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Klang: Ichos N°TWO

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  1. 2 Klang: Ichos N°TWO

Ichos N°TWO

Vormittag …

Üblicherweise werden größere Testlautsprecher durch eine Spedition zugestellt. Der Entwickler und Chef von Ichos lässt es sich allerdings nicht nehmen, die Ichos N°TWO persönlich in meinen Hörraum zu transportieren und für einen ersten Soundcheck auszurichten. Der dafür anberaumte Sonntagmorgen verschafft uns dann prompt zwei Einsichten. Die erste und eigentlich nicht überraschende ist, dass Lautsprecher nach langen Reisen und insbesondere nach kalten Nächten im Lieferwagen dringend Zeit zum Akklimatisieren im Hörraum benötigen. Sonst klingt es schnell arg harsch und glasig.

Die andere – eher unerwartete – Erkenntnis liegt in der Tatsache, dass die Wiener Lautsprecher es überhaupt nicht schätzen, von Verstärkern an der kurzen Leine geführt zu werden. Meine „Allzweckwaffe“, Audionets Stereoendstufe Amp 1V2, mit reichlich Leistung gesegnet und angeschafft, um allen Eventualitäten seitens möglicher Testlautsprecher zu begegnen, beißt sich an den Rothleitner-Breitbändern schlicht die Zähne aus. Ein klassisches Missmatch, welches wohl der Tatsache geschuldet ist, dass eine gemeinhin zu mehr Kontrolle führende niedrige Ausgangsimpedanz (hoher Dämpfungsfaktor) des Verstärkers von den Ichos N°TWO offenbar mit sprödem, ungelenkem Klangbild goutiert wird. Das ändert sich auch im weiteren Verlauf des Tests nicht und ein kurzer Gegencheck mit dem Devialet D-Premier, gut für zweimal 240 Watt und ebenfalls mit reichlich Dämpfungsfaktor gesegnet, führt zu einem ähnlich unbefriedigenden Ergebnis.

Was macht man, wenn man so in die Bredouille gerät? Nun, da bietet sich ein gutes Mittagessen an und vielleicht auch das eine oder andere Bier.

Nachmittag …

Wieder zurück, tausche ich den Audionet versuchsweise gegen die Röhrenmonos Tenor Audio 75 Wi, sogenannte OTL-Verstärker (Output Transformer Less) – die Endröhren treiben hier die Lautsprecher direkt ohne zwischenliegenden Übertrager. Ein puristisches Konzept höchster Phasentreue. Doch sind OTLs zwingend auf einen hohen und möglichst gleichmäßigen Impedanzverlauf der angeschlossenen Schallwandler angewiesen.

Die Ichos N°TWO mit ihrer nahezu bei allen Frequenzen eingehaltenen Impedanz von über acht Ohm kommen den Tenor Audio 75 Wi somit wie gelegen und das nicht nur auf dem Papier. Quasi aus dem Stand gewinnt die Gesamtperformance der Lautsprecher ungemein. Einzig der weiter vernehmbare Mangel an Bassfülle lässt den Gesichtsausdruck von Herrn Rothleitner noch ein wenig, sagen wir mal, angespannt aussehen. Doch nachdem die Speaker aus einer relativ freien Aufstellungsposition deutlich näher in Richtung Ecke und Rückwand verschoben werden, ändert sich das grundsätzlich. Die Ichos schwingen sich endlich zu einer ihrer Größe würdigen Basswiedergabe auf und Robert Rothleitner beginnt wieder zu lächeln.

Ichos N°TWO
Röhrenamps docken bitte am oberen Minuspol an.
Hier ist zur Linearisierung des Impedanzverlaufs ein Graphitwiderstand verbaut

Nachdem er sich schließlich in Richtung Wien verabschiedet hat, lasse ich die Optik der Lautsprecher noch einige Zeit auf mich wirken. Na gut, etwas kantig schauen sie schon aus, daran kann auch der ovale Aufsatz für den Hochtöner nicht viel ändern. Weiß eigentlich jemand, wie Biogasanlagen wohl aussehen mögen? Halt, das ist unfair. Mit ein wenig schwarzem Klavierlack und drei, vier Svarovski-Kristallen auf der Front werden wohl auch die Ichos N°TWO locker und geschmeidig die Eingangskontrollen der meisten Ehefrauen passieren.

