Kaviar und edler Schampanskoje aus der Kellerei Abrau-Durso waren meine ersten Gedanken, als die Chefredaktion anfragte, ob ich nicht Lust auf etwas Russisches hätte. Dass dann mit dem Kennerton Audio Magni (Vertrieb: https://hoerzone.de/) ein brandneuer Kopfhörer bei mir eintraf, verwunderte allerdings nicht wirklich, schließlich bedient fairaudio nicht kulinarische, sondern audiophile Bedürfnisse.
Mit seinem Preisetikett von 690 Euro bewegt sich der Kennerton Magni im noch bezahlbaren, aber durchaus gehobenen Segment. Entsprechend hoch sind die klanglichen Erwartungen, schließlich tummeln sich in dieser Preisregion etablierte Konkurrenten wie beispielsweise der Beyerdynamic DT 1770 PRO, der Denon AH-D7200 und klangstarke Exoten wie der Campfire Cascade. Was unterscheidet den aus Russland stammenden, von Hand in St. Petersburg gefertigten Kennerton Magni also von der Konkurrenz?
Die Entwickler von Kennerton Audio sind keine Neulinge, sondern als „Luxury-Ableger“ von Fischer Audio schon eine ganze Weile im Kopfhörerbau unterwegs. Seit 2006, um genau zu sein. Entsprechend hat man sich bei dem geschlossen konstruierten, ohrumschließenden Magni so einige Gedanken gemacht. Das fängt bereits bei der Verpackung an und findet seine Fortführung in der Materialauswahl und der Membrantechnik. Dazu gleich mehr. Geliefert wird der Kennerton Magni in einem unscheinbaren Karton, der nüchtern-nachhaltig auf Hochglanzbebilderung verzichtet und sich stattdessen – da mit technischen Daten bedruckt – äußerst informativ gibt.
Erfreulich zunächst die aus schwarzem Kunstleder bestehende und zum Lieferumfang gehörende Tasche: Diese erweist sich dank ihres oberseitigen Henkelgriffs wie des Schultertragebandes nicht nur für die Aufbewahrung des Hörers als praktisch. Stets griffbereit, bietet sie dem Kopfhörer und dem für geringere Mikrofonieanfälligkeit stoffummantelten, erfreulich beweglich gebliebenen und hochwertig, da aus hochreinem Kupfer bestehenden Kabel (2 m) auch unterwegs Schutz vor äußeren Einflüssen wie Licht, Staub, Schmutz und Spritzwasser. Allerdings findet sich am Ende des Kabels lediglich ein 6,35-mm-Klinkenanschluss, sodass entweder ein entsprechender Adapter auf 3,5-mm-Klinke oder ein mobiler Kopfhöreramp mit entsprechendem Anschluss (wie etwa der Chord Hugo 2) mit ins Reisegepäck müssen. Zum Camping wird man ihn wohl nicht mitnehmen, aber da er robust ist und mit einem Gewicht von 440 Gramm auch noch nicht allzu schwer, kann man ihn als Reise-Begleiter für musikalische Hotelsessions durchaus in die engere Wahl ziehen. Oder einfach für die sonntägliche Verschmelzung mit dem eigenen Sofa beim ungestörten Musikgenuss.
Äußerlich betrachtet haben wir es beim Kennerton Magni im Vergleich zu seinen aus dem gleichen Stall stammenden Geschwistern (wir hatten zuletzt den Kennerton Magister Pro im Test) mit einem eher zurückhaltend, schlicht und unaufgeregt designten Kopfhörer zu tun. Je nach Geschmack darf aus sieben (!) unterschiedlichen Holzausführungen der Ohrmuscheln gewählt werden, was für Entscheidungsneurotiker eine Herausforderung darstellen kann.
