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Klang: Micromega MySystem – das Gesamtsystem

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  1. 2 Klang: Micromega MySystem - das Gesamtsystem

Micromega MySystem

Dem aufgebauten System habe ich zunächst große Bissen von meiner iTunes-Library zum Zerkauen hingeworfen – Micromega MySystem durfte sich mehrere Tage einspielen, in denen ich passenderweise nicht zuhause war. Die erste Hörsession erfolgte in freier Raumaufstellung, gut einen Meter entfernt von Begrenzungsflächen wie Seiten- und Rückwänden. Mir ist gleichwohl bewusst, dass die MySpeaker selten in den Genuss kommen werden, derart verschwenderisch mit Raum umgehen zu können. Ich darf vorwegnehmen: Sie fühlen sich in weniger prominenten Positionen akustisch wohler, besonders, da ihr Bass auf Wandnähe abgestimmt zu sein scheint. Somit wird das System dem wahrscheinlichsten Aufstellungsort klanglich gerecht.

swansDie Basswiedergabe des Gesamtsystems reicht erstaunlich tief herunter und lässt mich durchaus anerkennende Blicke in Richtung der beiden Lautsprecher werfen. Verständlicherweise sind keine enormen Pegel möglich, so dass sich die Abhörlautstärken auf maximal mittlere Werte beschränken sollten. Der Bass ist insgesamt eher warm und wohlwollend statt kurz und konkret. Bei einer im Bass und in den Tiefmitten etwas unaufgeräumten und dichten Aufnahmequalität wie etwa beim Song „The Seer Returns“ vom Swans-Album The Seer straft Micromega den federführenden Toningenieur mit der Weitergabe dieser Indifferenziertheit. Die knackigen Bässe von Michael Jacksons Alben „Thriller“ und „Bad“ funktionieren aber hervorragend.

Oberhalb der Übergabefrequenz des Tief/Mitteltöners zur Kalotte spielt das System deutlicher und schneller. Verständlichkeit und Differenzierbarkeit der einzelnen Signale sind sehr hoch, Grundtöne und wichtige Formantbereiche werden ausgewogen und natürlich dargestellt – das tut sowohl Stimmen als auch wichtigen Instrumentensignalen gut und präsentiert Produktionen unterschiedlichster Genres in für diese Preisklasse erstaunlicher Neutralität. Und wie wir wissen, beinhaltet der Mittenbereich die wesentliche musikalische Information.

Micromega MySystem

Schön ist, dass die Mitten insgesamt sinnvoll eingependelt erscheinen zwischen wohliger Wärme und analytischer Kälte. Die mittleren Frequenzbereiche sind mit hinreichend auflösend und eher fließend denn zackig-trocken gut charakterisiert, und sicher ist dies von Micromega bewusst so ausgerichtet. Signale erscheinen arm an Klirranteilen, wirken aber dennoch nicht kalt. Das ist toll, denn die tendenziell eher runden und dicken Mitten erlauben ein langes, kontinuierliches Hören, ohne dass es anstrengt oder langweilig wird. Auch nicht optimal gemischte Musikstücke funktionieren hervorragend, da das MySystem viel verzeiht – etwa, wenn die Balance zwischen Snare, Hi-Hat und Stimme nicht optimal gewählt wurde.

Für die Langzeittauglichkeit ist auch das „Luftband“, also der Bereich der absoluten Höhen verantwortlich. Statt mit dem letzten Quäntchen Feinzeichnung punktet die Wiedergabekette mit einer guten Mischung aus hinreichendem Detailreichtum und wohltuender Milde. Auch hier ist es wieder Micromegas Sinn für Balance, der das Hören zur Freude macht: Beim Doppelalbum 3/4 der Isländischen Jazz-Combo ADHD spürt man noch genug von der Luftigkeit und Leichtigkeit, besonders die hervorragend klingenden Becken des Drummers können atmen und zeigen ihre Textur. Auch wenn die menschliche Stimme im Spiel ist, sind schärfere Konsonanten mit signifikanten Anteilen zwischen 5 und 10 kHz (besonders „s“, „t“, „f“ …) niemals „Ohrenbeißer“, geraten aber auch keinesfalls belegt, matt oder gar leblos. Für meinen persönlichen Geschmack dürfte es ein ganz kleines Bisschen mehr „Spritzigkeit“ sein, das ist aber auch eine Vorliebe von mir. Ich wiederhole mich: Die Gefahr, dass das Musikhören mit dem MySystem nervt oder anstrengt, ist sehr gering.

