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Kürzlich war ich im Norddeutschen Hifi-Museum bei Hannover und lustwandelte andächtig durch die bemerkenswerte Ausstellung alter Hifi-Preziosen. Dabei wurde mir klar, dass es wohl drei zentrale Dinge sind, die Hifi-Geräte zum Klassiker oder Kultgerät machen: toller Klang natürlich, aber ebenso gutes Design oder ein außergewöhnliches technisches Konzept. Sollte diese meine Annahme stimmen, dann haben wir mit dem Marantz Model 10 (14.500 Euro | https://www.marantz.com/de-de/) einen ganz klaren Anwärter auf einen solchen Museumsplatz – wenn auch hoffentlich erst in ferner Zukunft.
Mit der neuen 10er-Serie schlägt Marantz ein neues Kapitel in der Geschichte seiner Edel-Komponenten auf, denn bei der Entwicklung wurde in fast allen Bereichen komplett neu gedacht. Im Zentrum der Produktlinie (es gibt auch noch einen Streaming-Preamp und einen – demnächst im Test – SACD-Spieler) steht der Model 10 – ein Vollverstärker, der gebaut wurde, um klassische Markenidentität mit moderner Ingenieurskunst zu vereinen, so Marantz. Man habe mehr als fünf Jahre Zeit investiert, um akustisch wie optisch kompromissloses High-End abzuliefern.
Meine Herren …
Kompromisslosigkeit kann man den Machern des Marantz Model 10 in jedem Fall schon mal attestieren: Man hebt nicht alle Tage einen 34 Kilogramm schweren Verstärker aus dem Karton. Nachdem das jedoch erst mal geschafft ist und der Verstärker sicher im Rack oder auf einer ebenbürtigen Gerätebasis ruht, darf man erst mal raunen und staunen: Meine Herren, was ein Materialeinsatz, was ein Design, was eine Verarbeitung! Das hier ist, um es mal ganz volksnah zu sagen, „the real shit“. Wenn jemals das Buzzword „tresorartige Verarbeitung“ zutreffend war, dann wohl bei diesem Amp.
Unverkennbar
Das Äußere des Model 10 zitiert ganz unverkennbar die großen Marantz-Klassiker: gebürstetes Aluminium in Champagner oder Schwarz, ein zentriertes „Bullauge“ – hier und heute jedoch in Form eines hochauflösenden Farbdisplays, eine klar symmetrische Gliederung der Front, haptisch exzellente Regler, aus dem vollen Aluminium gedreht. Wer hier am Knöpfchen dreht, der zwirbelt den vielzitierten dicken Löffel im Honigtopf. Herrlich! Die Frontplatte ist zweiteilig und besteht aus bis zu 45 Millimeter (!) starkem massiven Aluminium, dessen nach vorne sichtbarer Teil eine raffinierte Maserung aufweist, davor ist nochmal eine zweite, kleinere Blende mit rund 20 Millimeter Stärke montiert, hinter der sich ein (dimm- und abschaltbarer) Lichtkranz befindet. Das ergibt – sofern eingeschaltet, versteht sich – einen raffinierten Effekt: Die Blende scheint zu schweben und der Amp wirkt plötzlich gar nicht mehr wuchtig, sondern fast schon ätherisch. Ein richtiger Hingucker ist auch das durchbrochene Topcover mit ebenfalls subtil integrierter Beleuchtung. Es erlaubt Einblicke in das vielfach kupfergeschirmte Chassis und setzt damit nicht nur ein gestalterisches Statement, sondern stellt auch stolz die durchdachte technische Substanz im Inneren aus.

Auch der Blick durch die Deckelplatte des Marantz Model 10 ins leicht illuminierte Verstärkerinnere fasziniert
Man kann die Entwickler verstehen, dass Sie den Blick ins Innere zulassen, ja forcieren. Denn: Was es dort zu sehen gibt, ist nicht nur technisch allererste Sahne, sondern auch so – man verzeihe – appetitlich, akkurat und sauber angerichtet, dass man aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommt. Ähnlich verhält es sich mit der Rückseite des Amps: Obwohl es sich um einen rein analogen Verstärker handelt, drängen sich dort die extrem hochwertig wirkenden und bombenfest sitzenden Anschlüsse dicht an dicht: Wir finden vier Hochpegeleingänge (2 x XLR, 2 x Cinch), einen Phonoeingang (MM/MC), überdies einen ungeregelten Hochpegelausgang (Rec Out), zwei geregelte Vorstufenausgänge (XLR/Cinch) sowie zwei Direkteingänge für die Nutzung des Marantz Model 10 als reine Endstufe. Die Lautsprecheranschlüsse sind ebenfalls doppelt ausgeführt. Und das ist noch nicht alles: Wer mag, kann den Model 10 auch als Monoendstufe konfigurieren – falls die 250 Watt pro Kanal an 8 Ohm einmal nicht für den Hausgebrauch ausreichen sollten.
