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Charmant? Der MFE TA 854 im Hörraum …
Ich schicke vorweg, dass ich die Gelegenheit hatte, den MFE TA 845 zuerst an einem Paar Blumenhofer Tempesta 20 zu hören, die nach einem Test noch einige Zeit bei mir standen, an meinen Geithain ME 150, die meine ständigen Lautsprecher sind, sowie an einem Paar Progressive Audio Extreme 1, die es demnächst zu besprechen gilt. Alle Kombinationen funktionieren hervorragend. Ich hatte erwartet, dass es beim Umstieg von der Tempesta mit ihrem Wirkungsgrad von 92 dB und ihrer linearisierten Impedanz von acht Ohm auf meine Geithain ME 150 etwas „röhriger“ werden würde. Die Geithains haben einen Wirkungsgrad von rund 85 dB und eine nicht linearisierte Impedanz von vier Ohm, was normalerweise eine höhere Herausforderung für Röhrenverstärker darstellt. Die erwartete Veränderung des Klangbildes blieb beim Wechsel auf die ME 150 allerdings aus. Auch die Kombination mit den kompakten Extreme 1 funktionierte extrem gut – wobei diese Lautsprecher penibel impedanzlinearisiert sind.
Im Bass verhält sich der TA 845 so, wie ich das von einem Röhrenverstärker erwarte. Und auch wenn der MFE quasi eine Art Über-Röhre ist, agiert er hier kaum anders als die meisten „Brot und Butter“-Geräte, die ich bisher an die Geithains gehängt habe. Als da etwa wären: mein Jadis Orchestra Blacksilver, ein Octave V 40 SE, ein T.A.C V-88, zwei Mono-Endstufen Jadis JA 15, oder eine Stereo-Endstufe Tsakiridis Artemis+ sowie einige andere Röhrenverstärker, die aus unterschiedlichen Gründen bei mir zu Gast waren. Die ultimative Präzision, Kontrolle und Differenzierung bringt der MFA 845 hier genauso wenig wie die genannten anderen Kandidaten. Das ist aber gar nicht schlimm, denn im Vergleich zu meinem Transistor-Amp Musical Fidelity AMS35i verfolgen die Röhren eine andere Wahrheit.
Wie das? Nun, sind wir mal ehrlich: Wann haben Sie in einem Live-Konzert schon einen Bass gehört, wie er auf den meisten Tonkonserven zu hören ist, wenn ihn aktuelle Transistorgeräte wiedergegeben. Na? Eben! Selbst bei Live-Aufnahmen haben wohlmeinende Toningenieure das Schlagzeug mit Stützmikrofonen präpariert, die den Schlag der Bass-Drum fast direkt am Fell aufnehmen und damit jeden Raumeinfluss ausschließen. Die Signale des Synthesizers gehen oft auf elektrischem Weg direkt ins Mischpult, ohne das sie zwischendurch überhaupt in hörbaren Schall umgewandelt wurden und der E-Bass hat dankenswerterweise die Tonabnehmer gleich eingebaut. Klar kommen diese Signale nicht pur aufs Master, sondern werden dem, was die Hauptmikrofone aufnehmen, penibel dosiert beigemischt, um die akustischen Konturen der einzelnen Instrumente zu schärfen. Dazu kommt noch ein Hauch Atmosphäre – im besten Fall von den Raummikrofonen aufgefangen oder einfach künstlich zugemischt – und zum Schluss kommt eben das heraus, was wir im besten Fall als eine audiophile Aufnahme bezeichnen. Wer’s genauer wissen will, lese den Artikel des Kollegen Mavridis zu diesem Thema.
Was ich mit diesem Exkurs sagen will? Ganz einfach: Dass ich die etwas weichere Basswiedergabe, die der MFE TA 845 bietet, eigentlich für die natürlichere, „livehaftigere“ halte. Das Ganze hat schon Punch und gewaltig Drive, aber nicht ganz so viel Zack, um es mal etwas bunter zu formulieren. Oder konkret: Mit den weichen, satten Schlägen einer Bassdrum wie etwa in „Slow Boat to China“ von Dee Dee Bridgewater auf dem Album Live at Yoshis oder mit den wunderbar schnalzende Kontrabasseiten im Stück „What A Difference A Day Makes“ auf dem Album This One‘s For Dinah von China Moses und Raphael Lemonnier kommt der MFE bestens zurecht und klingt sehr natürlich; Synthie-Attacken wie etwa auf „Die Another Day“ auf American Live von Madonna kommen dagegen nicht so brachial überakzentuiert rüber wie das beabsichtig ist. Wie gesagt – insgesamt empfinde ich den Bass, den der TA 845 im Zusammenhang mit den genannten Lautsprechern produziert, in den meisten Fällen als natürlicher und weniger artifiziell.
Wenn ich schreibe, dass die Basswiedergabe weicher ist, dann heißt das aber keinesfalls konturlos. Im Gegenteil, man meint eine Drum, eine Kesselpauke oder einen Kontrabass förmlich exakt umrissen auf der virtuellen Bühne lokalisieren zu können. Das hat sicherlich einerseits mit der Räumlichkeit zu tun – dazu später mehr – andererseits aber mit einer Eigenschaft, die der TA 845 auch in den anderen Frequenzbereichen zeigt: Er scheint die einzelnen Schallquellen irgendwie konkreter zusammen zu halten als ich das gewohnt bin. Jede Stimme und jedes Instrument ist klarer zu erkennen, verschwimmt weniger mit anderen. Bei Solostimmen und -instrumenten scheint der Solist sich stärker von den Begleitern abzuheben. Sei es die Stimme von Lisa Bassenge auf der A Sigh A Song des Lisa Bassenge Trios oder Bass von Charles Mingus auf Better Git in Your Soul. Aber auch bei Klassik scheint der TA 845 mehr Luft zwischen die verschiedenen Instrumentengruppen und etwa Solisten zu bringen. Wie gesagt, nicht unbedingt räumlich, sondern eher durch klarere Differenzierung der Klangfarben und sonstige tonale Eigenschaften der Instrumente.
Eine Domäne der großen Röhren sind auf jeden Fall Stimmen. Die erleben durch den TA 845 eine gewisse Aufladung, ein Vibrieren, energetisches Knistern – so richtig lässt sich das schwer beschreiben. Auf jeden Fall scheinen Stimmen über den TA 845 intensiver zu klingen. Neben der Tatsache, dass ich den TA 845 tonal eher im etwas wärmeren Bereich von neutral einordnen würde, ist der „Röhrenzauber“ auf jeden Fall gegeben. Das kommt vielen Aufnahmen zugute. Der recht modern aufgenommenen Stimme von Holly Cole, etwa auf dem Album Shade, bekommt der TA 845 sehr gut. Frau Cole gewinnt an Ausdruck und Tiefe, sodass ich durchaus gerne wieder die teilweise etwas abgedroschenen Stücke hören mag. Allerdings gibt es auch Ausnahmen. Hier wird mir das Ganze zu viel. Etwa The Swingin‘ Miss „D“ von Dinah Washington. Da mir vor allem alte Aufnahmen weniger gut über den TA 845 gefallen, möchte ich fast die These aufstellen, dass da, wo bei der Aufnahme schon Röhrentechnik eingesetzt wurde, die zusätzliche Prise „Röhre“ des MFE-Verstärkers einfach zu viel des Guten sein kann. Wie dem auch sei – die Mehrheit der Stimmen gefielen mir über den MFE aber ausnehmend gut.
Test: MFE TA 845 | Vollverstärker