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September 2016 / Jörg Dames
Was ist denn das? Ein Promilletester? Ein Blutdruckmessgerät? Eine Fernbedienung für die Klimaanlage? Ja, es gibt sicher stylischer designte Digital Audio Player (DAP) als den Lotoo PAW 5000. Aber, wenn man von einfachen MP3-Playern mal absieht, kaum leichtere: Gerade mal 110 Gramm wiegt der PAW 5000 und liegt auch aufgrund seiner gerade mal 98 x 55 x 18 mm messenden, mit abgerundeten Ecken versehenen, knarzfreien und anstandsfrei robust wirkenden Aluminiumbehausung (lediglich der umlaufende Rahmen besteht aus Kunststoff) nicht nur angenehm in der Hand, sondern ist etwa auch in der Jackentasche kommod portabel. Sportler kommen ebenfalls nicht zu kurz: Zum Lieferumfang gehört unter anderem ein spezielles Armband samt Halterung, sodass etwa auch beim Joggen zuverlässiger Halt geboten wird.
Aber halt noch einmal. Lotoo? Den Namen hatte ich zuvor noch nie gehört. Der deutsche, in Berlin beheimatete Vertrieb KS Distribution (www.ksdistribution.de beziehungsweise http://paw5000.lotooaudio.de) klärt mich auf: „Lotoo ist eine Marke von Beijing Infomedia Digital Technology Co., Ltd. – das Unternehmen entwickelt, produziert und vermarktet seit über zehn Jahren Automationssysteme und Produktionsmittel für Rundfunk und Fernsehen. Zudem ist es der größte Zulieferer für Audio-Workstations und Sendeautomationssysteme in Asien und entwickelte den weltweit ersten Solid-State-Digitalrekorder im Handflächenformat.“
Ein weiterer Anbieter aus Fernost also – China (Fiio, iBasso, Questyle, …), Südkorea (u. a. iRiver bzw. Astell&Kern, Calyx), Japan (Sony, Pioneer/Onkyo etc.) sind ja typische „Stammländer“ für die audiophilen Taschenspieler –, der sein Scherflein zum nicht gerade an Mangelerscheinungen leidenden Angebot an DAPs beitragen möchte.
Der microSD-Steckplatz des Lotoo PAW 5000: theoretisch könnten bis zu 2 TB ausgelesen werden
Schauen wir uns die Specs des Kleinen genauer an: Neben DSD (2,8 MHz) versteht sich der Lotoo PAW 5000 auf alle wichtigen PCM-Formate (FLAC, WAV, AAC, ALAC, MP3, WMA, M4A, CUE, APE) und das bis zu einer Auflösung von 96 kHz. Gehört habe ich vornehmlich mit FLAC und WAV, entsprechend mit bis zu 96 kHz/24 Bit – zur ausführlichen Klangbeschreibung komme ich weiter unten. Der PAW 5000 verfügt über keinen festverbauten Speicher, ausgelesen wird von einer microSD (SDHC oder SDXC), die theoretisch bis zu zwei Terabyte umfassen dürfte, realiter aber nur bis 256 GB erhältlich ist, zumindest zurzeit und von seriösen Anbietern. Besitzer größerer Musiksammlungen hätten sich daher bestimmt über einen zweiten, das potenzielle Speichervolumen verdoppelnden Steckplatz gefreut. Dass beim PAW 5000 auf einen Staubschutz beziehungsweise ein kleines Deckelchen über dem Kartenschlitz verzichtet wurde, ist ja leider auch häufig bei teureren DAPs vorzufinden.
