Dass sich das Smartphone oder Tablet zu HiRes-Playern aufschwingen, hätte man noch vor einiger Zeit kaum für möglich gehalten. Dank entsprechender Musiksoftware-Apps und mobiler externer Kopfhörerverstärker- beziehungsweise D/A-Wandler-Lösungen ist sogar die DSD-Wiedergabe via iPhone heutzutage ohne große Umstände machbar. Ein vielversprechender Kandidat in diesem Metier ist der Lotoo PAW S1 (199 Euro | www.audiodomain.de), eine DAC/Amp-Kombi im Dongle-Style, der sich nicht nur für die DSD-, sondern auch MQA-Wiedergabe einspannen lässt.
Der hierzulande eher unbekannte Hersteller Lotoo ist in China eine etablierte Größe und eine Tochter der Infomedia Digital Technology Co. Ltd. Kennen Sie auch nicht? Macht nichts, der Mutterkonzern baut Technik für den dortigen Rundfunk sowie das Fernsehen und das schon seit über einer Dekade. Bereits vor über vier Jahren hatten wir den DAP Lotoo PAW 5000 im Test, ausstattungsseitig und in Sachen Usabilty mit Potenzial nach oben, ging das kleine Kistchen klanglich hingegen als Überflieger durch.
Dongle oder DAP?
Richten wir unseren Blick auf den aktuellen Probanden: Die Vorteile von sogenannten Dongles, die momentan förmlich wie Spargel im Frühjahr aus dem Boden schießen, sind schnell aufgezählt. Obwohl – wie beim PAW S1 der Fall – häufig DAC und Kopfhörerverstärker in Personalunion, sind sie kompakt, leicht, transportabel und taugen sowohl für eine Verwendung am Laptop als auch Smartphone. Mithin geeignet für zuhause, Geschäftsreisen oder im Urlaub. Und wer gerne auf HiRes-Inhalte zurückgreift, der will meist keinen huschigen Bluetooth-Kopfhörer – drahtgebundener Anschluss ist also ein Muss. Einen zusätzlichen Digital Audio Player (DAP) kann man sich dann womöglich sparen oder das Luxus-Teil schlicht schonen. Die Ausrichtung der Entwicklungen im DAP-Bereich tendiert aktuell dann auch eher in die kompromisslos-audiophile, hochpreisigere Richtung.
Entsprechend finden sich DAPs im Bereich zwischen 200 bis 300 Euro derzeit eher spärlich am Markt. Knapper und teurer werdende Bauteile befördern dies sicherlich zusätzlich. Mit der Folge, dass bei vielen namhaften Herstellern kaum ein günstiger DAP im Sortiment zu finden ist, und wenn dann vermutlich quersubventioniert. Sind Dongles also eine Art Nische in der Nische? Kostengünstiger in der Herstellung allemal. Sie sind reduziert auf das Wesentlichste: hochwertigen Sound zu generieren. Für den Speicherplatz, Schnittstellen zu weiteren Diensten und Quellen sowie das gesamte Bedienungsdrumherum hat man ja schließlich sein(en) Smartphone, Tablet & Rechner – den sogenannten Host.
Aluminium, aber kein Speicher
Der gerade mal 27 Gramm leichte und 6,6 x 2,2 x 1,3 Zentimeter messende Lotoo PAW S1 in Form eines Spargelstumpfes kommt mit einem aus einem massiven Aluminiumblock gefertigten Gehäuse. Materialanmutung und Verarbeitung gehen preisklassenbezogen als überdurchschnittlich durch, hier gibt es nichts zu meckern.
Speicherkarten-Slots sucht man bei ihm wie gesagt vergebens, ebenso wie interne Speicherkapazitäten. Sein OLED-Display muss keine Cover anzeigen, das macht ja ebenfalls bereits das Host-Gerät, daher reicht ihm ein zweizeiliges Format, das lediglich die Lautstärke, wie auch erfreulicherweise die entsprechend anliegende Auflösung zum Besten gibt. So versteht sich der im Innern des Lotoo PAW S1 werkelnde AKM 4377 DAC auf PCM-Auflösungen bis hinauf zu einer Samplerate von 384 kHz und macht zudem um DSD-Inhalte (64/128) sowie neuerdings nach einem Firmware-Update auch um MQA-Aufnahmen keinen Bogen. Von Lotoos kostspieligeren DAPs übernahm man sowohl die Schaltungsarchitektur als auch die Implementierung der PLL Clock, für die ein AKM AK8142 Clock Generator parat steht.
