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Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Ohne Filter, aber mit Köpfchen
  2. 2 Hornmanufaktur Kalypso: Hörtest

Boxen von großen, weltweit agierenden Herstellern gibt es in allen Größen, Formen und Preisklassen. Doch wer Abwechslung vom Mainstream sucht, ist bei kleinen, feinen Manufakturen oft besser aufgehoben, deren Produkte eine eigene Philosophie verfolgen und sich nicht in jedem Punkt dem Massengeschmack anpassen. So wie zum Beispiel die der Hornmanufaktur von Gerald Hüpfel. In Jennersdorf, einem 4000-Einwohner-Städtchen im österreichischen Burgenland, lässt er in Handarbeit Schallwandler entstehen, die primär auf Breitband-Treibertechnologie setzen. Für das nagelneue Jubiläumsmodell Kalypso (ab 8.000 Euro pro Paar) hat sich Hüpfel einige besondere Kniffe einfallen lassen: Vorhang auf für den Breitbänder im Hornreflex-Gehäuse mit Rundum-Superhochtöner.

Hornmanufaktur Kalypso: Lautsprecher mit Breitbandtreiber mit 360-Grad-Hochtöner

Ungewöhnliches Konzept: Die Hornmanufaktur Kalypso kombiniert einen frequenzweichenlos betriebenen Breitbandtreiber mit einem 360-Grad-Hochtöner

Was die Spedition hier im Vorgarten abstellt, erinnert nicht unbedingt an eine Lautsprecherverpackung: In dem breiten, massiven Kasten aus Spanplatten, der an eine Transportpalette angeschraubt ist, könnte alles Mögliche drin sein: vier Zentner Bananen, drei XXL-Packungen Hundefutter oder ein Laubbläser für Hochhaushausmeister. Doch Pustekuchen: Nach dem Entfernen der Schrauben auf der Oberseite kommen zwei zierliche Lautsprecher zum Vorschein, die in Decken und Styroporstützen gehüllt sind. Ihr Name „Kalypso“ stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie versteckt oder die Versteckerin. Nun, Verstecken habe ich mit den je 17,8 Kilogramm schweren Lautsprechern nicht gespielt, dafür aber Gewichtheben: Um das Gesamtpaket samt Palette ins Haus zu schleppen, waren Durchhaltevermögen, starke Oberarme und feste Bandscheiben gefragt.

Traditionelle Handwerkskunst

Die Lautsprecher stellen sich auch bei genauerem Hinsehen als handwerklich sehr professionell verarbeitet heraus. Die Verarbeitung ist wirklich makellos – präzise Spaltmaße, edle Hölzer, die Finger wandern gern über die Oberfläche. „Ich arbeite mit verschiedenen Tischlereien zusammen, die alle bereits seit Generationen in Familienbesitz sind“, sagt Hornmanufaktur-Chef Gerald Hüpfel über seine Partner. Die beiden Testexemplare kamen in hellem Ahornholz, das sehr wohnraumfreundlich und dezent wirkt. Der Basispreis von 8.000 Euro pro Paar bezieht sich auf Birke, Kirsche, Buche und Walnuss, die beiden Ahorn-Testexemplare kosten etwas mehr: 8.400 Euro. Grundsätzlich, so Hüpfel, kommen nahezu alle europäischen Holzarten aus nachhaltiger Forstwirtschaft infrage, exotisches Tropenholz scheidet hingegen aus.

Die Wartezeit auf ein Pärchen beträgt circa zehn bis zwölf Wochen, bestellt wird beim Chef persönlich. Denn im Online- und stationärem Handel ist die Hornmanufaktur nicht vertreten, eine von vielen Besonderheiten des Jennersdorfers Herstellers, der auf seiner Website auch gerne mal auf Latein zurückgreift: „Qui habet aures audiendi audiat“, was so viel wie „Wer Ohren hat zum Hören, der höre“ bedeutet. Aber auch die Optik spielt eine Rolle. „Die Kalypso sollte ein kompakter Lautsprecher werden“, erklärt Hüpfel, „geeignet und gedacht für den modernen, urbanen, räumlich begrenzten Wohnraum. Er sollte optisch unaufdringlich und mit vielen Einrichtungsstilen verträglich sein.“ Mission geglückt: Die Hornmanufaktur Kalypso sieht tatsächlich unauffällig aus – bis auf eine auffällige Besonderheit (siehe nächster Absatz).

Brexit-Gedenklautsprecher

Die wartet auf der Oberseite der Hornmanufaktur Kalypso: ein Hochtöner, der nach oben Richtung Decke abstrahlt. „Was zur Hölle soll das?“, fragen Sie sich?

