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Klang: Hegel P30 und H30 Vor/End-Verstärker

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  1. 3 Klang: Hegel P30 und H30 Vor/End-Verstärker

radka toneffDen Anfang des Hörparcours leitet die leider bereits 1982 verstorbene Radka Toneff ein: Fairy Tales, kurz vor ihrem frühen Tod zusammen mit dem Pianisten Steve Dobrogodz eingespielt, darf getrost als echtes HighEnd-Kleinod gelten. Die neun Songs, größtenteils Coverversionen bedeutender Klassiker von Jimmy Webb über Elton John bis zu Kurt Weill, werden von der norwegischen Sängerin wunderbar gefühlvoll und extrem stimmig interpretiert. Wer beim Opener „The moon is a harsh mistress“ nicht umgehend eine Gänsehaut an sich bemerkt, sollte dringend seinen Blutdruck prüfen oder besser gleich nach einer Reanimation verlangen.

Zumindest, wenn die Hegel-Amps die Verstärkung erledigen. Denn dann steht die Sängerin zum Greifen plastisch zwischen den Lautsprechern und die enttäuschte Sehnsucht nimmt man ihr nicht nur ab, nein, man wird von ihrer Stimme regelrecht gefangen genommen.

hegel p30

Transistorverstärker als Emotionsmaschinen? Für viele Röhrenfreunde eher ein Widerspruch, der allerdings im Fall der Hegelverstärker keineswegs zu gelten scheint.

Das kleine Hallfähnchen um die Stimme der Sängerin lassen sie sich ebenso wenig entgehen wie das leise Mitschwingen benachbarter Stahlsaiten, nachdem die Klöppel des Klaviers ihr eigentliches Ziel getroffen haben – doch transportieren die Hegels zwischen all diesen akribisch zu Gehör gebrachten Details noch etwas anderes, etwas, was sich schwerer in Worte fassen lässt: Hier geht es um echte Betroffenheit. Seelenmassage auf höchstem Niveau, wie ich sie bisher nur von meinen kanadischen Röhrenmonos Tenoraudio 75 Wi oder Audio Aeros Prestige-Monoblöcken und ihren großen 211-Senderöhren erfahren durfte.

hegel

Ja, die Referenz-Amps von Hegel lassen sich ohne Wenn und Aber in diese Reihe einordnen. Vielleicht interessiert es Sie noch, dass die genannten Röhrenverstärker bereits ohne passenden Vorverstärker deutlich mehr als die Kombi aus P30 und H30 gekostet haben? Und über meine Stromrechnung möchte ich jetzt wirklich nicht reden müssen.

Abermals „The Moon is a harsh mistress“, diesmal allerdings in einer aktuellen Einspielung der ebenfalls aus Norwegen silje neergardstammenden Silje Nergaard. Auf ihrem 2012er Album Unclouded wird sie, neben etlichen Gastmusikern (darunter auch John Scofield), von ihren beiden Gitarristen Hallgrim Bratberg und Havar Bendiksen begleitet. Es ist wohl der meist sparsamen Instrumentierung geschuldet, dass die Songs dieser Produktion durch die Bank von einer angenehm ruhigen Atmosphäre durchdrungen sind und sehr intim wirken. Die Jimmy Webb-Adaption ist auch hier vortrefflich gelungen und ein echter Anspieltipp.

Der Hochton der Hegel-Kombi zeichnet sich generell durch eine ungewöhnliche Klarheit aus. Dabei fallen Transienten, wie das Anreißen der Gitarrenseiten, und die Sibilanten in Silje Nergaards wohlartikuliertem Gesang allerdings niemals durch eine harsche oder gar unangenehm helle Gangart auf, sondern vermitteln eher eine Art delikater Balance zwischen enormer Informationsdichte und musikalischem Fluss. Man fühlt sich tatsächlich sehr stark an natürliche Schallereignisse erinnert. Ich schätze diese Art der Wiedergabe, habe sie aber bislang meist nur mit hochwertiger Röhrenelektronik in Verbindung bringen können.

hegel h30

Wer dabei jetzt auf einen geschönten/gesofteten Hochtonbereich tippt, liegt ziemlich daneben. Die Wiedergabe hoher und höchster Frequenzen gelingt vielmehr überaus komplett und vollständig. Details wie die subtilen Griffgeräusche der Gitarristen kommen reichlich zu Gehör. Ohne jede Neigung zur Überanalytik herrscht das Gefühl wohldosierter Ausgewogenheit.

Das bleibt auch so, wenn man sich den wichtigen Mittenbereich vornimmt. Mühelos lassen sich die zum Einsatz kommenden Gitarrentypen über meine Kharma-Lautsprecher differenzieren. Frau Nergaards Stimme besitzt Körper und Volumen, ja, die ganze Szenerie wirkt verblüffend authentisch. Dabei offenbart die Wiedergabe der Mitten eine reiche Palette an Farben, vermeidet allerdings die suggestive Intensität, wie sie Ölfarben innewohnt, sondern ähnelt mehr einer der Realität verpflichteten Farbfotographie.

Da sich auf Unclouded keine wirklichen Bässe finden lassen, greife ich zur Beurteilung der tiefen Register auf Kari Bremnes Livealbum Reise zurück. Die Sängerin,cd-kari-bremmes die ebenfalls Norwegerin ist, hat in Deutschland inzwischen eine feste Fangemeinde und durch mehrere, klanglich ebenso wie musikalisch beeindruckende Alben einige Aufmerksamkeit erregt. Die Synthiebässe gleich zu Beginn des Openers „Sangen on ka ho anna drömte om“, aber auch auf „Sangen om fyret vet tornehamn“ stellen klar, warum die Wiedergabe tiefer bis sehr tiefer Frequenzen zu den Domänen großer, kräftiger Endstufen zählt. Dabei klingt die Hegel-Kombination auch noch im Bass farblich fein abgestuft und enorm beweglich.

Schnell noch Griegs Peer Gynt mit dem London Symphony Orchestra unter dem norwegischen Dirigenten Oivin Fjelstad auf Decca SXL 2012 von 1958 auf den Plattenteller meines Ullyses gelegt. Die ultimativen Paukenschläge am Ende des rasenden Tuttis von „In der Halle der Bergkönigs“ lassen keine Zweifel mehr aufkommen: Soviel Druck und Farbe im Bass liefern meine Mudra-Monos trotz ihrer mit den Hegels vergleichbaren Leistung nicht.

Sogar Kollege Jörg Dames hat, nach einem kurzen Gastspiel der Hegelkombi in seinem Hörraum – natürlich streng vertraulich – eingestanden, dass seine sicher nicht schwächlichen Audionet Monoblöcke gegen die Performance der H30 irgendwie dünner und blasser wirken.

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Test: Hegel P30 und Hegel H30 | Vor-End-Kombi

  1. 3 Klang: Hegel P30 und H30 Vor/End-Verstärker