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Model 50? Hat ProSieben jetzt eine Modelshow für Best Ager auf die Stöckelbeine gestellt? Nein, ein „Germany’s Next Topmodel“ reicht wirklich – die schrille Piepsstimme der Klum hat schon einige Hochtöner und Trommelfelle ins Nirwana geschickt. Sprechen wir lieber über gepflegtes HiFi jenseits von Oberflächlichkeiten, sprechen wir über das Model 50 von Marantz, einen Mittelklasse-Vollverstärker für 1.800 Euro. Der schaut zwar auch top aus, glänzt vor allem aber auch mit inneren Werten, wenn er über den fairaudio-Catwalk schwebt.
Wer kennt sie nicht, die Bilder, wenn junge, hübsche, große Mädchen an der Grenze zur Magersucht mit zittrigen Beinen verzweifelt über den Laufsteg torkeln, um sich den Traum der Modelkarriere zu erfüllen? Meistens – kreisch! – vergeblich: „Heute habe ich leider keine Karte für dich!“ Wir bei fairaudio sind nicht so streng, schlank und schon gar nicht so schön, haben dafür aber angenehmere Stimmen und mehr Geduld: Stolziert ein Testkandidat über die Bühne, lassen wir ihm genügend Zeit, um sich zu akklimatisieren – selbst dann, wenn er frisch aus Karton mal kurz umknickt. Wir hören ihm geduldig zu, um zu einem fundierten Ergebnis zu gelangen. Diesmal auf dem Prüfstand: der Marantz-Vollverstärker Model 50, das neueste Produkt des japanisch-amerikanischen Herstellers. Es gibt auch einen passenden CD-Player zum selben Preis dazu: den Marantz CD50n mit Streaming-Feature, Bluetooth und DAC-Eingängen inklusive HDMI-ARC. Beide Geräte ergänzen sich prächtig – auch vom Design her.
Klassisch, puristisch, analog
Während sich der CD-Player mit Streaming-Engine und DAC eher modern gibt, bekommen wir es beim Marantz Model 50 mit einem klassischen, puristischen, analogen Class-A/B-Vollverstärker zu tun, der auf eine Wandler- oder Streaming-Sektion verzichtet. Das Gerät verstärkt mithilfe von High-Current-Class-A/B-Endstufen mit parallelen Push-Pull-Transistorpaaren – und sonst nichts. Der 50er leistet nicht 50 Watt, wie der Name vielleicht suggerieren könnte, sondern 70 Watt an 8 Ohm beziehungsweise 100 Watt an 4 Ohm. Das sollte reichen, um ihn an den meisten Lautsprechern anständig zu betreiben, wenngleich er kein Leistungsmonster für ausnehmend wirkungsgradschwache Lautsprecher ist. Für meine beiden Standlautsprecher, die Sonus Faber Olympica Nova 3 (13.400 Euro pro Paar, 90 dB @2,83 V/m) und die Canton Reference 7 (6.000 Euro pro Paar, 87,5 dB @ 2,83 V/m), reicht es aber locker. Laut Hersteller soll das Model 50 auch noch schwerer anzutreibende Boxendiven antreiben, nicht zuletzt dank des üppigen Netzteils mit großem, doppelt geschirmten Ringkerntrafo. Die neueste HDAM-SA3-Technologie (HDAM: Hyper Dynamic Amplifier Module), für die Marantz bekannt ist, bürge bei alledem für eine hohe Dynamik und minimales Rauschen. Dabei handelt es sich um Endverstärkungsmodule in SMD-Technik (Gegensatz: Durchsteckmethode), die nicht zuletzt auch Platz und Kabelwege einsparen.
Optisch ansprechend – und in zwei Looks
Das „Modern Musical Luxury“-Design, so der Hersteller-Sprech, mit dem kleinen, gleichwohl relativ gut ablesbaren OLED-Bullaugen-Display in der Mitte und den klassischen Drehreglern dürfte den meisten Menschen gefallen. Ich finde es optisch ebenfalls sehr ansprechend. Wem das zeitlose Schwarz des Testgeräts nicht zusagt, kann auch zur silber-goldenen Ausführung greifen.
