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Ich war anfangs zumindest leicht irritiert ob der Tatsache, dass mit dem Hegel H160 in meinem Hörraum ein vollwertiges Komplettpaket aus Streamer, D/A-Wandler und Vor-/Endstufe steht, das Marketing aber einen Vollverstärker verkaufen möchte. Auf meine diesbezügliche Frage lautete die Antwort, man sei sich bewusst, dass man die Fahne hier vielleicht ein bisschen zu niedrig hisse, gehe aber davon aus, dass die Kundschaft heutzutage eh erwartet, dass diese Baugruppen bei einem Vollverstärker der High-End-Klasse zur Bordausrüstung gehören.
Und ja, das mag ich zu bezweifeln – jedenfalls sei deshalb an dieser Stelle betont: Hier spielt eine sehr hochwertige digitale Komplettanlage (natürlich ohne Lautsprecher)!
Nun bin ich aufgrund letztgenannter Tatsache in der glücklichen Lage, dem Hegel H160 zum Vergleich einen natürlichen Fressfeind und highfidelen Konkurrenten entgegenzustellen, denn mein Linn Majik DSM bietet die grundsätzlich gleichen Funktionalitäten. Doch um es gnadenlos kurz zu machen: Bereits nach weniger als 15 Minuten deutet sich an, dass der Linn Majik DSM an den Audioplan Kontrast Mk V klanglich keine ernsthafte Konkurrenz für den Hegel H160 darstellen kann. Gehört habe ich hier im Streaming-Modus der beiden Geräte, das Wandlerteil des Hegel H160 wurde vom AURALiC Aries beziehungsweise Digitalausgang des Linn Majik DSM gefüttert, und die Analogsektion erhielt ihr Signal vom Neukomm MCA112S Phono-Pre, dem mein VPI Scout 2 mit ZYX R100 Fuji vorgeschaltet war. Vorweg: Die Unterschiede der einzelnen Quellen halten sich sehr in Grenzen, was darauf hindeutet, dass a) die Streaming- und Digitalsektion ihre Arbeit sehr gut und neutral machen und b) die klangliche Signatur des Hegel H160 vom eigentlichen, analogen Verstärkerteil geprägt wird.
Die offene, luftige, feinnervig-schnelle und nicht warme Gangart des H160 bekommt den Kontrast V ganz offensichtlich sehr gut. Vielleicht haben Sie es bemerkt: Ich scheue mich, hier mittels Positivformulierung die Begriffe „schlank“ oder gar „hell“ zur Tonalitätscharakterisierung zu benutzen, denn damit assoziiert man allzu leicht einen ausgemergelten, druck- und emotionslosen Klang. Doch das ist eben ganz und gar nicht das, was der Hegel H160 bietet.
Stimmen ertönen klar und ohne eine zu breite Brust zu suggerieren, sie wirken aber auch ganz und gar nicht mager. Flink, leicht, agil, fluid – aber eben nicht schlank. Wirkt sich hier schon die gelungene Vermeidung von Verzerrungen positiv dahingehend aus, dass selbst bei einer ausgewogenen tonalen Abstimmung ein durchsichtigerer Klangraum erzielt werden kann, als übliche Schaltungen dies für den Preis bewerkstelligen können?
Die Auflösung im musikalisch so wichtigen Mittelton ist jedenfalls tadellos. Sogar das leichte Vibrato der schwebenden Orgelklänge im Anfangsteil von Kari Bremnes‘ „Byssan Lull“ (Album: Svarta Bjørn) ist deutlich wahrnehmbar. Okay, in dieser Hinsicht ist die Audioplan Kontrast V sowieso sehr talentiert, doch der Hegel liefert ihr das Signal ohrenscheinlich noch reiner als der Linn Majik DSM.
Der Hegel stellt Karis Stimme auch sehr frei in den Raum und lässt bei der Intonation ebenso wie bei der Artikulation der norwegischen Sängerin tief blicken. Der Hegel stellt den Mittelton flüssig, klar, entspannt und ausdrucksstark dar – so fällt es mir leicht, emotional prägenden Nuancen in der Phrasierung auf die Spur zu kommen, die einen echten musikalischen Mehrwert bieten. Richtiggehend überrascht und erstaunt bin ich aber ob der Tatsache, dass der bei 1 Minuten 35 Sekunden im selben Stück einsetzende Bass den Raum vor präzise dosiertem Druck tatsächlich zum Vibrieren anregt – das hätte ich den Kontrast V gar nicht zugetraut! Jörg Dames bemerkte in seinem Hörbericht ja ganz zu Recht, dass die Kontrast mit allzu drahtig aufspielenden Verstärkern nicht wirklich können – und hier zeigen sie, dass der Hegel alles andere als im Bass zurückhaltend (eben das, was man gemeinhin als „schlank“ bezeichnet) agiert. Das ist richtig tiefer, körperlich spürbarer und dabei sehr kontrollierter Bass mit ausreichend Druck – aber ohne unnötige Pölsterchen oder ungelenke Dicklichkeit.