Kommen wir, wo wir den Kopfhörers gerade näher betrachten, auf die eingangs gestellte Frage zurück. Im Unterschied zu „kunststofflastigen“ Konkurrenten besteht der Magni im Wesentlichen aus einem Dreiklang aus Metall, Leder und Holz. Das zweistrahlige, äußere Metallband des Kopfbügels sieht zwar filigran aus, gerät aber selbst bei kräftigerem Zupacken nicht außer Form und bietet den beiden Ohrmuscheln einen sicheren und festen Halt. Innerhalb der beiden parallel verlaufenden Metallstreifen findet sich ein bequem ausgepolstertes, beweglich gelagertes Kopfband, das für eine optimale Gewichtsverteilung auf dem Denkorgan und damit für einen komfortablen und exakt angepassten Sitz des Kopfhörers sorgt. Hier drückt und zwackt nichts, denn auch der Anpressdruck der beiden Ohrmuscheln wurde sorgsam abgestimmt. Nicht nur optisch vermittelt Holz einen gewissen Charme, auch klanglich soll der „natürliche Resonanzraum“ ein Mehr an Wärme und Natürlichkeit ins Spiel bringen, so Kennerton.
Von Schafen aus dem nördlichen Kaukasus stamme das hochwertige Leder, dass die Ohrpolster umschließt und sich in der Tat hautschmeichelnd an die Kopfform des Trägers anpasst. Bei Kennerton Audio wird Wert darauf gelegt, dass alle Teile aus eigener Fertigung stammen. Auch die handwerkliche Tradition wird betont. Gut, das lässt sich im Detail nun nicht alles nachprüfen, aber wir nehmen das zunächst wohlwollend zur Kenntnis, denn verarbeitungstechnisch gibt es hier nichts zu kritisieren.
Auch die Metallabdeckung der Ohrmuscheln, hinter denen die klassischen dynamischen Treiber innerhalb eines geschlossenen Volumens ihrer Arbeit nachgehen, ist wunderbar plan und weist keinerlei Nachlässigkeiten auf. Wie mir scheint, sorgen zwei Bohrungen für eine kontrollierte Ventilierung im Innern, sodass die rückwärtig auf die Membran zurückreflektierte Schallenergie etwas im Zaun gehalten wird.
Kennerton wirbt damit, dass die 50 mm durchmessenden Membranen des Magni das „Wundermaterial“ Graphen enthalten. Reines Graphen wäre freilich kaum bezahlbar, denn das Material sei eine Diva in der Herstellung, was entsprechende Kosten nach sich ziehe. Aus diesem Grund haben die Entwickler eine Art Hybrid-Lösung ersonnen und eine bewährte Mylar-Membran mit Graphen-Partikeln, grob ausgedrückt, „verbacken“. So will man störende Partialschwingungen der Membran besser in den Griff bekommen und im Verbund mit einer Schwingspule aus leichtem, kupferummantelten Aluminium (statt reinen Kupfers) und sehr leistungsstarken Magneten die Impulstreue steigern. Man verspricht sich davon eine ansatzlose Schnelligkeit wie bei magnetostatischen Treibern und das bei einer erfreulich geringen Impedanz von 33 Ohm und hoher Empfindlichkeit – schwachbrüstige Smartphone-Verstärker wird es freuen.
Kennerton Magni im Hörtest
Natürlich ist ein Smartphone kein adäquater Spielpartner, also schließe ich den Kennerton Magni an den ebenfalls hier schon getesteten RME ADI-2 DAC sowie an den Chord Hugo 2 an, während ein feiner Crémant de Loire über die Absenz von Schampanskoje hinwegtröstet.
Was eignet sich besser, um einen Eindruck vom Hochton zu bekommen, als Scott Walker mit dem Stück „The Cockfighter“ (Album: Tilt; auf Amazon anhören). Die Eröffnungssequenz mit reichlich scharrendem Metall lässt mir bei undifferenziert tönenden Wiedergabegeräten meist einen Schauer des Entsetzens den Rücken hinablaufen. Nicht so beim Kennerton Magni, der zwar ein regelrechtes Auflösungsfeuerwerk abbrennt, ohne dabei aber in gleißende oder kristalline Gefilde abzugleiten. Doch ist das langzeittauglich und von natürlichem Charakter?