Übrigens: Der Lotoo ist weder internet- noch irgendwie netzwerkfähig. Das Betriebssystem (bei meinem Testmodell: Softwareversion 6.1.0.4 bei Hardwareversion 6.0) ist ganz und gar auf die Kernkompetenz des Players – die Audiowiedergabe vom lokalen Speicher – zugeschnitten. Wer unbedingt mit seinem DAP im Web surfen, mit Apps herumspielen, Musik von einer NAS streamen etc. möchte, sollte sich bei den Android-basierten DAPs wie etwa einem Pioneer XDP-100R umsehen. Als drahtlose Verbindungsmöglichkeit stellt der PAW 5000 immerhin Bluetooth zur Verfügung, das Pairing mit meinem Sony MDR 100x gelang problemlos, klanglich gab‘s zumindest aufs „schnelle Ohr“ ebenfalls nichts auszusetzen, wenngleich ich die intensiven Hörrunden ausschließlich kabelgebunden durchgeführt habe.
Auf der linken Seite des Lotoo PAW 5000 befinden sich neben den Lautstärketasten auch Schiebeschalter, mit denen sich die Dämpfung und das Gain in jeweils zwei Stufen wählen lassen
Als weitere Schnittstellen stehen ein Kombiausgang aus Mini-Toslink/3,5-mm-Klinke (der also je nach angeschlossenem Gerät ein fixes digitales oder analoges Signal ausgibt), zwei regelbare Kopfhörerausgänge (2,5 mm symmetrisch und die obligatorische 3,5-mm-Klinke) sowie – löblich – ein schneller USB-3.0-Microanschluss zur Verfügung, was ein zeitsparendes Befüllen der SD-Karten ermöglicht. Der Lotoo PAW 5000 verhält sich via zum Lieferumfang gehörendem USB-Kabel am Rechner angeschlossen wie eine „normale“ externe Festplatte, wobei zu USB-2.0-Schnittstellen natürlich ebenfalls Kompatibilität herrscht.
Schlichter Pragmatismus statt augenschmeichelnde Ästhetik ist in Sachen Display angesagt: Auf einen Touchscreen hat man beim kleinen Lotoo verzichtet, sämtliche Befehlseingaben erfolgen über die mit präzisen Druckpunkten versehenen sechs Taster auf der Front beziehungsweise – für die Lautstärke – der linken Seite des PAW 5000. Fünf Zentimeter Bildschirmdiagonale – ja, ein berührungsempfindlicher Bildschirm macht allein schon von daher wenig Sinn – und eine Auflösung von 160 x 128 Pixel lassen die Album-Cover nicht unbedingt in voller Blüte erstrahlen, zum, sagen wir mal, zweifelsfreien Erkennen reicht’s aber vollkommen. Und für die sichere Navigation durch die einzelnen Menüs des Lotoo PAW 5000 erst recht.
Die Coveranzeige des Lotoo PAW 5000 im Musikbetrieb
So oder so wird sich eine solch asketische Displaylösung positiv aufs Thema Energieeffizienz niederschlagen, wenngleich ich eine genaue Messung nur für den reinen Musikbetrieb, sprich bei sehr geringer Displayaktivität vorgenommen habe: Fast 13 Stunden hielt der Akku durch, als der Lotoo einen Soundmagic E80 (64 Ohm) dauerbefeuerte. Dies bei einem Pegel (Level 20, Gain: High), den ich als laut empfinden beziehungsweise keinesfalls zum Dauerhören ertragen könnte. Ein tadelloser Wert, wie ich finde. Ebenso wie die gerademal zwei Stunden, die es braucht, den vollständig entleerten 1700-mAh-Akku an einem 5-Volt/2,4-Ampere-Ladegerät wieder voll aufzupumpen.
Der Standardbildschirm bei der Musikwiedergabe
Kommen wir zur Handhabung und dem UI des Lotoo PAW 5000. Als Tipps vorab: Ich empfinde die im Betrieb „atmende“ Illuminierung des Einschaltknopfes als recht sinnfrei – schön, das sie sich in den System Settings deaktivieren lässt. Zudem wird dort unter Fn key definition die Funktion der Music/Fn-Taste definiert. Wählt man hierbei Screen information aus, lässt sich später während des Musikbetriebes das zugehörige Cover einblenden, wenn die Music/Fn-Taste zweimal lang gedrückt wird. Kurzes Drücken führt in die Orderstruktur der Musikbibliothek, gespeicherten Cover und Playlists.