Svarta Bjørn von Kari BremnesKlanglich gibt es im Verbund mit den Tenor’schen OTL-Monos viel Erfreuliches zu berichten. Svarta Bjørn von Kari Bremnes (auf Amazon anhören) hält Basskaskaden bereit, die viele Speaker rundweg überfordern. Dann hilft nur noch die Skiptaste. Mit den beiden 12-Zoll-Breitbandchassis genieße ich das exzellent produzierte Programmalbum der attraktiven Norwegerin nach langer Zeit mal wieder komplett.

Die versprochene untere Grenzfrequenz von 33 Hz lässt sich in meinem Raum allerdings nicht realisieren, es fühlt sich eher nach einem drei dB Punkt um 40 Hz an. Die Bässe schieben allerdings so brachial an, dass eine Diskussion darüber, wie viel Hertz genau bei welchem Pegel in meinem Hörraum noch zu hören sind, doch arg akademisch erscheint. Sicher ist aber, auch wenn es mit den OTL-Amps nicht ganz so sehnig-schlank und ultratief im Bass zugeht wie mit manch gutem Transistorverstärker, dass sich das im Tiefton erzielbare Ergebnis bezüglich Kraft und Definition ohne Frage mit der Konkurrenz messen kann. Ein Quäntchen mehr Kontur wäre mit meinen Acapella La Campanellas (Preis:18.000 Euro) wohl auch noch drin, doch die sich greifbar plastisch vor mir auftürmenden Basswellen auf „Sangen om halstørkleet som va gienglemt“ kommen über die beiden 12-Zöller der N°TWO gleichfalls nie zu fett oder mit aufgeweichten Konturen rüber.

Ichos N°TWO

Offenbar ist die Abstrahlung über die breite Öffnung der Basskehle in Richtung Boden von Vorteil, denn die eigentlich stets vorhandenen Raummoden werden diesmal kaum angeregt. Mit der bassgewaltigen Bremnesaufnahme lässt sich bei einigen Lautsprechern die Tendenz ausmachen, dass in den mitunter überladenden wirkenden Finalteilen der Songs in einen etwas wummernden Bass verfallen wird. Die Wiener Schallwandler überstehen auch diese Nagelprobe bravourös.

Gottlob zeigen sich die Ichos auch in folgenden Tagen intensiver Hörvergleiche keineswegs zickig und ermöglichen es den kanadischen Röhrenendstufen ihren betörend seidigen, lässige Natürlichkeit ausstrahlenden Charme im Mittel-Hochtonbereich auszuspielen. Dem kommt der bewusst nicht zur Schärfe neigende Hochtöner der N°TWO entgegen. Prinzipiell scheint der Mitteltonbereich ähnlich angelegt zu sein. Im Bereich der unteren Mitten und etwas darüber lassen die Lautsprecher mit einem kraftvollen Ton und satten Klangfarben aufhorchen.

maria callasDarüber, im Bereich der oberen Mitten, aber folgt offenbar ein schmaler Einbruch, möglicherweise die Folge einer kleinen, nicht optimal bedämpften Resonanz des Breitbänders. Und diesem fällt ausgerechnet die sonst so stimmgewaltige Maria Callas zum Opfer. Die Primadonna assoluta befleißigt sich als Elvira in Bellinis Il puritani (EMI EAC 77283, Japanpressung, auf Amazon ansehen) einer ungewohnten Zurückhaltung. Ihr sonst strahlender Sopran wirkt ungewohnt zaghaft und matt. Das Verrückte daran ist, dass Kari Bremnes Alt-Stimme mit dem satten Timbre von dieser Ungereimtheit offensichtlich vollkommen verschont bleibt. Vielleicht mögen die Ichos ganz einfach keine Opern?

Alles andere wohl schon, denn was immer ich den Ichos N°TWO in den nächsten Tagen auch verabreiche, ob Peter, Paul and Mary, Altmeister Harry Belafonte oder Neils Lofgrens und sein berühmtes Acoustic-Live-Album, stets gerät die Performance auf angenehme Weise natürlich und ausgeglichen, ganz besonders mit akustischen Instrumenten. Es mag wohl stimmen, dass manche Breitbandlautsprecher gelegentlich zu tonal unerwartet ausgeprägter Eigenmächtigkeit neigen. Die Ichos – lässt man die oben erwähnte Besonderheit bei der Callas einmal außen vor – nicht.

Ichos N°TWO

Ultraorthodoxe Jünger beinhart-asketischer Neutralität werden vermutlich dennoch die Unbestechlichkeit einer Progressive Audio Extreme 2 aktiv bevorzugen. Doch gerade bei weniger audiophilen Aufnahmen kann sich ein kleiner Schuss mehr Mittenwärme und ein robust ausgebauter Grundton sehr positiv auf das Gesamtergebnis auswirken. Möglich auch, dass sich der Frequenzverlauf des Hochtöners im Bestreben größtmöglicher Langzeittauglichkeit ein oder zwei dB tiefer absenkt als es die reine Lehre wäre. Aber seien wir ehrlich, wer sich daran wirklich reiben will, für den sind die N°Two vermutlich sowieso die falschen Lautsprecher.