Gut gebaut und kontaktfreudig
An der Verarbeitung des Marantz Model 50 gibt es nichts auszusetzen, das erwarte ich allerdings auch in dieser Preisklasse. Von den 14,2 Kilogramm bekommt dennoch niemand Rücken, falls der Verstärker mal den Platz wechseln muss. Vinyl-Fans freuen sich über einen MM-Phono-Eingang samt Phono-Vorstufe, wer einen zusätzlichen MC-Eingang möchte, kann etwa zum teureren Model 30 (Preis: 3.250 Euro) von Marantz greifen, das zudem mehr Leistung (100 Watt an 8 Ohm) bietet. Hinzu kommen beim Model 50 noch fünf weitere Cinch-Eingänge, die beispielsweise einem CD-Player oder Tuner Platz bieten. Wer möchte, kann den Marantz auch als reinen Vorverstärker oder als Stereoendstufe nutzen, auf der Rückseite stehen entsprechende „Power Amp In“- beziehungsweise „Pre Out“-Buchsen bereit. An einen Anschluss für einen externen Subwoofer hat Marantz ebenfalls gedacht, darüber hinaus verfügt der Amp über Lautsprecheranschlüsse für zwei Paar Boxen. Ach ja: Rechts auf der Front des Marantz Model 50 befindet sich noch eine Kopfhörerbuchse, die ich später etwas genauer untersuchen werde.
Alte Schule
Gute alte Schule: Auf der Vorderseite des Marantz Model 50 befinden sich Drehregler für Bass, Treble und Balance. Puristen können diese natürlich per „Source Direct“-Modus umgehen, der Modus lässt sich bequem per Fernbedienung aktivieren. Dies fördere laut Marantz eine noch höhere Klangqualität und bringt meiner Erfahrung nach tatsächlich etwas, wenngleich man keine Quantensprünge erwarten sollte. Ist die Funktion aktiviert, erscheint unten ein kleiner „Source Direct“-Schriftzug im Bullaugen-Display. Die Fernbedienung besteht zwar nur aus Plastik, sieht aber anständig aus und liegt auch gut in der Hand, wenngleich sie für mich ungewohnt leicht wirkt. Womit wir auch schon in Betrieb gehen, sprich beim Hörtest sind – mal sehen, wie sich das Model 50 auf dem Catwalk schlägt.
Marantz Model 50 – Klangtest & Vergleiche
Marantz-Komponenten gelten traditionell als eher rund, leicht warm und vor allem nicht schrill – wobei stärkere Tendenzen in diese Richtung eher für ältere Gerätegenerationen gelten. Das bewahrheitet sich auch beim Model 50, der mich bei der Höhendarstellung ein bisschen an meinen in dieser Sache etwas „gnädigeren“ McIntosh-Vollverstärker-Schwergewicht MA8900 AC (9.780 Euro) erinnert. Im Vergleich mangelt es dem Marantz bei diesem unfairen Vergleich (der Mac kostet ungefähr das Fünffache) obenrum etwas an Auflösung, aber preisklassenbezogen geht seine Performance voll in Ordnung. Beide Vollverstärker verbindet, dass die Höhen und beispielsweise Zischlaute nie aufdringlich, zu scharf oder anstrengend wirken, selbst bei hochtonlastiger, nicht besonders homogen aufgenommener Musik. Mir fällt in diesem Zusammenhang immer wieder das Hunger-Album der schwedischen Gothic-Rocker Then Comes Silence ein, das arg grell aufgenommen wurde. Das schmälert den Genuss der kompositorisch an sich sehr guten Nummer „Rise To The Bait“ bei vielen Lautsprecher-Verstärker-Kombinationen deutlich, doch beim Marantz Model 50 in Kombination mit der Sonus Faber Olympica Nova 3 hält sich der Nervfaktor in Grenzen. Der Marantz-Verstärker stellt hohe Frequenzen also eher leicht samtig, geschmeidig und tonal leicht zurückgenommen statt aggressiv und prominent dar, was zu langen Hörsessions auch mit nicht optimal aufgenommener Musik einlädt.
