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Das Hauptquartier von Nordost befindet sich zwar im gar nicht so leicht von der Zunge gehenden Massachusetts, aber die Marke selbst geht wohl jedem HiFi-Aficionado flugs über die Lippen, wenn das Thema auf highendige Audioverbindungen kommt. Okay, von einem Ruf wie Donnerhall zu reden, wäre wohl übertrieben, passt jedoch ganz gut zum Faible des Herstellers (deutscher Vertrieb: https://www.audio-reference.de/) für die nordische Göttermythologie: Haben wir es hier und heute doch mit niemand Geringerem als dem Gott des Kampfes und Sieges tun – der der Kabel-Range „Tyr“ dann auch hoffentlich seinen Segen mit auf den Weg nach Berlin gab. Wir haben uns für den Test jeweils ein Lautsprecher-, Netz- und NF-Kabel aus der „Nordost Tyr 2“-Familie rausgepickt (ab 7.590, 4.385, 3.925 Euro). Checken wir entspannt, ob es sich wirklich um Siegertypen handelt.
Familienaufstellung
Ich will mich nicht lange an Formalitäten festbeißen, vorab aber mal hurtig eine Familienaufstellung abhalten: Nordost versammelt in seinem Portfolio insgesamt vier „Ober-Serien“, nämlich Leif, Norse, Reference (Valhalla) und Supreme Reference (Odin), die sich wiederum in „Unter-Serien“ gliedern: Unsere Tyr-Binder zählen zu den „Norsemen“ – ebenso wie die unmittelbaren, etwas preisgünstigeren Geschwister Heimdall 2 und Frey 2, mit denen bereits Frank Hakopians und Benjamin Baum ihre Anlagen verseilten. Im Allgemeinen, so teilt mir Nordost mit, verbessern sich zu den höheren Serien hin die Materialien und Konstruktionstechniken. Die Amerikaner führen hier – keine Bange, den sperrigen Marketingsprech drösel ich gleich noch anschaulich auf – unter anderem die mechanische Resonanzkontrolle und die Verwendung patentierter Technologien wie beispielsweise Micro Mono-Filament (MMF), Dual Mono-Filament (DMF), HOLO:PLUG und Total Signal Control (TSC) ins Feld.
Die beiden letztgenannten Technologien sind den Valhalla- und Odin-Bindern vorbehalten und umfassen besonders sorgfältig und aufwändig an die interne Geometrie des Kabels angepasste, massearme Stecker und eine von diesem Kniff profitierende Schirmung, die sich vollständig „dicht“ gegen elektromagnetische Außeneinwirkungen (EMI/RFI) zeigen soll, wobei das Kabel nichtsdestotrotz mechanisch biegsam bleibe.
Die Technologien der „Nordost Tyr 2“-Kabelserie

Das Netzkabel Nordost Tyr 2 weist in seiner inneren Geometrie ein verdrilltes Paar FEP-Monofilament auf, um ein definiertes Luftdielektrikum zu erzeugen
Das Micro Mono-Filament und Dual Mono-Filament winden sich hingegen auch durch unsere Tyr-Binder. Allgemein bezeichnen Filamente einzelne Fasern beliebiger Länge, dies können ebenso welche aus Kunststoff sein wie in der Natur vorkommende, biologische. Nordost verwendet natürlich Kunststoff-Filamente – und zwar aus dem Polymer „Fluor-Ethylen-Propylen“ (FEP), das aufgrund seiner hervorragenden dielektrischen Eigenschaften und mechanischen Haltbarkeit ja eine typische Kabelzutat ist. Das Besondere an der Nordost-MMF-Technologie ist dann auch weniger das „Was“, sondern das „Wie“: Während der Produktion wird jeder Leiter gänzlich mit einer einzelnen, feinen Litze aus FEP umwickelt und sodann mit einer extrudierten FEP-Schicht ummantelt. Beim ähnlichen DMF-Verfahren umwickelt Nordost den Leiter mit einem verdrillten Paar (Dual) aus FEP-Monofilament statt eines einzelnen Filaments, bevor er ummantelt wird. Das Tyr-2-Lautsprecherkabel kommt mit Mono-Umwicklung, die Tyr-Netz- und NF-Kabel warten mit der Dual-Variante auf. Warum das Ganze? Jeder Leiter soll so von einem eigenen, wohldefinierten Luftdielektrikum – Luft ist in dieser Sache bekanntlich das beste „Material“ – umgeben sein. Nordost verheißt drastische Erhöhungen der Signalgeschwindigkeiten und lobt die hervorragende mechanische Dämpfung dieser patentierten Technologien.
