„Gut ist’s, wenn man weiß, worauf man verzichten kann.“ So oder so ähnlich mag denken, wer sich über die beiden Röhren-Phonovorverstärker im Programm des griechischen Anbieters Lab 12 (Vertrieb: www.cm-audio.net) informiert. Während der von uns schon getestete Melto2 mit drei separaten Eingängen und der gleichen Anzahl wählbarer Entzerrungskurven kommt, bietet der kleine Bruder Lab 12 Melto1 „nur“ die Standard-RIAA-Entzerrung – und einen einzigen Eingang auf der Rückseite. Das sind die auffälligsten Unterschiede zwischen den beiden. Abgesehen vom Umstand, dass unser heutiger Testkandidat mit einem Einstandspreis von 2.280 Euro gut 40 % günstiger ist.
Lab 12 Melto1 – Ausstattung & Konzept
Nun, ganz so einfach ist es nicht, es gibt weitere Unterschiede. So besitzt die Phonostufe Lab 12 Melto1 einen unsymmetrischen Ausgang, während das Topmodell zusätzlich noch XLR-Buchsen parat hält – und sich fernbedienen lässt. Das wäre bei der Melto1 freilich auch etwas zu viel des Guten, denn es gibt wenig einzustellen. Die jeweils acht möglichen Impedanz- beziehungsweise Kapazitätswerte für MC- und MM-Tonabnehmer lassen sich auf der Rückseite mittels DIP-Schalter wählen, und das war es dann auch schon.
Entsprechend schlicht stellt sich diese Rückseite dar – die Gerätefront toppt das aber noch, auf der finden sich zwar eigensinnigerweise gleich drei LEDs, die den Betrieb anzeigen, aber kein einziger Schalter. Und hier muss ich dann auch gleich mal den Meckermodus anschalten: Leute, es ist ‘ne Röhren-Phonovorstufe, die lässt man nicht dauerhaft brennen. Ein An/Aus-Schalter gehört auf die Front, nicht auf den Rücken!
Ein Blick ins Innere zeigt linkerhand einen wohldimensionierten Ringkerntrafo und daneben die Hauptplatine, die links die Spannungsversorgung und rechts die eigentliche Verstärkerschaltung trägt. Der Röhren-Phonopre kommt mit zwei Verstärkerstufen pro Kanal, ergibt nach Adam Riese eine Bestückung mit vier Doppeltrioden. Je eine 6N1P-EV und 6N2P-EV besorgen 41 respektive 66 dB Verstärkung (MM/MC-Zweig), zwischen den beiden Trioden liegt die passive RIAA-Entzerrung, die nach Lab-12-Chef Stratos Vichos sehr genau, nämlich mit maximal 0,2 dB Abweichung, arbeitet. Stopp, ich habe einen Fehler gemacht: Das mit den zwei Verstärkerstufen stimmt im Falle des MC-Zweiges nicht, denn die Minispannungen von Moving-Coil-Systemen werden vom Melto1 zunächst einmal mit kanalgetrennten, von einer dreifach stabilisierten Spannungsaufbereitung versorgten OP-Amps aufgepäppelt, bevor sie den Glaskolben übergeben werden. Man könnte also glatt von einer Hybridschaltung sprechen, ein weiterer Unterschied zur Melto2, die an dieser Stelle statt OPs Lundahl-Übertrager einsetzt.
Als weitere Qualitäten des Melto1 führt Vichos eine besonders rauscharme Stromversorgung sowie das sogenannte Fine-Symmetry-Leiterplattendesign an, welches dafür Sorge trage, das beide Kanäle „gleiche Laufwege“ (und insbesondere Impedanz und Kapazitätswerte) haben. Zudem gibt’s eine nach Signal und Spannungsversorgung getrennte Masseführung, was man bei Lab 12 „SRSG-Topologie“ getauft hat.
Der Phonopre Lab 12 Melto1 wiegt 6,5 Kilo, die Verarbeitung ist gut und unprätentiös – etwas zum auf die Sahne hauen ist die schwarze Kiste aber nicht. Und apropos Schwarz: Das ist die einzige Farbe im Angebot. Und nun zum Wichtigsten, dem Höreindruck.
Lab 12 Melto1: Hörtest & Vergleiche
Vorab zum Setup: Als Low-Output-MC verdingte sich mein Transrotor Figaro (2.500 Euro), um den MM-Zweig zu testen, kam das High-Output-MC Dynavector DV-20X2 H (900 Euro) zum Einsatz, das gesunde 2,8 mV an die Buchsen schickt. Beim Transrotor startete ich mit einer Abschlussimpedanz von 100 Ohm, so wie es der Hersteller empfiehlt, doch das empfand ich in Kombination mit der Melto1 obenrum zu mild. Also fix den Extremwert 100 kOhm ausprobiert – schon besser. Schlussendlich landete ich bei 390 Ohm, dem zweithöchsten Wert, den die Lab 12 bereithält. So kam es mir am stimmigsten vor. Das Dynavector spielte die meiste Zeit an 50 kOhm, an 100 kOhm gibt es sich einen Tick frischer, aber minimal weniger plastisch in der Abbildung. Okay, das sind alles nur Nuancen, doch ich finde, es lohnt sich, hier ein wenig zu experimentieren.
