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Gründer und Chefentwickler Bent Holter ist nicht nur studierter Elektrotechniker, sondern beherrscht auch das Spiel auf Klarinette und Gitarre. Die Reproduktion insbesondere natürlicher Schallquellen liegt ihm daher besonders am Herzen. Röhren und Class-A-Verstärkern billigt er in dieser Hinsicht durchaus klangliche Vorteile gegenüber klassischen AB-Konzepten zu. Allerdings sieht er auch deren Nachteile wie Verschwendung von Energie (hoher Ruhestrom) und Material (Röhren). Zudem hält er einen Class-A-Verstärker mit Leistungen jenseits von 100 Watt zu bauen für, sagen wir mal, bestenfalls unvernünftig. Allein die Maßnahmen zur Kühlung des Verstärkers wären in vertretbarem Rahmen konstruktiv kaum zu bewältigen.
Auch sind die unvermeidbaren hohen Ruheströme wegen der damit einhergehenden Betriebstemperaturen nicht geeignet, lange Dauerhaltbarkeit sicherzustellen.
Die Ursache des oft gescholtenen Transistorklangs klassischer AB-Verstärker liegt für Holter zum einen in den bekanntermaßen wenig klangförderlichen, schaltungsbedingten Übernahmeverzerrungen, aber auch an den in jeder Verstärkerstufe zusätzlich erzeugten, sich addierenden harmonischen und dynamischen Verzerrungen. Eine Über-alles-Gegenkopplung lehnt er, da steht er keineswegs allein da, als Verschlimmbesserung ab. Aber auch lokale Gegenkopplungen, ohne die Verstärker schlichtweg nicht auskommen, beeinträchtigen seiner Ansicht nach das klangliche Ergebnis in nicht unerheblichem Maße. Hier setzt Holters patentrechtlich geschützte Schaltung an.
Ohne sich allzu sehr in Details zu verlieren, kann diese Schaltung als Verstärkerstufe mit vorauseilender geregelter lokaler Gegenkopplung aufgefasst werden. Weil diese Gegenkopplung nur bei Bedarf in Aktion tritt, arbeitet der Verstärker, so der Entwickler, die weitaus meiste Zeit ohne deren klangschädlichen Einfluss. Da auch Übernahmeverzerrungen zu einem Großteil vermieden werden können, wirke seine Schaltung klanglich ähnlich wie ein Class-A-Konzept, aber ohne hohe Ruheströme oder außerordentliche Wärmeentwicklung. Den Stromverbrauch beziffert Holter letztlich auf die Hälfte des sonst bei A-Amps anfallenden Bedarfs.
Hegel nennt diese Schaltung „Sound-Engine-Technologie“ und setzt sie nicht nur in Leistungsverstärkern, sondern, in angepasster Form, überall dort ein, wo eine qualitativ hochwertige Verstärkerstufe erforderlich ist. Also zum Beispiel auch in den Ausgangsstufen seiner Vorverstärker, Phonostufen oder CD-Spieler.
Die Leistungsdaten der Endstufe Hegel H30 lassen nicht gerade auf einen sonderlich schwächlichen Vertreter seiner Zunft schließen. Wir reden hier von 2 x 300 Watt an 8 Ohm und, ein Freudenfest für Leistungsfetischisten, 1 x 1.100 Watt, wenn der kleine Schalter am Heck der H30 umgelegt wird, der den Betrieb als waschechte Monoendstufe möglich werden lässt.
Hat man P30 und H30 erst einmal im Hörraum verstaut, macht sich eine gewisse Ernüchterung breit. Beide Referenz-Verstärker sind im Grunde schwarze Kisten, die H30 dabei eine ziemlich große, deren Formensprache auf das Nötigste reduziert wurde. Tatsächlich ist das einzige auffällige Gestaltungsmerkmal ein überdimensionales Hegel-Logo auf der Frontplatte der Endstufe. Die Vorstufe dagegen muss mit einem viel kleineren Logo auf ihre Familienzugehörigkeit aufmerksam machen.
Diese Schlichtheit ist bei Hegel allerdings auch ein wenig Programm – erhebt man doch die Reduktion auf das unbedingt Notwendige, den Verzicht auf alles Unnötige zur gestalterischen und konstruktiven Maxime. Ein geläufiges Statement, welches aber selten so konsequent umgesetzt wird wie im Falle der Hegel-Komponenten – das Design ist in Norwegen sogar bereits prämiert worden.
Folgerichtig finden sich auf der Front des Vorverstärkers P30 genau drei Elemente: Eingangswahl, Lautstärkeregler und der mittig angeordnete Netzschalter samt Betriebsanzeige. Daran gibt es bedientechnisch nichts auszusetzen. Hätte ich einen Wunsch an die Designabteilung frei, wäre das eine kleine blaue LED am Regler des Lautstärkepotis. So wäre die Stellung desselben auch von einiger Entfernung oder im Dämmerlicht eindeutiger identifizierbar.
Die mitgelieferte Fernbedienung verfügt über ein Metallgehäuse und liegt satt in der Hand. Funktionstechnisch handelt es sich um eine Systemfernbedienung, von deren zwölf Tasten in unserem Fall nur die für Volumen, Muting und Eingangswahl von Belang sind. Die Lautstärkeeinstellung dürfte für meinen Geschmack ruhig etwas feinfühliger reagieren. Hing mein Multiplayer Bladelius Gondul M am Eingang des Hegel P30, schoss ich regelmäßig über die angepeilte Lautstärke hinaus.