Zu den weiteren technischen Steckenpferden der Amerikaner zählen die entsprechend ihrer Geometrie genau definierten mechanischen Längen, in denen die Kabel erhältlich sind – was unter anderem Timing-Fehler minimiert – sowie eine gewisse klangdienliche Leichtbauweise. Python-dicke Strippen sind die Sache von Nordost jedenfalls nicht, und beim Lautsprecherkabel sollte man sich zudem nicht wundern, dass dort keine Bling-Bling-Stecker konfektioniert wurden (womöglich lediglich verschraubt), sondern verlötete und nur vermeintlich „einfache“ Bananas. Bei meinen hochgeschätzten Kimber Carbon 16-Lautsprecherkabeln habe ich mich übrigens ebenfalls gegen andere Steckervarianten entschieden und bewusst für verlötete Bananas – die für mich als Tester natürlich praktisch sind, da sie sich einfacher umstecken lassen als Kabelschuhe. Im Zweifelsfall stellen letztere freilich einen noch besseren Kontakt her. So oder so: Wichtiger als betont aufwändige Konstruktionen finde ich Designs aus hochwertigen (nicht übertrieben massiven) Materialien und präziser Verarbeitung, die auf jeden Fall verlötet oder kaltgeschweißt angebracht sein sollten.
Praxis

Die NF-Kabel Nordost Tyr 2 sind ebenso wie das Netzkabel mechanisch nicht allzu störrisch und mit Blick auf die Biegeradien gut zu händeln
Und während ich das Netz- und NF-Kabel aufgrund ihrer möglichen Biegeradien vom Handling her angenehm finde, bin ich aus rein praktischer Sicht kein Fan von Flachbandkabeln wie dem Nordost-Tyr-2-Lautsprecherkabel: Wer seine Lautsprecherkabel trittgeschützt hinter Lautsprecher und Rack verlegen kann, ohne es häufig umstecken zu müssen, mag das anders sehen. Ich hingegen muss auf meine Füße achten, stecke und ziehe die Tyr-2-Lautsprecherkabel etwas vorsichtiger als gewohnt und verlege sie – auch weil deutlich länger als benötigt – optisch etwas unelegant zwischen meinen Geräten und anderen Kabeln.
Dem stehen hoffentlich klangliche Vorteile entgegen – wir werden hören –, die laut Nordost auf Folgendem beruhen: Die Flachbandkonstruktion erhöhe die Signalübertragungsgeschwindigkeiten, unterbinde Litzeninteraktionen, optimiere die Geometrie (Abstandes und Anordnung der Leiter) und verringere den Skin-Effekt sowie den physischen Oberflächenkontakt. Nordost scheint auf seine Flachbandkabel jedenfalls richtiggehend stolz zu sein: „Aufgrund des aufwändigen Extrusionsverfahrens, das Nordost anwendet, sind wir der einzige Hersteller von Audiokabeln, der eine flache Kabelgeometrie in seinen Lautsprecherkabeln umsetzen kann.“
Die Leiter der „Nordost Tyr 2“-Kabel
Dass in solchen Kabeln nur hochwertiges Kupfer zur Anwendung gelangt – ich erspare Ihnen jetzt die OFC-Werte mit fünf Nachkommastellen –, ist so klar wie Kloßbrühe. Dass Nordost offenbar ein Fan von versilberten Kupferleitern ist, vielleicht schon weniger. Denn viele Entwickler bevorzugen reine Silber- oder Kupferleiter – und meine Erfahrungen gehen ebenfalls in diese Richtung. So etwa im Test der Kimber Select USB CU, HY und AG, in dem ich eine Lösung mit versilberten Leitern gegen solche mit puren Silber- und Kupferleitern vergleichen konnte.
