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Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Monitor mit Herz
  2. 2 Neat Ministra: Klangtest & Vergleiche

Ein Monitor? Mit Bändchenhochtöner? Das könnte bei Ihnen den Eindruck erwecken, dass die Neat Ministra (2.398 Euro | https://bellevueaudio.de) eher den Intellekt als den Bauch anspricht. Doch bei Neat Acoustics aus Barnard Castle in Nordengland müssen Sie sich darüber keine Gedanken machen. Die Firma, hierzulande immer noch viel zu unbekannt, ist von Berufsmusikern geprägt und schafft es, klassische Monitortugenden salopp gesagt mit ganz viel Gefühl zu verknüpfen. Wie das gelingt und wie die Engländer fast allen Klischees trotzen, wird Sie bestimmt interessieren.

Klischees haben zwei besondere Eigenschaften: Sie enthalten ein Körnchen Wahrheit und sind langlebig. Der erste Neat-Lautsprecher, den ich bewusst wahrgenommen habe, war die Iota Alpha. Auf dem Analog Forum in Krefeld spazierte ich in einen Vorführraum und dachte spontan: „Abgebrochener Riese“, als ich sie sah. Das liegt daran, dass die Iota Alpha nur 45 Zentimeter hoch ist, für einen Standlautsprecher mithin ein Witz. Ihre Chassis sitzen auf einer abgeschrägten Front und strahlen so nach vorne ab. Und natürlich melden sich sofort alte Klischees wie „typisch englisch“ und „schrullig“.

Neat Acoustics Ministra Lautsprecher - Single-Wiring-Anschlussterminal

Unser Testmodell der Neat Ministra kommt in der Ausführung Seidenmatt-Weiß, die Schallwand hingegen ist in Schwarz gehalten

Doch Vorsicht: Auch wenn englische Produkte schrullig erscheinen mögen, sind sie häufig so viel mehr als das. Die Iota Alpha jedenfalls strafte ihre Größe Lügen und zog mich schnell mit ihrem berührenden, agilen und raumgreifenden Klang für Stunden in den Bann und aus dem restlichen Messegeschehen heraus.

Deshalb musste ich nicht lange überlegen, als mir Jörg Dames die Neat Ministra, deren Bestückung der Iota Alpha stark ähnelt, als Thema vorschlug. Im Vergleich zu dieser mag die Ministra wie das wesentlich konservativere Design erscheinen, aber das ist nur die halbe Wahrheit.

Gestatten, Neat Acoustics …

Neat Acoustics Ministra Lautsprecher - Front von oben

Neat wurde von Bob Surgeoner gegründet und zwar aus einem einzigen Grund: seiner Liebe zur Musik. Das behaupten viele, Surgeoner kann man das glauben. Nachdem er bereits mit zehn Jahren Transistorradios und andere HiFi-Spielsachen selbst zusammengebaut hatte, wurde er mit 15 Azubi bei einem Instrumentenbauer für klassische Gitarren, Violinen und Cellos. Zu diesem Zeitpunkt spielte Surgeoner schon Gitarre in verschiedenen Nachwuchsbands, was nach und nach immer mehr Raum in seinem Leben einnahm. Folgerichtig endete seine Karriere als Instrumentenbauer und er wurde Vollzeitmusiker, der neben Gitarre bald auch Klavier, Banjo, akustischen Bass und Akkordeon spielte. Und bis heute hat er großen Spaß daran, ungewöhnliche Instrumente wie etwa die Keltische Harfe zu erlernen.

Seine Musikerjobs ernährten den jungen Bob aber nicht wirklich und so begann er, HiFi-Geräte zu verticken. Das lief schnell derart gut, dass er einen Laden im Norden Englands eröffnete, den er „North Eastern Audio Traders“, kurz NEAT nannte. Als nun die unterschiedlichsten Komponenten durch seine Hände gingen, wurde ihm klar, dass sein Hauptinteresse Lautsprechern galt. Zu dieser Zeit waren gerade kleine Monitore angesagt, von denen ihm aber keiner so ganz gefiel. Also fing er an, selbst so einen kompakten Lautsprecher zu entwickeln. Nach 18 Monaten, die Surgeoner als eine „Trial and Error“-Phase bezeichnet, war die heute noch gerühmte Petite fertig. Er präsentierte sie auf der Heathrow HiFi-Show 1990 und es zeigte sich, dass die „Errors“ offenbar sehr gering waren, denn die „Kleine“ bekam nicht nur viel Lob, sie generierte auch jede Menge Bestellungen. Also machte Surgeoner seinen Laden dicht und ist seit 1991 Lautsprecherhersteller.

