTG-Auslegung, welche die Verwendung des unter audiophilen Apple-Nutzern zu Recht gefürchteten Kamera-Adapters obsolet macht und sicherstellt, dass die klangliche Wirkung hochwertiger USB-Kabel zwischen Laptop oder Smartphone und Wandler nicht durch jenes klanglich minderwertige Flickstück wieder zunichte gemacht wird. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass iOS von Haus aus lediglich digitale Musikdaten bis 24 Bit/48 kHz ausspuckt und zum Abspielen höher aufgelöster Musikdaten deshalb Music-Playback-Apps von Drittanbietern wie Onkyo oder Hibiki installiert werden müssen. Die Android-Welt ist naturgemäß vielschichtiger, seit einiger Zeit sind sogar vermehrt von Haus aus als extra HiRes-fähig ausgewiesene Smartphones erhältlich.
Getestet habe ich den Oppo HA-2 SE vorwiegend mit einem Audioquest Cinnamon USB-Kabel (ab 69 Euro), welches preislich wie klanglich eine gelungene Kombination darstellt – mit deutlicher Verbesserung im Vergleich zum beigelegten Standardkabel. Der Anschlussvorgang selbst gestaltet sich maximal einfach: Nach Verbindung mit dem Mac einfach den Oppo als externe Soundkarte anwählen – fertig. Dass unter Windows zur Verwendung des HA-2 SE zunächst ein Treiber (wichtig auch für Musikdaten oberhalb von 96 kHz) installiert werden muss, dürfte unter PC-Nutzern ebenfalls kaum für schwitzende Hände sorgen. Von meinem iPhone 5S wird der Oppo sogar automatisch erkannt und übernimmt dann die Signalwandlung sämtlicher laufender Programme inklusive der im Smartphone deaktivierten und nunmehr stufenlos möglichen Lautstärkeregelung.
Die digitalen Eingänge des Oppo HA-2 SE: USB-A für iOS sowie USB-B-Micro für Android und PC/MAC
Zum Anschluss an Quellgeräte stellt der HA-2 SE die zu den beigelegten Kabeln passenden Eingänge bereit: einen digitalen USB-A-Eingang, einen USB-B-Micro-Eingang sowie eine analoge 3,5-mm-Stereoklinken-Schnittstelle, mit deren Hilfe der Oppo entweder ein analoges Stereosignal zum Betrieb als reiner Kopfhörerverstärker empfangen oder als Desktop-Lösung vom PC/Mac analoggewandelte Signale zum Beispiel an aktive Computer-Lautsprecher ausgeben kann. Übrigens: Durch einen Eingangswahlschalter am Boden des Amps wird sichergestellt, dass es auch bei Mehrfachbelegung des Oppo HA-2 SE zu keinen störenden Interferenzen zwischen den Eingängen kommt.
Für Kopfhörer steht — wohl auch aus Schlankheitsgründen — lediglich ein „kleiner“ 3,5mm-Klinkenausgang zur Verfügung, was aber den meisten mobilen Hörern entgegenkommen dürfte und keinesfalls bedeutet, dass der Oppo nicht auch großbeklinkte Referenzhörer für den Heimgebrauch angemessen befeuern könnte. Über einen rechtsseitigen High-Gain-Kippschalter (dafür jetzt zur Abwechslung ein „Oho!“) kann die Ausgangsleistung des Oppo auf maximale 300 Milliwatt an 16 Ohm erhöht werden, was für die meisten gängigen Kopfhörer ausreichen dürfte. Mit meinen lediglich mittelmäßig „lauten“ magnetostatischen Audeze LCD-XC (95 dB/V bei 1 kHz, 20 Ohm Impedanz) hatte der Oppo im High-Gain-Modus jedenfalls keine ohrenfälligen Kraftprobleme, auch wenn ich zugeben muss, dass der HA-2 SE mit dem konsequent mobil ausgelegten und damit „lauteren“ B&W P7 (111 dB/V bei 1 kHz, 22 Ohm Impedanz) an der Strippe einen etwas souveräneren und lebendigeren Eindruck machte (abgesehen davon, dass das metallisch-lederne Styler-Pärchen auch optisch wie füreinander gemacht wirkt). Der in seiner Wirkung für meinen Geschmack ein bisserl arg grobschlächtig gerate Bass Boost des Oppo HA-2 SE, der ebenfalls durch einen seitlichen Kippschalter aktiviert werden kann, eignet sich jedenfalls ausdrücklich nicht zur Anpassung an besonders leistungshungrige Kopfhörer — zu unpräzise wirken „geboostete“ Bassläufe, zu zugesuppt die Mitten. Nein, der Boost taugt aus meiner Sicht einzig dafür, im Bassbereich allzu schlank geratene Monitoring-Hörer tonal zu glätten und ihnen ein Mindestmaß erdigen Grooves zu entlocken.
