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Mai 2015 / Nick Mavridis
Als Indikator für den Verbreitungsgrad von Egoismus in unserer Gesellschaft könnte man sicher das häufig verwendete Präfix „i“ vor Gerätenamen nennen, welches von einer gewissen Lifestyle-/Technologiefirma eingeführt wurde. Die Selbstzentriertheit wird nach dieser Lesart noch erweitert, wenn Geräte nicht nur „Ich!“, sondern sogar „Meins!“ im Namen führen. Besitz! Haben! Zeigen! Nun, zum Angeben mit Besitztum taugt – Präfix hin oder her – das in Frankreich entwickelte Micromega MySystem weniger: Die kleine, moderne audiophile Anlage ist nämlich sehr preiswert – und zeugt eher vom vernünftigen Haushalten mit finanziellen Ressourcen denn von Protz. Nimmt man das „Micro“ des Herstellers und das „My“ des besagten Systems, drängt sich einem der bekannte Ausspruch „Klein, aber mein“ nahezu auf.
Micromega MySystem (deutscher Distributor ist übrigens der renommierte Audio-Reference-Vertrieb aus Hamburg), ist ein Bundle verschiedener Produkte einer Serie, welche den naheliegenden Namen „MyRange“ trägt. MyAmp ist die zentrale Verstärkereinheit, MySpeaker sind die Zweiwege-Stereolautsprecher, MyCable heißen die zugehörigen Lautsprecher-Strippen. In den Shops wird für das Komplettset ein Preis von doch noch recht schnuffeligen 899 Euro aufgerufen. Niedlich, nicht?
Die beiden jeweils drei Meter lange Micromega MyCable finden in einer schmucken Blechdose den Weg zum Käufer. Die wichtigen Eckdaten der Strippen sind schnell aufgezählt und sollen für den kleinsten Posten im MySystem-Bundle reichen: Mit nur 0,001 Promille Fremdanteil wird hochreines, nahezu sauerstofffreies Kupfer verwendet, die Leitung ist silberummantelt. Die vergoldeten Anschlüsse der Kabel mit der vorgegebenen Betriebsrichtung lassen sich von Bananensteckern auf Kabelschuhe umstecken.
Vinyl-Revival in der Praxis: In wohl jedes Plattenregal passen die Micromega MySpeaker, können aber auch frei aufgestellt werden. Den vier höhenjustierbaren Spikefüßen sind Aufnahmeplatten beigefügt, aber abnehmen lassen sich die Stelzen nicht. Das ist auch gut so, denn auf der Unterseite der Box befindet sich sinnvollerweise die Bassreflexöffnung: Schließlich ist eine Regalaufstellung oder Positionierung nahe an einer Wand bei derartig kleinen Systemen ein sicher häufiges Szenario und ein Verschließen des Ports keine ratsame Angelegenheit.
Die mittleren und tiefen Frequenzbereiche bedient ein 14-cm-Konuschassis mit Pappmembran und Blechkorb, die Höhen eine 2,5-cm-Gewebekalotte. Um diese herum ist ein Fleece aufgebracht, welches Reflexionen höchster Frequenzen verringert. Schade: Bei einem der beiden Speaker ist das Material leicht wellig verklebt. Ein Blick auf die Rückseite der MySpeaker zeigt, dass sie unter Umgehung der eingebauten Weiche auch per Bi-Amping/-Wiring betrieben werden können, ein Blick in das Datenblatt offenbart zudem, dass Micromega den unteren -3dB-Punkt mit 50 Hz angeben, die obere Grenzfrequenz liegt bei 20 kHz.