Makro-Perspektive
Zum Einstieg erst mal eine grobe Einordnung. Bei mir steht die B.M.C. Audio MCCI Signature ULN, und als Musical Fidelitys große Phonovorstufe Nu-Vista Vinyl herauskam, haben wir sie direkt zum Test geordert. Beide sind gut 50 % teurer als die Lab 12 Melto1 – und beide sind klanglich vom gleichen Schlag: dynamisch aufgeweckt, räumlich sehr akkurat und tonal ziemlich neutral. Pointiert formuliert ließe sich sagen: Sie setzen zum Phono-Klischee einen Kontrapunkt. So klingt die Melto1 – nicht.
Vielmehr unterstützt die Lab 12 sanft das, was viele Vinylfreunde suchen: schön ausgearbeitete harmonische Texturen, Geschmeidigkeit, deckkräftige Klangfarben. Und deshalb kam mir auch sofort eine andere Phonostufe in den Sinn, deren Gangart dem grundsätzlich ähnlich ist: die RCM Audio Sensor 2 (2.850 Euro). Die Polin ist – wiewohl transistorisiert – allerdings noch wärmer und satter unterwegs, während der röhrenbestückte Grieche vergleichsweise detailreicher und feinsinniger rüberkommt. Kurz und gut: Er positioniert sich zwischen den vorgenannten „Reine-Lehre-Phonostufen“ und der swingend-sonoren RCM. Hören wir einmal genauer hin.
Tonale Ausgangslage
Im Großen und Ganzen segelt die Lab 12 Melto1 ziemlich balanciert durch den Frequenzschrieb, gleichwohl gibt’s kleinere Abweichungen von der „gefühlten Studionorm“: Im Tiefbass und dem Hochton geht es etwas dezenter zu, im Oberbass/Grundton mit ein wenig mehr Energie als im Präsenzbereich (siehe Frequenzbereiche). Wenn Sie nun meinen, dass das ja ganz gut zu einem Röhrengerät passt, muss ich Ihnen zustimmen. Ehrlich gesagt, habe ich aber mit mehr Schlagseite gerechnet. Was die Lab 12 „soundtechnisch macht“, ist doch sehr dezent ausgeführt. Es wirkt angenehm, sonor, unverkopft-gefällig – und gleichzeitig weit weg von Einordnungen à la „brühwarm“ oder „allzu kuschelig“.
Im Bass wird unterm Strich mehr Schmackes geboten als mit meiner BMC. Im absoluten Tiefton hat die zwar mehr zu bieten, doch im musikalisch wichtigeren, da häufiger vorkommenden Mittel- und Oberbass geht es mit der Lab 12 ein wenig vehementer zu, sodass sie netto etwas wuchtiger klingt. In Sachen Durchzeichnung kommt sie an die BMC zwar nicht heran, doch erstens ist die ja auch teurer, zweitens besitzt sie hier ein besonderes Talent und drittens – wohl am entscheidendsten – ist die generelle Frage ja die, wie man denn lieber hört: etwas saftiger und dafür weicher oder supertrocken und straff-neutral. Es ist Ihre Entscheidung. Was mit der Lab 12 Melto1 jedenfalls richtig gut und authentisch rüberkommt, sind tiefe Resonanzen beim Klavier oder gezupfter Kontrabass – warm, definiert, doch nicht überkontrolliert. Synthietiefbass-Eskapaden bei elektronischer Musik oder die richtig großen Orgelpfeifen dürften dagegen gerne mit noch mehr Nachdruck und Struktur gereicht werden.
Mitten und Hochton sind eine geschmeidige Einheit, da ragt nichts heraus – dazu aufgefordert, den Höreindruck mit Bleistift und Papier aufzeichnen, wäre das Ergebnis wohl eine ziemlich ebenmäßige Linie, die vom Grundton startend bis zum Superhochton ganz leicht abfällt. Die Folge: Ein Howe Gelb oder der jüngst leider verstorbene Mark Lanegan klingen noch etwas sonorer als eh schon, eine Tori Amos oder Joanna Newsom nach oben heraus nicht ganz so offen/frei (was zumindest bei der zuletzt Genannten viele goutieren werden, vermute ich). Entsprechend ist der Eindruck bei Instrumenten: Newsoms Harfe wird mir etwas körperhafter dargeboten als gemeinhin, während die Saiten, so scheint’s, etwas sanfter angezupft werden.