Etwas unorthodox, aber wohl nicht zuletzt dem kleinen Bildschirm geschuldet ist, dass während der Coveranzeige sämtliche Track- oder Zeitinformationen ausgeblendet werden. Ich selbst habe mich an die kleine Music/Fn-Taste beziehungsweise ein fixes Hin- und Herschalten zwischen den einzelnen Ansichten aber recht schnell gewöhnt.
„Unorthodox“ und „fix“ sind übriges genau die passenden Adjektive, wenn es darum geht, die Bedienerführung und das Handling der Musikbibliothek zu beschreiben:
Voraussetzung für das Beherrschen größerer Musiksammlungen ist zunächst eine saubere Ordnerstruktur, die Bibliothek des PAW 5000 arbeitet ohne Tags. Als „folder.jpg“ in den einzelnen Albumordnern abgelegte Bilder ordnet der PAW bei der Coveranzeige dennoch korrekt zu. Das Auswählen von Album-Ordnern oder den drei möglichen Playlists, das Anwählen von einzelnen Musikdateien oder der Wechsel zwischen den Ordnerhierarchien funktioniert im Grunde nicht anders als bei anderen Playern, die eine Ordneransicht anbieten oder beim Windows-Explorer, nur dass zum Scrollen ein Jog Dial zur Verfügung steht. Fürs Anwählen/Markieren dient der silberne Taster in dessen Zentrum. Wer bildbasiert durch seine Musiksammlung pflügen will, kann das im Ordner „Cover“ tun, allerdings reagiert für ein schnelles Auffinden und Anwählen eines Albums die Coveranzeige zu langsam, zumindest bei größeren Bibliotheken.
Blick in die eher rustikal gehaltende Bibliothek des Lotoo PAW 5000. Ein iBasso DX 80 beispielsweise bietet hier auch bei WAV-Dateien eine Auflistung mit Coverdarstellung
Das UI ist ansonsten superschnell und im Grunde simpel: Druck auf Music/Fn. Auswählen der Bibliothek (folder), der Coversammlung oder einer Playlist mit dem Jog Dial beziehungsweise dessen Taster. Album/Titel anwählen. Beim Hören mittels kurzen oder langen Drückens zwischen Standardbildschirm (Zeit, Pegel, Batterie, …), Frequenzbandanalyse, Coveranzeige und dem Bibliotheksordner wechseln. Den Albumordner bei Bedarf wieder über ein kleines Ordnersymbol verlassen.
That’s it. Und doch werden viele das Ganze im ersten Moment als etwas gewöhnungsbedürftig empfinden – ja, die Ingenieure in Beijing hatten im Pflichtenheft die Effizienz der Bedienerführung offenbar stärker priorisiert als deren Eleganz.
Das Handling des Lotoo PAW 5000 – zumal ohne Tags & Touchscreen auskommend – mag rustikal anmuten, aber: In fünf Sekunden ist der Lotoo PAW 5000 hochgefahren (auch nach Wechsel meiner über 100 GB umfassenden microSD-Karte). Beim Musikhören gelingt das Springen zur Bibliothek inklusive des Anwählens anderer Alben/Titel ebenfalls in wenigen Sekunden. Und das präzise laufende Jog Dial macht sogar die Absenz eines Touchscreens leicht vergessen: Mit diesem durch eine 219 Alben/109 GB umfassende Sammlung von A nach Z zu hechten, gelingt locker in unter 10 Sekunden. Wenn der Scrollbalken am ersten oder letzen Album anschlägt und man dann kurz wartet, lässt sich zudem die Grenze zwischen erstem und letztem (oder umgekehrt) Album überwinden.
Unter ATE/PMEQ können verschiedene Soundeinstellungen, unter anderem mittels parametrischen Equalizers, vorgenommen werden, Settings lassen sich exportieren und importieren
Test: Lotoo PAW 5000 |