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Etwas traurig, aber wunderschön beginnt unsere Reise durch die zum Test des KEF M100 herangezogene Musik – mit Jazzigem: Brad Mehldau zeigt im fünften Studioalbum The Art of the Trio Vol. Three (auf Amazon anhören) seine Künste im klassischen Jazzgenre. Mit „Exit Music (For a Film)“ beweist er jedoch, dass auch moderne Interpretationen von bekannten Indie-Rock-Künstlern, wie hier von Radiohead, möglich sind.
Der neue KEF M100 In-Ear verleiht dem Lied jene schwermütige Note, die Brad Mehldau und Tom York auch zum Ausdruck bringen wollten. Dabei wird, KEF-typisch, auf eine möglichst homogene Ausleuchtung des Frequenzbereichs geachtet. Der Hochton erhält eine für mich ideale, vielleicht im Vergleich zu hellen Hörern wie einem Ultimate Ears Reference Monitor, etwas zurückhaltende, aber nie zurückstehende Position im Klanggefüge. Hi-Hats und Becken werden dem Zuhörer gut artikuliert aufbereitet. Der Beckenanschlag kann beim KEF M100 als eher feingeistig-seidig denn brutal-direkt bezeichnet werden, nichtsdestotrotz hört man den Ausklang bei jedem Anschlag gefühlt bis aufs letzte Bit. Mit seinem tief hinabreichenden Bass, auf den später noch ausführlicher eingegangen wird, und dem im Vergleich mit anderen Hörern leicht relaxten Klangbild, entpuppt sich der kleine KEF-In-Ear als idealer Wegbegleiter von jazzigen Stücken in angenehm „erwachsener“ Atmosphäre. Auch im Anschlag der Klaviertasten zeigt der M100 seinen feinfühligen Charakter, ohne jedoch Präzision vermissen zu lassen.
Weg vom klassischen Jazz hin zu einem für die Interpretin des folgenden Albums eher unüblichen Musikstil: dem Rhythm and Blues. Die gebürtige Australierin Sia Furler aka SIA ist heutzutage in Amerika eher als eine neue, zu Unrecht lange im Hintergrund gebliebene Popikone bekannt. Ihr zweites Soloalbum Healing is difficult (auf Amazon anhören), welches bereits 2001 erschien, lässt von ihrer modernen Diktion allerdings noch nicht viel durch. Im Song Drink to get drunk kommen Rhythm and Blues und ein Hauch von jazzigen Klängen zum Vorschein. Mit dem KEF M100 werden Furlers smoothe Seiten sehr gut herausgearbeitet. Die Stimme steht in einer guten Balance zum Beat und den anderen Instrumenten. Auch die elektronisch erzeugten Blechbläser sind perfekt dosiert wahrzunehmen und fließend in das restliche Geschehen eingebunden. Im Vergleich zu einem Fischer Audio Consonance – ungefähr in der gleichen Preisklasse – wirkt KEFs In-Ear um einiges offener und auch erwachsener, also insgesamt wesentlich ausbalancierter. Der mit dem übrigen Frequenzspektrum gleichauf spielende Präsenzbereich und der nicht überbetonte Grundton tragen zu einem guten Stimmen- und Sprachverständnis bei.
Wirft man einen Blick auf das dynamische Können des 120-Euro-Hörers, wird spätestens nach dem Intro von Judge Me klar, dass der KEF eine gute, wenn auch nicht perfekte Performance an den Tag legt. Der Übergang vom anfänglichen Refrain zum leiseren Intermezzo attestiert dem In-Ear sowohl grob- als auch feindynamische Fähigkeiten, die sich hören lassen können. Ein Vergleich mit meiner persönlichen Low-Budget-Referenz Ultimate Ears UE200 (20-30 Euro) zeigt, dass der KEF M100 die Dynamik des Stücks viel weniger komprimiert. Klar, der Preisunterschied zwischen diesen In-Ears ist mehr als nur minimal, aber es wird auch wesentlich mehr geboten, was bei Ohrhörern bis 100 Euro nicht immer der Fall ist. Einen Vergleich zum wesentlich teureren AF-160 (circa 350 Euro) muss der KEF ebenfalls nicht scheuen, auch wenn hier bei der Abstimmung der Fokus sowieso klar woanders liegt und der M100 insgesamt weniger direkt als der AudioFly-Hörer spielt. Verzerrungen sucht man bei hohen Lautstärken ebenfalls vergeblich, weshalb man leicht in Versuchung gerät, die Musik etwas lauter zu drehen als nötig. Möglicherweise das Verdienst der erwähnten speziellen Konstruktion der Schallführung.
Unplugged: stop, elektrifizierte Verzerrung: play! Das für die Beurteilung von härterem Musikmaterial wie verzerrtem E-Gitarrenriffing und Growl-Gesang herangezogene Album hört auf den Namen M und stellt das erste Studioalbum des dänischen Soloprojekts Myrkur (auf Amazon anhören) dar. Dahinter steht die Dänin Amalie Bruun. Die recht einfach gehaltene Musik wird in einschlägigen Kreisen oft auch abfällig als „Hipster-Metal“ bezeichnet, da ihr die Komplexität „echten“ Blackmetals fehlt – mir gefällt die Platte trotzdem. Und wegen der etwas mittenlastigen Aufnahmequalität ist sie auch gut für eine Einschätzung der Wiedergabequalität zu gebrauchen.
