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Normalerweise ist es nicht meine Art, Leser mit meiner eigenen HiFi-Geschichte zu belästigen. Aber hier passt ein Aspekt einfach zu gut: Vor 15 Jahren, im Jahr 2009, bin ich von CD auf Streaming Media umgestiegen und habe meinen Creek CD 43 MK II gegen einen Logitech Transporter DAC/Netzwerkplayer getauscht – damals eines der Top-Geräte auf dem Markt und für rund 2.000 Euro zu haben. Inzwischen hat sich der Wert meiner Anlage ungefähr verzehnfacht. Da passt es, dass ich mit dem Grimm Audio MU2 (Vertrieb: https://hoerzone.de/) jetzt ein ganz ähnlich ausgelegtes Gerät testen darf, das knapp das Zehnfache des Transporters kostet …
Der Server/Streamer/DAC Grimm Audio MU2 (Preis: 18.000 Euro) ist aus dem Musikserver MU1 hervorgegangen, den mein Kollege Ralph Werner vor gut zweieinhalb Jahren getestet hat. Während der MU1 ein Server/Player ist, der digitale Musikdaten von Festplatten, Servern, Streamingdiensten und sogar DAB bündelt und organisiert und die Musik ausschließlich digital an ein entsprechendes Endgerät weiterleitet – ursprünglich war der Grimm MU1 als Zuspieler für das Lautsprechersystem LS1 von Grimm Audio konzipiert –, verfügt der MU2 über einen eingebauten Digital/Analog-Wandler und gibt Musik ausschließlich analog aus.
Ausstattung und Technik
Der MU2 kann also an Vollverstärkern, Endstufen und Aktivlautsprechern angeschlossen werden, dazu verfügt er auf der Rückseite über Ausgänge in Form eines Paars XLR-Buchsen für den symmetrischen und Cinch-Buchsen für den unsymmetrischen Anschluss. Darüber hinaus gibt es noch eine 6,3-Milimeter-Klinkenbuchse für einen Kopfhörer.
Logisch, dass der Grimm MU2 über eine Lautstärkeregelung verfügt. Die wird über die große, zentral auf dem Deckel angebrachte Drück- und Drehscheibe – auch „Jog-Dial“ genannt – betätigt. Dass Grimm Audio die analoge Seite des MU2 genauso ernst nimmt wie die digitale, zeigt die aufwendige Lautstärkeregelung. Die erfolgt nämlich über elektronisch gesteuerte Relais, die wiederum eine Reihe an Festwiderständen schalten, um den gewünschten Pegel einzustellen. Das feine Klicken der Relais, das man beim Betätigen der Lautstärkeregelung hört, ist Ausdruck der mechanischen Aktivität im Inneren des MU2. Mein mächtiger Vollverstärker, der Audio Analogue ABsolute S, macht es genauso. Da die Mechanik elektronisch gesteuert wird, lässt sich die Lautstärke auch über die Roon-App oder über eine beliebige Fernbedienung regeln. Apropos: Der Grimm Audio MU2 kann mithilfe einer Web-Schnittstelle die Steuerbefehle jeder beliebigen IR-Fernbedienung lernen, und auch einige andere Einstellungen lassen sich hierüber vornehmen. Wer keine speziellen Wünsche hat, kann die Web-Schnittstelle aber getrost ignorieren.
Roon – und sonst gar nix
Der Grimm Audio MU2 ist ein reines Roon-Gerät, er dient als Roon-Server und -Endpoint, die Software ist vorinstalliert. Um Roon zu nutzen, benötigt man natürlich einen separat zu bezahlenden Account – ohne den geht hier fast nichts. Ich sehe das ein bisschen kritisch. Was macht man eigentlich, wenn Roon, aus welchen Gründen auch immer, den Betrieb einstellen sollte? Der Preispolitik von Roon sind Sie natürlich ebenfalls ausgeliefert. Ich selbst bin bei der letzten Erhöhung von 10 auf 15 Dollar/Monat ausgestiegen. Eine Lifetime-Lizenz liegt aktuell bei 830 Dollar.