Natürlich ja, die Aufnahme hat es nun mal in sich, langzeittauglich mit Einschränkungen, denn die besagten „metallischen Facetten“ des Stückes werden ohne jede falsche Scham dargereicht. Von zart-güldener Attitüde, falls das jemand suchen sollte, ist hier definitiv nichts zu spüren. Gleichzeitig spielt der Magni – und das finde ich besonders interessant – sehr, sehr luftig, ja, geradezu ätherisch. Das zeigt auch der Vergleich zum Focal Elegia (circa 900 Euro) recht deutlich, der zwar ebenfalls hochauflösend unterwegs ist, obenrum aber bewusst sanfter agiert und im Superhochton bedeckter klingt. Mit dem Kennerton hört man mühelos Dinge, bei denen man sich beim Focal schon fast ein wenig anstrengen muss, um sie nicht zu überhören.
Um so spannender die Frage, ob auch das Mittenband in dieselbe Kerbe schlägt. Und tatsächlich steht hier eine – man muss es so formulieren – unaufdringliche, aber luzide Transparenz im Vordergrund, die für hohe Durchhörbarkeit sorgt. In eher sonoren Gefilden angesiedelte männliche Gesangsstimmen, wie beispielsweise die des Low-Fi-Puristen Bill Callahan, zeigen einen weniger warm und füllig intonierten Brustton. Ja, Callahan wird eine Spur schlanker und heller intoniert als mit dem Focal Elegia, gleichwohl besitzt er aber weiterhin einen stimmigen und griffigen Körper. Authentisch klingen beide Kopfhörer, lediglich der tonale Stil unterscheidet sich, der persönliche Geschmack muss entscheiden, was angenehmer wirkt.
Gleiches gilt auch für das Tieftonband, das sich, Sie ahnen es sicherlich, mit einer forciert-straffen Trockenheit bei hoher Durchhörbarkeit und Agilität ins rechte Licht rückt. Tiefgang ist ausreichend vorhanden, aber für richtiggehende „Bassheads“ ist das nichts, denn der Kennerton Magni teilt weniger vollmundig als athletisch-sehnig aus. Der Magni ist im Bass schlanker abgestimmt – und zeigt gleichzeitig eindrucksvoll auf, dass tiefe Töne keinen Einheitsbrei darstellen müssen, sondern sich, frei von Ballast, schlackenlos und nahtlos an den Grundton anheften können und dabei beweglich und federnd einen lässig mitreißenden Groove beisteuern.
Dynamik & Räumlichkeit
Kommen wir abschließend zu den Kriterien Dynamik und Räumlichkeit. Die tonale Ausrichtung des Kennerton Magni spielt ihm dynamisch eindeutig in die Karten. Sowohl mit fein abgestuften wie mit plötzlichen großen Pegelunterschieden kommt der Magni wunderbar zurecht, ohne je angestrengt oder indifferent zu wirken. Wo mancher eher zur gelassenen Spielweise tendierende und somit dem Grundton mehr Wärme und Fülle beimengende Kopfhörer schon mal verrundet, bleibt der Magni luftig und leichtfüßig. Das bringt ihm in Sachen Feindynamik eindeutig Pluspunkte, denn mühelos wirkt seine Fähigkeit, auch noch so zarte Verästlungen zu folgen und sie authentisch zu Gehör zu bringen. Wie sieht es mit Grobdynamik und Pegelfestigkeit aus? Auch da gibt er sich keine Blöße, selbst fordernde Gitarren-Riffs und vehementer Schlagwerkeinsatz à la Gojira bringen ihn nicht aus dem Konzept. Erst bei sehr hohen Pegeln leidet aufgrund seiner Detailversessenheit die Langzeittauglichkeit.