Schaltnetzteile!?

Die Leistungsstufen des Marantz Model 10 werden von Schaltnetzteilen versorgt, der Ringkerntrafo dient der Vorstufensektion
Das Innenleben des Verstärkers setzt auf maximalen Schutz der sensiblen Elektronik vor Einstreuungen von außen sowie Interferenzen, die sich aus den internen Schaltungs-Sektionen selbst ergeben könnten. Marantz realisiert dies über einen mehrstöckigen Aufbau: Hinten auf der mit Kupfer beschichteten Bodenplatte befindet sich die Dual-Mono-Endstufe, davor finden sich zwei getrennte, kanalgetrennte Schaltnetzteile zur Versorgung der Endstufe. Schaltnetzteile? Ja, Schaltnetzteile! Es gibt durchaus Entwickler, die diesen Spannungswandlern Vorteile gegenüber linearen Trafos zuschreiben, insbesondere wenn es um die Schnelligkeit beim Ausliefern von kräftigen Impulsen geht. Und so findet man auch in anderen hochpreisigen Komponenten – zum Beispiel von Chord Electronics, Lindemann oder Soulution – diese Form der Netzteile.
Mit Zwischendecke
Die Endstufen-Sektion bekam sodann eine 1,2 Millimeter starke Kupferplatte als „Zwischendecke“ verpasst. Darauf befindet sich die zweite Etage: Sie beherbergt im hinteren Teil die vollsymmetrische Audio-Eingangs- und Verstärkungsstufe, die auch einen Symmetrierer für per Cinch eingehende Signale umfasst. Der Phono-Entzerrer ist Teil dieser Eingangsstufe und zusätzlich separat gekapselt. Vor die Eingangsstufe wiederum hat Marantz den Ringkerntrafo (aha!) für die Stromversorgung der Vorstufensektion sowie das zugehörige Netzteil platziert – und die Steuerelektronik sowie der diskret aufgebaute Kopfhörerverstärker residieren direkt hinter der Frontplatte. Ich wage mal zu behaupten: Mehr sinnvolle Trennung der einzelnen Sektionen voneinander in einem Gehäuse ist praktisch kaum möglich.
Rein analoges Doppelmono
Technisch setzt der Marantz Model 10 also auf ein vollständig symmetrisches Dual-Mono-Layout – vom Eingang über die Signalverarbeitung bis hin zur Endstufe. Auch vertikal und horizontal – also in Bezug auf die Anordnung der Platinen, Leiterbahnen und Kabelverbindungen – wurden die Signalpfade laut Marantz so separiert, dass sich das Störpotenzial optimal reduziert. Die Eingangsstufen nutzen die von Marantz entwickelten aktuellen HDAM- und HDAM-SA3-Module, die für hohe Bandbreite und geringe Verzerrungen entwickelt wurden. Auch die Lautstärkeregelung ist durchgängig analog aufgebaut, mit variabler Verstärkung (Gain-Staging) und vorzüglicher Kanaltrennung selbst im Flüsterbetrieb, wie ich im Hörtest erleben durfte.
Und auch noch Class D!?