Auf der anderen Seite ist Roon natürlich eine seit Jahren etablierte, stabile Plattform, die mit Künstlerinfos, einer ausgefuchsten Bibliotheksverwaltung und diversen weiteren Features einen sehr bequemen und informativen Umgang mit Musik bietet, und das unabhängig davon, ob die nun auf der internen Festplatte oder dem NAS liegt – oder über einen Dienst wie Tidal, Kkbox, Qobuz etc. gestreamt wird. Auch Internet-Radiosender bindet Roon elegant in die Bedienoberfläche ein, und da mittlerweile wirklich viele Hersteller auf Roon setzen, können Sie die unterschiedlichsten Geräte über eine einheitliche Benutzeroberfläche bedienen. Trotzdem – ich persönlich würde mich über die Möglichkeit, eine alternative Plattform verwenden zu können, doch sehr freuen.
Anschlussfreudig
Ein großes Lob verdient sich Grimm Audio bei mir damit, dass der MU2 neben seinen digitalen Eingängen – S/PDIF Cinch, AES3 und Toslink sowie Ethernet und ein USB-Port für externe Datenspeicher – auch analoge Eingänge bietet. Hier gibt es ebenfalls sowohl XLR- als auch Cinch-Buchsen. Damit ersetzt der MU2 einen Vorverstärker, zumindest dann, wenn man nicht mehr als zwei analoge Quellen besitzt. So richtig viele Informationen über die analogen Schaltungen des MU2 gibt Grimm Audio übrigens nicht preis. Dass die analogen Stufen in Class-A laufen ist ja durchaus üblich; hier liegt sicherlich auch ein Grund dafür, dass der MU2 im Dauerbetrieb deutlich warm wird.
Ein weiterer Grund dürfte die Abwärme des Prozessors im Grimm Audio MU2 sein. Der Linux-basierte Server/Player arbeitet mit einem Intel-i3-Prozessor, das sollte für die Anforderungen des Roon-Servers mehr als ausreichen. Zumal für die D/A-Wandlung ein eigenes Board mit einem leistungsstarken FPGA (Field Programmable Gate Array) zuständig ist. Und hier beginnt es, richtig spannend, aber auch kompliziert zu werden. Ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass ich das alles bis in die letzten Details verstehe. Muss ich auch nicht, schließlich ist es mein Job, zu schreiben, wie das Endergebnis klingt. Trotzdem ist es spannend, eine Idee davon zu bekommen, wie die bei Grimm Audio ticken.
Die Grimm’sche Wandlung
Die meisten Hersteller greifen bei der Entwicklung ihrer D/A-Wandler auf fertige Bausteine zurück, etwa die bekannten DAC-Chips von Texas Instruments/Burr Brown (TI/BB), Ashai Kensai Microdevices (AKM) oder ESS Technology (Sabre DACs). Die sind von Hause aus für diese Aufgabe konzipiert. Viele Modelle bieten den Audio-Entwicklern unterschiedliche Möglichkeiten, den jeweiligen Chip zu beschalten und hier und da etwas anderes zu machen als die Konkurrenz, doch der Kern ist immer der gleiche – mal Multibit (16, 24 oder 32 Bit parallel), mal Delta-Sigma (Bit-Streaming). Auch für die Peripherie-Chips, also die Infrastruktur, die das digitale Signal bei der D/A-Wandlung vor- und nachbereitet, setzt das Gros der Hersteller auf Fertiglösungen und das vom Chip-Hersteller vorgeschlagene Referenz-Design. Einige gehen bei der Signal Auf- und/oder Nachbereitung eigene Wege. Zum Beispiel setzt Ideon Audio bei meinem EOS DAC auf einen handelsüblichen ESS Sabre ES9028PRO, doch die Griechen haben dem Chip ein selbstentwickeltes Arbeitsumfeld geschaffen, das ihn zu Höchstleistungen treiben soll. Oder Soulnote, die mit den zwei im D-1N eingesetzten ES9038PRO-Chips einen NOS-Modus (Non Over-Sampling) realisieren, obwohl das eigentlich dem Konzept der Delta-Sigma-Wandlung widerspricht.
