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Schwierig für den Rezensenten sind ja immer die Geräte, denen es an „herausragenden“ Eigenschaften fehlt und die sich im Grunde in allen Disziplinen mehrheitsfähig verhalten. Das ist ja alles sehr löblich, macht es dem Autoren aber schwer, ihnen ein gewisses charakterliches Profil zu geben. Da sind die Lindemänner anders, denn sie spielen quicklebendig.
Nehmen wir das Instrumentalstück „Polarity“ der Gruppe Kraan – einer meiner All-Time-Favourites zum Testen von Komponenten. Eine schon 25 Jahre alte Aufnahme, die aber auch aus heutiger Sicht noch richtig gut klingt. Eine melodische Leadgitarre und ein akzentuiertes, recht dominant in den Vordergrund gemischtes Schlagzeug treffen auf gut abgehangene DX-7-Flächensounds und einen vergleichsweise konzertant aufspielenden, knurrigen Bass, der auch mal 32 Takte Solo bekommt. Besonders ist, dass in diesem Stück einerseits die Leadgitarre tonal recht weit herunterkommt, während der Bass anderseits auch seine obersten Lagen ausspielen darf. Auf diese Weise lässt sich gut hören, ob eine Komponente innerhalb der jeweiligen Lagen sauber ausdifferenziert.
Will sagen: Der Bass soll auch in hohen Lagen noch nach Bass klingen – und die E-Gitarre auch in tiefen Lagen ihren Klangcharakter beibehalten. Bei den Lindemännern klappt dies hervorragend. Erster Klangeindruck: quirlig, lebendig, anmachend. Sie schieben im Bassbereich erstaunlich kräftig und zugleich präzise. Im Hochtonbereich sehr frei, klar und direkt – die Crashbecken fliegen mit ordentlich „zisch“ in den Hörraum, die Ridebecken frisch herausgeputzt, die Hi-Hat ebenfalls. Und was die Mitten angeht: Gut ausgeleuchtet und ausdifferenziert. Bass bleibt Bass und Gitarre bleibt Gitarre – unabhängig von der gerade gespielten Lage. Gefällt mir.
Der frische und involvierende Antritt der Lindemann-Kombi zeigt sich auch beim neuen Eels-Album The Cautionary Tales of Mark Oliver Everett. Der Song „Lockdown Hurricane“ beginnt mit einem einfachen Wurlitzer-E-Piano und Everetts kratziger Stimme, die ein recht kräftiges Delay aufgebrummt bekommen hat. Nach der ersten Strophe gesellen sich andere Instrumente dazu – Orgel, Gitarre, Bass, später ein sehr wuchtiges, verhalltes Schlagzeug. Die Lindemänner zeigen eine sehr gute Dynamik und Geschwindigkeit, die sich in einer starken „Unmittelbarkeit“ des Klangerlebens manifestiert.
Man hat das Gefühl, in der allerersten Reihe zu sitzen: Stimmen, Instrumente, Klangquellen aller Art wirken sehr nah und präsent – ein Effekt, der durch die recht großzügig aufgezogene Bühne noch verstärkt wird. Ist sie breit? Ist sie tief? Kommt drauf an! Bei Eels, aber auch bei den später gehörten Modern English (Song „Heart“) habe ich exemplarisch einen ganz interessanten Effekt festgestellt. Je weniger Klangquellen vorhanden sind, desto mehr Raum haben sie – insbesondere in der Tiefe. Der Song „Heart“ beginnt kammermusikalisch: Mit Cello und Oboe, die einander Motive zuwerfen, um dann nach 16 Takten durch ein Streichquartett ergänzt zu werden. Erst später wird das normale Band-Instrumentarium (Schlagzeug, Gitarren, Gesang) dazugefadet. Am Anfang scheinen Cello und Oboe sich sehr realistisch und auch tief im Raum zu manifestieren. Als die Streicher hinzukommen, wird auf der Bühne ein wenig „umgebaut“, die Klangquellen agieren dann eher in einem harmonischen Nebeneinander als in der Tiefe gestaffelt.
Beim Song „Black Houses“ von abermals Modern English war ich erneut begeistert von der unglaublich flinken und hochdynamischen Gangart der Lindemann-Kombi. Zum einen geht die ungewöhnlich tief gestimmte Snaredrum richtig bös in die Magengrube, zum anderen transportiert die Kombi den ganzen aufgestauten Zorn der Musiker mit heftiger Wucht in den Hörraum, ohne dabei auch nur ein Jota zu beschönigen. „Unmittelbarkeit“ ist für mich eines der Stichworte, wenn es darum geht, die Lindemänner zu beschreiben. Ja, vielleicht sogar Schonungslosigkeit.
Eines will ich in diesem Zusammenhang nicht verschweigen: Ich habe mit meinen Neat Acoustics momentum 4i Referenzlautsprecher daheim, die im Hochtonbereich nicht gerade geizen. Eher das Gegenteil ist der Fall. Und an einer Stelle hat sich das mit dem Lindemann-Sound zunächst nicht so ganz vertragen: Die Pianistin Khatia Buniatishvili gibt auf ihrem Klavieralbum „Motherland“ unter anderem Franz Liszts „Wiegenlied“ zum Besten – ein leises, sanftes Stück (wer hätte das gedacht). Nun, als ich es hörte, konnte ich mich irgendwann nur noch auf das an- und abschwellende Geräusch der Saitendämpfer konzentrieren – die Pianistin macht nämlich ausgiebig Gebrauch vom rechten Pedal. Die CD ist schon sehr durchlässig produziert; wenn dann weder CD-Spieler, Endstufe und Lautsprecher eine sanfte Verrundung oder Verzärtelung des Obertonbereichs bringen, kann es der Präzision etwas zu viel sein. Man kann das aufstellungsseitig in den Griff bekommen (Lautsprecher etwas auswinkeln), und es ist dies nicht wirklich eine Besonderheit der Lindemann-Kombi, sondern eher der gesamten Kette. Was ich sagen will: Es schadet nicht, der Lindemann-Kombi Lautsprecher an die Seite zu stellen, die den Obertonbereich nicht noch extra pointieren.
Test: Lindemann musicbook:25 und musicbook:50 | Netzwerk-Player