Über drei unsymmetrische und zwei symmetrische Eingänge können die Quellgeräte mit der Vorstufe P30 Kontakt aufnehmen. Ausgangsseitig stehen pro Betriebsart jeweils zwei Anschlussmöglichkeiten zur Wahl. Das Fehlen eines Phonozuges sollte in dieser höheren Preisklasse kein wirkliches Problem darstellen. Meist sind externe Phonopres da eher die Regel als die Ausnahme.
Zusätzlich gibt es auch noch einen speziellen Home-Theatre-Eingang, welcher die Volumenregelung überbrückt und vollen Pegel an die Ausgänge liefert. Wer’s denn braucht, wird sich über ein solches Feature sicher freuen.
Die Endstufe Hegel H30 ziert, unterhalb des bereits erwähnten Riesenlogos platziert, ein größenmäßig passender Netzschalter mit blauer Funktionsbeleuchtung. Ansonsten erfreut das Auge das völlige Fehlen jedweder Kühlrippen.
Für beide Verstärker gilt, dass alle Ein- und Ausgangsbuchsen von klassengemäßer Qualität sind. Bei der Vorstufe sind die Cinchbuchsen allerdings nicht mit dem Gehäuse verschraubt, sondern werden direkt von der Platine gehalten. Auch sind die vertikalen Abstände bei Verwendung dickerer NF-Leitungen etwas knapp bemessen.
Die Lautsprecherterminals der Endstufe schließlich stammen vom Premiumausstatter Mundorf und lassen ungetrübte Kontaktfreude aufkommen. Auch für Bananenstecker. Fein!
Ob die H30 die ankommenden Signale über ihre XLR-Eingänge oder deren asymmetrische Pendants empfängt, lässt sich mit Hilfe kleiner Kippschalter festlegen. Mit einem weiteren kleinen, zwischen den Eingängen gelegenen und zur Sicherheit etwas versenkt angebrachten Schalter, wird über die Konfiguration als Stereo- oder Monoendstufe entschieden.
Last but not least bleibt zu erwähnen, dass sämtliche Oberflächen picobello verarbeitet sind. Achten Sie auch mal auf die Spaltmaße der Gehäuse.
Die Behauptung, dass – wir richten unseren Blick aufs Innenleben unserer Probanden – nur hochwertige und streng selektierte Bauteile ihren Weg in die Referenz-Verstärker gefunden haben, nimmt man den Norwegern bei Betrachtung der von wohlbeleumundeten Herstellern wie Rubycon, Motorola oder Auricap stammenden Ingredienzien gerne ab. Besonderen Wert legt Entwickler Bent Holter Wert auf die Feststellung, dass die zur Anwendung kommenden Transistoren in einem hochspezialisierten manuellen Selektionsverfahren ausgewählt werden. So kommen, gemäß des Credos, Verzerrungen bereits am Ort ihres Entstehens zu eliminieren, nur Transistoren mit dem günstigsten Verzerrungsverhalten zum Einsatz. Allein für die Transistorbestückung der Eingangsstufen von Vor- und Endverstärker rechnet man bei Hegel – so jedenfalls die Firmenaussage – mit sage und schreibe 99 Prozent Ausschuss.
Die Pegelabschwächung in der Vorstufe P30 erfolgt über extrem breitbandige Gigahertz-MosFets, die ein Netzwerk aus Einzelwiderständen ansteuern. Das Volume-Poti hat dabei lediglich die Funktion eines Gebers. Damit nicht unnötig viele Widerstände durchlaufen werden, erfolgt die Lautstärkeregelung mittels einer Kombination aus maximal drei Widerständen. Danach gelangt das Signal in die Ausgangsstufe, die natürlich mit der neuesten Version der Sound-Engine-Technologie ausgestattet ist. Auch hier sollen nur selektierte und zu Paaren gematchte FETs zur Anwendung gelangen.
Die P30 verfügt über ein echt symmetrisches Schaltungslayout. Unsymmetrische Signale werden deshalb unmittelbar nach dem Eingang automatisch symmetriert. Genaueres wollte man hierzu nicht kundtun, außer, dass man weder OP-Amps noch Übertrager zur Symmetrierung benötige.
Auch die Endstufe Hegel H30 zeigt einen vollsymmetrischen Aufbau, wodurch klar wird, dass die Norweger der Verbindung via XLR den Vorzug einräumen. Grundsätzlich sprechen sie dieser Signalführung ein niedrigeres Grundrauschen und eindeutigere Masseverhältnisse zwischen den angeschlossenen Komponenten zu. Mittig positioniert fallen zwei amtlich dimensionierte Ringkerntransformatoren, mit zusammen 2.000 VA ins Auge. Jeder der beiden befeuert einen der mit jeweils sechzehn Leistungstransistoren von Motorola bestückten Kanäle. Um für alle Fälle strommäßig gerüstet zu sein, stellen die Kondensatorbänke nicht weniger als 320.000 Mikrofarad an Siebkapazität bereit.
Bevor Hegels Referenzverstärker endlich zeigen durften, was in ihnen steckt, bekamen beide einige Tage Aufwärmzeit am Netz spendiert. Dann wurde es ernst …
Test: Hegel P30 und Hegel H30 | Vor-End-Kombi