Grimm Audio geht noch einen Schritt weiter. Ein FPGA ist ein Chip, den man durch eine entsprechende Programmierung für eine bestimmte Aufgabe einrichten kann. Das erfordert einerseits tiefergehende Kenntnisse in Sachen D/A-Wandlung und Programmierung und ermöglicht andererseits, bei der jeweiligen Aufgabe Wege einzuschlagen, die jenseits dessen liegen, was andere Hersteller mit „Fertigchips“ machen können.
Es gibt verschiedene Wege, um einen FPGA als DAC zu nutzen. Einige FPGAs bringen die notwendigen Voraussetzungen bereits mit. Sie verfügen über die Möglichkeit, mithilfe eingebauter Widerstandsleitern Spannungsstufen auszuwerten oder zu generieren. Solche FPGAs werden oft im Bereich der Messtechnik eingesetzt. Nur wenige dieser FPGA-Chips verfügen allerdings über die im HiFi-Bereich benötigte Bittiefe von 16, 24 oder gar 32 Bit. Eine andere Möglichkeit besteht darin, den FPGA zu nutzen, um mithilfe „externer“ Bauteile (Widerstände und Kondensatoren) die D/A-Wandlung zu realisieren. Diesen Weg beschreitet Grimm Audio. Im MU2 kommt eine Kombination aus dedizierter DAC-Vorverarbeitung im FPGA und einer diskreten DAC-Hardware zum Einsatz.
Natürlich nutzt Grimm Audio diese Kompetenz, um auf der digitalen Ebene eigene Lösungsansätze zu verfolgen. Dazu gehört etwa das „High Resolution Pure Nyquist Upsampling Filter“, das die hochfrequenten Spiegelfrequenzen, die jede D/A Wandlung mit sich bringt, durch ein extrem präzises Oversampling leichter beherrschbar machen soll. Oder die eigens entwickelte sogenannte „1,5-Bit-Wandlung“. Grimm Audio will hiermit eine Brücke zwischen Multibit-Wandlung und Bit-Streaming geschlagen haben. Das soll so ähnlich wie eine Pulsweitenmodulation funktionieren, bei der immer 4 oder 5 Bit zusammengefasst werden, um die Dauer eines Stromimpulses zu bestimmen, nur dass hier eine einzig, diskrete „DAC-Zelle“ den Signalstrom generiert. Das erfordere, wie Grimm schreibt, einiges an Rechenpower, die der FPGA freilich biete. Wer das alles ganz genau nachvollziehen möchte, findet dazu viele Informationen auf der Produkt-Webseite von Grimm Audio.
Äußerlichkeiten
Kommen wir noch kurz zu den Äußerlichkeiten. Das Gehäuse des Grimm Audio MU2 ist weitgehend mit dem des MU1 identisch – eine piekfein verarbeitete Alu-Skulptur mit fast quadratischem Grundriss und einem 3,5-Zoll-TFT-Display auf der Front. Mittig auf dem Deckel sitzt in einer eleganten Mulde der besagte Jog-Dial. Nur dass das Teil beim MU2 silbern anstatt golden wie beim MU1 ist. Mich erinnert das Ganze an eine Schallplatte: Der Jog-Dial hat ungefähr die Größe eines Schallplattenlabels, die Alu-Platten, die den Deckel des MU2 bilden, sind so gebürstet, dass die Bürstenstruktur konzentrisch um den Jog-Dial verläuft, was mich an die Rillen im Vinyl erinnert …
Grimm Audio MU2: Hörtest und Vergleiche
Zum Einspielen lasse ich Roon gerne freien Lauf – will sagen, die Software sucht selbst Stücke aus, von denen sie meint (bzw. aufgrund ausgefuchster Algorithmen berechnet), dass sie mich interessieren könnten. Keine Ahnung, wie Roon auf „Amnesia“ (Album: Fantasy) der französischen Indie-Electronic-Formation M83 kommt, aber der Vorschlag ist nicht schlecht. Die komplexen Synthie-Welten, Stimmen, ein (vielleicht etwas zu) gefälliges Arrangement – kann man hören. Das Ganze ist auch gut geeignet, um den Bassbereich auszuloten.
