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Leihen wir unserem schnellen Chinesen endlich unser Ohr. Und fangen zunächst mit dem Grobstofflichen an. Denn das erste, was einem in den Sinn kommen kann, wenn man den Lotoo PAW 5000 so in der Hand hält, sind Zweifel: Hat so ein kleines Fliegengewicht überhaupt genügend Kraft? Oder hat er ausgangseitig ausschließlich niederohmige Hochwirkungsgradler im Griff? Nun, der Lotoo PAW 5000 ist nicht ganz so ein Kraftpaket wie etwa der iBasso DX80 – den ich mit seiner unaufdringlichen Tonalität fast umso mehr schätze, je länger ich ihn habe. Er liefert aber genügend Energie, um mittels In-Ears wie dem sonor-langzeittauglichen RHA T20 (16 Ohm) oder dem straighten, preisgünstigen Soundmagic E80 (64 Ohm), aber auch mittels Over-Ears wie dem amtlichen, vergleichsweise leicht anzutreibenden AKG K812 das Trommelfell wild flattern zu lassen. Und auch für meinen nicht ganz so wirkungsradstarken Shure SRH 1840 (65 Ohm) reichen die Pegelreserven (Gain-Setting: High) voll aus, ist man nicht auf gehörschädigende Dauerlautstärken abonniert.
Der Lotoo PAW 5000 mit Soundmagic-E80-In-Ears
Wobei der schiere Pegel beim Lotoo PAW 5000 im Grunde eh nicht das entscheidende Thema ist – denn schon bevor es an den durchaus respektablen Maximalpegel geht, beginnt der interne Verstärker, leichte Unsauberkeiten aufzuzeigen, das Klangbild „rastet“ dann zunehmend weniger ein. Dennoch gibt sich der kleine Lotoo beim Thema Pegelfestigkeit, wir haben es schließlich mit einem mobilen und nicht stationären Gerät zu tun, bar jeder Kritik – ein Onkyo DP-X1 etwa streicht die Segel deutlich früher.
Weg von quantitativen und hin zu qualitativen Aspekten der Musikperformance. Und hier vermag unser Proband durchaus zu überraschen. So erging es jedenfalls einem Lautsprecherentwickler, der zufällig gerade anwesend war, als der Lotoo PAW 5000 mit dem AKG K812 an der Leine auf meinem Schreibtisch herumlag. „Kopfhörer mag ich nicht, allein schon mit der Räumlichkeit komme ich nie klar“, war zu vernehmen, worauf ich ihn motivierte, das mobile Gespann doch einfach mal auszuprobieren. Einer Minute später war durchaus eine gewisse Verblüffung im Gesicht abzulesen: „Das klingt ja richtig reif, alles da, dynamisch und neutral, angenehm.“ Klar, hieran wird insbesondere auch der highendige AKG K812 seinen Anteil haben, der – zumal als offenes System – nicht gerade als typischer Spielpartner für einen DAP durchgeht. Aber eine Kette ist nun mal so stark wie sein schwächstes Glied …
Bei Donwloads „Outafter“ (Album: The Eyes of Stanley Pain, auf Amazon anhören) – einem rhythmisch treibenden, dicht arrangierten, mit vielen kurzlebigen Schallereignissen, sprich Transienten gespickten elektronischen Song – gefällt mir beispielsweise das räumliche Differenzierungsvermögen, mit dem der Lotoo PAW 5000 agiert: Keine Spur von Diffusität, die mannigfaltigen Effekte, Rhythmus- und kurzen Melodielinien werden gebührend auf Abstand gehalten, gänzlich unzerfasert umrissen und akkurat verortet, wie sich‘s gehört. Für einen DAP in der Preisklasse des Lotoo empfinde ich das schon als erstaunlich gut, mein iBasso DX 80 etwa verfrachtet das Geschehen etwas dichter ans Ohr und zeichnet eine etwas kompaktere, engere Räumlichkeit.
Der Hochton gerät weniger aufgelöst und luftig als zum Beispiel bei einem Onkyo DP-X1 (diesbezüglich allerdings auch mit besonderem Talent gesegnet) oder auch bei meinem stationären NuPrime DAC 10H, der – logisch, da nicht zuletzt immer eine Frage der Leistungsreserven – auch räumlich noch etwas weitläufiger und präziser abbildet. Ja, der Lotoo PAW 5000 setzt statt bis zum Anschlag ausgefeilter Hochtonpräzision eher darauf, die oberen Lagen möglichst langzeittauglich, homogen und organisch wirken zu lassen, ohne dass es dabei zu einer dumpfen oder matten Performance degeneriert.
