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Musical Fidelity Encore 225: Klangeindruck

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Eines vorab: Etwas Geduld sollte der Hörer mitbringen, denn Musical Fidelitys Encore 225 gönnt sich eine nachgerade epische Einspielzeit. Selbst nach vier durchaus intensiven Testwochen war der Alleskönner ohrenscheinlich noch immer nicht komplett am Limit. Nach jeder „durchgemachten“ Nacht waren tags darauf noch subtile Verbesserungen im Klangbild festzustellen.

Musical Fidelity Encore 225 - RückseiteMusical Fidelity Encore 225

Doch wie sieht’s denn nun aus, das Klangbild? Beginnen wir mit der digitalen Zufütterung des Encore und spannen zum Vergleich einmal zwei unterschiedliche Digitalquellen an. Konkret: einmal meine bewährte Auralic Aries Streaming-Bridge über S/PDIF-Koax und einmal mein Tablet via USB. Als Streaming-Plattform dient jeweils der aus meiner Sicht bestklingende Anbieter Qobuz. Das Ergebnis: Beide Quellen unterscheiden sich klanglich nicht wesentlich. Zwar spielt der Aries untenrum etwas konturierter und im Hochton etwas feiner auf als mein Tablet, über klangliche Welten allerdings reden wir hier keineswegs. Nämliches gilt auch für den integrierten CD-Spieler beziehungsweise für sämtliche digitale Zuspielmöglichkeiten: Weder zwischen CD-Laufwerk und gerippten CD-Dateien von der Festplatte noch zwischen Festplattenstreaming und der Wiedergabe extern zugespielter Dateien lässt sich ein nennenswerter Klangunterschied feststellen.

Interessanterweise bieten verschiedene Quellen an den Analoginputs des Encore größere klangliche Unterschiede. Ich habe meine beiden DACs, den highendigen Jadis-JS2-Röhren-Wandler und den kultigen Chord Hugo, jeweils über den Analogeingang mit dem Encore verbunden. Beide D/A-Wandler empfangen die Musikdaten in dieser Konstellation von besagter Auralic Aries Streaming-Bridge. Das Ergebnis: überraschend gut und erfreulich verschieden. Die klanglichen Signaturen der beiden angeschlossenen D/A-Wandler sind deutlich zu hören. Der Jadis agiert im Vergleich vor allem konturenschärfer, „macht“ etwas mehr Auflösung und Bühnentiefe und wirkt dabei wärmer, sämiger und geschmeidiger als der Chord – der wiederum in Sachen Dynamik, Agilität und Basskontur dezent die Nase vorn behält. Die gute Nachricht lautet also: Der Musical Fidelity löst sauber auf, klingt transparent, tonal weitgehend neutral und hält sich somit aus Gesamtklang der vorgeschalteten Kette wohltuend heraus. Diese britisch-vornehme Zurückhaltung macht das erfolgreiche Experimentieren mit analogen Quellen möglich.

Musical Fidelity Encore 225 - RückseiteMusical Fidelity Encore 225

Was aber den interne DAC des Encore betrifft, darf gesagt werden, dass vor allem in Sachen Basskontrolle, Breitbandigkeit, Auflösungsvermögen und Raumausleuchtung der Vergleich mit dem M6 DAC aus dem gleichen Hause nicht gescheut zu werden braucht. Der Encore bietet somit eine qualitativ hochwertige und tonal ausbalancierte Grundlage, den Klang über markenfremde oder wahlweise eigene, interne Endstufen in eine bestimmte Geschmacksrichtung zu lenken.

Wohin diese Reise gehen kann? Ehrlich gesagt: so ziemlich überall hin. Im Test speiste die DAC-Vorstufe des Musical Fidelity Encore sowohl eine maximal neutrale Abacus-Dolifet-60-120-Stereoendstufe mit satten 110 Watt sowie ein Pärchen warm, analog und „musikalisch“ klingender, allerdings mit 50 Watt auch etwas schüchtern daherkommender Graham-Slee-Proprius-Monos mit höchst unterschiedlichen, aber gleich zufriedenstellenden Ergebnissen.