Omnidirektionales Hochtonsystem der Hornmanufaktur Kalypso

Die omnidirektionale Abstrahlung des Hochtons soll einem weitläufigen Raumeindruck förderlich sein

Die Hornmanufaktur hat sich natürlich etwas dabei gedacht: Zusätzlich zum Fünf-Zoll-Breitbänder strahlt ein von vorne nicht sichtbarer, per Kondensator angekoppelter Ringradiator nach oben auf einen Diffusorkegel, der das Hochtonsignal wie ein Rundumstrahler 360 Grad in den Raum verteilt. Das dient, so Hüpfel, „der räumlichen Abbildung und einer Stereowahrnehmung in einem weit größeren Bereich als bei einem Direktstrahler“. Folglich soll es keinen beziehungsweise einen sehr großen Sweetspot geben. Die beiden Diffusorkegel liegen den Lautsprechern in einer kleinen Schachtel bei – einfach wie ein Bauklötzchen in die dafür vorgesehenen Vertiefungen stecken, fertig!

Ringradiator-Hochtöner der Hornmanufaktur Kalypso

Die höheren Lagen werden bei der Kalypso von einem Ringradiator unterstützt

Der Fünf-Zoll-Breitbänder, der sich ungefiltert direkt hinter den Lautsprecherklemmen befindet und quasi direkt an der Endstufe hängt, stammt aus Großbritannien. „Mit dem Hersteller wurde Stillschweigen über die Provenienz vereinbart, weil er selbst Boxen baut und verkauft“, sagt er. „Ich bin der einzige Hersteller, der beliefert wird. Ich kann nur sagen, dass es sich um einen britischen Traditionshersteller handelt, der seit über vier Jahrzehnten in nunmehr zweiter Generation Breitbänder mit Metallmembranen baut.“ Deshalb nennt Hüpfel die Kalypso auch gern „Brexit-Gedenklautsprecher“.

Der Fünf-Zoll-Breitbänder der Kalypso

Der Fünf-Zoll-Breitbänder der Kalypso verantwortet (fast) den gesamten Frequenzbereich

Die Hornmanufaktur Kalypso nahm bis dato die längste Entwicklungszeit in Anspruch. „Ich habe den Treiber vor circa zwei Jahren erstmals gehört und gewusst, ich muss damit etwas machen“, verrät er. „Leider hat er sich vielen Gehäuseformen verwehrt, eine echte Diva. Es wurden sehr viele Prototypen gebaut und wieder verworfen. Nunmehr habe ich das richtige Biotop gefunden.“ Breitbänder kommen dem Ideal der punktförmigen Schallquelle am nächsten, weil sie (fast) den gesamten Frequenzbereich abdecken – dementsprechend benötigen sie auch keine Frequenzweiche. Ein häufiges Problem ist allerdings, dass sie an den Rändern, also den Bässen und Höhen, leicht schwächeln.

Rückseite der Hornmanufaktur Kalypso

Das Gehäuse der Hornmanufaktur Kalypso arbeitet nach dem sogenannten Hornreflexprinzip, die Öffnung befindet sich auf der Rückseite. Der Hersteller empfiehlt wand- oder ecknahe Aufstellung

Das Gehäuse entwickelte Hüpfel nach dem Hornreflexprinzip – ein Hybrid aus Horn und Bassreflex. Das erlaube ein kleineres Gehäuse als bei einem Backloaded-Horn und eine tiefere Grenzfrequenz. Der Ausgang befindet sich unten auf der Rückseite, wodurch der Raum quasi selbst zum Horn werden und so den Bassbereich verstärken soll. Deshalb kann die Hornmanufaktur Kalypso auch in Wand- und sogar in Eckennähe stehen, Hüpfel empfiehlt einen Abstand zwischen 20 und 50 Zentimetern bei leichter Einwinkelung auf den Hörplatz: „Rückwand und Ecken verlängern das Horn und heben den Wirkungsgrad im Bassbereich. Raum und Lautsprecher sind hier als System zu betrachten.“

Das Gehäuse (Höhe: 1,10 m inklusive Hochton-Diffusorkegel) besteht aus mehreren Schichten Sperrholz, das innen mit Bitumenplatten verkleidet ist. Die große Bodenplatte mit höhenverstellbaren Füßen verhindert das Umkippen der zierlichen Lautsprecher. Innen kommen vier Solid-Core-Einzelleiter eines österreichischen Herstellers zum Einsatz, die aus hochreinem, sauerstofffreiem Kupfer bestehen.

So viel zur Technik. Schreiten wir nun zum Genussteil: dem Hörtest. Als Spielpartner dient der kräftige Vollverstärker McIntosh MA8900 AC (9.780 Euro), dessen D/A-Wandler Signale vom Musikserver NAD M50.2 (4.750 Euro) entgegennimmt.