Runde Sache: Grob- und Feindynamik
Ich habe vorhin nicht zufällig das Adjektiv „rund“ gewählt, es lässt sich nämlich durchaus auf die Grobdynamik anwenden. „Weich“ wäre übertrieben, aber ein zackiger Haudrauf, der dem Hörer förmlich ins Gesicht springt, ist der Model 50 nicht. Der Marantz agiert bei großen Pegelsprüngen beispielsweise nicht so pfeilschnell wie mein Röhrenvollverstärker PrimaLuna EVO 300 (4.890 Euro), wenn dieser in seinem kraftvollen Ultralinear-Betrieb arbeitet. Auch der kleine, auf maximale Dynamik gezüchtete, sehr direkte und eher frische, nicht ganz so euphonische Abacus Ampino 20 Dolifet (790 Euro) springt den Hörer stärker an, während der eher auf entspannteren Wohlklang trainierte Röhrenvertreter VTL IT-85 (8.690 Euro) dynamisch eher an unser Model 50 erinnert. An den Beispielen quer über verschiedene Preisklasse hinweg lässt sich gut ersehen, dass es weniger um ein objektives Besser oder Schlechter geht, sondern nicht zuletzt um den Abstimmungsgeschmack der Entwickler – und mithin der Hörer: Ein bretthartes Sportwagenfahrwerk gibt’s woanders, wer eher auf eine limousinenartige Federung, sprich einen besonderen musikalischen Fluss steht, liegt mit dem Marantz hingegen goldrichtig.
Feindynamisch setzt sich dieser Eindruck fort, auch hier neigt der Testkandidat eher zu Fluss als zu Attacke, was zu einem homogenen, flüssigen Klangbild beiträgt, das eher umarmend als aufwiegelnd wirkt. Das soll nicht heißen, dass der Marantz-Verstärker Mikrodetails und kleine Pegelsprünge verschluckt, er stellt sie lediglich weniger crisp heraus. So wirkt beispielsweise der Beginn des Gossip-Stücks „Turn The Card Slowly“ (ebenfalls vom neuen Album) mit feinem Gitarrengeplänkel minimal zurückhaltender bei feinen Pegelunterschieden als mit meinen PrimaLuna- und McIntosh-Verstärkern, aber wir sprechen hier wirklich nur von Nuancen. Und von größeren Preisunterschieden.
Beseelt!
Bei alledem hat der Marantz Model 50 etwas, was selbst manchen deutlich teureren Verstärkern abgeht: Seele. Man könnte auch sagen: Musikalität. Er ist nicht das spektakuläre Supermodel mit Beinen bis zum Mond und strahlend-grandiosem Erstauftritt, bei dem allen Beobachtern sofort der Kiefer runterfällt, sondern vielmehr ein Dauerläufer auf dem Laufsteg. Sein eher wärmeres, verzeihendes Wesen lädt Genusshörer wie mich zu langen Sessions ein und drängt Zweifel in den Hintergrund.
So klingt beispielswiese das leicht an Joy Division erinnernde „Old Regime“ vom neuen Spectres-Album Presence mit seinem locker-leichten Basslauf so fluffig, dass – zumindest bei mir – gar nicht der Wunsch nach „mehr“ oder einer anderen Gangart aufkommt. Das passt einfach. Fans sehr hoher Analyse und heller Klangbilder werden dies vermutlich anders sehen, und das ist auch vollkommen okay, die Geschmäcker sind schließlich verschieden. Ich würde das Marantz Model 50 allerdings nicht mit eher langsamen, betont warm abgestimmten Lautsprechern kombinieren, sondern eher mit neutralen bis leicht hellen und schnelleren Schallwandlern. Deshalb finde ich den Japaner insgesamt mit meiner streng neutralen Canton Reference 7 etwas besser als mit der leicht wärmer abgestimmten Sonus Faber Olympica Nova 3, wenngleich auch hiermit das Hören Spaß macht.
Spaß mit Augenmaß in den Mitten
Zu diesem Spaßfaktor tragen natürlich auch die Mitten bei, die – Sie ahnen es vermutlich schon – zu den Stärken unseres japanischen Models zählen. Stimmen klingen harmonisch und stets schön in den Gesamtsound eingebettet, wie beispielsweise das Organ des mittlerweile leider verstorbenen ehemaligen Screaming-Trees-Frontmanns Mark Lanegan zeigt. Im eher bedächtigen „Dollar Bill“ (Album: Sweet Oblivion, 1992) zieht Lanegan alle Register seines Könnens und zaubert mit seiner einzigartigen, rauchig-samtigen Stimme und dem Marantz Model 50 Gänsehaut auf Arme und Rücken.
Das klingt außergewöhnlich emotional und berührend – sogar mit einer Spur mehr Schmelz, als beispielsweise der PrimaLuna ECVO 300 ihn zaubert, der allerdings nicht als typischer Röhrenvertreter durchgeht. Natürlich ist das auch wieder Geschmackssache: So eine Mittenausrichtung kann das Gebrülle/Gekrächze mancher Metal-Shouter, die zum Frühstück mit Reißnägeln gurgeln und dann Whisky aufstoßen, erträglicher gestalten, aber auch minimal die Wucht und Wut nehmen. Alle hier beschriebenen Beobachtungen beziehen sich übrigens auf dem „Pure Direct“-Modus, bei dem alle Klangregler deaktiviert sind. Wer sich also beispielsweise mehr Höhen wünscht, greift zum Treble-Regler.