Neat Acoustics Ministra Lautsprecher - vorne und seitlich rechts

Vor allem mit den Ohren entwickelt – gebaut werden die Neat Ministra ebenfalls nach wie vor in Nordengland

In gewisser Weise sind Lautsprecher ja auch Musikinstrumente, Fenster zur Musik, womit sein Werdegang absolut stringent wird. Surgeoner steuert seine Firma mit ihren sieben Mitarbeitern, darunter auch zwei Ingenieuren, noch immer nach denselben Prinzipien wie zu Beginn: Er erlaubt der Musik, das Design zu bestimmen, entwickelt also vor allem mit den Ohren. Das dauert vielleicht etwas länger als bei anderen Firmen und führt mitunter zu Ergebnissen, die anders ausfallen als üblich, aber genau das zeichnet Neat ja aus. Entwickelt und gebaut werden die Lautsprecher nach wie vor in Nordengland, die Gehäuse entstehen in Yorkshire und werden dann in der Neat-Fabrik endmontiert.

Technik: Neat Ministra

Die Neat Ministra ist gewissermaßen die Ständervariante der größeren Ekstra, einem neueren Erfolgsmodell der Firma. Vordergründig wirkt sie wie ein klassischer Zwei-Wege-Monitor, verbirgt jedoch ein Geheimnis im Inneren, doch dazu gleich mehr. Normalerweise lässt Surgeoner seine Treiber von namhaften Firmen entwickeln, im Fall der Neat Ministra fand er aber zwei Chassis im Regal, die genau die Eigenschaften besitzen, die er sich für den Lautsprecher vorstellte.

Integrativ: die Wahl der Treiber

Neat Acoustics Ministra Lautsprecher - Bändchenhochtöner

Der Bändchenhochtöner der Neat Acoustics Ministra stammt von Fountek

Für ihn definiert der Hochtöner den Klangcharakter eines Lautsprechers maßgeblich und dabei interessiert ihn nicht in erster Linie dessen maximales Auflösungsvermögen, sondern vor allem die Fähigkeit zur organischen, bruchlosen Integration mit den übrigen Treibern. Nun wird in vielen Monitoren klassisch eine Kalotte als Hochtöner eingesetzt. Die sind meist günstig und klingen für viele Anwendungen gut genug. Surgeoner selbst hat das schon bei der Petite mit Erfolg getan.

Doch auch mit Bändchenhochtönern hat er seit den 90er-Jahren viel Erfahrung gesammelt – und so ist seine Wahl für die Ministra keine große Überraschung. Hier verwendet er einen sogenannten „True Ribbon“-Hochtöner, ein echtes Bändchen also. Gibt es auch falsche? Ja, denn beim „True Ribbon“ agiert die komplette Membran als Leiter und nicht nur ein Teil davon (vgl. Magnetostatische Lautsprecher im fairaudio-Lexikon). So lässt sich ein besonders leichter Wandler ohne überflüssige Masse bauen. Zum Vergleich: die Membranen typischer Kalotten wiegen etwa 0,5 Gramm, AMTs um die 0,15 Gramm und das Bändchen in der Ministra 0,01 Gramm.

Das Ministra-Bändchen wird vom chinesischen Hersteller Fountek hergestellt. Fountek wurde 2003 gegründet und hat sich in dieser Zeit mit eigener Entwicklung und hochwertiger Fertigung in China einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet. Eine Modifikation konnte sich Surgeoner dann doch nicht verkneifen. Er ersetzte die ursprüngliche Frontplatte des Fountek mit einer eigenen, die keinen mechanischen Kontakt zum Hochtöner mehr aufweist, der von hinten direkt auf das eigentliche Lautsprechergehäuse montiert wird.

Der 134-mm-Tiefmitteltöner hingegen wird von Peerless hergestellt und ist ein wirklich klassisches Chassis mit kunststoffbeschichtetem Papierkonus und Ferritmagnet. Surgeoner findet, dass gerade dieser scheinbar so unspektakuläre Treiber eine ideale Synergie mit dem klangbestimmenden Bändchen eingeht.