Alfred schnittke

Um die Gesamtdynamik zu überprüfen, krame ich in meinen CDs. Und ich finde. Alfred Schnittkes Bratschenkonzert, gespielt von Nobuko Imai und dem SO Malmö unter Lev Markiz ist als nicht pegelkomprimierte Aufnahme auf dem schwedischen BIS-Label erschienen. Die vielen Passagen Viola solo sind eine deutliche Herausforderung für Wiedergabesysteme, besonders im Wechsel mit den vollen Orchesterpassagen. Es zeigt sich, dass das MySystem dynamisch wirklich verblüffen kann. Die enormen Pegelunterschiede der Aufnahme können MyAmp, MyCable und MySpeaker gut weiterleiten, die 16 Bit der CD wandelt der Rega Apollo in diesem Fall, doch auch bei digitalem Anschluss muss ich an diesem Statement nichts verändern.

Das geringe Rauschen des gesamten Systems erlaubt es, auch die feinen ersterbenden Tönchen der Bratsche noch genau zu verfolgen, ohne von einem langflorigen Rauschteppich dabei gekitzelt und abgelenkt zu werden. Werden die Pegel zu hoch für die Anlage, muss man sich allerdings auf recht schlagartig eintretende Kompressionsartefakte und die übermäßige Produktion von Harmonischen einrichten. Es ist der Verstärker, der den Anforderungen nicht mehr nachkommen kann und seine Leistungsgrenze klanglich kommuniziert. Ungefähr bei gleichem Pegel ist auch eine rote Clip-LED über der Kette der weißen LEDs zur Lautstärkekennzeichnung in Betrieb. Aber es sollte sich von selbst verstehen, dass die My-Serie nicht für das Nachbar-Ärgern gebaut wurde, sondern für den sozialverträglichen Musikgenuss bei zivilisierten Abhörlautstärken. Und ich finde es durchaus positiv, wenn ein System akustisch klar und eindeutig kundtut, dass man sich an der Obergrenze eines Leistungsbereichs bewegt.

Micromega MySystem

Fixen Pegelanstiegen in der Musik kommt das System gut nach. Bei „Pearl’s Girl“ auf Underworlds Album Second Toughest In The Infants wird der Hörer mit vielschichtigen, kurzen Schlägen in allen spektralen Bereichen bombardiert. Dieses Beatgewitter ist ideal, um zu überprüfen, wie das System auf kurze, impulshafte Anstiege reagiert. Diese Transienten werden ausreichend wiedergegeben, doch findet eine sanfte, vorsichtige Verrundung der zackigen Schläge statt – was nicht negativ sein muss, underworldsondern die Freude am Hören mancher Musikmischungen, wie solche aus dem IDM-Bereich, über einen längeren Zeitraum hinweg aufrechterhält.

Im Stereobild zeigt sich eine für die Preisklasse des Systems erstaunliche Ortungsschärfe. Die Rückwürfe der aufgezeichneten Räume, Reflexionen aus Nachhallgeräten bei der Produktion, aber auch feine Texturen von Instrumenten sind in einer Art dargestellt, die man einem derart kleinen und preiswerten System gar nicht zugetraut hätte. Die Positionen von Signalen zeigen sich besonders bei nicht zu großer Lautsprecherbasis schön punktuell. Und erst bei übertrieben großen Lautsprecherabständen machen sich langsam Mittenloch und eine Stapelung der Signale an den beiden Lautsprecherstandorten bemerkbar. Plant man also einen Aufbau des MySystems am Computerarbeitsplatz oder in der nicht zu großen Regalwand, erhält man einen gut funktionierenden Stereoeindruck.

Die Breite ist gut, die Tiefe ist mehr als das: Mit Blick auf Produktionen, bei denen die räumliche Tiefe der genauen Ortungsmöglichkeit gegenüber priorisiert wurde, etwa fast allen Orgelaufnahmen, ergibt sich ein hervorragendes Bild. Ich habe noch die komplett unbearbeitete 96-kHz-Stereospur einer selbst durchgeführten Orgelaufnahme gefunden. Ein sehr gutes Instrument, ein professioneller Organist, ein Werk von Bach, zwei unschlagbare dänische Mikrofone, ein sehr guter Preamp, ein ebensolcher Wandler und keinerlei nachträgliche Bearbeitung – ich hätte nicht gedacht, dass das MySystem dieses File derart eindrucksvoll in Schallschwingungen verwandelt! Johann Sebastians Orgelpunkt aus dem Pedalwerk darf den Hörer ruhig komplett umgeben, das tut er in der Kirche nämlich auch. Es macht richtig Freude, auf einem derart kleinen System so weit in den Raum hineinhorchen und die Überbasis genießen zu können.

Micromega MySystem

Für eine zusammenfassende Gesamtbetrachtung des Systems drängt sich mir „Antiphon“ von Midlake auf. Dieses sehr gut gemischte Album der texanischen Musikstudenten funktioniert auf dem MySystem hervorragend. Dass die Wiedergabe nicht so analytisch ist, ermöglich langes, ermüdungsfreies Hören. Und wenn wir mal ehrlich sind: MySystem wird sicher viel für das „nichtfokussierte“ Hören bei geringen und mittleren Lautstärken benutzt werden, also während anderer Tätigkeiten und mit einer Hörposition außerhalb des Sweet Spots.

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