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Die dahinter zum Vorschein kommenden Wandler sind allesamt Neuentwicklungen, angefangen von der „nuOva“ getauften Hochtonkalotte, über das Flachmembranchassis für die Mitten, bis hin zu den insgesamt drei mit jeweils 15 Zentimetern Durchmesser relativ kompakten Woofern, die nach Herstellerangaben im Extremfall bis zu zwei Zentimeter Auslenkung vertragen. Ein großzügig dimensioniertes und in den Rücken der Lautsprecher bündig eingelassenes Bassreflexrohr verschafft der nuLine 284 „untenrum“ genug Atemluft.
Nuberttypisch sind die beiden am Bi-Wiring-Anschlussterminal angebrachten Anpassungsschalter für Höhen und Bässe. Der Hochtonbereich lässt sich in drei Stufen („sanft“, „neutral“, „brillant“) justieren, der Bassbereich je nach Abstand zur Rückwand moderat absenken. In einem normal eingerichteten Wohnraum mit einer durchschnittlichen Anzahl an Polstermöbeln und/oder Teppichen werden Sie daran vermutlich gar nichts einstellen müssen – so war es bei mir –, aber es ist gut zu wissen, dass ein Hersteller beim Thema Raumanpassung, natürlich in gewissen Grenzen, mitdenkt.
Wenn man sich die zierliche Standbox so anschaut, könnte man auf die Idee kommen, dass sie ein wenig schielt. Was daran liegt, dass die beiden Hochtöner auffällig am Rand der Frontplatte montiert und von einem Kunststoffoval umgeben sind.
Keine Angst: Das süddeutsche Entwicklerteam stand nicht unter dem Einfluss bewusstseinserweiternder Substanzen, das ist Absicht. Eine flache, nicht abgerundete Schallwand, wie sie in der „nuLine“-Serie zum Einsatz kommt, birgt immer die Gefahr sogenannter „Kantendispersionen“, also einer unerwünschten Brechung der Schallwellen an den Gehäusekanten, was die Entstehung von Verzerrungen begünstigt. Eine möglichst gebogene Schallwand wie bei der „nuVero“ würde dieses unterbinden oder zumindest reduzieren, ist aber in der Fertigung auch ungleich aufwändiger.
Die Positionierung der Tweeter an den äußeren Rand der Frontplatte soll nun ebenfalls dabei helfen, durch Schallbeugung verursachte Probleme zu minimieren. Die Asymmetrie bedingt, dass immer ein rechter und ein linker Lautsprecher geliefert wird. Im Sinne des Herstellers ist die Aufstellung korrekt, wenn die Hochtöner aus Sicht des Hörplatzes „nach innen“ schauen. Allerdings lohnen sich hier durchaus Experimente. Ich kenne Zeitgenossen, die haben ihre „Nubis“ absichtlich seitenverkehrt aufgebaut und finden das prima.
Das ganz oben auf der Schallwand montierte und etwa zwölf Zentimeter durchmessende Flachmembran-Chassis für das Mittenband ist ein Novum bei Nubert, kam also noch nie zuvor zum Einsatz. Ziel war es, die Abstrahlcharakteristik der Box im gesamten Mittelhochtonbereich von Verfärbungen und Welligkeiten im Frequenzgang zu „säubern“. Günter Nubert erklärt dazu: „Rund um den Hochtöner sollte die Schallwand eigentlich ganz flach sein, damit der Frequenzgang des Hochtöners nicht durch Dispersionen gestört wird. Eine Störung durch einen benachbarten Tieftöner ist noch verschmerzbar – wenn aber die gleiche Störung durch einen ähnlich geformten Lautsprecher (also einen weiteren Konus) auch auf der anderen Seite des Hochtöners auftritt, gibt es deutliche Verfärbungen, die nicht komplett unterdrückt werden können. Eine Flachmembran vermeidet dieses Problem.“
Freilich besitzen Flachmembranen nicht nur Vorteile: Sie erzeugen gegenüber Konuschassis deutlich höhere Eigenresonanzen, die man wiederum in den Griff bekommen muss. Nubert will dies durch einen speziellen Glasfaser-Sandwichaufbau und eine großflächigere Ankopplung der Membran an den Schwingspulenträger gelöst haben. Ohne der Klangbeschreibung vorgreifen zu wollen – es scheint gelungen. Die Wiedergabe des Mittenbandes gehört unter anderem gerade im Übernahmebereich Mittel-/Hochton mit zum Neutralsten und Bruchlosesten, was ich in dieser Klasse kenne.
Aus der Entwicklung kompakter Subwoofer, die aus möglichst geringem Gehäusevolumen dennoch erwachsenen Tiefgang erzeugen sollen, sind die für einen Lautsprecher dieser Größe recht kleinen 15-Zentimeter-Basstreiber hervorgegangen. Die sehr großzügig ausgelegte Gummisicke deutet schon optisch an, dass die Polypropylen-Chassis bei Bedarf ordentlich „pumpen“ können. Zwei Zentimeter Auslenkung sind im Extremfall drin, so der Firmenchef. „Die insgesamt sechs Tieftöner eines Paares der 284 entsprechen der Membranfläche eines Subwoofers mit zwei 25-Zentimeter-Wandlern“, erläutert Nubert weiter. Sie sehen dabei als integrativer Bestandteil der schlanken Standbox allerdings deutlich attraktiver aus, schließlich will nicht jeder eine riesige Basskiste im Wohnraum stehen haben. Vom nicht ganz unwichtigen „WAF (Wife Acceptance Factor)“ mal ganz abgesehen …
Über die im Vergleich zum Wettbewerb stets sehr üppig (in diesem Fall mit insgesamt 35 Bauteilen) bestückten Frequenzweichen, die in den Lautsprechern aus Schwäbisch Gmünd zum Einsatz kommen, haben bereits ganze Fachjournalisten-Armeen romanähnliche Artikel verfasst. An diesem Punkt scheiden sich auch immer die Geister. Manche Hersteller reduzieren die verbauten Weichen auf möglichst wenige Teile und kommen damit auch zum Ziel. Andere, wie Nubert, sehen das eben anders und betreiben an dieser Stelle besonderen Aufwand. Beides mag seine Berechtigung haben. Deshalb hier nur so viel: Die Filter- und Schaltungstechnologie, die die jeweiligen Chassis besonders präzise „füttern“ und die bei Mehrwege-Konzepten immer problematischen Gruppenlaufzeiten im Bass unter die Hörbarkeitsgrenze drücken soll sowie darüber hinaus sogar über eine Schutzschaltung gegen thermische Überlastung verfügt, stammt nahezu unverändert aus der „nuVero“-Serie.
Viel Technik bis hierhin, meinen Sie? Das stimmt. Wobei die ja einzig dem Klangerlebnis dienen soll. Und um dieses kümmern wir uns jetzt …
Test: Nubert Nuline 284 | Standlautsprecher