„Eine dünne Versilberung von Kupfer bietet viele Vorteile“, sagt hingegen Nordost, „gerade im Zusammenhang mit den MMF- und DMF-Konstruktionen sowie der Minimierung der Mikrorauheit der Kupferoberflächen“. Letzteres ist übrigens ein Qualitätsaspekt, den beispielsweise auch AudioQuest immer wieder betont, technisch aber anders realisiert. Kurz noch der Vollständigkeit halber: Dem Netzkabel wohnen sieben versilberte Kupfermassivleiter à 1,309 Quadratmillimeter inne, die NF-Kabel kommen ebenfalls mit sieben solcher Leiter, die mit je 0,2047 Quadratmillimetern etwas kleiner ausfallen, und das Lautsprecherkabel rekrutiert sich aus 26 feinen Massivleitern mit 0,3255 Quadratmillimetern Querschnitt. Die krummen Zahlenwerte sind übrigens der „American Wire Gauge“-Kodierung (AWG) geschuldet, also der Umrechnung aus dem amerikanischen „Leiter-Maßsystem“.
Ein bisserl Politik …
Bevor wir neugierig in den Hörparcours einreiten: Viele mögen sich fragen, wie ein nicht mal ein Kilogramm schweres Kabel so viel kosten kann wie ein zentnerschwerer Lautsprecher oder Verstärker. Ich will keine Preispolitik verteidigen – aber am Ende zählt für mich immer das Ergebnis, egal ob man es mit vielem und teurem Material erreicht oder halt effizient. Dazu eine kleine Geschichte: Eine Familie ruft einen Techniker an, weil ihre Heizungsanlage im Keller ausgefallen ist – seit Tagen versuchen sie vergeblich, das Problem selbst zu lösen. Der herbei bestellte Techniker inspiziert die Anlage sorgfältig eine Viertelstunde lang und klopft anschließend vorsichtig mit einem Hammer gegen ein eher unzugänglich liegendes Teil der Konstruktion. Siehe da: Die Heizung läuft wieder! Die Familie ist glücklich, zumal sie nun weiß, wo sie künftig klopfen muss, falls der Fehler erneut auftritt. Als sie die Rechnung über 200 Euro plus Anfahrtskosten sieht – ohne detaillierte Auflistung der Reparaturarbeiten – macht sich jedoch Empörung breit, die Familie wendet sich erneut an den Techniker: „Sie haben doch gar nichts Wirkliches geleistet!“ Der Techniker überlegt kurz, lächelt und formuliert die Rechnung neu: 3 x klopfen = 1,50 Euro. Gewusst wo = 198,50 Euro.
