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Die natürlich wirkende Klarheit und Transparenz des Mitteltons gerät ebenfalls beeindruckend – auch wenn man das in dieser Preisklasse vielleicht erwarten darf. Artikulationsgeräusche, Atemgeräusche, leichte Verschiebungen der Position von Sängern und Instrumenten, Nebengeräusche wie Bodenknarzen, das mitschwingende Drahtnetz unter der Snaredrum – all diese Dinge servieren die Lansche No.3.1 mit einer Selbstverständlichkeit und geradezu beiläufigen Nonchalance, dass mir fast das ein oder andere Mal der Mund offen stehen blieb.
Was in meinem Setup mit den diesbezüglich eh etwas zurückhaltend spielenden Lautsprecherkabeln AudioQuest Rocket 88 und dem ebenfalls nicht unbedingt als Heißsporn fungierenden Linn Majik DSM als Vorverstärker aber nicht passiert, ist die zum Beispiel von einigen Hornsystemen oder auch mit Keramiktreibern bewehrten Wandlern gebotene offensive Direktheit der Ansprache im Stimmbereich. Die Lansches setzen SängerInnen zwar mit aller gebotenen Aufmerksamkeit und Liebe zum Detail in Szene, tun dies aber lieber auf der, zwischen und hinter den Lautsprechern sich öffnenden Bühne als auf dem Schoß des Zuhörers. Mit einem tonal und in Sachen Dynamik etwas anders gelagerten Vorverstärker wie zum Beispiel dem AVM SD 3.2 sieht das schon wieder etwas anders aus:
Mit dem AVM lösen sich gefühlt noch ein wenig die Bremsen, erweitert sich der virtuelle Raum noch etwas in Richtung Hörer. Natürlich werden die Lansche 3.1 dadurch keineswegs zum Adrenalin-Bomber à la JBL K2 – dafür sind sie im tiefsten Grunde ihrer ästhetischen Seele zu sehr sanfte Verführer und distinguierte Klangaristokraten. Mir persönlich gefällt das gut, denn diese Abstimmung bürgt für Langzeithörgenuss ohne Ermüdungserscheinungen, allerdings gibt es sicherlich auch Hörer, die auf noch „aufgeregtere“ Wandler stehen.
Überhaupt, die akustische Bühne: Waren schon die 3.0 sehr präzise agierende „Bühnenbildner“, so treiben ihre Nachfolger die Abbildungsqualität auf die Spitze. Mit keinem anderen Lautsprecher in meinem Hörraum konnte ich so präzise und abgelöst vom Lautsprecher in Klangwelten wandern. Einzige Voraussetzung: Der Hörer sollte genau im Sweet Spot sitzen, denn der Corona-Hochtöner bündelt recht stark. Auch im Stehen fehlt es deutlich an Hochton; die Lansche-Lautsprecher fordern also vom Zuhörer ein gewisses Commitment ein. Dafür wird man eben mit einem breiten, tiefen und vom Lautsprecher losgelösten Klangbild belohnt. Spielt die Raumakustik mit (was sie bei mir glücklicherweise und vielleicht auch dank der Acoustic-System-Resonatoren tut), dann entsteht sogar zeitweise der Eindruck einer mich umhüllenden, auch von der Seite und von hinten Energie liefernden Klangsphäre – erstaunlich! All das liefern die Lansche No.3.1 unbeeindruckt von heftigen Bass-Impulsen oder massiver Orchestrierung – sie stehen wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung.
Das absolute Sahnestück der Lansche-Lautsprecher ist jedoch der Corona, das muss man einfach so sagen. Die große Kunst von Rüdiger Lansche ist es, dessen zumindest theoretisch überragende Fähigkeiten so mit den anderen Treibern in Einklang zu bringen, dass hörbare Inhomogenitäten gegenüber den mittleren und unteren Frequenzbereichen vermieden werden.
Hilfreich ist, dass der bis 150.000 Hz linear spielende Ionenhochtöner kein kapriziöser Karnevalstänzer ist, der mit Effekten und Aufmerksamkeitsheischerei alle Blicke auf sich ziehen will. Hier wirkt nicht grelle Schminke, sondern natürliche Schönheit, sozusagen. Wie bereits gesagt zwingt die Abstrahlcharakteristik des mit einem Hornfortsatz versehen Treibers zum Platznehmen im Sweet Spot, doch dann geraten Auflösungsfähigkeit und Reinheit des Klangs absolut faszinierend. Im ersten Moment könnte man der Einschätzung verfallen, dass ganz obenrum nicht ganz so viel „Luft“ und Funkeln rüberkommt wie bei sehr guten Kalotten oder Bändchen-/AMT-Treibern. Nach einigen Stunden und Tagen dann merkt man, dass keinerlei Information fehlt – wohl aber jegliche Art von Verzerrungen und Phasenschweinereien. Das führt zu einer extrem entspannten Art des Hörens.
Die Fähigkeiten des Treibers werden einem so eher unterschwellig bewusst, und zwar mit zunehmender Beschäftigung immer deutlicher: Schnelligkeit? Man fragt gar nicht mehr danach. Auflösung? Alles da, danke sehr. Linearität und Integration? Man nimmt einfach keine einzelnen Treiber wahr, Stimmen und Instrumente klingen eben nach Stimmen und Instrumenten, über alle Frequenzbereiche hinweg. Das gelingt den Lansche No.3.1 mit subtilen Informationen wie Anblasgeräuschen bei Blasinstrumenten ebenso gut wie mit den heftigen Dynamikattacken von live aufgenommenen Schlagzeugen (zum Beispiel auf Jazz at the Pawnshop), die schnell und ansatzlos und mit körperlich spürbarem Impuls reproduziert werden.
Okay, was den letztgenannten Punkt angeht, habe ich, wie oben bereits angesprochen, schon Lautsprecher gehört, die gerade im Mittelton noch direkter und zudem mit etwas mehr Punch agieren können, doch die bieten dann bei weitem nicht die Über-Alles-Ausgewogenheit und den natürlichen Realismus der Lansche No.3.1 – jedenfalls nicht in dieser Preisklasse. Eine Wilson Audio Sophia beispielsweise kann zwar etwas explosiver und ungestümer drauf los dreschen, vermittelt nach meinem Dafürhalten aber nicht die entspannte Ruhe und ungekünstelte Natürlichkeit der Lautsprecher vom Bodensee. Wenn ich einen passenden Vergleich aus der Erinnerung ziehen kann, dann ist es wohl die Avalon Opus Ceramique, die mit einem ähnlichen Auflösungsvermögen, vergleichbarer Neutralität und annähernd konkurrenzfähigem Abbildungsrealismus gesegnet ist. Ob die hübsche Amerikanerin die Klangreinheit der Lansche No.3.1 im Hochton erreicht, würde ich allerdings stark bezweifeln.
Test: Lansche Audio No.3.1 | Standlautsprecher