Vom transparenten Spiel profitiert in einer recht ungewöhnlichen Form auch die Räumlichkeit des Kennerton, die sich zwar allumfassend involvierend gibt, um es mal ganz knapp zu formulieren, jedoch mit einer etwas größeren Distanz als gewohnt. Die sonst oft bei geschlossenen Over-Ears vorhandene Enge in der Darstellung weicht beim Magni einer angenehmen Weite, so als ob Musiker und Instrumentierung ein paar Schritte zurückweichen, statt direkt „im Kopf“ aufzutreten. Auch wenn es ungewöhnlich erscheint, die festgesteckt wirkenden Raumkoordinaten – typisch etwa für den geschlossenen Beyerdynamic DT 1770 PRO – erfahren mit dem Kennerton Magni eine Form der Transformation, die mich glatt an einen offenen Hörer wie den Audeze EL-8 denken lässt. Da ist statt Enge mehr Weite, mehr Raum und alles wirkt ein wenig befreiter, agiert schneller und zackiger …
Auch die Fähigkeit, einzelne Schallereignisse trennscharf und plastisch greifbar zu projizieren, ist beim Magni vorhanden. Randscharf ist jegliche Aktivität auch in den hinteren Zonen der Bühne zu vernehmen. Für einen geschlossenen Kopfhörer bietet der Kennerton Magni eine sehr realistische Räumlichkeit und Bühnendarstellung, die erst von kostspieligeren Konkurrenten wie dem Focal Elegia hinsichtlich Plastizität und Darstellungstiefe übertroffen wird.
Testfazit: Kennerton Magni
Der Kennerton Magni hat das Zeug zu polarisieren. Sein Klangbild ist geprägt von federnder Agilität und außergewöhnlicher Transparenz, quer über alle Frequenzbereiche hinweg. Scharf oder gar artifiziell klingt er nie, doch tonal stets sportlich-schlank, sehr klar und luftig. Für ausgemachte „Warmhörer“ ist er damit nichts.
Was den Kennerton Magni außergewöhnlich macht, ist seine Fähigkeit, noch kleinste im Klangbild aufblitzende Elemente mühelos zu präsentieren und ihnen eine enorme Plastizität zu verleihen. Gibt man dem Kennerton ordentlich Pegel, zeigt er sich unbeeindruckt und lässt sein temperamentvolles Spiel verzerrungsfrei bis hinauf zu gehörschädigenden Lautstärken erklingen. Ausnehmend randscharf zeichnet er eine für geschlossene Kopfhörer untypisch weitläufige Bühne, ohne dabei die Proportionen der Instrumentierung in ihrer Größe zu verfälschen.
Die tonale Abstimmung mag vergleichsweise ungewöhnlich anmuten – seine hohe Musikalität sowie die Fähigkeit, den Hörer in die Musik einzubeziehen, sind es freilich ebenfalls. Spaßfaktor, Tragekomfort sowie Verarbeitungsqualität sind von hoher Güte und machen die zu investierende Summe schnell vergessen.
Fakten:
- Modell: Kennerton Magni
- Konzept: geschlossener, ohrumschließender Kopfhörer
- Preis: 690 Euro
- Nennimpedanz: 33 Ohm
- Empfindlichkeit: 105,39 dB/1 mW
- Nettogewicht: 440 Gramm
- Ausführung: Schwarz mit Hörmuscheln aus Holz (es stehen sieben unterschiedliche Hölzer zur Auswahl)
- Sonstiges: beidseitig gestecktes Kabel mit 6,35-mm Klinke; Aufbewahrungstasche
- Garantie: 2 Jahre
Vertrieb:
Hörzone GmbH
Balanstraße 34 | 81669 München
Telefon: +49(0)89-721 10 06
E-Mail: info@hoerzone.de
Web: https://hoerzone.de/
Test: Kennerton Magni | Kopfhörer