Frederick Fenell/ Eastman Wind Ensemble, Winds in Hifi, Mercury SR90173Wer sich auf sie einlässt, wird von den aufwändig gestalteten Titankalotten der Ichos-Hochtöner mit ungeahnten Qualitäten belohnt, beispielsweise wenn die Serenade in Es-Dur für dreizehn Blasinstrumente von Richard Strauss (Frederick Fenell/ Eastman Wind Ensemble, Winds in Hifi, Mercury SR90173) auf dem Programm steht. Schließlich gilt es je zwei Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotte, sowie vier Hörner und ein Kontrafagott einigermaßen differenziert zu Gehör zu bringen. Und das gelingt erstaunlich gut.

Ohne die Verdienste der Ichos schmälern zu wollen: Es sind gar nicht mal so sehr die eben erwähnten Meriten, welche die Ichos N°TWO zu etwas Besonderen machen. Der spezielle Reiz der Ichos liegt für mich in der Kombination eines Horns mit einem großen, hart aufgehängten Breitbandchassis. So etwas könnte man als ernstzunehmendes Versprechen auf außergewöhnliche dynamische Kompetenz auffassen.

Atomic B mit der Tobias Becker Bigband Das aktuelle Album Atomic B mit der Tobias Becker Bigband (auf Amazon anhören) kommt da genau richtig. Erschienen bei Neuklang, dem Label der bekannten Bauer-Studios, weshalb man getrost voraussetzen darf, dass massentaugliche Dynamikkompression bei der Aufnahme keine Rolle gespielt hat. Der Anspieltipp: „Joaquin“. Erst treiben Bass und Schlagzeug das Stück mit zwingendem Rhythmus voran, dann folgt ein feiner, kaskadenartiger Bläsersatz und schließlich Soli von Saxophon und herrlich perkussiv gespielter, vermutlich halbakustischer Gitarre. Immer wieder steigert sich die Big Band von Höhepunkt zu Höhepunkt. Wer die Ichos in ihrem ureigensten Element erleben will, dreht den Volumenregler jetzt mal richtig weit auf. Das nahezu ansatzlos abrufbare Beschleunigungsvermögen der N°TWO ruft dann blitzartig in Erinnerung, dass hier tatsächlich ein Hornsystem am Werke ist. Eine fast explosive Art der Dynamikentfaltung, die im Bedarfsfall mit einem wirklich saftigen Punch aufwarten kann.

Dizzy Gillespies Big 4Das lässt sich auch mit gutem, altem Vinyl anschaulich belegen. Auf meiner deutschen Pressung von Dizzy Gillespies Big 4 (LP, Pablo, auf Amazon ansehen) nimmt der Opener „Frelimo“ zunächst ganz verhalten Fahrt auf, bis dann Dizzys Trompete mit maximaler Kraft geblasen die Gemütlichkeit schlagartig beendet. Mir stockt jedes Mal der Atem, allein dieser Moment ist die Anschaffung der Scheibe wert! Und ziemlich sicher dürften innerhalb der Preisklasse der Ichos nur ausgewiesene Hornsysteme ähnlich druckvoll und schnell agieren können. Kleiner Warnhinweis für alle, die jetzt an einen Termin zum Probehören denken: Eine solch pfeilschnelle Dynamik hat eindeutig Suchtpotential!

Saint Sains OrgelsymphonieKein schlechtes Beispiel ist auch Saint Sains Orgelsymphonie, hier in der Aufnahme des City of Birmingham Orchestra unter Louis Fremaux. Die Momente, in denen die Orgel in das musikalische Geschehen eingreift, gehören zu den erklärten Höhepunkten der Symphonie. Mit den weitverbreiteten Monitorboxen und kleinen Standlautsprechern verkommt der Auftritt der „Königin der Instrumente“ leider allzu häufig zu einem mehr oder weniger lauen Lüftchen. Selbst mit den für ihre Größe erstaunlich basstüchtigen Progressive Audio Extreme 2 aktiv hat der Auftritt der Orgel mehr etwas von schmuckem Beiwerk, denn tragendem Moment. Die Ichos hingegen belassen der Großorgel ihren monumentalen Klangcharakter, verkraften die hohen dynamischen Anforderungen ohne jedes Anzeichen von Stress. Da sie im Gegensatz zu den Extreme 2 aktiv, die sich im unteren Mittenbereich besonders linear verhalten, hier leicht anschieben, erfährt das majestätische Instrument eine willkommene Unterstützung und kann sich schließlich im Finale der Symphonie von den hart aufgehängten Treibern nahezu ungebremst, druckvoll und mächtig in Szene setzen. Genau so hätte Saint-Saens es wohl gewollt!