Secret inside

Neat Acoustics Ministra Lautsprecher - Isobarik-System im Bass

Die schematische Isobarik-Anordung der Tiefmitteltöner der Neat Acoustics Ministra (Bild: Neat Acoustics)

Ich hatte das Geheimnis der Neat Ministra im Inneren angesprochen. Die Ministra ist vier Zentimeter tiefer als die größere Ekstra, diesen Platz braucht Surgeoner für einen zweiten, identischen Tiefmitteltöner. Der arbeitet verborgen in der sogenannten „Isobarik“-Anordung, einer Lösung, die durch Linn bekannt wurde. Surgeoner hatte sich einst in den trockenen, präzisen Bass der ursprünglichen Linn DMS Isobarik Lautsprecher verliebt und als ersten Versuch mit der Technologie einen Isobarik-Subwoofer-Sockel für seine Petite konstruiert, ähnlich der Lösung für die LS3/5a. Damals wurde die Technik fester Bestandteil des Neat-Baukastens. In letzter Zeit stimmt Surgeoner seine Lautsprecher allerdings so ab, dass sie auch wandnah betrieben werden können und nicht mehr unbedingt den Freiraum nach hinten benötigen, der für Isobarik-Lösungen eigentlich typisch ist.

Aber was bedeutet Isobarik genau? Anstatt nur einen Tiefmitteltöner einzusetzen, wird ein zweiter dahinter eingebaut. Er sitzt in einer nach hinten versiegelten Kammer und strahlt spiegelgleich hinter dem eigentlichen Treiber nach vorne auf dessen Rückseite ab. Das soll Verzerrungen reduzieren, was man deutlich heraushören kann, denn die Neat Ministra spielt auch im Bass exemplarisch sauber. Die Chassis werden parallel geschaltet und nun lässt sich ein kontrollierter, tiefer Bass in ziemlich kleinen Gehäusen realisieren.

Neat Acoustics Ministra Lautsprecher - Bass-/Mitteltöner

Der 134-mm-Tiefmitteltöner der Neat Ministra stammt von Peerless

Übrigens: Das rückwärtige Rohr ist keine typische Bassreflexöffnung, sondern eine sehr genau abgestimmte kontrollierte Undichte. Surgeoner findet, dass bei Bassreflexlösungen häufiger Verschmierungen im Timing auftreten, die er bei seiner Liebe zu trockenem Bass nicht tolerieren mag. Also hat er nach Gehör einen kürzeren, speziell geformten Ausgleichskanal so lange getuned, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war.

Die eigenen vier Wände

Das Gehäuse der Neat Ministra besteht aus hochverdichtetem 18 mm starken MDF, innen zusätzlich versteift und ordentlich bedämpft. Die aufgesetzte Schallwand ist ebenfalls aus MDF, sie wird an den Korpus durch eine dünne Polyethylenschicht gekoppelt und bekam elegant wirkende, seitliche Ausfräsungen, die der Reflexionsbrechung dienen. Resonanztechnisch ist die Ministra also ziemlich „tot“, was mein Klopftest belegt.

Minimalistisch

Die Frequenzweiche ist minimalistisch aufgebaut: Zwei Luftspulen, ein Folienkondensator und zwei Drahtwiderstände für die Lautstärkeanpassung müssen ausreichen. Sie trennt zu den Mitten hin mit 6 dB und zum Hochtonbereich mit 12 dB, der Übergang liegt bei 3,8 kHz, der hohe Übernahmepunkt ist eine Gemeinsamkeit aller Neat Lautsprecher. Der Wirkungsgrad der Neat Ministra ist mit 86 dB/W/m eher bescheiden, ihr gutmütiger Impedanzverlauf mit seinem Minimum bei 4,8 Ohm lässt aber auch schwächere Verstärker zu, sofern man nicht sehr laut hören will.

Neat Ministra: Klangtest & Vergleiche

Das richtige Teamplay

Neat Acoustics Ministra Lautsprecher - mit und ohne Frontabdeckung

Werner Berlin vom deutschen Neat-Vertrieb Bellevue Audio hatte mich wissen lassen, dass die Ministra gut eingespielt sei. Trotzdem brauchen Lautsprecher nach einem Transport immer ein wenig Zeit, also habe ich sie direkt nach der Lieferung ausgepackt, auf passende Ständer in meinem gut 30 Quadratmeter großen Hörzimmer platziert, meinen Lavardin ISx Reference Vollverstärker angeschlossen und sie ein paar Tage vor sich hin spielen lassen. Falls Sie sich fragen, warum ich einem so kleinen Lautsprecher einen so großen Raum zumute: meine historischen Rogers LS3/5a Monitore (um 3.300 Euro) bespielen ihn mit Leichtigkeit. Die Ministra kann das auch. Aus dem Stand spielt sie leichtfüßig und schnell, transparent und mit sehr schönen Klangfarben. Außerdem fällt mir auf, dass sie es in puncto Rundstrahlverhalten fast mit meinen Rogers aufnehmen kann, die darin absolute Champions sind: sauber! Einzig der Grundton wirkt in meinem großen Raum etwas überbetont.