Der Grimm Audio MU2 führt meine Anlage in beeindruckende Tiefen. Synthetisch geht’s ja gerne mal richtig weit runter – weiter, als viele akustische Instrumente hinabreichen. Doch etwas irritiert mich, irgendetwas scheint nicht ganz zu stimmen, erzeugt ein seltsames Gefühl in den Ohren. Was ist hier los?
Ich spekuliere über Phasenprobleme des MU2, bis mir einfällt, dass ich dergleichen schon mal gehört habe. Vor rund 20 Jahren haben Silicon Soul auf dem Album Pouti mit ähnlichen Effekten gearbeitet. Elektronisch kann man ja nicht nur Tiefgang erzeugen, sondern Sachen machen, die rein akustisch nicht gehen – etwa den bewussten Einsatz komplexer Phasenbeziehungen. Der MU2 macht im Bass keine Probleme, ganz im Gegenteil: Er ist in der Lage, tiefe Töne und deren Phasenbeziehungen sehr exakt wiederzugeben. Und das mit beeindruckender Vehemenz und souveräner Kontrolle.
Bevor ich mich allzu sehr beeindrucken lasse, mache ich einen kleinen Quercheck mit akustischer Musik. Nichts Besonderes – die gut abgehangene „Bohemian Rhapsody“ von Queen (Album: A Night At The Opera). Die setzt nun gerade keine „synthetischen Schwerpunkte“. Das ist größtenteils solides Handwerk, und genau so hört es sich auch an. Geradeaus, unmittelbar – und dem 2021er Remaster sei Dank in ordentlicher Qualität. Wobei ich eben auch die Grenzen der Aufnahmetechnik von 1975 präsentiert bekomme. Was die Tontechnik betrifft, haben Queen leider nicht immer das glücklichste Händchen gehabt, einige Alben besitzen eine echt bescheidene Klangqualität. Erfreulicherweise versucht das Remaster nicht zu viel, sondern bleibt dem etwas defensiven Mix treu, was insgesamt schlüssig und authentisch klingt.
Ich überlasse wieder Roon das Ruder, und die Software kredenzt mir „Time“ des venezolanischen Electronic-Produzenten KiCk I (Album: Arca) – offenbar hält Roon mich für einen Fan von elektronisch-experimenteller Musik. Nun, warum nicht? Der Track lässt mich tief in den Tönen versinken, umgibt mich mit Klangwolken. Sounds stürmen aus allen Richtungen auf mich ein, es wirkt ein bisschen wie akustisches Virtual Reality – und hat einen völlig anderen Character als alles, was ich bisher über den MU2 gehört habe. So langsam dämmert mir, dass der Grimm Audio MU2 wahrscheinlich eine der transparentesten Komponenten ist, die ich je in meinem Hörraum hatte. Selten hatte ich den Eindruck, so viel von der Aufnahme und so wenig von meiner Wiedergabekette zu hören, wie mit dem MU2. Das sollte mich eigentlich nicht wundern, denn Grimm Audio kommt ursprünglich aus der Studioecke. Das erste Erfolgsprodukt der Niederländer war der für Tonstudios konzipierte Analog/Digital-Wandler AD1, der zusammen mit der Master Clock CC1 mittlerweile Legendenstatus in der professionellen Digital-Szene besitzt.
Und ja: Der MU2 hat definitiv die Qualitäten eines Studio-Geräts. Doch die hier vorherrschenden Ansprüche sind nicht automatisch die gleichen, die manche audiophilen Hörer an ihre Wiedergabegeräte stellen. Der Grimm MU2 klingt weder analog noch seidig, nicht warm oder kühl, nicht musikalisch, nicht euphonisch, nicht hart, nicht analytisch – er klingt einfach überhaupt nicht. Was unter Studio-Gesichtspunkten sicher eines der größten Komplimente ist, die man einer Komponente machen kann.