Ichos N°TWO

Liszts Totentanz (Fritz Reiner/CSO/Solist Byron Janis, LSC 2541/Classic Records, WeißpressungBei Liszts Totentanz (Fritz Reiner/CSO/Solist Byron Janis, LSC 2541/Classic Records, Weißpressung, auf Amazon anhören) wiederum wird der Konzertflügel von Byron Janis stellenweise fast wie ein Perkussionsinstrument gespielt, um lautmalerisch das Klappern von Knochen zu imitieren. Die Ichos N°Two arbeiten das viel deutlicher heraus als etwa meine Monitorlautsprecher Clockwork Event Horizon, welche die in kurzer Schlagfolge in die Tasten gehämmerten Noten hörbar weniger impulsiv reproduzieren. Auf der anderen Seite wiederum sind die oben genannten, auf Zeitrichtigkeit gezüchteten Progressive-Audio-Modelle natürlich prädestiniert, solche Impulse präzise zu reproduzieren. So wundert es denn nicht, dass die Progressives sowohl den Anschlag als auch die Resonanz des Flügels noch etwas besser differenzieren.

Franz Schuberts Streichquartett in D-Moll Der Tod und das MädchenAuch mit kleineren Besetzungen sind die Backloaded-Breitbänder durchaus für Überraschungen gut. Nur selten habe ich die dynamischen Facetten von Franz Schuberts Streichquartett in D-Moll Der Tod und das Mädchen (Juilliard String Quartet/ LSC 2378) so deutlich nachvollziehen können, wie mit den Schallwandlern aus – wie passend – der Heimatstadt Schuberts. Die Ichos können das beständige Spiel mit der Lautstärke besonders fein abgestuft wiedergeben. Auch die immer wieder schroffen und unisono geführten Zäsuren, die den Rahmen für die thematische Arbeit dieses Streichquartetts bilden, können mit Hilfe der extrem schnell ansprechenden Lautsprecher ihre dramatische Wirkung noch steigern.

Selbst die nicht gerade geringen Anforderungen an die variierenden rhythmischen Elemente, die anderswo schon mal glattgebügelt werden, meistern die N°TWO mit ziemlicher Leichtigkeit.

Ichos N°TWO
Die Stellfläche der Hochtoneinheit auf der unteren Gehäusesektion

Wer beim Musikhören besonders auf das Kopfkino und die Illusion der Raumes Wert legt, wird von den Ichos-Schallwandlern nicht enttäuscht, auch wenn die N°Two dabei Objekte nicht ganz so messerscharf umreißen, wie etwa die genannten Lautsprecher aus der Essener Highend-Schmiede Progressive Audio. Deren Koaxialtreiber sind in Bezug auf Ortung und Plastizität bauartbedingt nur schwer in den Schatten zu stellen. Aber auch die Ichos beherrschen die Imagination einer Bühne. Wie sie die Mitglieder des Eastman Wind Ensembles, bei der Strauss’schen Bläserserenade immerhin dreizehn Instrumentalisten, in einer Art Halbrund platzieren, ihnen auch noch anständig dreidimensionale Körper verleihen, ist im Grunde bar jeder Kritik. Nur wenn zwei oder drei der Musiker sehr nahe beieinander sitzen oder stehen, ist es, wie im richtigen Konzert, schnell aus mit der präzisen Ortung.

Was die Größe der entworfenen Räume angeht, bleiben die Ichos eher den Tatsachen verpflichtet als verschwenderische Weite zu demonstrieren. Dabei fokussieren sie mehr auf die Breite als auf maximale Tiefenausdehnung. Doch mag das zumindest teilweise mehr an der beschriebenen relativ wandnahen Aufstellung in meinem Hörraum liegen als an der grundsätzlichen Konzeption der Ichos. Versuchsweise weiter in den Raum gezogen, öffnet sich auch die Bühne zunehmend nach hinten. Allerdings lässt der sogleich erneut zu beklagende Verlust an Bassautorität zumindest in meinem Raum keinen Zweifel daran, dass die zuvor gewählte Position ohne Frage den besseren Kompromiss darstellt.

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