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Da stehe ich nun im Hörraum mit der HMS Energia MkII in der Hand und frage mich: Wie fange ich am besten an? Hinterm Rack befindet sich das Vorgängermodell, das seit einigen Jahren treu seinen Dienst verrichtet – und im Schrank eine in ein schweres Metallgehäuse gehüllte, mit sternförmiger Erdverdrahtung sowie 2,5 mm²- und 3 mm²-Kupferleitern ausgestattete Netzleiste von MF-Electronic, welche mir bereits bei vielen Vergleichen zur Seite stand, aber schließlich von der Energia MkI abgelöst wurde. Zuvor hatte sich die MF-Electronic zum Beispiel gegen eine Oehlbach XXL Powersocket 808 oder auch eine ungefilterte HB Cable Design Horizon PowerStrip durchgesetzt, gegen eine gefilterte ISOL-8 Mini Sub II aber auch schon mal den Kürzeren gezogen. Und klar, eine handelsübliche Baumarktleiste fliegt sicherlich irgendwo in unseren Räumlichkeiten auch noch herum.
Starten wir doch am besten mit einem HMS-internen Vergleich „Alt gegen Neu“, um im Anschluss die ungefilterte MF-Electronic-Leiste antreten zu lassen – deren letzter Vergleich mit der MkI liegt schon eine Weile zurück, seinerzeit waren auch andere Audiokomponenten am Start, allein von daher bin ich gespannt, wie die Neuauflage des Vergleichs ausfallen wird. Zum Schluss und zur grundsätzlichen Einordnung des Themas „hochwertige Netzleiste“ darf die Baumarktleiste in den Ring.
Familienduell
Nun, die Ur-Energia gefiel und gefällt mir, Sie ahnen es, ziemlich gut, gerade auch in Sachen Preis/Leistungsverhältnis: Eine klarer definierte Räumlichkeit und Plastizität sowie ein weniger zu Härten neigender, beruhigter Hochton, der – wie vom letzten Schleier und Grissel befreit – sauberere Klangfarben sowie einen transparenteren Blick auf Feinheiten ermöglicht, zählen zu ihren Schokoladenseiten. Beim ersten Umstecken auf die HMS Energia MkII will ich eigentlich noch gar nicht in den analytischen Hörmodus wechseln, sondern mir zunächst entspannt einen Gesamteindruck verschaffen: Gibt’s ein mehr oder weniger subtiles neues Über-alles-Hörgefühl?
Nichtsdestotrotz fällt mir unweigerlich das erste signifikante Detail ins Ohr: Der Bass kommt präziser und konturierter rüber. Was sich in weiteren intensiveren Hörrunden bestätigt: In Brian Enos „Fractal Zoom“ (Album: Nerve Net, auf Amazon anhören) tönen die gar nicht mal so voluminös, aber trocken eingefangenen Bassdrumschläge noch zackiger und punktgenauer, auch im Zusammenhang mit dem E-Bass stellt sich das Gefühl ein, das untenrum alles etwas differenzierter, trennschärfer, weniger miteinander vermengt anmutet.
Cakewalks „Bells“ (Album: Transfixed, instrumental, rhythmisch, experimentell, aber nicht zu anstrengend, Anhörtipp: auf Amazon anhören) vermittelt die Unterschiede gar noch deutlicher: Die HMS Energia MkII klingt nicht nur tieftonseitig, sondern von Kopf bis Fuß einen Deut präziser und dynamischer, die Vorgängerin etwas weicher beziehungsweise – wenn sich das im Grunde auch zu böse liest, schließlich bin ich mit ihr jahrelang sehr gut ausgekommen – verhangener. Der Basslauf in „Bells“ gerät abermals straffer, exakter und überraschenderweise zudem einen Hauch druckvoller, wenn die Energia MkII vor die Anlage geklemmt wird. Die in den höheren Lagen angesiedelte metallische Perkussion glänzt funkelnder, hat mehr Attack, ohne (!) dabei unangenehme Schärfe zu entwickeln. Ihre feineren Schwingungsanteile – dieser Effekt fällt mir bei diesem Titel erstmals so deutlich ins Ohr – muten schlichtweg luftiger, komplexer, wie weiter aufgefächert beziehungsweise weniger komprimiert an. Schließlich wirkt der dem Titel den Namen verleihende, nach einigen Takten einsetzende Glockensound tonal zu den oberen Frequenzen hin einen Tick offener, dessen Klangfarbe mithin kontrastreicher und weniger matt.
