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Schicken wir als erstes den Marantz PM-14S1 SE in den Ring: „Durchaus kräftig, der Japaner“, schießt mir mit als erstes in den Sinn. Was auch an der Musikauswahl liegt: Die Titel „Let it go“ (Album: My Government is my Soul) und „This“ (Album: Unpop) der englischen, nach über 20 Jahren Schaffensphase 2003 aufgelösten Experimental-Combo Bourbonese Qualk sind aufgrund ihrer massiven Bassläufe und dichten Soundarrangements echte Schwergewichte und gerade im Teamwork mit meinen nur 83 dB/W/m beisteuernden Sehring 902 eigentlich nicht leicht zu heben. Aber selbst bei partytauglichen Pegeln geht der PM-14S1 SE mit einer Puste und Schubkraft ans Werk, wie ich es als Eigner zweier jeweils 200 Watt starker Monos eigentlich nicht erwartet hätte.
Auch der Tiefgang ist gut. Okay, bei Grassy Knolls massivem „Down In the Happy Zone“ (Album III, auf Amazon anhören, noch empfehlenswerter ist aber das 95er-Album: vielschichtig, sperrig, rhythmisch teils treibend, teils schwer-schleppend und eine gute Prise Jazz) kann es im Zweifelsfall noch einen Tick abgründiger und mächtiger zugehen: So werden das rabenschwarze Bassgrummeln und die unerbittlich zuschlagenden, monotonen Beats über meine Vor/End-Kombi noch substanzieller, kontrollierter, fester zupackend übertragen. Mit meinen bis 30 Hz (±3dB) hinunterlangenden Sehring-902-Lautsprechern mutet zudem die an einen Pulsschlag gemahnende Bassdrum im Break von „Für wen sind die Blumen?“ (Einstürzende Neubauten, Album: Strategies Against Architecture III, auf Amazon anhören) noch schwärzer, noch tiefer reichend an wenn’s über die Kombi geht, die Bassmembranen scheinen ein paar Zentiliter mehr Luft zu bewegen. Allerdings befinden wir uns hier in Frequenzbereichen, die mit Kompaktlautsprechern sowie den meisten Standlautsprechen – gleich welche Verstärkung vornedran hängt – so oder so kaum zu Gehör gebracht werden können. Ergo: Für einen Vollverstärker dieser Preisklasse zählt der Marantz PM-14S1 Special Edition zweifelsohne zu den im Bass „erwachsen“ aufspielenden Vertretern seiner Zunft.
„Down In the Happy Zone“ ist aber nicht nur ein guter Prüfstein für die südlichen Frequenzgefilde, sondern auch dafür, ob in den oberen Frequenzetagen nicht zu kalter Nordwind weht. Die sich durchs ganze Stück ziehende, in der Stereomitte aufgenommene und irgendwie leicht „dreckig“ wirkende Hi-Hat kann nämlich recht schnell offensiv bis nervig wirken. So war für mich etwa an meinen alten Thiel-CS 3.7-Lautsprechern der Song in der Regel fast ungenießbar, allerdings reagiere ich auf artifiziell metallische Anklänge im Hochton auch überdurchschnittlich allergisch. Nun, mittlerweile höre ich wie gesagt mit der im Hochton deutlich organischer aufspielenden Sehring 902 (siehe auch Test Sehring 903), gleichwohl wird schnell klar, dass der Marantz PM-14S1 SE Hochtonereignisse mit angenehmer Seidigkeit, Geschmeidigkeit und Härtefreiheit vorträgt – wer sensible, „schmerzempfindliche“ Ohren hat, ist hier auf der absolut sicheren Seite.
Der saubere, angenehm verzerrungsarm wirkende Hochton ist freilich dem ganzen Klangbild dienlich beziehungsweise sicherlich mitverantwortlich für das, was sich den meisten beim Probehören wohl ebenfalls recht schnell offenbaren wird: Der Marantz-Amp klingt generell unheimlich „klar und rein“, nicht im Sinne von steril – bewahre – sondern schlicht und einfach absolut frei von jedwedem unterschwelligen Grissel oder Grauschleier, was letztlich ein entspannt „untechnisch“ anmutendes Klangbild zeitigt. Wodurch nicht zuletzt Stimmen ohne jegliche Effekthascherei klangfarbecht und natürlich wirken.
