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Ein wenig Mitleid habe ich schon mit dem Rega Mira 3, dem ich zuerst aufbürde, die zehn Schwingspulen der beiden Boxen zu bewegen. Wie sich aber schnell zeigt, sind die lediglich 60 Watt pro Seite kein Hindernis. Mit 30 Zentimetern Wandabstand, in Neutralstellungen der Filter und bei drei Metern Basisbreite zeigt sich in meinem nicht gerade überdämpften Raum unmittelbar, was die Nubert nuLine 334 charakterisiert. Sie sind ausgewogen, tendieren aber zur Wuchtigkeit. Nach dem „Breaking In“ von knapp zwei Tagen Dauerbetrieb ist deutlich: Ja, das sind Lautsprecher, die „zupacken“ können und die Lust am Musikhören vermitteln und nicht Speaker, die reserviert und analytisch vorgehen und stets um vornehme Distinguiertheit bemüht sind. Nicht, dass Sie mich falsch verstehen und die 334 nun als Krawallbrüder abtun, aber die Säulen sind durchaus auf Emotionalität und Hörspaß ausgerichtet.
Das gefühlvollste Album des Americana-Duos Mandolin Orange ist meiner Meinung nach This Side Of Jordan (auf Amazon anhören), das mit „House of Stone“ als wunderbarer Opener nicht nur für das Werk der Musiker aus North Carolina, sondern auch für das der Entwickler aus Schwäbisch Gmünd fungiert. Die Höhen von Gitarre, Violine, mit Besen gespielter Snare und die sehr fein eingefangenen Obertöne der beiden Stimmen werden von Nuberts klingenden Säulen gut übertragen. Ich lebe in keinem Glas- und Marmorpalast, im Aufstellraum dominieren Holzboden, Putz und einige diffundierende und absorbierende Elemente, aber schon die neutrale Stellung der Höhenschaltung schien mir ein wenig zu harsch in diesem Umfeld. Die „Brilliant“-Stellung war bei mir, bitte erlauben Sie mir den Klartext, annähernd unerträglich und ist wahrscheinlich nur bei ordentlich trockenen Räumen ratsam. Mit der „Sanft“-Schaltung sind die 334 aber ein Genuss, ich konnte die schon zurechtgelegten negativen Adjektive auf meinem kleinen Notitzblock wieder durchstreichen. Wenn ich jetzt noch die Nadel im Heuhaufen suchen müsste beziehungsweise eine Daseinsberechtigung für deutlich teurere Speaker wie die der Nubert nuLine-Serie finden müsste, dann dergestalt, dass sie die allerletzten Millimeter in puncto Transparenz und Luftigkeit in den Höhen nicht gehen, gleichwohl aber alles andere als trüb, matt oder tranig tönen; von einer zu Beginn zudem zu vernehmenden Körnigkeit in den Höhen ist nach dem Einspielprozedere nur noch sehr wenig übriggeblieben.
Mandolin Orange sind es auch, die mir erste nähere Einblicke in die Mittenwiedergabe gewähren. Ich fasse mich kurz: Die Nubert nuLine 334 spielen hier wundervoll griffig und direkt, und lösen sehr gut auf. Stimmen von männlichem wie weiblichem Gesang ertönen klar und konturiert, Maskierungseffekte seitens des Basses glänzen durch Abwesenheit. Nun muss ich gestehen, dass die Mitten bei einem luftig-folkigen Akustikalbum moderaten Tempos nicht gerade unter Überbevölkerung leiden.
Das geht auch anders, denke ich mir und starte eines der wohl grandiosesten Alben, die der Heavy Metal in seiner Hochzeit jemals hat entstehen lassen. Operation: Mindcrime von Queensrÿche (auf Amazon anhören), thematisch aktueller denn je, ist ein echtes Feuerwerk, ein Album mit großer Abwechslung, aber gleichzeitig zementartigem Zusammenhalt. Die Herren werden zwar viel Pink Floyd gehört haben und auch andere Einflüsse nur schwer verleugnen können, aber das verehrenswerte Stück Musikgeschichte ist vom Songwriting und Klang her einfach herrlich. (Sollte ich Ihr Interesse geweckt haben, bedenken sie bitte, dass Ende der 1980er Metal nicht im Mainstream stattfand und sich optische Ästhetik höchstens auf Bandfotos und Aufnäher beschränkte. Nun gut, wenn Sie unbedingt lachen wollen, dann schauen Sie bei Youtube …). Die Mitten werden arg strapaziert, dort patscht die breite Achtzigerjahre-Snaredrum um die Wette mit den knurrenden Präsenzen des Basses, der vor allem bei „Revolution Calling“ penetrant hämmernden Ridebecken-Glocke und – es ist ja schließlich Metal – den nicht gerade spärlich agierenden verzerrten E-Gitarren.