The Raven That Refused to SingSteven Wilsons auskomponierter Tourette-Anfall „Luminol“ (Album: The Raven That Refused to Sing, auf Amazon hören) kommt mit dem Abacus an der Lautsprecherstrippe herrlich straff, zeitrichtig und transparent, dafür ohne jeden Zuckerguss und fast ein bisschen kühl aus den Lautsprechern, während die Grahams Slees, die derlei Akkuratesse schon mangels Leistung nicht bieten, vor allem die natürlichen Instrumente wie jene manisch flirrende Querflöte zu Anfang mit wohltemperierten Klangfarben, sauberem Ein- und Ausschwingen und sahnigen Mitten servieren. Fazit: Der Musical Fidelity Encore kann nicht nur die unterschiedlichsten funktionalen Bedürfnisse, sondern auch konträre klangliche Geschmäcker souverän befriedigen, da er das Signal breitbandig, transparent und neutral durchreicht und das „Sounding“ den nachgelagerten Teilen der Anlage überlässt.

Apropos Geschmack: So richtig markant und charakterhaft wird’s im Hörraum, wenn wir die zuvor genannten externen Endstufen abklemmen und stattdessen Michaelsons internen 2 x 225-Watt-Amp von der Leine lassen. Sagen wir so: Hätte ich als Händler neue Lautsprecher vorzuführen, würde ich bedenkenlos zum Musical Fidelity Encore 225 greifen. Denn was die Endstufen an tonalem Schwergewicht, schimmerndem Hochton und räumlichem Volumen in den Hörraum wuchten, ist wahrhaft kolossal. Es gibt ja bekanntermaßen HiFi-Geräte, deren Stärken sich erst im täglichen Gebrauch so richtig zeigen, die einem Stunde um Stunde mehr ans Herz wachsen. Genau so ein Gerät ist der Encore mit seinen 225er-Endstufen an der Kette – nicht. Das Komplettpaket macht vielmehr vom ersten Takt an klar, dass es Charakter hat und maximale Kontrolle über die angeschlossenen Lautsprecher auszuüben gedenkt. Ein bescheidener Chronist des musikalischen Geschehens ist dieser Encore 225 ebensowenig. Das Komplettpaket beantwortet die highfidele Gretchenfrage, ob Gerätschaften nun „richtig geil“ oder nicht vielmehr „geil richtig“ zu klingen haben, konziliant mit: weitgehend neutral und korrekt gerne, aber bitte nicht charakterlos.

Musical Fidelity Encore 225 - RückseiteMusical Fidelity Encore 225

Wozu die zweimal 225 Watt gut sein sollen? Ganz einfach: Um zum Beispiel bei der Grammy-prämierten „Cherokee“-Improvisation des amerikanischen Christian McBride Trios dessen massiv resonierende Kontrabässe nicht nur tiefreichend, saftig und satt, sondern zugleich federnd, schlackenlos und texturiert wiederzugeben. Wenn sich Bassvolumen und -kontrolle auf derart hohem (oder besser: tiefem) Niveau begegnen, lässt sich mit We Are The Drum)einem Schlagzeugintro wie, sagen wir, Kendrick Scotts „Mantra“ (Album: We Are The Drum, auf Amazon hören) derart gepflegt die Magengrube ausheben, dass akute Suchtgefahr besteht.

