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Kraft, Kontrolle, Dynamik und Punch – das sind die Wörtchen, die mir bei der ersten Hörrunde recht spontan in den Sinn schießen. Dabei befindet sich das für solche Tugenden doch vermeintlich typische Endstufenkraftwerk Duo 300 noch gar nicht im Rack, die klanglichen Veränderungen meiner Arbeitskette rühren alleine aus dem Austausch meiner Funk MTX gegen die Krell Illusion. Dennoch lassen die über meine Spendor SP100R² ungemein klar und trocken-zackig perlenden Bassdrums in Clock DVAs „Eternity in Paris“ (Album: Advantage) oder die massiv schiebenden, gleichwohl ausnehmend kontrolliert-präzise tönenden Tieftonwelten der amerikanischen Dub-Jazzer The Grassy Knoll (Album: III) immer wieder das Gefühl aufkommen, ich hätte neue Endstufen am Start. Aber nein, ein kurzer Blick zur Seite bestätigt: Meine Audionet-Monos sind nach wie vor am Ruder.
Auch bei „Attalal“ der kanadischen Elektroniker Download (Album: Microscopic) fallen mir zuerst die südlichen Gefilde ins Ohr: Mutet es bei höheren Pegeln sonst bisweilen an, als ob die Membranen der 30er-Tieftöner an den Spendor zu schlackern beginnen und ein unkontrolliertes Eigenleben entwickeln würden, bleibt dieser Effekt mit der Krell Illusion aus – die Tieftöner wirken nun stärker „wie an der Stange geführt“. Was zum einen wohl auch daran liegt, dass die Krell unten herum ein klein wenig schlanker als Normalnull zu agieren scheint – wenngleich sie nichtsdestotrotz erstaunlich weit „gräbt“, gibt sie sich in Sachen Tiefgang doch tatsächlich noch ausgedehnter als etwa mein Funk MTX. Zum anderen aber daran – womöglich fühlt sich die Krell Illusion deswegen auch einen Tick schlanker an -, dass sie Bassereignisse extrem sauber auf den Punkt, sehr konzentriert und fokussiert Richtung Hörer feuert. Was nicht zuletzt auf einen sehr sauberen Phasengang schließen lässt. Wie dem auch sei, ich empfinde eigentlich schon meine MTX als sehr basspräzise, dennoch wirkt sie im unmittelbaren Vergleich etwas „verwackelter“, weniger eindeutig konturiert – und vielleicht deswegen etwas satter.
Und sonst? Nun ja, die Krell Illusion ist offenbar nicht drauf gezüchtet worden, ein markantes oder spektakuläres Flair zu produzieren: Bis auf den Bassbereich und die unmittelbar ohrenfällige Tatsache, dass die Krell Illusion zu den versiertesten Hochtonauflösern und wieselflinkesten Dynamikern gehört, die je einen Gerätefuß in meinem Hörraum setzten, ist mir bei den genannten Stücken aufs erste Hören gar nicht so viel aufgefallen. Was zum einem als Kompliment gelten kann, denn der Illusion-Doppeldecker gibt sich sowohl bar jedweder Störstellen als auch Sensationshascherei, mit denen er zu beeindrucken versuchte. Was sich vielleicht nicht sonderlich originell liest, aber sehr korrekt und langzeittauglich klingt. Aber klar: Wer nach besonderer „Klangwürze“, nach besonders ins Ohr gehenden Charakterzügen sucht, wird bei einem solchen im besten Sinne „ungesoundeten“ Gerät wohl eher nicht fündig werden.
Und doch, nach längerem Hören offenbart sich das Besondere eines solchen Konzepts mehr und mehr. Ganz nach dem Motto „Gut‘ Ding will Weile haben“ beschert einem die Krell Illusion außergewöhnliche Musikmomente vor allen Dingen dann, wenn man sich mit Muße fallen lässt und das Klangbild mal nicht nach irgendwelchen besonderen Eigenschaften abklappert. Dabei scheint die Amerikanerin quasi mit ihren Aufgaben zu wachsen:
Denn dass ich es mit einem ganz und gar nicht alltäglichen Gerät zu tun habe, höre ich insbesondere bei sehr fordernden, vielschichtigen, dabei gar nicht mal unbedingt audiophilen Titeln wie etwa „Canada“ von Behold … the Arctopus: Ein irrsinnig schnell und virtuos eingefangenes Jazz-Metal-Stück, das vor Geschwindigkeit, intelligentem Songwriting und rhythmischer Explosivität nur so strotzt, unglaublich was man mit nur drei Instrumenten – Warr-Gitarre (ein 12-Saiter), Bass, Drums – so anrichten kann.
Die Dichte des Songs ganzheitlich-stimmig sowie trotz eher mediokrer Aufnahmequalität absolut langzeittauglich an den Hörer zu bringen und dabei mikroperspektivisch gleichzeitig eine ausnehmend differenzierte Sicht auf einzelne Linien zu liefern, vollzieht die Krell Illusion mit einem so astreinen Spagat, wie ich ihn bisher noch nicht gehört habe. Präzise bis aufs Mark, aber nicht überanalytisch-scharf, räumlich differenziert bis zum Anschlag, aber nicht artifiziell gerastert, Formel-1-mäßig schnell, aber nicht überhastet attackig zu Lasten des Körpers/Sustains von einzelnen Tönen, akkurat-neutral ohne Wenn und Aber und dennoch emotional.
Test: Krell Illusion und Krell Duo 300 | Vor-End-Kombi