Studio vs. HiFi?
Zum Vergleich höre ich die genannten Tracks mit meiner Kombi aus Server/Player Antipodes Audio S40 (seinerzeit 5.200 Euro) und meinem neuen DAC Ideon Audio EOS (9.800 Euro), wobei als Server/Player-Software Squeeze zum Einsatz kommt.
Die insgesamt 15.000 Euro teure „HiFi-Kombi“ gibt die verschiedenen Tracks in der Summe der Eigenschaften nicht weniger beeindruckend wieder – verhält sich aber anders. Und ja: weniger neutral. Das dürfte vor allem am EOS liegen, der nicht in dem Maße dem Neutralitätsgebot huldigt wie der diesbezüglich unbestechlich agierende Grimm MU2, sondern sich eine gewisse Spaßbetonung gönnt. Die besteht einerseits in einem kleinen Extraschub im Bass, andererseits in einem dem präsenten Bass gegenüber dezent zurückgenommenen Hochton. Die Wirkung ist, dass die „HiFi-Kombi“ etwas anmachender, der Grimm dagegen ein wenig ehrlicher klingt. Wie wirkt sich das bei Queen aus? Nun, die trotz des Remasterings etwas defensive Aufnahme wirkt über die Antipodes/Ideon-Kombi antrittsstärker und gewinnt an Drive, was vermutlich an der Bassbetonung und damit der Betonung der Rhythmus gebenden Instrumente liegt. Im Vergleich mit dem Grimm Audio wird zwar deutlich, dass das nicht die reine Lehre ist – aber in diesem Fall viel Spaß macht.
Was die Sache mit den Phasenspielereien im Bass angeht, geben sich Grimm Audio und die Antipodes/Ideon-Kombi so gut wie nichts. Was M83 und Silicon Soul hier zaubern, bringen beide Lösungen deutlich rüber. Beide erzeugen die von den Aufnahmen beabsichtigten „Irritationen“. Die neuseeländisch-griechische Kombi trägt den Bass pegelmäßig etwas dicker auf, doch dabei gibt es kaum offensichtliche „Verluste“ zu beklagen. Beide Lösungen reichen enorm tief hinab, beide präsentieren die Phaseneffekte mit beeindruckender Akkuratesse, wobei der MU2 in letzter Instanz wohl noch eine Nuance mehr Präzision in die Waagschale wirft.
„Time“ von KiCk I wirkt über meine Kombi mystischer – der MU2 macht im Hochton dagegen die deutlichere, klarere Ansage. Der leicht wärmeren Character des EOS eröffnet damit einen emotionaleren Zugang zur Musik, während der MU2 mehr Aufmerksamkeit fürs akustische Geschehen einfordert.
Die Checkliste
Die Chronisten-Pflicht gebietet, den Grimm Audio MU2 nach der gängigen HiFi-Checkliste abzuklopfen. Das ist insofern nicht einfach, als ich den Eindruck habe, über den Grimm mehr die Eigenheiten der jeweiligen Aufnahme zu hören als irgendeinen Charakter des MU2 selbst. Und auch der Rest der Anlage wird durch den MU2 absolut hörbar, ich kann die Wirkung eines jeden ausgetauschten Kabels unmittelbar nachvollziehen, aber okay, die Checkliste …
Tonalität
Im Bass hat der Grimm MU2 hat die totale Kontrolle. Immer. Soweit die Aufnahme das vorgibt und soweit der Rest der Anlage das umsetzt. Ob die genannten synthetischen Basswelten von M83 oder Silicon Soul oder Pauken und Trommeln in Strawinskys Le Sacre du printemps und grollende Kontrabässe in Edvard Griegs Peer Gynt – der MU2 reicht durch, was durchzureichen ist. Völlig souverän und ohne jede feststellbare Einmischung oder Einschränkung.