Der Lotoo mit RHA-T20-In-Ears
Persönlich empfinde ich diese Abstimmung als gelungen: Ein hochpräziser und zugleich stressfreier Hochton steht in dieser Preisklasse eh nicht zu erwarten. Und wenn ich höre, wie feindynamisch locker und klangfarbecht der Lotoo PAW 5000 die zackigen Xylophonanschläge und luftig-feinzerstäubten Becken in „Seneca’s Silence“ von Get Well Soon (Album: Vexations, auf Amazon anhören) über meinen AKG K812 wiedergibt, frage ich mich, ob ein Bekritteln der Auflösungskünste des Lotoo PAW 5000 nicht sowieso zu kopfig ist. Was will man mehr, wo es doch letztlich „nur“ ums Musikgenießen und nicht -analysieren geht?
Im direkten A/B-Vergleich höre ich schließlich, dass mein geschätzter iBasso DX 80 die anfänglichen leisen Snaretöne sowie im Grunde die gesamte Perkussion tatsächlich weniger ausgearbeitet, weniger definiert abbildet sowie sich in Sachen Obertonreichtum knauseriger zeigt. Dennoch höre ich auch mit dem DX 80 regelmäßig sehr gerne, wenngleich vorzugswiese mit neutral bis etwas heller-luftig abgestimmten Hörern.
Beim Song „Micah“ der rein instrumentalen, aus Chicago stammenden Postrock-Combo Russian Circles (Album: Enter, auf Amazon anhören) gefällt zunächst, wie schön luftig, feintexturiert und gleichzeitig härte- und grisselfrei die auf die Schläge drei und vier des Viervierteltakts gesetzten und mit einem sehr angenehmen Sustain aufwartenden Becken klingen. Wie Goldstaub legen sie sich über die Mitten beziehungsweise die gezupfte, glockenklare E-Gitarre. Der Gitarrensound mutet außerordentlich sauber und artefaktefrei an, gerät zudem – passend zum oben Gesagten – räumlich tadellos weitläufig und gleichzeitig ortungsscharf. Bei alledem weist die Gitarre tonal genügend Körper auf: Es tönt glasklar, aber eben nicht gläsern.
Ja, die Mitten geben sich perfekt ausbalanciert, und sind quasi das Sahnestückchen im vom Lotoo PAW 5000 servierten Klangmenü. Was sich freilich auch bei der Stimmwiedergabe offenbart: Beispielsweise im Song „Vocopolis“ der englischen Neoklassiker In The Nursery (Album: Praxis, auf Amazon anhören), sprich beim von sphärischen Synthesizer-Klängen und abgrundtiefen Bassflächen begleiteten, gleichermaßen zarten wie beschwörerischen Sprechgesang von Sängerin Dolores Marguerite C. Aufnahmetechnisch übrigens sehr wertig eingefangen. Direkt und unmittelbar, aber nicht zu frontal-effektheischerisch, offen-transparent, aber dennoch ohne überbetontes Sibilantengezischel, tonal durchaus ätherisch-leicht, aber keinesfalls dünn oder kalt. Der Lotoo PAW 5000 transportiert den für Audiogeräte nicht leicht zu bewerkstelligen Gesang so perfekt austariert, dass ich im Grunde nur wunschlos zuhören kann. Stark …
Der AKG K812 macht sich auch an DAPs erstaunlich gut
Apropos abgrundtiefe Bassflächen: Mich überrascht, wie tief der Lotoo PAW 5000 zu graben vermag und in „Vocolopis“ mitgehen kann, da würde ich im Grunde schon von echtem Tiefbass sprechen, mithin einem Frequenzbereich, den die meisten In-Ears gar nicht mehr auf dem Zettel haben. Die treppenartigen Abstufungen des Basslaufs reproduziert der Lotoo über meinen AKG K812 dabei absolut sauber und konturiert. Und tonal anstandslos neutral. Wer es untenherum fetter mag als Normalnull – im mobilen Bereich kommt das nach meinem Empfinden häufiger vor als bei stationärem Audio -, wird sich da womöglich mehr Saft und Volumen wünschen oder sich mit einem der zahllosen bassbetonten Kopfhörermodelle behelfen.
Ich selbst würde an der Bassabstimmung des Lotoo kein Deut ändern: So viel Druck, Tiefgang und Kontur wie bei einem guten stationären Kopfhöreramp kann man eh nicht erwarten – gleichwohl klingt der PAW 5000 für sich genommen angenehm balanciert und, ja, schlichtweg „richtig“. Ein Onkyo DP-X1 gibt sich untenherum schlanker, ein iBasso DX80 etwas satter und kräftiger, was das ganze Klangbild nun nicht gleich aus dem Neutralbereich schiebt, aber es erdiger, sonorer, gehaltvoller wirken lässt. Der Lotoo lässt E-Bässe und Synthiebassläufe mithin eine Spur weniger sattschwarz erscheinen, differenziert diese aber präziser und knorriger als der iBasso; passend dazu bringt der PAW 5000 die elektronischen Tiefbassschläge in Downloads „Outafter“ noch einen Tick trockener und definierter zu Gehör – ja, auch grobdynamisch lässt sich unser Proband nicht am Zeug flicken.
Der Lotoo PAW 5000 samt Zubehör und Box
Test: Lotoo PAW 5000 |