Stark finde ich, dass das Plus an dynamischer Energie, Präzision und Hochtonoffenheit – man könnte auch einfach zusammenfassend schreiben: Durchlässigkeit – nicht mit eingeschränkter Langzeittauglichkeit beziehungsweise zu keiner Zeit mit einer Zunahme an (artifizieller) Silbrigkeit oder Härte erkauft wird. Schlechte Aufnahmen bleiben mit der HMS Energia MkII so gut beziehungsweise schlecht verdaulich wie mit ihrer Vorgängerin – und deren Stärke war und ist ja unter anderem, dass Musik angenehm stressfrei(er), eingängiger gereicht wird. Ausnahmen könnten allenfalls HiFi-Anlagen bilden, die das Klangbild künstlich anschärfen oder greller darstellen, wie das etwa mit meinen verflossenen Thiel CS 3.7 im Verbund mit bestimmten Verstärkern durchaus der Fall war. Hier könnte ich mir vorstellen, dass die etwas verhaltenere Gangart der MkI-Leiste – auch wenn sie weniger der reinen Lehre folgt – ein stärkeres Gegengewicht zu schaffen vermag. Aber dass man eine „Klangbeule“ mit einer gegensätzlichen ausgleichen kann (bisweilen sogar recht erfolgreich), ist ja eigentlich auch nur trivial.
Farbenspiele: Wie klingt schwarz?
Ein kurzer Seitenblick noch auf die optional (alternativ oder zusätzlich) wählbaren schwarzen Steckplätze für Komponenten, die sich mehr als 500 Watt Leistungsaufnahme gönnen: Wenn Vorstufe, DAC und Rechner an den für sie vorgesehenen roten Plätzen nuckeln und ich meine Monos NuForce Reference 20 von „Grün“ auf „Schwarz“ umstecke – was die genügsamen Class-D Blöcke keinesfalls nötig hätten – scheint die Filterwirkung insgesamt etwas abzunehmen: Es dreht sich zwar nur um Nuancen, die Wirkung der HMS Energia MkII kommt so oder so zur Geltung, dennoch empfinde ich, dass der ebenso beruhigende wie präzisierende Einfluss der HMS Energia MkII noch einen Tick stärker in Erscheinung tritt, wenn sich meine Amps an den grünen Buchsen laben dürfen.
Mit versus ohne Filter
Nun, der Wechsel von der HMS Energia MkII auf meine ungefilterte MF-Electronic-Netzleiste bringt Veränderungen mit sich, die ich in dieser Stärke eigentlich nicht erwartet hätte. Die letzten Vergleiche (seinerzeit noch mit der MkI) liegen wie gesagt eine ganze Weile zurück, damals nannte ich noch ein Pärchen Thiel CS 3.7 mein Eigen, die einerseits hochdynamisch und mit dem präzisesten Bass, den ich von Passivboxen kenne, zu Werke gingen, aber auch etwas zur Zischeligkeit und Härte neigten. Und Netzfilterungen bringen fast immer eine gefühlte Beruhigung ins Klangbild, von der Konstellationen mit Lautsprechern wie den Thiel natürlich besonders profitieren. Meine verzerrungsarm wie ein Frühlingslufthauch zu Werke gehenden Sehring 902 (siehe auch Test Sehring 903) haben dagegen nun überhaupt keine Beruhigungstabletten nötig, auch die Neigung zur Angestrengtheit im Hochton glänzt durch Abwesenheit.
Netzleiste von MF-Electronic
Aber werden wir konkret: Im direkten Vergleich mit der HMS Energia MkII ist das einzige gute Haar, das ich an der ungefilterten MF-Electronic-Leiste lassen kann, dass es mit ihr einen Tick forscher, kantiger, hochtonbetonter, mithin im ersten Moment womöglich anmachender tönt. Und das eigentlich auch nur mit extra gutem Willen. Warum? Weil genau diese Merkmale zwar schon unschwer ins Ohr fallen, aber lediglich Begleiterscheinungen sind, deren eigentliche Ursachen in Fehlern liegen – wir kommen darauf gleich noch zurück. Und weil man zudem bei genauerem, analytischem Hören fast widersprüchlich anmutend feststellt, dass es mit der HMS Energia MkII trotz beruhigender Wirkung weder zu Detailverlusten kommt (das Gegenteil ist der Fall) noch dynamische Abstriche zu machen sind:
So bleibt das zu Anfang von „Winged Bull“ der durchweg kurzhaarigen Progressive-Metal-Combo Scale The Summit (Album: V, rein instrumental, auch das Vorgängeralbum ist sehr zu empfehlen: auf Amazon anhören) zu hörende feine Geräusch im Hochton, das fast wie eine Resonanz der Snare klingt, aber auch durch hochausgesteuerte Mikrofonierung entstanden sein könnte, über die HMS Energia Mk2 nicht minder deutlich erfassbar. Gleiches gilt für die feinen luftig-lockeren Beckenschläge, die sich ab zirka 1:08 zart über die Musik legen. Die virtuosen Gitarrenläufe verlieren darüber hinaus nichts von ihrer leichtfüßigen Dynamik, ebenso wenig die immer wieder auf den Plan tretenden Bassdrumsalven etwas von ihrer – allenfalls über eine homöopathische Größenordnung ließe sich streiten, und zwar diesmal bei schlechtem Willen – Zackigkeit.