Und nun wird es interessant. Denn eigentlich kennt man Marantz vornehmlich als einen Hersteller mit technologisch sehr klassischer Abstammung. In der „Frühzeit“ setzte man auf Röhren, später wurden diese durch Transistoren abgelöst. Kern der Verstärkerschaltungen bildeten über Jahrzehnte Class-A- bzw. Class-AB-Konzepte. Da mag es zumindest überraschen, dass ausgerechnet im aktuell teuersten und ambitioniertesten Stück Technik der Japaner Schaltverstärkertechnik zum Einsatz kommt. Ist aber so! Und auch nicht neu – siehe Test Marantz SA-10 und PM-10. Natürlich kauft Marantz bei einem Boliden dieser Gewichts- und Größenklasse keine Bausteine von der Stange zu – vielmehr habe man gemeinsam mit dem dänischen Verstärker-Spezialisten Purifi ganz neue Class-D-Module individuell für Marantz konzipiert, die nun sogar im hauseigenen Werk im japanischen Shirakawa gefertigt werden. Diese Purifi-Endstufen hauen 250 Watt pro Kanal an 8 Ohm und satte 500 Watt an 4 Ohm heraus, gepaart mit einer bemerkenswert niedrigen Verzerrung von nur 0,005 % laut Datenblatt.
Erwähnt sei noch: Marantz legt eine massive Aluminium-Fernbedienung mit in den Karton. Sie fasst sich gut an, liegt angenehm schwer in der Hand und steuert als Systemfernbedienung alle Geräte der 10-er-Serie.
Marantz Model 10: Hörtest und Vergleiche
Sie ahnen schon: Das Obsttellerchen mit Vorschusslorbeeren ist reich gefüllt. Die Optik, Haptik und auch das schiere Gewicht des Verstärkers schüren eine hohe Erwartungshaltung. Kann der Model 10 diese erfüllen? Ja, er kann. Wenn auch vielleicht etwas anders als gedacht.
Gib Gas, ich will Spaß … – really?
Wer einen solchen Brummer von Verstärker bei sich stehen hat, der denkt vielleicht automatisch, dass dieser Bolide jetzt aber mal so richtig Vollgas in allen Richtungen geben müsste. Da sollten doch die Wände wackeln und in der Küche nebenan die Weingläser lustig in der Vitrine klingeln. Aber, nein, der Marantz Model 10 ist eben kein tumber Haudrauf ohne Manieren. Vielmehr kommt er dem Idealbild des „verstärkenden Drahts“ in einer Konsequenz nahe, die ich bisher noch nicht sehr oft erleben durfte.
Tonal ist es so, dass schlicht und einfach erst einmal gar nichts auffällt: Kein Extra-Schubs im Bass, kein Farbfilter vor den Mitten, keine Abdunklung oder Extrafrische in der Höhe: Nein, der Frequenzgang erscheint so gerade, dass man auf ihm nicht nur gefahrlos einen Drink abstellen, sondern gegebenenfalls auch ein mehrstöckiges Haus errichten könnte. Mithin reicht der Model 10 tonal alles so unverstellt durch, wie man ihm das anfüttert.
Das kann natürlich auch bedeuten „Garbage in – garbage out“. Wenn beispielsweise in Rides Stück „Paralysed“ (Album: Nowhere) die per EQ verbogenen Akustik- und E-Gitarren mit Ride- und Crashbecken um die Wette klingeln, dann wird der Model 10 das nicht absoften, sondern in all der teils schmerzhaften Schärfe wiedergeben, mit der es produziert wurde. Wenn hingegen eine gute abgehangene Steely-Dan-Scheibe wie Aja im CD-Spieler rotiert, dann dichtet der Marantz Model 10 dem eher gülden oder bronzefarben schimmernden Hochtonbereich der Produktion keinen Extraschimmer hinzu. Nein, der Model 10 gibt sich geradezu erzneutral wie Studiotechnik aus einer eidgenössischen Rundfunkanstalt.
Klingt es deshalb langweilig? Wenn der Amp ein ordentliches Tiefton-Pfund gereicht bekommt, dann wird es das auch mit Lust in den Hörraum schallern. Ob es nun die legendäre Bassfigur in „I wanna be adored“ der Stone Roses ist oder das konzertant-singende Bassspiel von Adam Clayton in U2s „Love comes tumbling“: Der Marantz-Verstärker bildet nicht nur bis in die untersten Lagen hin mit Durchzugskraft und Verve ab, sondern auch ausgesprochen fein konturiert. Wenn’s sein muss, liefert der Amp Druck und Präzision, aber er simuliert nicht über ein Oberbasshöckerchen oder eine wie auch immer geartete Betonung kraftmeierische Extravaganzen. Das hier ist eher japanische Kampfkunst: Keine Protzerei, höfliche Verbeugung, bei Bedarf aber auch ein saftiger Handkantenschlag auf die Zwölf.