Warum der Musical Fidelity dabei ganz anders wirkt als vermeintlich vergleichbare englisch-erdige Verstärker á la Rega oder Naim? Weil der tonale Schwerpunkt beim Encore tiefer liegt als bei diesen, eben nicht im Grundtonbereich, sondern tief im Bass. Boomy oder behäbig kommt der Encore nie rüber. Gleichwohl beschleicht mich bisweilen das Gefühl, der Encore 225 hätte einen unsichtbaren Subwoofer im Gehäuse verbaut, so lässig loten meine zu solch amtlichem Tiefton ja gar nicht befugten Harbeth SHL5plus den Frequenzkeller aus. Ja, der Musical Fidelity kann kompakte Boxen tatsächlich eine Spur größer und runder klingen lassen und unterkühlten Neutralisten zu mehr Fundament und Substanz verhelfen. Im Grundton indes, wo Bassgitarren und tiefere Klavierlagen impulsfordernd aufs Tempo drücken, geht’s dann wieder schlanker und gefühlt schneller zu.

Musical Fidelity Encore

Diese tonale Signatur findet sich im Hochton ziemlich exakt wieder. Nur spiegelverkehrt. Sprich: Im Präsenzbereich und leicht darüber, wo viele gnadenlos auf Direktheit und Brillanz getrimmte Verstärker empfindliche Hörnerven malträtieren, gibt sich der Encore 225 angenehm zurückhaltend. Erst Richtung Superhochton geben die Endstufen wieder Gas und sorgen mit feiner Auflösung für schimmernde Pianopassagen und funkelnde Höreraugen. Ein weiterer Vorteil der tonalen Offenheit: Über die Gegebenheiten des Record-Studios, die Klangfarbentextur von Instrumenten und ja: auch über die mangelnde Qualität so mancher Aufnahme fühlt man sich vom Musical Fidelity Encore 225 immer bestens informiert – allerdings durch die charmante Dezenz im Präsenzbereich auf stets milde, nachgiebige und langzeittaugliche Art.

Layers Of LightDass der Encore 225 grobdynamisch nichts anbrennen lässt, versteht sich angesichts der athletischen Agilität seiner Endstufen quasi von selbst. Trommelattacken springen einen mit Kraft und Körper förmlich an. Vor diesem (übrigens vorbildlich „schwarzen“) Hintergrund überrascht es fast ein bisschen, dass der Encore 225 auch feinmotorisch keineswegs mit Wurstfingern agiert. Die hinreißende Solopassage „Mattmar“ (Album: Layers Of Light, auf Amazon hören) des leider früh verstorbenen Jazz-Poppers Esbjörn Svensson etwa perlt mit überraschend gewissenhaft ausdifferenzierter Anschlagsdynamik aus den Lautsprechern.

Alles Was Ich Hab – LiveAuflösung? Auch hier ist der komplette Encore: ja, komplett. Nie kommt das Gefühl auf, dass einem irgendein musikalisch relevantes Detail vorenthalten würde. So lässt sich insbesondere bei atmosphärischen Liveaufnahmen wie Alin Coens „Wolken“ (Album: Alles Was Ich Hab – Live, auf Amazon hören) auf dem heimischen Sofa in wunderbar unanalytisch vermittelten Details geradezu baden.

Zum Gesamtbild des Encore 225 tragen auch dessen preisklassebezogen überdurchschnittliche räumliche Fähigkeiten bei: seitlich weit über die Lautsprecher hinausgehend und nach oben weit offen. Die Abbildung der Gesamtbühne wie auch einzelner Instrumente gerät dabei bisweilen größer als üblich; zulasten von Lokalisation und Randschärfe einzelner Schallereignisse geht dieser dezente Zoomeffekt jedoch zu keiner Zeit. Ein präzis gerahmtes Fenster allerdings gehört nicht zum Lieferumfang des Encore 225. Der Musical Fidelity lässt Musik nicht „erblicken“, sondern füllt den Raum mit Klang. Die Tiefendimension des Raums gerät dabei etwas weniger imposant als dessen Panorama, allerdings treten Einzelinstrumente und insbesondere Sänger je nach Aufnahme im Vergleich zur Konkurrenz durchaus auch hier und da einen halben Schritt nach vorne, was angenehm involviert und, eben weil es stets in Maßen geschieht, zu keiner Zeit frontal gerät.