Wie eine Miniaturversion meiner Rega-Komponenten mutet der Micromega MyAmp an. Schließlich verfügen sowohl Rega Apollo, Mira 3 als auch der zugehörige Tuner Radio 3 über eine sehr ähnliche Design-Delle in der Kunststoff-Frontplatte. Aber Rega hatte das früher, ätschi-bätschi. Nein, im Ernst: Der hübsche kleine Kubus wird sich in viele Umgebungen gut einfügen, und wen das Schwarz zu sehr an die 80er erinnert: Es gibt MyAmp und MySpeaker auch in der trendigen Technikfarbe Nummer zwei: Weiß. Das Einfügen in Audio-Umgebungen wird ebenfalls gelingen, denn mit Connectivity geizt das Gerät mit der Grundfläche eines CD-Jewelcases nicht. Drei Cinch-Pärchen („AN1“ – „AN3“) warten auf der Rückseite geduldig auf Futter. Wer einen Plattenspieler sein Eigen nennt, verdient zwar das Lob des Autors, muss aber zu einem Phonovorverstärker greifen, wenn er ihn am MyAmp betreiben will. Also doch nicht so sehr Vinyl-Revival. Obwohl: Wie es sich für eine HiFi-Serie gehört, ist bei Micromega ein solcher Preamp im Programm. Der MyGroov spricht zudem die gleiche Designsprache.
Digitale Signale entern den MyAmp über eine TOSLINK- oder RCA-Coax-Buchse. Sowohl über den Lichtwellenleiter als auch den elektrischen Anschluss können Signale mit einer Wortbreite von bis zu 24 Bit und einer Samplerate von maximal 192 kHz empfangen werden. Immerhin noch Samplerates bis 96 kHz erlaubt der USB-Anschluss, der sich durch eine B-Buchse bemerkbar macht. Für den sesshaft gewordenen Digitalnomaden hat der MyAmp noch etwas zu bieten, nämlich ein eingebautes Bluetooth-aptX-Modul. Dieses kann auf der Vorderseite wie alle Quellen per Select-Schalter ausgewählt werden (oder im Direktzugriff über die winzige Fernbedienung). Zum Verknüpfen muss ein Couple Switch mit einer Büroklammer hinten am Gerät betätigt werden, die beiden LEDs auf der Vorderseite erschließen sich in ihrer Bedeutung auch erst nach Studium des Handbuchs. Wenn mein Kumpel also im Wohnzimmer steht und sagt „Hömma, ich hab hier aufm Tellefon wat, dattich dir vorspieln will. Mach ma hier Bluetoothdingens an Start“, dann werde ich je nach Aufstellungsort kaum mit einem spitzen Gegenstand auf der Rückseite des MyAmps herumnesteln wollen … das geht sicher alles bequemer. Lobenswert aber die beiden Ausgänge: Es gibt einen separaten Subwoofer-Ausgang und einen analogen Record-Out, den man flexibel nutzen kann. Micromega verzichtet auf einen Volume-Drehregler, man muss sich mit zwei winzigen Drucktastern begnügen. Ich persönlich finde es ja nervig, nicht mit einer Handbewegung die gewünschte Lautstärke einstellen zu können.
Ein kleiner, geräuscharmer Ventilator sorgt für frische Luft im Micromega MyAmp
MyAmp hat sich als Baumaterial für seine Behausung den weit verbreiteten ABS-Kunststoff ausgesucht, über den die Wärmeabführung des 2 x 60 Watt-Amps und seines integrierten Netzteils nur sehr bedingt funktionieren kann. Micromega hat daher einen Belüftungstunnel durch sein Modul getrieben, der innen mit Lüftungsgittern und einem – Achtung, Reizwort! – Ventilator versehen ist. Die Kühlrippen sollte man also immer mal wieder vorsichtig aussaugen, denn Staubverklumpungen verursachen sonst gerne eine höhere Geräuschbelastung durch den Rotor.
Im Betrieb hört man den Fan bei geringen Abständen ein wenig, allerdings nur im absoluten Nahbereich und bei Musikstille. Übrigens sollte man darauf achten, die kleine Bewetterungsanlage bei engen Platzverhältnissen nicht zuzustellen: Links und rechts sollten immer einige Milli- oder Zentimeter zur guten Luftzirkulation freibleiben.
Test: Micromega MySystem |