Auf Entdeckungstour

Natürlich sind bei einem Vollverstärker wie dem Marantz Model 10 auch die Füße Teil des Klangkonzepts
Wenden wir uns der Auflösung und dem Detaillierungsgrad zu, die der Marantz Model 10 offenbart, was bis hin zur Abbildung von Klangfarben wirkt. Und nehmen wir doch nochmal den eingangs erwähnten Track von Ride. Er hat eine „Coda“, ein Instrumental-Nachspiel, in dem sich Bass und Schlagzeug eine Art Duell leisten. Zu Steve Queralts bauchig-erdigen Bassfiguren trommelt Drummer Loz Colbert mit Wut und vollem Körpereinsatz. Dabei nutzt er unter anderem die Technik, den Drumstick so auf die Snare zu knallen, dass ein Teil des Sticks zugleich den Rand des Snare-Kessels streift. Auf diese Weise ergeben sich immer wieder Klangverfärbungen: Mal klingt die Snare höher, mal tiefer, mal metallischer, mal dumpfer. Der Model 10 bildet diese recht feinen Unterschiede in den Klangfarbentexturen absolut authentisch ab – auch dann, als zum Schluss der Gitarrist einstimmt und noch eine ordentliche Gartenschaufel geschrammelten Lärms draufkippt. Sehr beeindruckend.

Komplett analog, aber reichhaltig; die rückseitigen Anschlüsse des Marantz Model 10, inklusive Phono (MM/MC) und XLR
Diese detaillierte, und von einer „schnellen“ Feindynamik unterfütterte Darbietung bekommt man aber nicht nur bei lauter Musik, sondern auch bei ganz leiser: Oft fällt es in leisen, zurückgenommenen Stücken – wie dem zweiten Satz aus Antonín Dvořáks „Sinfonie aus der neuen Welt“ – nicht ganz leicht, Violinen von Bratschen zu unterscheiden. Überhaupt kein Problem mit dem Marantz Model 10, gerade im irisierend-schillernden Zwischenspiel nach der ersten Vorstellung des Themas durch das Englisch Horn.
Ich freue mich immer, wenn ich über eine Komponente noch ganz neue Dinge entdecken kann. So geschehen bei dem altbekannten Hit „Golden Brown“ der Stranglers. Hier dominieren bekanntermaßen ein breitflächig abgemischtes Cembalo, das von einem Keyboard flankiert wird, sowie der sehr furztrocken nach vorne gestellte Gesang. Das Schlagzeug hingegen spielt – ausnahmsweise bei den Stranglers – nur eine Nebenrolle. Umso überraschter war ich, als ich das Stück nach gefühlt zehn Jahren Pause mal wieder über den Marantz Model 10 anspielte: zefix! Der Drummer spielt ja doch mit den Besen recht ausgefuchste Figuren und Phrasierungen auf der Snare. Hatte ich so tatsächlich noch nicht vernommen – oder besser: bisher noch nicht darauf geachtet. Sicherlich jedoch ist es ein Qualitätsmerkmal dieses herrlich unaufdringlich feinauflösenden Verstärkers, dies aufzuzeigen.
Lehnen wir uns kurz zurück … und trinken einen Schluck Gebirgswasser
Wir haben also auf der einen Seite eine vollkommen unauffällige Tonalität in Verbindung mit einer ausgesprochen hohen Auflösung und Detaillierung – sowie einer enormen Wandlungsfähigkeit: Bassimpulse können je nach gereichten Musikmaterial tiefschwarz grummeln oder dezent singen. Stimmen können einlullen (Suzanne Vega) oder scharf konfrontieren (Marla Glen), Schlagzeugbecken mild säuseln oder stechend zischen. Der Marantz macht damit eine Sache ganz besonders: Er schafft es, durch vollkommene Natürlichkeit und die Absenz jedweder störenden Artefakte eine einzigartige Ruhe und Geschlossenheit ins Klangbild zu bringen. Haben Sie schon mal Wasser direkt aus einer Gebirgsquelle getrunken? Dann werden Sie mir zustimmen, dass es keinerlei Geschmacksstoffe braucht, um einen exquisiten Genuss zu erleben.