Nichtsdestotrotz hake ich auch noch mal bei Nordost nach, was man angesichts der Preisgestaltung skeptischen Kunden entgegenhält. „Nordost verwendet nicht nur hochwertige Materialien, sondern vor allem auch exklusive Konstruktionstechniken, um einen außergewöhnlich guten Klang zu erzielen. Einige unserer Konstruktionsverfahren, vor allem im mittleren und oberen Bereich, erfordern extreme Präzision und sind daher sehr zeitaufwendig, was bedeutet, dass der gänzlich in den USA stattfindende Bau dieser Kabel in Perfektion sehr kostspielig ist. Unsere Produkte zeichnen sich durch kontinuierliche Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie ein weltweites Vertriebs- und Servicenetz aus, was eine lange Lebensdauer und einen hohen Wiederverkaufswert begünstigt, den unsere Kunden sehr schätzen.“
Hörtest & Vergleiche: Nordost Tyr 2
Doch genug des Vorgeplänkels – lassen wir die Kabel im Hörraum selbst zu Wort kommen. Und starten mit dem Netzkabel:
Soundcheck 1: Netzkabel Nordost Tyr 2
Was Netzkabel angeht, habe ich in meiner Anlage über die Jahre durchaus in- und extensiv experimentiert und fühle mich entsprechend gut aufgestellt, wobei ich mich letztendlich für einen Hersteller-Mix und keine einheitliche Verkabelung entschied. Das Audioplan Ampère L fasziniert mich mit seiner tollen Dynamik und Differenziertheit stets aufs Neue, da sind auch teurere Kabel nicht besser: Jedes Mal, wenn ich die Ampère aus meiner Anlage entferne, merke ich, dass ich mich an ihr „Wesen“ zu sehr gewöhnt habe, als dass ich sie missen möchte. Das HMS Energia Suprema sorgt hingegen für ein kleines, aber entscheidendes Plus an Tieftonpfund und -schwärze, währenddessen das neutrale Kondo KSL-ACc Persimmon eine angenehm luftige Note befördert. Ja, die Mischung macht’s.
Fast erwartungsgemäß geraten Rimshots wie in „White Noise“ von My Epic (Album: Violence, sehr hörenswerter, leicht experimenteller Rock) oder das irrwitzig schnelle Miteinander von Gitarre und Schlagzeug in „Hypersonic“ des virtuosen Instrumental-Metal-Quartetts Liquid Tension Experiments (LTE3) noch etwas markanter, wenn das Audioplan-Netzkabel in der Leiste steckt. Die Impulsflanken definieren sich etwas härter, explosiver. Doch: Die relative „Weichheit“ des Nordost Tyr 2 entspringt nicht irgendwelcher Schönfärberei oder einem gebremsten Dynamikverhalten, sondern zuallererst einer reichhaltigeren, lockeren Obertonaura. Ja: Um einzelne Töne herrscht eine reichhaltigere und authentischere „Bloom“, wie es in englischsprachigen Magazinen bisweilen heißt – zuzüglich eines reineren Sustains. Gerade bei Hi-Hats und Becken fällt mir das unwillkürlich auf. Das obertonseitige Plus an Feinpixeligkeit wirkt freilich nicht nur entgratend und mithin „weicher“, sondern tatsächlich überzeugender, organischer. Auch mein Kondo (obenrum etwas diffuser, weniger rein) und das obenrum vergleichsweise zurückgenommene HMS weisen nicht dieses überzeugend organische Flair des Tyr-2-Netzkabels auf. Wohlgemerkt: Für sich genommen sind das alles hervorragende Netzkabel – ja, mich überraschen die Vergleiche durchaus.
Auch in Sachen Auflösung lässt das Nordost Tyr 2 trotz seiner angenehmen – ja: irgendwie seidigen – Note nichts anbrennen. In 65daysofstatics „Stillstellung“ bringt das Nordost-Netzkabel das ebenso hochfeine wie dichte Hochtongezirpe und die subtilen Sechzehntel auf dem linken Kanal so „zählbar“ zu Gehör, wie ich das gewohnt bin. Dennoch mutet das Gebotene für meine Ohren unterschwellig einen Tick feiner und schlüssiger an – und am Ende angenehmer.
Selbstverständlich wirkt sich die durch das Nordost Tyr 2 bereinigte Obertoncharakteristik aufs ganze Klangbild aus: So etwa auf Klangfarben, die tatsächlich etwas deckkräftiger, klarer und organsicher als über meine eigenen Kabel wirken, eine Ausnahme bildet da vielleicht noch am ehesten das HMS. Das schließt übrigens auch die wahrgenommene „Bass-Schwärze“ mit ein. Gleichwohl kommen die Stärken des Nordost-Netzkabels selbst bei reiner Geigenmusik zum Tragen, weil hier Offenheit, dynamische Griffigkeit und die sich schlichtweg „schön“ anfühlende Seidigkeit wunderbar zusammenkommen; sehr gut zu hören beispielsweise mit Stig Nilssons Album Solo +.