Auf der Oberseite des Lotoo PAW S1 finden sich lediglich drei sauber eingelassene Tasten. Die vordere aktiviert die Menüführung, entsprechend regelnde Aktionen vollziehen die zwei anderen, die ansonsten für die Lautstärkeeinstellung zuständig sind. Simpel, aber gleichzeitig effizient. Der dem DAC vorgeschaltete Digital-Signal-Prozessor (DSP) bietet allerhand vorprogrammierte EQ-Einstellungen für entsprechende Musikgenres. Auf spezifische Szenarien optimierte ATE-Klangfelder – wie etwa „Game“ beim Spieleinsatz via Smartphone oder „Movie“ für den Filmgenuss am Laptop – sind darüber hinaus im Angebot. Jederzeit abschaltbar, ein Nice-to-have-feature.
Alles hat ein Ende, der Lotoo PAW S1 hat zwei …
An einem der beiden Enden des Lotoo PAW S1 befindet sich eine USB-C Buchse. Kabel für USB-A (Laptop & Co) und USB-C zählen zum Lieferumfang, der Lightning-Binder für iOS-Devices ist für 39 Euro optional erhältlich. Am anderen Ende sucht neben einer klassischen, unsymmetrischen 3,5-Millimeter-Klinkenbuchse ein vollsymmetrischer und aktuell schwer angesagter 4,4-Millimeter-Pentaconn-Ausgang nach Anschluss.
Eine Lösung aus DAC und Verstärker in nur einem Chip erschien den Lotoo-Ingenieuren zu profan und der Pentaconn-Zweig verlangt logischerweise nach symmetrischen Verstärkerzügen, die Lotoo mit einem Texas Instruments OPA1622 Tandem bedient. Mit 120 mW Ausgangsleistung pro Kanal ist die symmetrische Verstärkung beinahe doppelt so stark wie der unsymmetrische (3,5-Millimeter-Klinke, 2 x 70 mW). Eine High/Low-Gain-Umschaltung erlaubt die Feinjustage an den Betrieb von Over-Ears oder sehr empfindlicher In-Ears. Wohlgemerkt gelten die Leistungsangaben bei 32 Ohm Lastimpedanz, wer also größere Pegelreserven für, sagen wir mal: 600-Ohm-Kopfhörer benötigt, sollte sich lieber nach leistungsstärkeren Spielpartnern umschauen. Aber von Nerd zu Nerd und so oder so für Kopfhörerbesitzer mit breiter Auswahl ist’s durchaus bemerkenswert, dass der 250-Ohm-Beyerdynamic DT 1770 PRO, vermutlich dank Tesla-Tech, genauso ausreichend laut an die Ohren kommt, wie der 35-Ohm-Magnetostat HIFIMAN 400i 2020. Es kommt eben nicht nur auf die Impedanz, sondern auch die Effizienz beziehungsweise Empfindlichkeit eines Kopfhörers an, häufig wird das ja vergessen.
Wenige offene Wünsche
Wie dem auch sei: Pegelseitig lässt der Lotoo PAW S1 für mich persönlich wenig Wünsche offen, wenngleich er nicht die Reserven kraftstrotzender DAPs aufweist. Was sich mit effizienten Kopfhörern, wie beispielsweise dem Meze 99 Neo, dem Sony MDR-1A oder im Grunde den meisten IEMs wiederum komplett egalisiert. In diesem Zusammenhang kurz zur Belastung des energiespendenden Smartphone-Akkus: Mein iPhone 11 schien seine Leistung gefühlt 1/3 schneller abzugeben, wohlgemerkt auch abhängig davon, in welcher Auflösung und ob gestreamt oder aus dem Speicher gehört wurde. Als weiterer Vorteil zählt für mich, dass der PAW S1 stets einsatzbereit ist, wenn ein (weiteres) Quellgerät dies auch ist. iPhone leer? Weiter geht’s mit dem iPad …
Grundsätzliche Nachteile gegenüber einem DAP? Nun, nicht jeder kommt unterwegs mit dem umherwedelnden Dongle klar. Am iPhone hilft man sich einfach mit einem Haargummi der besseren Hälfte aus, aber am iPad? Dass das mitgelieferte Kabel sich als Achillesferse in Richtung eines Wackelkontaktes erweisen könnte, ist zudem nicht von der Hand zu weisen. Die Beipack-Strippe ist zwar wertig ausgeführt, aber wie verhält es sich in ein oder zwei Jahren im Dauereinsatz/Langzeitgebrauch? An ihr löst sich aufgrund des rauen Testalltags bereits die Geflechtummantelung des Kabels von einem Ende ab. Das schränkt die Funktion nicht ein, ist aber auch nicht optimal und schreit bei Ästheten förmlich nach sofortigem Ersatz. Aber gravierende Probleme sind das freilich nicht, stimmt schon.