Kurzum: Das sorgsam austarierte spektrale Mittelfeld dieser Produktion legt bei Wiedergabesystemen schnell schonungslos Überhöhungen oder Einbrüche auf. Die Mitteltöner der Nubert nuLine 334 liefern aber linear und kraftvoll alles aus, was dort passiert, zudem in einer hervorragenden Auflösung.
Nicht ohne Grinsen und erst recht nicht ohne die besten Erinnerungen an die Zeit nach dem Kauf 1998 ziehe ich das erste Album von Unkle aus dem Regal. Psyence Fiction (auf Amazon anhören) das (bitte ohne hörbares „P“ ausgesprochene) Superwerk der ausgehenden 1990er Jahre, ach was, des ganzen Jahrtausends, weist schön viele unterschiedliche Bassdrums und Bässe auf, mit denen man den Bass eines Lautsprechersystems vortrefflich beurteilen kann. Und ganz nebenbei kann man beim Hören der Platte erleben, was passiert, wenn sich DJ Shadow, James Lavelle, Jason Newstedt, Kool G, Mike D, Thom Yorke und Richard Ashcroft die musikalische Klinke in die Hand geben. Die Samplelist zu Psyence Fiction liest sich wie ein Almanach der gesamten Popkultur. Nur „King Monkey“ Ian Brown fand es laut Mythos wohl wichtiger, in einem Flugzeug zu randalieren und schaffte es daher nicht rechtzeitig zum Einsingen seiner Vocals, weshalb auf dem Album der Instrumentaltrack zu „Be there“ zu finden ist und die Vokalversion des Stückes mit der finster-erhabenen Stimmung als Single hinter hergeschoben werden musste. Als weitgehend instrumentaler Song (und dann „Unreal“ genannt) ist er ein Genuss auf den Nubert nuLine 334. Wie eine Lokomtive pumpen die sechs Treiber die Bassdrum durch den Raum. Sie gehen wirklich weit nach unten, diese Lautsprecher, und bleiben dabei stets angenehm. Die Balance im Bass geht ein wenig stärker in Richtung Wärme, Wonne und Wohlklang denn in Richtung Kantigkeit, Konturiertheit und Geschwindigkeit. Ein wenig angereicherter und sonorer wird das Klangbild dadurch, aber das hinterlässt mich als glücklich dreinschauenden Musikkonsumenten. Ach wie schön!
Sehr gut funktioniert die Absenkung mit dem Wahlschalter, besonders bei Positionierung in Raumecken. Die wirkliche Erleuchtung kommt aber mit der Verwendung der Bassstopfen. Zwei Stopfen lassen die Treiber merklich gegen das geschlossene Luftvolumen arbeiten, das empfiehlt sich bei sehr, sehr basslastiger Musik und in Kombination mit der Filterabsenkung bei Problemen mit den Nachbarn. Verschließt man aber nur eines der beiden Rohre, geschieht etwas besonders Tolles: Der gesamte Bass wird straffer, schneller, kontrollierter, geht gleichzeitig aber auch noch einmal tiefer hinunter. Schnell spiele ich die Rohdaten einer Orgelaufnahme, die ich von einer Walcker-Orgel mit nur zwei dänischen Druckempfängern gemacht habe. Und ich halte fest: Mit einem verschlossenen Rohr und ohne Filterung gefallen mir die nuLine 334 ganz besonders gut. Das Stopfen wirkt sich sogar positiv auf die Wiedergabe in den unteren Mitten aus, diese sind ebenfalls noch konturierter und knackiger.
Die 334 liefern im Tiefsegment deutlich über meinen Erwartungen ab. Der generelle Charakter, aber auch die Flexibilität im Bass gehen als ebenso hörenswert wie praxisfreundlich durch. Eine Umgestaltung des Raumes steht an, vielleicht sogar ein Umzug? Das ist mit den Nuberts kein Grund für Kopfzerbrechen.
Nach der ganzen Krimes der Unkle-Platte und der pompösen Kirchenorgel ist mal wieder Zeit für etwas Geruhsamkeit. Johann Sebastian Bach ist nun wirklich auf jede erdenkliche Art transkribiert und interpretiert worden. Es gibt dabei oft die „strengen“, die „mathematisch“ Vorgehenden und diejenigen, die Bach kitschig-beschwingt modernisieren, was meist ordentlich in die Hose geht. Wer einen neuen Bach-Aspekt kennenlernen und eine unfassbar gute Aufnahme hören will, der sollte sich „Bach Trios“ (auf Amazon anhören) anschaffen, auf dem lebendig und leicht „spanisch“ klingender Barock zu hören ist: Der Cellist Yo-Yo Ma dürfte vielen ein Begriff sein, Kontrabassist Edgar Meyer vielleicht auch. Dritter im Bunde ist Chris Thile, der mit Banjoplayer Noam Pikelny und drei weiteren Großmeistern auf ihren Instrumenten die sagenhaften Punch Brothers bildet (Es gibt ein umwerfendes Livekonzert mit nur einem Mikrofon in Bluegrass-Manier in Charlottesville, Virginia!). Thile spielt auf dem Bach-Album die Mandoline, was eine nun wirklich ungewöhnliche Besetzung für eine Bach-Interpretation darstellt. Aber das Album, auf dem man unter anderem „Wachet auf“ (BWV 645) und Stücke aus der „Kunst der Fuge“ und dem „Wohltemperierten Klavier“ findet, klingt so generisch, so „richtig“, als hätte Musikgott Bach sie sich genau so vorgestellt: Die Werke sind kraftvoll, beschwingt und „mitsingbar“, dabei aber unglaublich präzise und von höchster Virtuosität.