Musical Fidelity Encore 225 - Blick ins Innere
Musical Fidelity Encore 225 – Blick ins Innere

Ein im besten Sinne neutrales Mittenband, charaktervoll gerahmt von ebenso substanziellen wie kontrollierten Bässen und einem ebenso hochauflösenden wie bekömmlichen Hochton ergeben im Ganzen ein Klangbild, das sicher keinen Anhänger klassischer 300B-Röhren ins Schwärmen, aber so manchen Gegner von All-in-one-Geräten in Erklärungsnöte bringen dürfte.

Und was gibt’s zu meckern? Wenig. Vermisse ich bei aller Kraft, Kontrolle und Transparenz nicht doch ein bisschen jenes „tänzerische Talent“, das aus separaten Schallereignissen das ominöse „tönend bewegte Ganze“ macht? Vielleicht. Trauere ich James Blaketrotz der überdurchschnittlichen Farbenpracht des Encore dem zuckersüß-geschmeidigen Mitten-Schmelz meiner (gut dreimal so kostspieligen) Jadis-Kette hinterher? Ein bisschen. Allerdings nur solange, bis ich James Blakes „Limit To Your Love“ (Album: James Blake, auf Amazon hören) durch die Encore-Endstufen jage. Wo vergleichbare Verstärker aufgrund akuter Stromnot obenrum verfärben oder im Untergeschoss nur noch Klangsuppe servieren, präsentiert der Musical Fidelity die verstörend düsteren Bassgewitter dieses Tracks nicht als wabbligen Bassteppich, sondern versieht jeden einzelnen der maschinengewehrartigen Punches mit Druck und Definition.

Wer nach diesem „Erlebnis“ noch weiter meckern möchte, der könnte dem Musical Fidelity vorhalten, er interpretiere Klang zu stark „vertikal“. Frequenzumfang, Auflösung, Raum, Kraft, Kontrolle, Farbigkeit – könnte man den Sound des Encore kurz anhalten und per Querschnitt all diese Einzelparameter bewerten, so hätte man ihm fairerweise überhaupt nichts vorzuwerfen. Der Preis, den der Musical Fidelity dafür zahlt, dass er in nahezu allen klangrelevanten Einzeldisziplinen derart streberhaft über jedes Stöckchen springt, liegt nunmehr in einer leichten Vernachlässigung der „horizontalen“ Struktur von Musik. Den melodischen Fluss und die rhythmische Lässigkeit beispielsweise des kürzlich getesteten Creek–Evolution-Verstärkerdoppel erreicht der Musical Fidelity nicht ganz. Ob Sie jedoch bereit sind, Tugenden wie Bühnengröße, Konturenschärfe, Basskontrolle, Grob- wie Feindynamik oder Hochtondetails für dieses Mehr an tänzerischem Talent zu opfern, müssen Sie selbst entscheiden.

Encore 225

Wie auch immer: Das klangliche Angebot des Encore bleibt mit und ohne „225“-Endstufen fair und verlockend: Die Streamer-DAC-Vorstufe zimmert dem Käufer mit ihrer balancierten Tonalität eine ebenso klanglich hochwertige wie funktional flexible Basis. Und wem die unten wuchtige und oben seidige klangliche Duftmarke der Endstufen aus dem Hause Michaelson nicht recht behagt, der errichte hierauf durch Verwendung externer Endstufen ganz einfach seinen persönlichen Wunschklang. Es sei allerdings angemerkt: Endstufen, die die charmante Lockerheit eines Creek Evolution mit den genannten Meriten des Encore 225 vereinen, müssen für die 1.000 Euro, die Käufer des Komplett-Encore extra zahlen, erst einmal gefunden werden.

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Test: Musical Fidelity M6 Encore Connect/225 | D/A-Wandler, Netzwerk-Player

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