Alles in allem offenbart sich die Wirkung des Netzkabels Nordost Tyr 2 am besten beim intensiven Musikhören – die Abwesenheit von unterschwelligen Störungen und mithin eine gesteigerte Reinheit sind nichts, was einen beim ersten Hören sofort ans Trommelfeld springt. Auf der längeren Hörstrecke stellt sich dann aber automatisch eine eingängigere, emotionalere Bindung zur Musik ein, wie ich finde.
Soundcheck 2: das Lautsprecherkabel Nordost Tyr 2
Eigentlich hätte ich erwartet, mit dem Nordost-Tyr-2-Lautsprecherkabel einen tieferen, quantitativ noch stärker ausgebauten Bass erleben zu können als mit meinem Kimber Carbon 16. Aber nein. Dafür werde ich von einem konturierten Bass überrascht. Den man weniger bei vordergründig-plumpen Beats in handelsüblicher Elektronikmusik bemerkt als beispielsweise bei unterschwellig anklopfenden Bassdrumschlägen in dicht arrangierter, komplexer Musik. Über mein Kimber Carbon 16, dessen überdurchschnittliche Definiertheit ich sehr schätze, auch wenn das Kabel über die Jahre tatsächlich einen Tick milder, fluider geworden ist, wirken solche Bassdrumschläge etwas diffuser, wie von einer „vernebelteren“ Aura umgeben. Das Nordost-Tyr-2-Lautsprecherkabel transportiert derartige Impulse markanter und konturierter – gerade komplexe Songs versprühen gefühlt mehr Rhythmus und Grip.
Zumal diese Konturschärfe zu den oberen Frequenzbereichen hin keineswegs nachlässt: So muten über das Tyr 2 nicht nur Bassimpulse, sondern auch gezupfte Westerngitarrensaiten noch fokussierter, wie mit feinerer, härterer Mine gezeichnet, an – was wie nebenbei einen schwärzeren Hintergrund suggeriert. Bei alledem, sie lesen‘s vielleicht schon raus, stellt das Nordost-Tyr-2-Lautsprecherkabel im Vergleich zum Netzkabel vermehrt eine kernige Note in den Vordergrund.
Nichtsdestotrotz begeistert mich abermals die Wiedergabe von Becken und Hi-Hats – vielleicht liegt‘s daran, dass ich ganz früher mal Schlagzeug spielte und überdies unglücklicherweise häufig Anlagen besaß, die obenrum unangenehm zischelig oder verhangen klangen. Klar, auch mein Kimber-Lautsprecherkabel macht mich da absolut happy. Dennoch fächern sich die Texturen von Becken und Hi-Hats übers Nordost tatsächlich noch reiner und mithin realistischer auf, ein willkommener Zugewinn. Zumal diese Zunahme an Transparenz und Präzision nicht mit zusätzlicher Schärfe oder ähnlichem einhergeht. Hier zeigt sich die Verwandtschaft zum Nordost Tyr 2-Netzkabel. Trotz besagter Kernigkeit auf der einen Seite tönt das Nordost-Tyr-2-Lautsprecherkabel andererseits feiner, konzentrierter, vermittelt sogar irgendwie ein dezentes Flair.