Vom Kardiologen empfohlen
Wenn es Ihnen vornehmlich darum gehen sollte, brutale stakkato-Impulse à la Metallica (One) oder krasse Electronica-Lastwechsel à la Yello zu konsumieren und Ihr Glück daran hängt, bei den entsprechenden Impulsen Herzrhythmusstörungen genießen zu dürfen, dann können Sie Ihre Pumpe mit dem einen oder anderen fetten Verstärker wohl noch leichter aus dem Takt bringen: Da fallen mir zum Beispiel Amps wie der Endverstärker Chord Electronics Ultima 5 (15.990 Euro) ein, den Kollege Jörg Dames vor Kurzem am Wickel hatte, aber natürlich auch der Chord Electronics Ultima Integrated, dem Michael Bruß ausgiebig auf den Zahn fühlte.
Grobdynamische Impulse bereitet der Japaner einen Tick fließender, eleganter auf. Das betrifft nach meinem Gefühl in erster Linie die Anfangs- und Schlussphase der klassischen ADSR-Hüllkurve, also Attack und Release. Oder, etwas poetischer ausgedrückt: Der Marantz ist eher auf der genießerischen Seite der Dynamik unterwegs als im Formel-Eins-Rennparcours. Wobei eines klarzustellen ist: Der Model 10 ist zwar kein Ferrari, aber auch kein schaukelnder Citroën DS, das Zusammenspiel von Fahrwerk und Motor erinnert mich eher an eine Mercedes-S-Klasse zu besten Zeiten (W222) …
Zauberkünstler
Blicken wir mal auf die Raumdarstellung. Hier gilt im Grunde Ähnliches wie bei der Tonalität: Mir erscheint die Art und Weise, wie der Marantz Model 10 den Raum aufzieht, außerordentlich unverstellt – und somit höchst wandelbar: Klaustrophobische Aufnahmen wie das Frühwerk der Wipers werden über den Marantz Model 10 nicht künstlich aufgebläht (man höre mal in das Album „Over The Edge“ rein, manche Tracks sind schon „kurz vor Mono“), während reichhaltig und breit wie tief orchestrierte Stücke à la Dire Straits‘ „You and Your Friend“ in all ihrer räumlichen Vielschichtigkeit präsentiert werden. Was übrigens auch dazu führt, dass effektvolle Aufnahmen über den japanischen Verstärker nichts von ihrer Wirkmächtigkeit verlieren. Wenn zum Beispiel in Peter Gabriels Liveaufnahme von „Humdrum“ (Album: Plays Live) später im Stück die E-Drums wie Peitschenschläge links und rechts außerhalb des Aufstellungsdreiecks ertönen, dann ist das schon ziemlich spektakulär. Ebenso spektakulär ist aber auch, wie glaubhaft und realistisch der Model 10 Stimmen in der virtuellen Mitte materialisiert: So zu hören beispielsweise bei Suzanne Vegas neuem Album „Flying with Angels“. Im Titeltrack „Speaker’s Corner“ meint man wirklich, die Dame sitze im Hörraum und gebe soeben ein privates Livekonzert. Ja, solche Illusionen sind genau das, was ausgewiesenes High-End ausmacht – und an erstklassigen „Zauberkünstlern“ wie dem Marantz Model 10 fasziniert.
Heiße Hits von kalten Platten

Der „nackte“ Phonoverstärker des Marantz Model 10, der normalerweise in einem schirmenden Metallgehäuse untergebracht ist
Ausdrückliches Lob möchte ich der Phonosektion und dem Kopfhörerverstärker zollen. Gut, das sollte in der Preisklasse auch zu erwarten sein. Der Phonovorverstärker spielt wirklich in einer beachtlichen Qualitätsstufe, die den Erwerb eines dezidierten Preamps unnötig macht, falls man nicht gerade kompletter Vinyl-Aficionado ist und Tonabnehmersysteme im Gegenwert eines Kleinwagens sein Eigen nennt. Mir gefällt vor allem der breitbandige Auftritt mit angenehm luftig-freien Höhen, die schnelle Transientenwiedergabe auch bei leisen Passagen, vor allem aber die vollständige Absenz von Störgeräuschen, die den (so langsam zu Tode zitierten, I know) „rabenschwarzen“ Hintergrund schaffen, vor dem die Musik sich kontrastreich abzeichnet. Selbiges gilt vollumfänglich für den Kopfhörerverstärker, der meinen Sennheiser HD 800 S Euro mit transparentem und knackigem Klangbild beschickte.
Test: Marantz Model 10 | Vollverstärker