Die Audioplan Kontrast V sind zudem Lautsprecher, die in den oberen Registern nicht gerade die am hellsten strahlenden Glanzlichter setzen. Sie geben stressfreier Wiedergabe immer den Vorrang vor dem allerletzten bisschen Auflösung, wobei einem eigentlich zu keinem Zeitpunkt bewusst etwas fehlt. Mit dem Hegel aber legen sie ein Maß an Zackigkeit und Prägnanz auch im Hochton an den Tag, der mich fast schon ein bisschen an dieser Charakterisierung zweifeln lässt – der Hegel treibt die Kontrast V hier im Vergleich zum Linn Majik DSM zu einem Maß an glasklarer Detailverliebtheit und vor allem Glanz, das in dieser Preisklasse mehr als wettbewerbsfähig ist. Nicolas Jaar mit „Russian Dolls“ von der gleichnamigen EP schindet über die doch bei diesem Titel sonst eher zurückhaltenden Kontrast gerade im Hochton mit schneidiger Brillanz und fein auseinander geflochtener synthetischer Hochtonverästelung Eindruck. Was der H160 hier liefert, ist auch absolut gesehen große Klasse!
Ob dies an Lautsprechern, die im Hochton von Haus aus mehr zu bieten haben als die Kontrast, des Guten zu viel sein kann, muss ein weiterer Hörtest untersuchen. Was liegt also näher als den Hegel H160 an die Lansche Audio 3.1 zu koppeln? Die hat wohl einen der am höchsten auflösenden Hochtöner der Welt zu bieten, der aber aufgrund seiner Verzerrungsfreiheit extrem neutral und sauber spielt. Gerade im Hochtonbereich kommt es ja auf Qualität an, und nicht auf Quantität. Aber ich kann Entwarnung geben: Die kristallklare Hochtondarstellung des Hegel H160 geht nicht zulasten der Langzeittauglichkeit, sondern besticht mit bester Qualität ohne Schönfärberei: Die sehr hohe Auflösung in den oberen Lagen ohne Härten ist klasse und reißt mit. Schlagzeugbecken und Bläser auf „Mal Bicho“ von Los Fabulosos Cadillacs (Album: Rey Azucar) zum Beispiel besitzen die richtige tonale Balance, um angemessen offensiv zu klingen und kommen zudem schnell und dynamisch rüber – ohne aber aufdringlich oder aggressiv-scheppernd ihre Existenz zu verkünden.
Flottes Ding
Dynamisch spielt der Hegel H160 auch ansonsten scheinbar unlimitiert („scheinbar“ nur, weil de facto ALLE Komponenten dynamisch limitiert sind) und kann heftig zulangen, wenn er entsprechend gefordert wird – das hat Punch, Energie und Saft … und immer wieder diese entschlackend wirkende Kontrolle mit ihrem straffen, schnörkellosen Druck. Technobeats wummern ja des Öfteren nur mal so vor sich hin – Yellos „Magnetic“ vom Album Pocket Universe aber kommt hier mit viel Verve und eben diesem unbeschreiblichen mittigen Oberbass-Kick rüber, der auch diese an sich ja stupide Hämmerei zum Erlebnis machen kann. Der Hegel H160 wirkt durch diese ansatzlos-schnelle Charakteristik gerade auch in den Mitten sehr dynamisch differenziert, offen und direkt.
Schnell ist überhaupt das Stichwort: Nur mit sehr ausgeprägten Sprintfähigkeiten erreicht man einen solch ansatzlosen, lässig und präzise federnden Mittelton, in dem Percussion mit dem wohl dosierten Maß an Attacke und natürlichem Timing rüberkommen. Nur so können die meist aberwitzig schnell gespielten Conga-Trommeln realistisch wirken: Verschleift eine Komponente die zeitliche Abfolge der kurzen Impulse, dann klingt es eher nach nassem Waschlappen, die gegen eine Holzwand geschlagen werden, als nach echtem Instrument.
Räumliche Gegebenheiten
Das Beste an der Kombination Hegel H160/Audioplan Kontrast V habe ich mir aber bis zum Schluss aufgehoben, und das Stichwort lautet „Raum“. Die Kontrast bietet ja eigentlich in allen Lebenslagen genug davon, doch in der Kombination mit dem Hegel H160 treten die Lautsprecher als Schallquellen nicht nur komplett in den Hintergrund und lassen das Klangbild nach links und rechts deutlich wachsen, nein: besonders nach hinten und oben tun sich zuvor unentdeckte Dimensionen auf. In Loreena McKennitts „Dante’s Prayer“ (Album: The Book of Secrets) singt ein Männerchor sakral anmutende Weisen auf einer sehr präzise ausgeleuchteten Bühne, die in der Reproduktion mit dem Hegel in allen Dimensionen zulegt. Die leise sprechenden im Raum anwesenden Zuhörer treten beiläufig, aber deutlich in Erscheinung – interessant nur, dass ich dies mit dem Linn Majik DSM einige Minuten zuvor nicht wahrgenommen hatte. Auch Magnificats Album Parsons, White & Byrd: Where late the sweet birds sang strotzt nur so vor natürlichem Raumgefühl, und man kann sich, so wiedergegeben, darin verlieren, den Stimmen des Chors stundenlang zuzuhören, weil jede einzelne ihre Geschichte erzählt. Dabei bleiben die Stimmen und ihr Widerhall auch an den Rändern des Raums in ihrer Körperhaftigkeit intakt und zerfasern nicht.
Test: Hegel H160 | Vollverstärker