Shirley Horn - You won´t forget meZur Verdeutlichung: Auf „It had to be you“ von Shirley Horn (Album: You won´t forget me; auf Amazon anhören) spielt Branford Marsalis ein grandioses Tenorsaxofon-Solo, bei dem er sämtliche Register zieht. Sein Anblasen klingt mit der Ministra wunderbar realistisch und klar im Raum hinter Shirley verortet. Allerdings wirkt sein Saxofonklang in den tieferen Lagen leicht aufgedickt: Das ist für kleine Kompakte nicht ungewöhnlich, stört mich aber bei manchen Stücken. Nachdem ich mich bei Surgeoner versichert habe, dass meine Aufstellung in Ordnung ist, auch wenn die Ministra zusätzlich für wandnahe Bedingungen geeignet wäre, probiere ich nach dem Lavardin verschiedene Verstärkerkombinationen aus. Der Lavardin spielt im Grunde neutral, aber mit einer schönen Prise Wärme und zeigt sämtliche Eigenschaften der angeschlossenen Lautsprecher auf.

Und tatsächlich verschwindet die kleine Unart der Ministra in Verbindung mit meiner Air Tight ATC-1 Röhrenvorstufe und einer klassischen Naim NAP-110 Endstufe. Auf Nachfrage bestätigte mir Bob Surgeoner, dass er ein Faible für Naim-Verstärker hat. In seinem Hörraum laufen neben Hegel-, LFD- oder Norma-Verstärkern immer auch welche von Naim.

Now we’re talking …

Neat Acoustics Ministra Lautsprecher - Bassreflexöffnung

Ich lege noch einmal die Shirley-Horn-CD ein und höre erneut Branford Marsalis‘ Solo. Jetzt stimmt die Abbildung des Saxofons perfekt, die vermeintliche Überhöhung ist verschwunden. Auf „If you should go“ höre ich ganz am Ende überdeutlich das Gurgeln in Shirley Horns Rachen, das mit weniger transparenten Lautsprechern oft nur wie ein seltsames Geräusch erscheint, das jede Kontur vermissen lässt und eher für Irritation sorgt. Die Neat löst diesen Part exemplarisch gut auf. Ich kann am Ende sogar die letzten, ganz tiefen Klaviertöne, den harten, schlackenlosen Anschlag und wie die Töne jeweils ausschwingen – sowohl an meinem Körper als auch im Raum – wahrnehmen. Hier scheint mir die Isobarik-Abstimmung ihre Stärken auszuspielen, denn so einen Tiefbass aus so einem kleinen Gehäuse hört man normalerweise nicht. „Now we’re talking“ würde der Engländer sagen – so gefällt mir die Ministra richtig gut.

James Blake - OvergrownWas liegt also näher, als James Blake aufzulegen (Album: Overgrown; auf Amazon anhören)? Der hypnotische Mix aus seiner höhenbetonten Stimme und den oft gemeinen, nahezu seismischen Bässen und Grooves stellt jeden Lautsprecher auf eine besondere Probe. Je mehr ich am Lautstärkeregler drehe, desto erstaunter bin ich, was diese kleine Monitormaschine an Schalldruck in meinen großen Raum pumpen kann. Und noch mehr erstaunt mich, dass die Ministra dabei immer die Übersicht, ihre Offenheit und Klarheit behält – bis der Pegel dann auch ihr zu viel wird. Aber das sind Lautstärken, die bereits den dann vielleicht schon nicht mehr so freundlichen Nachbarn auf den Plan rufen könnten. Die Kombination aus Isobarik und Bändchen, die außer Neat sonst kein anderer mir bekannter Hersteller einsetzt, hat zumindest meine Feuertaufe mit Bravour bestanden.