Mit Blick auf die analogen Verbindungen stehen ein 3,5-mm-Kopfhörerausgang sowie ein 3,5-mm-Klinkeneingang zur Verfügung
Wunderbar glatt ist übrigens auch die Lautstärkeregelung des Oppo geraten, die per Drehrad am oberen Kantenende des HA-2 SE feinfühlig fließend eingestellt werden kann. Zwar sind die aufgemalten Zahlenwerte am Rädchen in praktisch keiner real denkbaren Alltagssituation ablesbar, dafür bleibt der Regler beim Transport des Oppo in der Hosentasche stets bestens erreichbar. Clever auch, dass sich Kopfhörerausgang und Volumeregler auf derselben Seite des Geräts befinden. So hat der Nutzer unterwegs nicht länger die Qual der Wahl, ob er unten ein abgeknicktes Klinke-Kabel in Kauf nimmt, um oben die Lautstärke regeln zu können oder, alternativ, zur Lautstärkeregelung seltsam tief in die Tasche greift, um sich am unterseitig versteckten Rädchen oder Knöpfchen zu schaffen zu machen — was zumindest im öffentlichen Personennahverkehr (ich hoffe hier auf Leidensgenossen) ja bisweilen durchaus „etwas komisch“ aussehen kann.
Ganz und gar nicht komisch, sondern schlicht State of mobile Art, präsentiert sich das Innenleben des neuen Oppo. Neben einer in Class A/B ausgelegten Verstärkereinheit findet in der „SE“-Variante des HA-2 anstelle des bewährten ESS Sabre 32 Reference Wandlerchips dessen aufgebohrte Variante 9028-Q2M Platz, der in Kombination mit dem Austausch einiger kleinerer Bauteile im neuen Oppo für einen im Vergleich zur Standard-Version hörbar reduzierten Noise Floor sorgen soll. Die Wandlungsfähigkeit reicht für PCM-Formate bis 32 Bit/384 kHz. DSD-Files wandelt der neue Oppo (unter Zuhilfenahme oben erwähnter Music-Playback-Apps) bis hinauf zu nativem DSD256 bei 12 Megahertz — der HA-2 SE geht damit als lupenreiner HighRes-Wandler durch.
Zubehör & Verpackung des Oppo HA-2 SE
Kommen wir zur vorerst letzten kleinen Erfreulichkeit der Oppo, für die ein einfaches „Oh“ dann allerdings nicht länger ausreicht: dem Akku. Die mit 3000 mAh dimensionierte Lithium-Polymer-Einheit, die den HS-2 SE mit seinen 175 Gramm bei aller Speicherleistung dennoch nicht unangenehm schwer macht, ist bereits nach einer halben Stunde am Stromnetz mit Hilfe des mitgelieferten Schnelllade-Geräts zu erstaunlichen 70 Prozent aufgeladen und hält pro Komplettladung bis zu (testweise ermittelten) siebeneinhalb Stunden im Dauerbetrieb bei moderater Lautstärke an meinem Audeze LCD-XC durch. Als reiner Kopfhörer-Verstärker unter Umgehung der digitalen Eingänge soll der Oppo je nach Leistungshunger des angeschlossenen Hörers sogar bis zu 13 Stunden Musik liefern. Und wer den Saft nicht braucht, der reicht ihn unterwegs halt einfach weiter: Durch mehrsekündlichen Druck des rechtsseitigen Akku-Knöpfchens kann der HA-2 SE nämlich in eine Art „Powerbank-Modus“ geschaltet werden und — passenderweise signalisiert durch „Blaulicht“ — in Not geratenen Smartphones oder Tablets bis zu zwei volle Akkuladungen spendieren. Umgekehrt lässt sich auch ein am Laptop hängender Oppo recht flott betanken, während das Gerät ungerührt weiter digitale Signale wandelt und verstärkt. Für so viel Praxistauglichkeit nunmehr ein abschließendes „Wow.“ Ob im Klangtest weitere folgen? Rhetorische Frage.
Test: Oppo HA-2 SE | Kopfhörer-Verstärker