Ohne dass sich der dafür zuständige Mittenbereich in irgendeiner Form in den Vordergrund rücken oder besonders ins Ohr fallen würde, erfreut man sich beim Hören an einer – ja – sehr reifen Schlüssigkeit. Im Hinblick auf die transparente, aber niemals aufgesetzt analytisch wirkende Darstellung von Stimmtexturen, aber auch in Sachen tonaler Balance – Gesang kippt zu keiner Zeit ins Dunkle und schon gar nicht ins Helle – haben wahrscheinlich auch Hörer, die weitaus teurere Amps gewöhnt sind, noch nicht viel Authentischeres an ihr Trommelfell gelassen.
Gleiches gilt fürs „Bühnentalent“ des Marantz PM-14S1 Special Edition: Nicht zuletzt, weil die besagte Reinheit des Klangbildes natürlich auch der Ortungsschärfe und Plastizität von Instrumenten und Stimmen zugutekommt, aber auch, weil sich die Abbildung von Größenverhältnissen und das Ablösen des Klangbildes von den Lautsprechern bar jeder Kritik darstellt. Im Vergleich zu meiner räumlich vorbildlich differenzierenden Funk MTX-Monitor.V3b/NuForce Reference-20-Kombi sind zwar leichte Unterschiede auszumachen, aber lediglich im direkten A/B-Vergleich und zudem schwer zu konkretisieren, womöglich bildet meine Kombi in der Breite etwas weiter aufgefächert ab. Aber egal, ich habe gar nicht weiter analysiert, was diesen Punkt betrifft, denn den Musikgenuss tangiert das im Grunde nicht die Bohne.
Beim endzeitlich-düster-atmosphärischen, rein elektrisch instrumentierten „Urban Psycho“ von Terminal Power Company wird ein weiterer Charakterzug des Marantz PM-14S1 Special Edition deutlich, muten doch die blitzartig-schnellen Synthieschnipsel weniger strahlend, tonal abgedimmter an und mithin weniger offensiv und vordergründig. Passend dazu leuchten die Pianoläufe auf dem Album Drifters des serbischen Jazz-Fusion-Quartetts Eyot (abwechslungsreich und emotional, fast schon obligatorisch für e.s.t.-Fans, auf Amazon anhören) weniger hell, die Perkussion integriert sich zudem etwas zurückhaltender, weniger unmittelbar ins Musikgeschehen.
Nun zählen Direktheit und Energiegeladenheit zwar zu den besonderen Stärken meiner zudem ungleich teureren Monos, aber dennoch lässt sich ableiten, dass der Marantz PM-14S1 Special Edition tonal kein ausgemachter Strahlemann ist, die oberen Mitten und Höhen muten leicht zurückgenommen an.
Was mir beim Hören aber zudem unterschwellig auffällt: Der Marantz PM-14S1 Special Edition faded nach oben nichtsdestotrotz schön bruchlos, scheinbar endlos aus, während die NuForce-Monos bei haargenauem Hinhören das Gefühl aufkommen lassen, dass es in den allerobersten Höhen irgendwann nicht mehr ganz so stetig ausläuft beziehungsweise abrupt eine Grenze erreicht wird, wodurch es nach meinem Empfinden weniger seidig-luftig und fein, dafür etwas trockener, rauer klingt. Ein Musterbeispiel in Sachen Luftigkeit waren übrigens – vor allem nach langer Einspielzeit – meine verflossenen, nach wie vor empfehlenswerten Audionet-AMP-Monos, die dafür aber Klangfarben etwas weniger deckkräftig, pastellartiger gezeichnet haben als etwa der Marantz PM-14S1 SE oder auch meine NuForce Reference 20.
Wie auch immer, das Thema Superhochton ist wirklich äußerst subtil wahrnehmbar und schon recht freakig, für hochtonsensible Ohren mag dieser Zug des Marantz gleichwohl als kleines Asset durchgehen.