Intuitiv richtig
In Sachen Bass findet der Marantz Model 50 einen schönen Mittelweg aus Tiefgang und Durchzeichnung/Präzision. Er reicht weder so tief herunter wie mein McIntosh MA8900 AC noch wie ein Rega Aethos (4.400 Euro), die sich hier beide sehr großzügig präsentieren. Er steigt aber etwas tiefer in den Keller als zum Beispiel der Abacus Ampino 20 Dolifet und bewegt sich hier auf dem Niveau des allerdings noch definierter zeichnenden Streaming-CD-Receivers AVM Inspiration CS 2.3 (mittlerweile 5.790 Euro).
Der Bass hört sich weder trocken noch weich an, wenn man nicht vergleicht, sondern einfach nur Musik hört – sondern intuitiv richtig. Das sehr basslastige, wieder einmal stark an The Cure erinnernde 2024er-Album von Klez.e mit dem Titel Erregung zeigt zudem, dass der Marantz Model 50 ein Plus an Wärme in den Oberbass zaubert, was einen leicht warmen und organischen Höreindruck fördert, der guten Durchhörbarkeit aber keinen Abbruch tut. Ansonsten ragt der Tiefton nicht aus dem Klangbild heraus, fällt aber auch nicht ab.
Vielschichtig: Auflösung & Räumlichkeit
Wie ich bereits bei der Höhendarstellung und der Feindynamik andeutete, macht der Marantz-Verstärker seine Sache auflösungstechnisch preisklassenbezogen sehr gut. So vernehme ich zum Beispiel mit dem Model 50 bei der atmosphärischen Nummer „Verdigris“ der australischen Post-Rocker Sleepmakeswaves (fabelhaftes neues Album: It’s Here, But I Have No Name For It) die dicken Synthieflächen ausgesprochen transparent und vielschichtig. Mit meinem fast dreimal so teuren PrimaLuna EVO 300, dem ich zum direkten Vergleich heranziehen kann, klingt es genauso hochaufgelöst, lediglich die Klaviertupfer, die in dem Stück mit zunehmender Spieldauer immer prominenter unter den Synthies hervorblinzeln, kommen mit dem PrimaLuna eine Spur deutlicher zum Vorschein.
Das liegt vermutlich auch daran, dass der Holländer die Instrumente einen Hauch klarer voneinander trennt als der Marantz, womit wir schon bei der Räumlichkeit angekommen sind. In puncto Ortungsschärfe kann er also nicht ganz mit dem PrimaLuna EVO 300 mithalten, dafür beeindruckt der Marantz jedoch mit seiner schön breiten Bühnendarstellung, die ich in dieser Form nicht erwartet hatte. Hier muss er sich mit seinem herrlichen Panorama selbst vor wesentlich teureren Verstärkerkollegen nicht verstecken. Die Musik löst sich fein von den Lautsprechern und startet nicht auf Höhe der Lautsprecherbasislinie, sondern ein klitzekleines Stücken davor. Sie dehnt sich weit nach vorne aus und ermöglicht auf diese Weise eine tolle Tiefenstaffelung. Das wiederum ermöglicht ein sehr plastisches Klangbild, in das man imaginär gerne hineingreift. Lediglich bei der Ortungsschärfe ist – wie bereits erwähnt – noch ein bisschen Raum nach oben.
Surprise, Surprise – der Kopfhörerausgang
Ach ja, noch ein paar Worte zum Kopfhörerausgang: Zu meiner Überraschung werden die Lautsprecher nicht stummgeschaltet, als ich erstmals meinen Magnetostaten Hifiman Arya Stealth (damaliger Preis: 1.800 Euro) einstöpsele. Ein Blick auf die „Speaker“-Wahltaste auf der Vorderseite zeigt, dass es dort eine „Off“-Einstellung gibt, die die Boxen stummschaltet. Ich habe nicht besonders viel von der Kopfhörersektion erwartet, die bei Vollverstärkern oft eher zum lästigen Pflichtprogramm zählt, werde beim Model 50 aber angenehm überrascht: Das klingt richtig gut – transparent, kraftvoll und stimmig!
Test: Marantz Model 50 | Vollverstärker