Selbst bei Tracks, die keine audiophilen Perlen sind, macht sich das bezahlt. So etwa bei den Tracks vom erwähnten Liquid Tension Experiment oder den Progressive-Metallern Blotted Science. Hier versammeln sich exzellente Musiker, deren rasend-schnelle Instrumentenbedienung selbst in dichten Walls of Sound nicht verwischen sollte. Je mehr Kontur und Definition und je weniger Transienten in Wolle gepackt zu sein scheinen, umso stärker gehen diese Supergroups ins Ohr – sofern sich dadurch keine artifizielle Silbrigkeit oder Härte in die Musik einträgt. Und das Nordost Tyr 2 bedient genau diese Ansprüche.
Während mich das Tyr-2-Netzkabel aber bei jeglicher Art von Musik mit dem Gedanken spielen ließ, es zu kaufen, passiert das beim Tyr-2-Lautsprecherkabel vor allem bei solch dicht arrangierter Musik. Klar, dessen Vorzüge scheinen natürlich bei ruhigerer Musik ebenfalls durch, wirken dort subjektiv aber weniger hörspaßentscheidend auf mich.
Ein weiterer Unterschied: Der Wechsel aufs Nordost-Tyr-2-Lautsprecherkabel zahlt stärker auf die Bühnenabbildung ein, als das beim das Tyr-2-Netzkabel der Fall ist. Das betrifft keineswegs die Ausdehnung oder Ablösung des Geschehens von den Boxen, sondern dessen Definition: Einzelne Töne wirken dezidierter, eindeutiger, umrissschärfer als über mein eigentlich doch ebenfalls sehr präzises Kimber Carbon 16 – was ich witzigerweise ebenfalls gerade bei wuselig-dichten Tracks goutiere. Hallo, liebe Frickel-Metal-Fans da draußen: Das ist euer Kabel! Denn alles hängt mit allem zusammen: Ein unverstellterer Blick auf einzelne Bühnenelemente suggeriert gleichzeitig mehr Attack, Energie und Impulsivität und gleichsam eine unmissverständlichere Auflösung. Und umgekehrt.
Zugegeben: Vielleicht mag dieser Äpfel-Birnen-Vergleich etwas schräg anmuten, dennoch hat das Nordost-Tyr-2-Lautsprecherkabel etwas von einem unbestechlichen Studiomonitor, der der Musik – anders als das Netzkabel, das ich als noch „untendenziöser“ und musikalischer empfinde – eine Spur Nüchternheit unterrührt. Diesen Zug sollte man mögen oder eine Audiokette besitzen, deren Klangbild bewusst gestrafft und „aufgeräumt“ werden soll.
Soundcheck 3: das NF-Kabel Nordost Tyr 2
Bevor ich direkt zu den NF-Kabeln der Nordost-Tyr-2-Serie komme, ich habe die XLR-Variante verleint, vorab eine interessante Erfahrung: Mein D/A-Wandler Canever Audio ZeroUno SSD, den mein Kollege Martin Luding so schön charakterisierte, bietet rückseitig einen unscheinbaren Extrakontakt, mit dem sich das Gehäuse zusätzlich erden lässt. Und auch bei meinen Sehring 903 S2 lassen sich mittels einer optionalen kleinen Box, die in die Netzleiste kommt, die Chassis erden. Der Effekt ist hüben wie drüben ähnlich, beim Canever für mein Empfinden sogar noch ausgeprägter: Unterschwellige Unruhe nimmt ab, der berühmte schwarze Hintergrund und Klangfarben wirken reiner, was zu besseren Kontrastierungen führt. Schlussendlich – eigentlich nur logische Folge – mutet auch die Räumlichkeit noch definierter an.
Das kommt Ihnen nach all den bisherigen Klangbeschreibungen bekannt vor? Genau. Die Klanggewinne durch die Erdungen sind übrigens nicht unbedingt riesig, aber signifikant und herzlich willkommen. Das Thema „zusätzliche Erdung“ verdient eigentlich mehr Aufmerksamkeit, die klanglichen Verbesserungen ähneln – auch das hatten wir in diesem Test schon wiederholt auf dem Tapet – denen von zusätzlichen Filtern oder Netzteil-Upgrades, lassen sich aber viel kostengünstiger realisieren.