Dynamik, Textur, Auflösung
Körperhaft statt kantig – so könnte das Motto der Lab 12 Melto1 lauten. Beim Ben Harper-Stück „Like a king“ (Album: Welcome to the cruel World; auf Amazon anhören) fällt mir eine Art rhythmische Akzentverschiebung von den Drums auf den Bass auf. Die Anschläge der Trommeln kommen nicht ganz so hart, wie ich es gewohnt bin, dafür groovt der E-Bass satter und mitreißender durch die Bude. Ja, streng genommen ist die Melto1 nicht so dynamisch wie eine Musical Fidelity oder BMC, aber dafür kommt sie mit diesem verführerischen rhythmischen Flow und Boogie-Faktor daher, recht ähnlich wie die erwähnte RCM, wobei die noch etwas mehr Pfund in die Waagschale legte. Wie auch immer, das alles klingt jedenfalls lässig-swingend-anregend, die Lab 12 schafft es, den Hörer mitzunehmen. Der berühmte Mitwipp-Faktor, hier wird er reichlich aufgeboten. Und das, obwohl ich sagen würde, dass Transienten schon mal härter und explosiver gereicht wurden und hier eher von einem geschmeidigen, leicht abgemilderten Duktus geredet werden muss. Nun – offenbar schließen Groove und Geschmeidigkeit sich nicht aus.
Zum bisher Gesagten passt, dass auch das Auflösungsvermögen eine gewisse Präferenz hat, wenn man so will. Es gibt Komponenten, die verstehen sich darauf, die Attackphase ganz minutiös herauszuarbeiten, da wird dann jeder Klavieranschlag zelebriert und ganz genau reingezoomt, wenn das Hämmerchen die Saite trifft. Zu denen gehört die Lab 12 Melto1 nicht. Nein, nein, einen schlechten Job macht sie nicht, aber das ist eben eher Normalmaß, passt zur Preisklasse, fällt nicht wirklich als Besonderheit auf. Im Gegensatz zur Liebe, die sie der Sustain-Phase zukommen lässt … Hier muss ich noch mal auf Newsoms Harfe zu sprechen kommen, aufgefallen ist es mir beim Song „Cosmia“ vom Album Ys (auf Amazon anhören): Die schimmert jetzt einfach mehr, ja, das wirkt wie ein dezentes Opaleszieren. Hier ist nicht einfach nur mehr von einer Farbe im Spiel (im Sinne von deckkräftiger), es geht vielmehr um ein feineres Aufdröseln klangfarblicher Nuancen. Das kommt richtig gut. Und da zudem die Streichergruppe sehr körperhaft wirkt, wird einem ein schön reichhaltiges Bukett geboten. Die Farben wirken frischer, unverdeckter – nicht belegt, nicht ausgewaschen.
Die Bühne: locker geschichtet, organisch, rund
Die virtuelle Bühne kommt realistisch-lebensecht rüber – es geht nicht so weit nach vorne wie mit der erwähnten RCM Audio und nicht so tief nach hinten wie mit den BMC- und Musical-Phonostufen. Die Melto1 startet vielmehr auf oder knapp vor der Boxengrundlinie, bietet ein ordentlich breites Panorama und ein locker geschichtetes Tiefenprofil. Die räumlichen Bezüge zwischen den Instrumenten und Instrumentengruppen sind klar nachvollziehbar, das wird jetzt aber auch nicht reißbrettartig vermessen, sondern eher lässig ausgebreitet.
Dazu passt, dass die Abbildung der einzelnen Stimmen eher etwas üppiger ausfällt als sonst oft der Fall und dass die Klangkörper am Rand eher mit weichem Stift gezeichnet werden. Da verwischt und verschwimmt nichts, nein, aber als 3-D-Holografienummer geht’s nun auch nicht durch.
Familien(un)ähnlichkeiten?
Doch wie stellt sich das nun alles im Vergleich zum großen Bruder, dem Melto2 dar? Bedauerlicherweise kann ich Ihnen das nicht aus erster Hand sagen, denn für einen Direktvergleich stand mir das Lab-12-Topmodell nicht zur Verfügung. Aber auch ich kann lesen, und das, was Kollege Michael Bruß zum Melto2 schrieb, finde ich zum Teil bei der Nr. 1 wieder – aber auch nicht alles.
Eine etwas mildere Diktion in den höchsten Lagen scheint beiden gemein, von einem tendenziell schlankeren Bass kann ich bei der Melto1 aber nicht berichten, im Gegenteil. Im weiten Feld zwischen den Frequenzextremen scheinen wiederum die Ähnlichkeiten zu überwiegen, die „körperhafte Solidität“ im Grund- und Mittelton, von der der Kollege schrieb, kann ich jedenfalls nachvollziehen. Allein, die Melto2 scheint vor allem was Auflösung und Abbildungspräzision angeht, schon noch die Nase vorne zu haben. Das wundert einen aber auch nicht wirklich bei dem deutlichen Preisunterschied. Meistens ist’s halt doch nicht nur der größere Featurereichtum, den man bezahlen muss, sondern auch das eine oder andere klangliche Plus.
Test: Lab 12 Melto1 | Phono-Vorstufe