Hornmanufaktur Kalypso: Hörtest

Die zum Einspielen komplett im Raum stehende und hier noch zu dünn klingende Kalypso verändert sich deutlich, wenn sie in Wandnähe ihren Dienst verrichtet – mehr dazu später. Zunächst einmal beeindrucken zwei für Breitbänder typische Gepflogenheiten: verblüffende Räumlichkeit und eine direkte In-Your-Face-Spielweise. Die Kalypso fackelt nicht lange, sie steht sofort bereit: Hallo, hier bin ich – lausche, höre, fühle! Gemütlich und langsam geht anders, Umwege sollen doch die anderen einschlagen, ich suche lieber gleich den direkten Weg zum Trommelfell!

Hornmanufaktur Kalypso vor HiFi-Anlage

Diese Direktheit geht jedoch nicht mit einer kleinen Bühne einher, im Gegenteil: Die ist herrlich weitläufig. Die Bühne dehnt sich links und rechts ein Stückchen über die Lautsprecher aus und erreicht eine erstaunliche Größe für so einen doch recht zierlichen Lautsprecher. Das liegt sicherlich auch am ungewöhnlichen, zuvor beschriebenen 360-Grad-Hochtöner, der wie ein Erdmännchen auf dem Lautsprecher thront, alles im Blick behält und die hohen Töne im Raum verteilt. Aufgrund der Nähe zur Mauer dehnt sich die Bühne jedoch kaum nach hinten aus, die Wiedergabe endet leicht versetzt hinter der Lautsprecherbasislinie. Da sich das Klangbild jedoch weit nach vorne ausdehnt, bekommt die Hornmanufaktur Kalypso trotzdem eine schöne Tiefenstaffelung hin. Die Instrumente stehen klar umrissen, greifbar und gestaffelt im Raum, hier hat alles – Applaus! – seinen präzisen Platz.

Klavier statt Krawall

Natürlich eignet sich die Hornmanufaktur Kalypso nicht für jede Musikart gleichermaßen gut. Metal, Hard Rock, Punk und generell auf Krawall getrimmte Stromgitarren liegen ihr nicht wirklich, das fällt schnell auf. Hier klingt sie meist eine Spur zu direkt und hell, aber für solcherlei hat Hüpfel sie wahrscheinlich auch nicht konstruiert. Das wirkt in etwa so, als würde man in einem Wiener Kaffeehaus Türme aus Marshall-Verstärkern aufbauen, Slipknot oder Metallica auf den Tresen zerren und sie zu „Aber bitte mit Sahne“ zwingen.

Hot Water Music Feel The VoidEs gibt jedoch Ausnahmen: Richtig fett produzierter Rock klingt dann doch wieder amtlich, eher schwachbrüstige, hellere, meist ältere Sachen machen hingegen wenig Spaß. Bestes Positivbeispiel: das neue Hot-Water-Music-Album Feel The Void (VÖ: 18. März; auf Amazon anhören). Das ist herrlich fett produzierter, hemdsärmeliger Reibeisen-Rock mit Punk-Wurzeln und Bruce-Springsteen-Vibes. Bei mir bildet sich schon nach wenigen Tönen ein Fünftagebart.

Hornmanufaktur Kalypso - Vorder- und Rückseite

Setzen wir nun jemanden mit weniger Haarpracht und Schaum vorm Mund gepflegt an den Flügel, bestellen einen großen Braunen und lauschen andächtig – zum Beispiel den finnischen Komponisten und Jazzpianisten Iiro Rantala, einen Meister seines Fachs. Der nahm 2011 das Album Lost Heroes auf, auf dem sich die schwermütige, rein instrumentale Klavierballade „Tears For Esbjörn“ befindet – ein Stück, das er dem 2008 auf so tragische Weise verstorbenen Esbjörn Svensson gewidmet hat. Das passt ausgezeichnet: Ruhigere Stücke liegen der Hornmanufaktur Kalypso, auch diese Erkenntnis benötigt nicht viel Zeit. Hier spielt sie ihre Stärken voll aus. Rantala ist ganz nah, man hört ihn atmen und pumpen, nichts geht verloren. Jeder noch so zarte und später auch härtere Anschlag findet den direkten Weg ins Herz. Bisweilen erinnert mich diese unmittelbare, authentische, sehr nahe Spielweise an meine Martin Logan Impression 11A (14.000 Euro), die freilich in einer anderen Liga und Preisklasse spielt. Noch ein Beispiel: „Living Proof“, die Eröffnungsnummer vom aktuellen The-War-On-Drugs-Album I Don’t Live Here Anymore. Auch dieser melancholische Song erfordert Fingerspitzengefühl und Feindynamik, um ihn entsprechend authentisch darzustellen – kein Problem für die Kalypso, wirklich schön und vor allem natürlich anzuhören.