Lotoo PAW S1 – Hörtest mit Vergleichen
Um mal gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Einen DAP vom Schlage eines HiBy R3 kann der Lotoo klanglich auf Abstand halten, nicht aber den HiBy R3 Pro, hier herrscht meines Erachtens nach eher ein Patt. Der Lotoo PAW S1 wirkt unterm Strich sanfter und wärmer als der stärker auf akkuraten Detailreichtum trainierte HiBy R3 Pro. Erstaunlich wie souverän der Lotoo PAW S1 – und wir reden hier über einen 200-Euro-Dongle – die charakterliche Tonalität unterschiedlicher Kopfhörer wie dem Sennheiser HD 660S (farbintensiv, räumlich und enorm natürlich), Philips Fidelio X3 (kraftvoll, dunkler nuancierend), Sendy Audio Aiva (heller, anspringend und anmachend) und des Hifiman HE400i 2020 (ausgewogen, unaufgeregt) deutlich nachvollziehbar und differenziert zu Gehör bringt. Allesamt profitieren sie, wie ich finde, vom symmetrischen Anschluss, welcher der Musik mehr Raum zur Entfaltung und auch mehr Intensität verleiht.
Aber wir wollen ja nicht wissen, wie die einzelnen Kopfhörer klingen, sondern wie sich der Lotoo PAW S1 am iPhone oder MacBook Air im Vergleich zum wenig teureren HiBy R3 Pro (249 Euro), dem kostspieligeren HiBy R6 Pro (699 Euro) oder einem noch deutlich teureren Astell & Kern KANN Cube (1.699 Euro) so schlägt. Dafür steuert Tidal für alle das stets in der gleichen Fassung vorliegende Stück „Sunson“ von Nils Frahm (Album: Tripping with Nils Frahm; auf Amazon anhören) bei, beim dem das gesamte tonale Spektrum geradezu verschwenderisch in Anspruch genommen wird.
Nun, der Lotoo PAW S1 kontert dem in den oberen Registern erstaunlich transparent aufspielenden HiBy R3 Pro mit tendenziell AKM-DAC-typischer, eher sanfterer Hochtontextur. Da glitzert und funkelt es dann zwar nicht mit der gleichen Intensität, dennoch entgeht dem Lotoo kein Detail, verschwimmt keine Nuance. Den Schuh eines Weichzeichners will er sich keineswegs anziehen.
Im darunterliegenden Mittenband bietet der PAW S1 eine merkliche, aber immer noch wohldosierte Wärme und Fülle, welche die Synthesizer-Töne griffiger und substanzieller wirken lassen. Hier mutet der R3 Pro auf den ersten Blick zwar nüchterner an, weniger farbkräftig und gleichzeitig klarer/durchhörbarer, aber letztlich kommt es in dieser Sache aufs eigene Gusto sowie den eingesetzten Kopfhörer an. Im Tiefton geben sich beide ohne Dopingeinfluss recht neutral, unaufgeregt, mit einem Hang eher zur akkuraten Durchzeichnung als zum druckvoll-wuchtigen Wumms. Wummsen können Kandidaten wie der HiBy R6 Pro und der Astell & Kern KANN Cube jedenfalls deutlich eindrucksvoller: Bei aller gebotener Neutralität kraftvoller, energetischer und straffer eingefasst. Dass die großen DAPs in den höheren Lagen darüber hinaus mehr luzide Finesse und ätherische Luftigkeit an den Tag legen, naja, mit Blick auf den Preis ist das nicht weiter verwunderlich. Wäre ja noch schöner.