In den Mitten liegt die Magie

Groß, klar, mächtig, rein und schön klingt dann auch das Tenorsaxofon des legendären Dexter Gordon auf „Darn that dream“ (Album: One Flight up). In den Mitten liegt die Magie, dort werden Stimmen zu Erlebnissen und können Instrumente wie so ein Saxofon Gänsehaut erzeugen. Voraussetzung dafür ist, dass die Mittenwiedergabe sauber, nicht verschmiert, aber auch nicht vorwitzig ist. Genau das liefert die Neat Ministra zusammen mit dem japanisch-englischen Verstärkergespann nun in wunderbarer Balance und mit erstaunlicher Transparenz. Dabei erlaubt sie sich keinerlei Härten im Hochton und glänzt durch schöne Klangfarben, die mich Instrumente und Interpreten immer deutlich erkennen lassen.

Sauber & staubtrocken

Neat Acoustics Ministra Lautsprecher - Hochtöner und Konustreiber

Im Vergleich zu meiner Rogers wirkt sie sogar ein wenig erwachsener, größer. Der Vergleich mit meiner Haigner Rho, einem deutlichen größeren Zwei-Wege-Horn-System ist unfair, aber interessant. Zeigt sich doch dabei, wie gut die Isobarik-Lösung der Ministra funktioniert, denn die Neat kann gerade in puncto Bruchlosigkeit sowie Ausdehnung im Bass mit der Rho mithalten, das Bass bleibt jederzeit sauber und staubtrocken. Nur beim Gesamtpegel muss sie früher die Segel streichen.

Der Wahrheit ganz nahe

Außerdem staune ich immer wieder über die Rauminformationen, die mir zugespielt werden und die manchmal selbst das Niveau meiner hier maßstabsetzenden Rogers LS3/5a erreichen. Dexter Gordon war ein großer Mann, den ich auch live auf der Bühne gesehen habe. Und genau so erscheint er vor meinen Ohren, aufgenommen im relativ halligen Studio von Rudy van Gelder in Englewood Cliffs, New Jersey. Auch wenn ich selbst nie dort war, weiß ich viel über dieses berühmteste Studio der Jazz-Geschichte und kenne jede Menge Bilder von dort. Und das lässt mich auf eine hyperrealistische Abbildung schließen, eine die der Wahrheit ganz nahe zu kommen scheint. Durch ihre Abbildungsfähigkeiten „verstecken“ sich die Lautsprecher praktisch vollständig, sprich man hört nur noch Musik, keine Box. Der Raum um die Lautsprecher herum spannt sich derart auf, dass ich jederzeit den Eindruck habe, genau so müsse es sich anhören.

Das führt dazu, dass ich mit der Ministra Musik simultan analysieren und genießen kann. Ich sitze gewissermaßen mit angehaltenem Atem und einem Grinsen im Gesicht in einem virtuellen Regiesessel.

Die größte Hürde

Neat Acoustics Ministra Lautsprecher - Rückseite mit Anschlüssen und Bassreflexsystem

Und auch, wenn ich jede Menge andere Genres mit der Neat Ministra gehört habe, zieht es mich immer wieder zum Jazz. Art Pepper ist mein liebster Altsaxofonist und deshalb kommt nun gewissermaßen die größte Hürde: Nimmt mich seine Musik emotional mit, hat die Ministra endgültig gewonnen. „Body and Soul“ (Album: Unreleased Art Vol.1) trifft mich ins Herz. Wie schön glitzert Peppers edler, unvergleichlicher Ton, steigen diese bittersüßen Traumnoten in der Abendsonne aus seiner geplagten Seele auf und hinaus. Die Ministra bildet die Intimität dieses Live-Konzerts perfekt ab, realistische Rauminformationen und natürliche Klangfarben machen es möglich.

The last Kiss

Miles Davis - Kind of BlueKurz bevor wir uns trennen, lege ich noch einmal Miles Davis auf (Album: Kind of Blue; auf Amazon anhören), eine Aufnahme, die nicht nur ich in- und auswendig kenne. Und auch hier wirkt es, als würde Miles Davis ein Hauskonzert nur für mich spielen, so realistisch klingt die Aufnahme mit der kleinen Neat. Miles‘ Trompete hat einen Glanz, den viele Schallwandler unterschlagen. Diese Offenheit ist ganz klar ein Verdienst des Bändchens. Dabei agiert es immer auf der feinen, geschmeidigen Seite der Auflösung und leistet sich keinerlei unschöne Schärfen. Und der Kontrabass, der alles andere als ideal aufgenommen ist und mit vielen anderen Lautsprechern beinahe absäuft, bekommt hier seine farbige Tonalität und seine rhythmische Struktur zurück.

Billboard
H-E-A-R JMR

Test: Neat Ministra | Kompaktlautsprecher

  1. 1 Monitor mit Herz
  2. 2 Neat Ministra: Klangtest & Vergleiche

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