Paul Kalkbrenner 7Ruhige Musik und Feindynamik beherrscht sie also mit herausragender Natürlichkeit, die Österreicherin. Doch wie sieht es mit der Grobdynamik und der Bassgewalt aus? Fragen wir mal Techno-DJ Paul Kalkbrenner und seinen „Cloud Rider“ von 2015er-Album 7 (auf Amazon anhören) – mit diesem Bass kann man ganze Häuserblöcke wackeln lassen. Die Hornmanufaktur Kalypso ist kein Tieftonspezialist, wie ihre Größe bereits vermuten lässt, auch nicht bei wandnaher Aufstellung. Dafür bleibt der Bass immer auf der definierten und trockenen Seite, sofern man sie nicht komplett an die Wand schiebt oder voll aufdreht. Im Vergleich mit der preislich ähnlichen Audio Note AN-J/LX HEMP, die ich vor ein paar Monaten testen durfte, produziert sie weniger Bass, agiert aber ähnlich anspringend und direkt. Also: Techno- und Elektro-Nummern machen mit der Kalypso durchaus Spaß, denn sie versprüht einen ganz speziellen Charme, da sie das Geschehen so spritzig und räumlich darstellt. Freilich sollte man auf extreme Pegel, Dynamikattacken und Tiefbässe verzichten können, aber das ist bei solch einem Konzept ja wohl eh selbstverständlich.

Hornmanufaktur Kalypso in Kirschefurnier-Ausführung

Hornmanufaktur Kalypso in Kirschefurnier-Ausführung

Die goldene Mitte

Werfen wir noch einen Blick auf den Mitteltonbereich der Burgenländerin. Hier fällt auf, dass die mittleren und oberen Mitten leicht prononciert rüberkommen, was auch den sehr direkten und nach vorne stürmenden Klangeindruck unterstützt. Die unteren Mitten, die für die Wärme und Fülle des Klangbildes sorgen, fallen im Vergleich dazu etwas ab. Stimmen wirken präsent, wie Anna Calvis „Hunter“ von ihrem gleichnamigen 2018er-Album zeigt. Die eingängige 80er-Pop-Altenative-Wave-Nummer lebt – wie die meisten Songs – von ihrer ausdrucksstarken Stimme. Okay, das Stück klingt selbst auf einem Kofferradio noch mitreißend, aber die Kalypso rückt den Gesang prominent in den Vordergrund, was die Wirkung des Songs noch verstärkt.

Ghosteen Nick Cave & The Bad SeedsDiese Erfahrung mache ich auch mit Ghosteen, dem 2019er-Album von Nick Cave & The Bad Seeds (auf Amazon anhören), das von warmen Ambient-Teppichen, analogen Synthesizern, Sprechgesang und viel Melancholie getragen wird. Das vom Klavier dominierte, leicht ins Kitschige abdriftende „Waiting For You“ transportiert eine ganz bestimmte, kaum in Worte zu fassende Stimmung, die die Hornmanufaktur Kalypso wunderbar ohne zu viel Zucker in der Stimme einfängt. Cave schraubt sein Organ hier in für ihn ungewohnte Höhen und zeigt mit brüchiger Stimme seine Verletzlichkeit.

Ganz weit oben

Die Höhen wirken frisch und klar, der 360-Grad-Hochtöner sorgt nicht nur für die bereits beschriebene Bühnenbreite, sondern auch dafür, dass die oberen Lagen recht prominent ertönen. Ich empfand die Höhen aber nie als unangenehm – okay, bei verzerrten E-Gitarren schießen sie, wie erwähnt, schon mal übers Ziel hinaus –, sondern lediglich frisch und nur ein wenig aus dem Klangbild heraustretend. Das passt aber irgendwie auch zur hohen Auflösung der österreichischen Schallwandler, die keinerlei Details unterschlagen. Auflösungstechnisch liegen sie gleichauf mit der Audio Note AN-J/LX HEMP, was zum Beispiel der fragile, sich langsam aufbauende Beginn von Tools „Eulogy“ vom 1996er-Album Ænima zeigt. Lautsprecher mit Auflösungsproblemen verschlucken die ersten Sekunden gerne mal, was bei der Hornmanufaktur Kalypso nicht geschieht.

Standfuß der Hornmanufaktur Kalypso

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Test: Hornmanufaktur Kalypso | Standlautsprecher

  1. 1 Ohne Filter, aber mit Köpfchen
  2. 2 Hornmanufaktur Kalypso: Hörtest

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