Und Sie ahnen es: Das Nordost-XLR-Kabel wirkt klanglich ebenfalls ganz ähnlich. Und das ist gut so: Statt den Sound in eine tonale Richtung zu biegen oder auf besonders ohrenfällige Auflösung trainiert zu sein – wie etwa ein AudioQuest Thunderbird –, verändert sich die grundsätzliche Charakteristik gegenüber meinem hochgeschätzten AudioQuest Pegasus nicht grundlegend. Sondern abermals so – Netz-, Lautsprecher- und NF-Kabel verhalten sich hier konsistent –, als hätte meine HMS-Filterleiste ein Upgrade erfahren oder mein Melco-N50-S38-Server plötzlich ein höherwertiges Netzteil intus: Es treten genau die oben genannten Verbesserungen zutage, mit einem organischeren Klangbild als Folge. Für mich ist das an dieser Stelle eine besondere Überraschung, da das Pegasus nicht zuletzt durch seine Aktivtechnologie, bei der ein elektrisches Feld generiert wird, ein sehr „reines Medium“ ist, das in dieser Hinsicht kaum zu toppen sein sollte und zu meinen absoluten Lieblingsstrippen zählt.
Ich bin mit der oben genannten „interessanten Erfahrung“ aber noch nicht ganz durch. Und hier spielte der Zufall mit rein. Die Unterschiede zwischen meinem Audioquest Pegasus und dem Nordost Tyr 2 hörten sich nach einigen Tagen plötzlich drastischer an, das AudioQuest Pegasus wirkte relativ klobiger und „grauschleieriger“, es ließ feine Hochtontexturen im Vergleich verrauschter erscheinen. Und als ich so dachte, dass mein Hörprotokoll wohl eine Revision benötigt und ich mit Blick auf die Tyr-2-NF-Kabel nicht nur meine Netzkabel, sondern auch meine XLR-Verbindungen überdenken muss, sehe ich neben meinem Canever-DAC das Erdungskabel liegen, das sich durch die ganze Hin- und Her-Steckerei irgendwann löste. Erste Erkenntnis: Ich muss unbedingt mal eine ordentliche Öse an den grüngelben Leiter löten. Zweite Erkenntnis: Mein Hörprotokoll darf so bleiben. Das wieder montierte unscheinbare Erdungskäbelchen nivelliert die Unterschiede zwischen den XLR-Kabeln natürlich keineswegs gänzlich, das Tyr 2 ist die hörbar verlustärmere Verbindung, lässt mich mit meinen Pegasus dennoch wieder versöhnt fühlen.
Und es hebt das Nordost-Tyr-2-NF-Kabel eigentlich noch eindrücklicher aufs Podest, da deutlich wird, dass das Tyr nichts verbiegt, sondern wie seine Geschwister eine sich „bereinigend“ anfühlende Wirkung entfaltet. Ich ahne, dass der eine oder andere Leser – eh typisch fürs Thema Kabel – beim Lesen dieser Zeilen mehr als skeptisch wird, und ich könnte mich nun an mehr oder weniger naheliegende technische Erklärbärversuche wagen. Doch wichtig ist vor allem: Probieren geht über Studieren, der Händler Ihres Vertrauens leiht Ihnen die Strippe ihrer Wahl bestimmt mal unverbindlich übers Wochenende aus – vielleicht kann das NF-Kabel aus der Nordost-Tyr-2-Serie in bestimmten, hochwertigen Anlagekonstellationen sogar das eine oder andere kleine Wunder vollbringen.
