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Die Heolo-Entwickler sind bekennende Fans der omnidirektionalen, also einer möglichst homogen kreisförmigen Schallabstrahlung. Konventionell konzipierte Schallwandler bündeln dagegen zu den oberen Frequenzbereichen hin mehr oder weniger stark, sprich strahlen dort ihren Schall eher gerichtet ab, während es mit Blick auf die unteren Frequenzetagen gleichzeitig zu einer ringförmigen, also in alle Richtungen (auch nach hinten) erfolgenden Schallausbreitung kommt (vgl. Beugung im fairaudio-Lexikon).
Bündelungserscheinung kommen vor allen Dingen dann zum Tragen, wenn die Wellenlänge des Schalls kleiner (kleine Wellenlänge entspricht hoher Frequenz) als der Durchmesser dessen Austrittsöffnung – bei Lautsprecheren also der Membran, wenn dies genau genommen auch ein wenig idealisiert ist – wird. Solche Relationen treten eben typischerweise in der Hochtonabteilung auf.
Als Folge resultiert, dass ein ausgewogener Frequenzgang bei solchen Gegebenheiten nur noch auf eine mehr oder weniger feste Hörposition (Sweetspot) bezogen erzielt werden kann – außerhalb dieser Position sind höhere Frequenzen dann tendenziell unterrepräsentiert, zudem leidet die räumliche Abbildung.
Ungeachtet dessen hat eine gerichtete Schallabstrahlung auch durchaus ihre Vorzüge, verringert sie doch den Einfluss des Diffusschalls beziehungsweise der möglichen Widrigkeiten der zugrundliegenden Raumakustik. Und so gibt es Hersteller, die ihren Zöglingen bewusst eine gewisse Richtwirkung anzüchten – gerade auch bei größeren Hörabständen kann dies sinnvoll sein.
Schaltkasten: Die rückseitigen Knebelschalter sorgen je nach Geschmack/Hörraum für Pegelerhöhungen um 1,5 dB in den Frequenzbereichen zwischen 2,5-3 kHz beziehungsweise 8-15 kHz
Aber wie auch immer: Das konzeptionelle Herzstück dieses Zweiwege-Systems ist die von einem 16-cm-Seas-Tief/Mittelkonus mit Papiermembran flankierte und laut Heolo „rechtlich geschützte“ Konstruktion der Hochtonabteilung:
Der Tweeter, eine ebenfalls von Seas stammende, klassische Ein-Zoll-Kalotte, strahlt dabei nicht nach vorne ab, sondern nach oben. Und wurde zudem nach innen versetzt: Die Verbindung zur Außenwelt – und das ist laut Heolo der Clou an der Sache – vollzieht sich durch einen perforierten Tubus, der oben einige Zentimeter aus der Box lugt und, so Heolo, zum Schutz (na ja, mechanisch betrachtet eher ein „Schützchen“) von einem dünnen Stoffzelt umgeben ist.
Die im Verhältnis zur abgestrahlten Frequenz beziehungsweise Wellenlänge klein dimensionierten Löcher sollen für eine gleichmäßige Schallbeugung in alle Raumrichtungen sorgen – wenngleich die Löcher nur für Schallanteile bis etwa 15 kHz klein genug sind, noch höhere Frequenzen erfahren wiederum eine Richtwirkung. Eine Optimierung des Effekts werde des Weiteren durch eine unmittelbar vor den Hochtöner gesetzte Schallverteilerlinse erreicht, die den Schall bereits vor Eintritt in den Tubus horizontal beuge.
Das obere Tubus-Ende beziehungsweise der Tubus-Deckel ist mit Dämmmaterial präpariert und sperrt hohe Frequenzen, fungiert also quasi als mechanisches Tiefpassfilter und soll – eben nur für tiefere, nahe des Übergangsbereiches liegende Frequenzen eine gewisse Durchlässigkeit bietend – für ein homogeneres Zusammenspiel mit dem Tief/Mitteltöner sorgen.
Und in diesem Zusammenhang kommt schließlich auch der markante Raumschiff-Enterprise-Aufbau ins Spiel, da die an der Unterseite mit Filz verkleidete Halbscheibe eben insbesondere den unteren Rand des Übertragungsbereiches des Hochtöners, also dessen Mittenanteile, reflektieren soll. Hierdurch vermeide man, so Heolo, dass die Mittenwiedergabe „zu leicht gerät“ und erreiche unter anderem eine sonorere Stimmwiedergabe. Wenngleich sich die Heolo Gamma spätestens hier als sagen wir mal: nicht „radikal omnidirektional“ konstruiert outen.
Und einen weitläufigen Sweetspot definieren die Italiener im Hörraum zwar in der Tat (meine Thiel CS 3.7 sind dagegen beispielsweise ziemlich intolerant, was die „richtige“ Hörposition angeht), dennoch fand ich’s gerade bei intensiven Hördurchgängen klanglich tendenziell einen Tick stimmiger, spielten die Gamma eher parallel ausgerichtet, als stärker Richtung Hörer eingewinkelt.
Auffallend großmäulig: Das Bassreflexsystem ist eine Anlehnung an die klassische Onken-Konzeption: Unter anderem soll eine hohe Dämpfung, ähnlich der eines geschlossenen Gehäuses, für einen „schnellen“, konturierten Tiefton erzielt werden
Last but not least stand bei der Entwicklung des Hochtonkonzepts auch das Thema „Phasenkohärenz“ im Lastenheft: Aufgrund des zurückversetzten Tweeters und der somit zu realisierenden engen Nachbarschaft der akustischen Zentren beider Treiber erreicht man, so der deutsche Vertrieb, „für nahezu jede Hörposition eine zeitrichtige Abstrahlung, die für eine impulsrichtige Darstellung der Transienten verantwortlich ist“.
Okay, dann ziehen wir die Italiener tatsächlich mal zur Verantwortung beziehungsweise ohne weitere Umschweife in den Hörraum …
Test: Heolo Gamma | Standlautsprecher