Okay, der HMS-Riegel ist also in Sachen Dynamik und Hochtonpräzision – die berühmt-berüchtigten vermeintlichen Schwachstellen gefilterter Stromversorgung – in keiner Weise unterlegen. Aber was macht die Leverkusener Leiste denn nun besser? Ich glaube, ich übertreibe nicht, wenn ich sage: alles. Aus Makroperspektive, beim Einfach-nur-Musikhören, fällt unmittelbar der Gewinn an schlichtweg mehr Natürlichkeit und Überzeugungskraft ins Ohr – man meint, das Klangbild würde sich endlich „setzen“ und eine unterschwellige Nervosität und Diffusität ablegen.
Mikroperspektiv lassen sich Änderungen unter anderem mit Calibros „Eurocrime“ (auf Amazon anhören) gut erfassen, eine recht quirlige Mischung aus Jazz, Funk und einer Prise Postrock, die bisweilen auch an Filmmusik erinnert. Zackiges Schlagzeug (gerade dessen Bronze-Abteilung ist recht offensiv abgemischt), markante E-Gitarre und kurze, recht druckvoll-vorwitzige Bläsereinsätze zählen zu den Grundzutaten. Nun, die Zunahme an Klangfarbenauthentizität und feineren Texturen ist für meinen Geschmack schon recht frappierend: Hi-Hat und Becken zischeln nicht bloß mehr oder weniger monochrom silbrig vor sich hin, werden stattdessen vielschichtiger mit „goldenen Farbanteilen“ angereichert, klingen lockerer, wie feiner aufgedröselt und dafür nicht so vordergründig aggressiv. Die Bläser wirken volltönender, satter, weniger glasig – insgesamt merklich organischer. Und auch die sägende E-Gitarre wirkt kontrastierter, klarer gezeichnet, weniger „milchig eingetrübt“, wie es in meinen Notizen heißt, die Rauheit ihrer Töne definierter.
Und logisch: Werden Instrumente „in sich“ präziser und klarer definiert, gewinnt automatisch ihre Differenziertheit „nach außen“. Was meint, dass sich die einzelnen Akteure eindeutiger gegeneinander abgrenzen, das Klangbild wirkt weniger verwischt und Ortungsschärfe, Plastizität, das Gefühl „da genau ist Instrument XY“ nehmen zu. Was nebenbei bemerkt überhaupt keine akademische Übung ist, sondern das musikalische Geschehen involvierender sowie leichter verdaulich erscheinen lässt, so als ob der Kopf weniger anstrengende Interpolationsarbeit leisten muss.
Die Wald- und Wiesenleiste: Last but not least?
Klemmen wir abschließend noch eine Standardnetzleiste, wie sie in jedem Baumarkt zu finden ist, vor die Anlage. Für mich persönlich ebenfalls ein interessanter Versuch, liegen meine letzten diesbezüglichen Vergleiche doch schon viele Jahre zurück, so dass ich mich zwar daran erinnern kann, dass eine Baumarktleiste eine eher unterlegene Lösung darstellt, die genauen Klangeindrücke habe ich dagegen nicht mehr gänzlich im Sinn.
Erwartet hätte ich unter anderem, dass das Klangbild auch gegenüber der MF-Electronic-Leiste nochmals an Hochtonpfeffer zulegt und tendenziell harscher/zischeliger wird. Was aber gar nicht unbedingt der Fall ist: Auffällig ist zum einen vielmehr der unpräzisere und pummeligere Bassbereich (interessanterweise ist mir genau dieser Effekt auch im Gedächtnis geblieben) und zwar sowohl gegenüber der HMS Energia MkII als auch der MFE-Lösung. Zum anderen schrumpft das Bühnenbild in sich zusammen, die Musik wirkt dadurch räumlich enger, mithin weniger energetisch und involvierend. Dass die oben beschriebene zu deutlich mehr Natürlichkeit führende Melange aus vermehrter Ruhe und gesteigerter Präzision, die die HMS Energia MkII liefert, nicht annähernd erreicht wird, ist eigentlich nur logisch, sei aber dennoch explizit erwähnt.
Test: HMS Energia MkII |