Test-Fazit: Nordost Tyr 2 – Netz-, Lautsprecher- und NF-Kabel
Ich weiß natürlich nicht, welche Kabel und welchen Ausgangspunkt Sie zuhause in Ihrer Audiokette haben. Aber ich vermute, die Auswirkungen eines oder mehrerer Kabel aus der Nordost-Tyr-2 Serie dürften regelmäßig ähnlich ausfallen: Denken Sie sich Ihr Klangbild – dynamisch, detailbezogen und räumlich – mit festeren, definierten Konturen, mit weniger Unordnung in den Binnentexturen von Tönen und in ihren Obertonauren sowie mit mehr Hintergrundschwärze. Und stellen Sie sich vor, dass all das zwar mit einer Steigerung der Präzision einhergeht, diese aber nicht vordergründig auf dem Silbertablett präsentiert wird. Ich beschrieb es bereits: Man fühlt sich eher an die typische Wirkung eines guten Netzfilters oder einer höherwertigen, externen Stromversorgung einer Digitalkomponente erinnert.
Einen guten Netzfilter zähle ich ebenso wie eine gute Verkabelung zu den Basics oder zur „Pflicht“ jeder liebevoll auf audiophilen Sound getrimmten Anlage. Eine Lösung wie die Nordost-Tyr-2-Serie gehört zu den besonders kompromisslosen Upgrades, zur absoluten Tuning-Kür von ausgesuchten Highend-Anlagen, die in vielerlei Hinsicht bereits ausgereizt sind: Gerade für solche Systeme bieten die Tyr die Chance auf einen Grenznutzen, der den verwöhnten Klang-Connaisseur bestimmt zu überraschen zu vermag.
Dies gilt für alle drei getesteten Varianten, das Netz-, Lautsprecher- und NF-Kabel, wobei das Lautsprecherkabel überdies eine sich leicht nüchtern anfühlende Note unterrührt und mich mit seiner betont aufgeräumten Art vor allem bei komplexer, impulsreicher Musik anspricht. So oder so weist es ein kleine Tendenz auf, mit der man den Sound der Anlage bewusst steuern kann oder die einfach zum eigenen Geschmack passen sollte.
Die Stars des Trios sind für mich aber das NF-Kabel und vor allem das Netzkabel, das von Anbeginn des Tests einen Will-haben-Effekt bei mir auslöste, und das, obwohl ich gerade mit Netzkabeln persönlich sehr viel experimentiert habe. Natürlich ist das subjektiv und von der Ausgangslage abhängig, doch für beide Kabel gilt: Die besondere Mischung aus Farbigkeit, Seidigkeit und ebenso unaufgesetzter wie hoher Präzision muten nicht die Spur geschmäcklerisch an, sondern führen schlichtweg zu einer Skalierung der Natürlichkeit des Klangbilds, die wohl jeder Hörertyp – sei er Analytiker („Durchblick“) oder eher Genießertyp („Stressfreiheit“) – goutiert. Zum Schluss noch ein Tipp, mag das mancher Fachhändler jetzt auch nicht so gerne lesen: Testen Sie die Nordost-Binder auch dann mal unverbindlich beim Dealer Ihres Vertrauens an, wenn Sie sich diese nicht leisten können oder wollen – denn für entsprechend sensible und leidenschaftliche Hörer sind die Nordost Tyr 2 auf jeden Fall eine Bereicherung des audiophilen Erfahrungsschatzes.
Fakten:
- Modell: Nordost Tyr 2
- Konzept: Netz-, NF- und Lautsprecherkabel
- Preise: Netzkabel: 4.385 Euro für 1 Meter* | NF-Kabel: 3.925,00 für 2 x 1 Meter* | Lautsprecherkabel: 12.170 Euro für 2 x 3 Meter* (* verschiedene Längen mit variierenden Preisen erhältlich)
- Garantie: 10 Jahre
- Weitere Informationen auf der Website des deutschen Vertriebs
Vertrieb:
Audio Reference GmbH
Alsterkrugchaussee 435 | 22335 Hamburg
Telefon: +49 (0)40-533 203 59
E-Mail: info@audio-reference.de
Web: https://www.audio-reference.de/
Test: Nordost Tyr 2 | Lautsprecherkabel, Netzkabel, NF-Kabel