Ich war ehrlich gesagt etwas überrascht, wie erwachsen das Lied Hævnen vom kleinen KEF-In-Ear dargestellt wurde. Keine Spur von überbetonten Mitten oder zu wenig Grundton. Die verzerrten Gitarren fügen sich perfekt in das übrige Klanggeschehen ein. Der KEF M100 scheint durch seine breitbandige Gangart also auch für Recordings, die nicht optimal produziert wurden, gut geeignet zu sein. Vermutlich hängt das auch mit dem leicht angehobenen Mid- beziehungsweise Kickbass zusammen. Die Kreischpassagen, die zwischen dem cleanen Gesang immer wieder in den Liedern von Myrkur auftauchen, wirken genreüblich wie Garagensound und werden nicht beschönigt, der KEF M100 softet den Präsenzbereich also nicht. Der Charakter des Liedes bleibt erhalten, doch durch den leicht betonten Bass wird die Mittenlastigkeit des Albums etwas ausgeglichen.
Im Song Jeg er Guden, I er Tjenerne ist beim Trommelwirbel die gute Performance des In-Ears bei tiefen Frequenzen hörbar. Nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ stellt der KEF M100 die Toms spürbar markant und dennoch nicht überbordend in den Raum. Dabei liefert der KEF auch den für den Klangkörper wichtigen Sustain, hier wird nichts verschluckt.
Apropos Raum: Sowohl die Lokalisation als auch die Abgrenzung der einzelnen Instrumente zueinander gelingen dem M100 ohne Tadel. Ja, der In-Ear kann tatsächlich sogar als ein „Raumtalent“ angesehen werden. Das soll aber nicht heißen, dass die gebotene Bühne übergroß dargestellt wird. KEF hat hier eine gute Balance gefunden. Wo andere (auch höherpreisige) In-Ears die Musiker etwas zu nahe aneinanderrücken lassen, kann der KEF M100 sowohl mit Intimität als auch Offenheit punkten. Nämlich dann, wenn sie vom Lied eingefordert werden. Intimität zum Beispiel beim Pianosolo Norn oder ein offener, weitläufiger Raum im Stück Vølvens Spådom.
Die ebenfalls aus Skandinavien, nämlich von den Färöern, stammende Singer/Songwriterin Guðrið Hansdóttir startete 2013 mit Janus Rasmussen die Elektropopformation Byrta. Im gleichnamigen Lied des selbstbetitelten ersten Studioalbums Byrta (auf Amazon anhören), das übrigens komplett in färöischer Sprache gesungen wird, kann der KEF M100 mit seiner sehr guten Bassqualität überzeugen. Der Tiefton wirkt sehr straff und gut konturiert. Das Nachschwingen des elektronisch erzeugten Beats kann, wie schon bei Myrkur angemerkt, als knackig bezeichnet werden. Dabei wird auch klar, dass der Frequenzbereich für einen In-Ear mit dynamischem Full-Range-Treiber erstaunlich tief hinabreicht. Qualitativ kann sich der In-Ear durchaus mit weitaus teureren Kontrahenten messen, wenn er auch nicht an die Meriten eines großen Magnetostaten heranreicht. Einem für seine Bassqualität bekannten In-Ear, dem Stage Diver 4, kann er aber schon recht gefährlich werden, was angesichts des Preises wirklich beachtlich ist.
Trotz der allgemein ausbalancierten Spielweise wird aber auch klar, dass der Tiefton im Kickbass leicht angehoben wirkt, im Gegensatz zu einem Fischer Audio Consonance aber bei Weitem nicht so vehement. Als erfreulich stellt sich auch heraus, dass sich diese kleine Anhebung nur auf den mittleren und oberen Bassbereich erstreckt, die Mitten ab dem Grundton aber in keiner Weise beeinflusst beziehungsweise überdeckt. Hört man nun beim Lied Norðlýsið etwas genauer hin, wird klar, wie gut der gesamte Frequenzgang abgestimmt und wie sehr auf eine möglichst detaillierte Wiedergabe geachtet wurde. Zu Beginn wird der metallisch nachhallende Klang der gezupften Basssaiten deutlicher herausgearbeitet als bei so manch teurerem Over-Ear. Ein Beyerdynamic DT880 600 Ohm zum Beispiel reicht zudem weniger tief hinunter als der KEF M100 es tut. Mit dem KEF-In-Ear macht das Album wesentlich mehr Spaß.
Was mir im ganzen Testzeitraum auffiel, ist die gute Kompatibilität der kleinen In-Ears von KEF mit verschiedensten Verstärkern und Quellgeräten. Das muss nicht immer so sein, wie der unlängst getestete Fabs Basic Dual Driver beweist. Trotz der etwas niedrigen Eigenimpedanz verhält sich der M100 tonal sowohl am 0,1-Ohm-Ausgang des Benchmarks als auch am Burson mit 3 Ohm unauffällig. Bei der Tonalität konnte keine subjektiv wahrnehmbare Klangverfälschung ausgemacht werden. Nur beim für etwas höherohmige, größere Kopfhörer konstruierten NuPrime HPA-9 war ein leichtes Grundrauschen des Verstärkers zu vernehmen, was aber eigentlich für den KEF M100 und seine detaillierte Spielweise spricht. Allerdings war auch die etwas geringere Lautstärke im Vergleich zu anderen In-Ears bemerkbar und spiegelt so auch die geringere Empfindlichkeit von unter 100 dB/mW wider. Der Vollständigkeit halber sei auch noch auf die Qualität des Mikrofons hingewiesen: Im Test mit einem iPhone 4S konnte mein Gegenüber mich ohne Probleme verstehen und auch ich hatte an der Sprachverständlichkeit nichts auszusetzen.
Test: KEF M100 | Kopfhörer