Beats, Hi-Hat, Bassdrum, Perkussion – alles Begriffe, die bereits fielen, dennoch wurde explizit noch kein Wort zum Thema Dynamik gesagt. Und ich habe auf dieses Kriterium während der ersten Hörrunden auch tatsächlich nicht bewusst geachtet – eigentlich ein gutes Zeichen, bedeutet eine gewisse Unauffälligkeit in diesem Fall doch, dass zumindest unterschwellig selbst im Vergleich zu meinen „schnellen“ Monos keine allzu großen Abweichungen wahrnehmbar sein können.
Gleichwohl bin ich aufgrund des insgesamt durchaus entspannt wirkenden Klangbildes des Marantz PM-14S1 Special Edition schon mit der Erwartungshaltung in die „Dynamikhörrunde“ gegangen, dass es schon etwas stärker abgerundet klingen wird, wenn man denn nur genau hinhört.
Zum Abklopfen von dynamischen Fähigkeiten taugt beispielsweise Hertz von Lassigue Bendthaus – ein Elektroprojekt eines ehemaligen Schlagzeugers – mit dem ebenso komplex arrangierten wie unkomprimiert eingefangenen Titel „Zeit“. Ob elektronische Toms, die pro Takt zweimal so zackig losknallen, dass man Angst bekommt, die Schwingspulen der Mitteltöner könnten einem ins Auge schießen oder die knackige Bassdrum oder die ebenso sporadisch wie plötzlich auftretenden Beat-Salven, die mit mindestens 200 BPM auf einen zurasen: Fein- wie grobdyamisch macht der Marantz PM-14S1 Special Edition einen überraschend tadellosen Job. Und mag meine strunzdynamische Vor/End-Kombi noch einen Tick knalliger anmuten, bin ich mir nicht mal sicher, ob das psychoakustisch zumindest zum Teil eben daher rührt, dass sie wie beschrieben tonal etwas strahlender/lichter als unser Proband tönt, und allein aufgrund dessen schon ein etwas offensiver, energetischer wirkendes Klangbild suggeriert. Nun, so richtig unabhängig voneinander wirken einzelne Klangkriterien ja sowieso nie …
Zum Dynamikverhalten des Marantz PM-14S1 Special Edition passt, dass trotz seiner leicht abgedimmten Höhen kaum Auflösungsdefizite zu konstatieren sind, selbst wenn man ihm erbsenzählerisch nachstellt: Bei Eyots „Coil“ etwa mutet das kaum wahrnehmbare leise Ticken der Hi-Hat zwar noch einen Tick subtiler als sonst an, bleibt aber gleichwohl hörbar, die nach knapp 30 Sekunden einsetzende Rassel in Blurs „Ice Cream Man“ (Album: The Magic Whip, hörenswertes, sich aber nicht sofort erschließendes Popalbum, auf Amazon anhören) gibt sich so locker durchhörbar und in dichteren Songpassagen differenziert wie gewohnt. Auch die sich fast wie Spurfehler anhörenden leisen Bassdrumschläge zu Beginn von Bourbonese Qualks „Let it go“ sind genauso (wenig) auffällig wie sonst.
Nun, die feine Durchsichtigkeit, die Subtilität etwa eines Norma Revo IPA-140 (5.400 Euro) erreicht unser Proband gerade im Hochton zwar nicht (meine Vor/End-Kombi reicht ebenfalls nicht heran), die Balance aus Präzision und Seidigkeit/muskalischer Fluss löst er aber dennoch gut. Interessanterweise ähneln sich der Marantz PM-14S1 Special Edition und der Italiener ansonsten durchaus in ihrem Grundnaturell, sprich ihrer angenehm fließenden, geschmeidigen, aber niemals übertrieben soften Gangart, wobei der IPA-140 über alles gehört nicht zuletzt ein tonal heller ausgeleuchtetes Klangbild liefert.
Test: Marantz SA-14S1 SE und PM-14S1 SE | CD-Player