Fein- und grobdynamisch flott zeigt sich der Lotoo PAW S1 bei Stücken der progressiven Rockertruppe The Mars Volta dennoch. Diese neigten ja gerne dazu, den nichts Böses ahnenden Zuhörer mit eruptiven Lastwechseln von einem Ende der Skala zum gegenüberliegenden oder fiebrigen Saxophoneinlagen zu überraschen. Der PAW S1 bleibt feingliedrig und akkurat durchzeichnend, auch wenn es in Variationen unterschiedlich lauter Schallereignisse übergeht. Feindynamisch präsentieren sich diese Facetten über In-Ears einen Tick deutlicher als beispielsweise über den schwerer anzutreibenden DT 880 PRO. Eine sorgfältige Auswahl der Kopfhörer-Spielpartner nach eigenen Vorlieben belohnt der Lotoo PAW S1 unmittelbar.
Interessant ist nicht zuletzt das Kapitel „Bühnendarstellung“, hier bringt der Lotoo PAW S1 das Geschehen einen Schritt nach vorne, wirkt involvierend, und lässt tonale Ereignisse „atmend“ und dreidimensional, statt eingeengt und flach wirken. Anders agiert hier der HiBy R3 Pro, dem offenbar mehr an Distanz als an Involvierungsvermögen gelegen ist. Dass die beiden highendigeren DAPs KANN Cube und R6 Pro die Instrumentierung trennschärfer zu präsentieren verstehen – geschenkt. Aber mit Blick auf die ausgeprägtere Tiefenstaffelung sowie die vermehrte Gesamtausdehnung der Bühne wird der jeweils aufgerufene Mehrpreis hörbar.
Kleiner Nerd-Tipp zum Abschluss, der Lotoo PAW S1 ergänzt sich perfekt mit dem leicht anzutreibenden, detailverliebten Over-Ear Sony MDR-1A oder auch symmetrisch angesteuert mit dem Sendy Audio Aiva.
Test-Fazit: Lotoo PAW S1
Wer ohne einen ausgewiesenen DAP zu nutzen, sein(en) Rechner, Tablet oder Phone zwischendurch spontan oder auch etatmäßig zum Musikhören verwenden möchte, findet hierzu mit dem Lotoo PAW S1 ein erstaunlich klangstarkes und unkompliziertes – auch ein Display ist in dieser Klasse alles andere als selbstverständlich – Allroundtool. Nicht zuletzt die Kompatibilität mit PC, Mac, Android und iOS zahlt auf die Vielseitigkeit des PAW S1 ein.
Der symmetrische 4,4-Millimeter-Ausgang macht mit seinem für so einen Amp-Winzling kraftvollen und souveränen Auftritt besonders viel Spaß, selbst mit anspruchsvolleren Over-Ears. Andere Player bieten mitunter mehr Auflösung oder mehr Wumms im Bass, dafür punktet der PAW S1 mit langzeittauglichen und dennoch detailgetreuen Höhen, farbintensiven Mitten sowie involvierender, plastischer Bühne. Für solche audiophile Qualitäten war in der Vergangenheit deutlich mehr Geld über den Händlertresen zu schieben.
Fakten:
- Produkt: Lotoo PAW S1
- Konzept: mobiler DAC und Kopfhörerverstärker
- Preis: 199 Euro
- Maße & Gewicht: 6,6 x 2,2 x 1,3 Zentimeter; 27 Gramm
- Eingänge: USB-C
- Kopfhörerausgänge: 3,5-mm-Stereoklinke, 4,4-mm-Pentaconn
- Unterstützte Formate: PCM bis 32 Bit/384 kHz, DSD (64/128)
- Sonstiges: Kabel für USB-A (Laptop & Co), USB-C im Lieferumfang, Lightning-Kabel für iOS-Devices optional für 39 Euro
- Garantie: 24 Monate
- weitere technische Informationen beim Hersteller
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Test: Lotoo PAW S1 | Mobiler DAC & Kopfhörerverstärker