Die Nubert nuLine 334 bilden die Instrumente und ihre Positionen im Raum recht klar ab. In der Mischung vorne platzierte Signale liegen auf Höhe der direkten Verbindungslinie zwischen den Boxen, die in der Phantommitte befindlichen Signale scheinen sich wie mit einem Lupeneffekt ein wenig zum Zuhörer wölben zu können. Die Mitten zeichnen scharf, hier findet man eine sehr ordentliche Bühnentiefe. Die Hochtöner scheinen den Mitteltönern in Sachen Ortungsschärfe und Tiefe nicht ganz das Wasser zu reichen.
In jedem Fall wird deutlich, dass die Nubert nuLine 334 ihren Platz einfordern. Eine zu kleine Basisbreite lässt schwerer in die Musik „hineinsehen“, bei Hörabständen, die geringer sind als der Abstand der Boxen zueinander, wird die Ortbarkeit einzelner Signale „blurry“. Das ist in Anbetracht der ordentlichen Ausdehnung der gesamten Membranfläche auch nicht sonderlich verwunderlich. Dafür erhält man bei Einhaltung gewisser Dimensionen und Abstände, also einer Basis von weit über zwei Metern und einer Hörgeometrie in Gestalt eines gleichseitigen Dreiecks einen schönen Bonus in Form eines wirklich sehr breiten Sweetspots. Statt eines zentralen Sessels zum Hören darf es also durchaus das Viersitzer-Sofa sein, ohne dass die Beisitzer Einschränkungen bei der Plastizität der dargestellten Signale oder Abschattungen oder Phaseneinbrüche in den Höhen in Kauf nehmen müssten. Auch die Frage nach der Stärke der Einwinkelung tritt dadurch in den Hintergrund, es ist auch bei großer Basis keine Sünde, die Boxen an den Raumlinien auszurichten, statt sie stark auf den Hörort einzudrehen. Im Gegenteil, den Klangeigenschaften in den „Außenbereichen“ kommt das sogar durchaus zugute.
Bei „Nebenbeschallungspegeln“ machen Nuberts nuLine 334 eine ordentliche Figur, doch bei „Pscht, Schatz, die Kinder schlafen doch nebenan“-Lautstärken unterfordert man die Speaker. Das bedeutet nicht, dass sie nicht ordentlich performen würden, doch das angenehme Bassgefühl setzt erst dann richtig ein, wenn der Pegel etwas über dem liegt, was viele Menschen im Büro beim Arbeiten aus dem Radio auf sich einplätschern lassen – Abhilfe schafft hier womöglich ein nuControl-Modul, das Nubert optional anbietet. Gibt man dem Lauterdreh-Impuls nach, machen die Boxen immer mehr Spaß, und selbst bei absoluten „Genusspegeln“ bleiben der Bass flatterfrei und die Höhen – vor allem in der „Sanft“-Stellung – ohne kratzende oder bissige Komponenten. Absolut tanzpartytaugliche Pegel schütten die Boxen mit ihren weit aus dem Gehäuse tanzenden Langhub-Treibern aus dem Ärmel, ohne dass der Klang zur Kompression neigt. Wenn irgendwann die Hochtöner anfangen, „gedrückt“ zu klingen, dann liegt man pegelmäßig schon weit über dem, was den Ohren über mehr als eine Songlänge angetan werden sollte. Beide im Test verwendete Amps, der Abacus 60-120D Dolifet und der leistungsschwächere Rega Brio 3, wirkten zu keinem Zeitpunkt wirklich unterdimensioniert, beide verhielten sich an den Nuberts dynamisch nahezu identisch. Mühelos schaffen es Mitten und Höhen, auch sehr sprunghaften Dynamikänderungen im Klangmaterial zu folgen. Der Bass ist ein wenig anders aufgestellt. Er legt quasi eine minimal höhere Gemütlichkeit und Ruhe an den Tag, was, und ich wiederhole mich jetzt bewusst, dem Musikgenuss durchaus zuträglich sein kann.
Test: Nubert nuLine 334 | Standlautsprecher