Auch was die Mitten betrifft, möchte ich mich zu der Behauptung versteigen, dass es kaum besser geht – zumindest dann, wenn es darum geht, das, was die Aufnahme hergibt, klar und unbestechlich weiterzureichen. Nehmen wir Stimmen – hier beherrscht der Grimm Audio MU2 sämtliche Spielarten. Warm und sonor unter die Haut gehend wie zum Beispiel Leonard Cohen auf You Want It Darker, fast schon zu detailliert und hochaufgelöst die Stimmbänder von Bettye LaVette Interpretations: The British Rock Songbook, wo ich mich frage, ob ich noch Gesang höre oder Lautbildung studiere, oder – eigentlich nicht mein Fach – Maria Callas‘ „La Mama Morta“ (Album: Maria Callas – The Legend), das mir einen faszinierenden Eindruck von den stimmlichen Ausdrucksmöglichkeiten der berühmten Operndiva vermittelt. Wie bereits gesagt: Ich könnte hier wieder viel schreiben, würde jedoch lediglich die Aufnahmen charakterisieren und nicht irgendwelche klanglichen Eigenschaften, die sich klar dem MU2 zuordnen ließen – so jedenfalls mein Eindruck. Und für den Hochton gilt das Gleiche. Nur von der Warnung begleitet, dass der Grimm Audio keine Gnade walten lässt, wenn die Aufnahme aus dem Ruder läuft. Grenzwertig: Patricia Barber, Modern Cool (nicht das Remaster).
Auflösung und Dynamik
Auflösung ist für den Grimm Audio MU2 kein Thema. Auch hier gilt: Er liefert, was die Produktion hergibt. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber der MU2 ist nun mal ein Präzisionswerkzeug. Hochaufgelösten Stoff weiß er definitiv zu würdigen. Besonders interessant finde ich in diesem Zusammenhang hochauflösend digitalisierte Vintage-Aufnahmen. Richtig Spaß macht zum Beispiel Oscar Peterson Exclusively For My Friends. Die Live-Aufnahmen einer Reihe von Privatkonzerten, die zwischen 1963 und 1968 im Studio von MPS-Gründer Hans Georg Brunner-Schwer aufgezeichnet wurden, sind zum Teil remastert in DSD-Qualität verfügbar. Wobei das Remastering hier sehr behutsam geschah und viel von den Qualitäten des Originals beibehalten wurde. Das Hören über den MU2 gerät hier zu einer Art Zeittunnel, der mich geradewegs in die Villa des MPS-Gründers am Zürichsee führt. Diese alten Aufnahmen habe ich noch nie so facettenreich und authentisch erlebt wie über den MU2.
Timing und Dynamik – tja, hier gibt es tatsächlich etwas zu sagen. Doch weniger über den Grimm Audio MU2, sondern über andere Komponenten … Ja, es gibt Digitalquellen, die im ersten Moment dynamischer klingen. Das ist aber oft eine Täuschung, die dadurch entsteht, dass diese Geräte weniger feindynamisch agieren und Dynamiksprünge deshalb – da gröber abgestuft – stärker in den Vordergrund treten lassen. Was das ausmachen kann, hat mir zuletzt der Vergleich des Merason Reuss mit dem Merason DAC1 MKII gezeigt. Nun, der Grimm ist dem Merason-Flaggschiff hierin ähnlich.
Raumdarstellung
Auch räumlich folgt der MU2 dem, was die Aufnahme hergibt, und das in einem Maße, wie ich es bisher selten gehört habe. Bei vielen Komponenten lässt sich zumindest eine Tendenz ausmachen – ob sie etwas näher/größer abbilden oder etwas distanzierter, ob sie tendenziell stärker die Breite oder die Tiefe ausleuchten. Nicht so beim MU2. Er transportiert die Räumlichkeit, die auf Aufnahme festgehalten wurde, gefühlt eins zu eins in den Hörraum. Ob klein und konzentriert, ob cinemascopemäßg-breit, ob live mit viel Atmosphäre, ob holographisch präzise – der MU2 kann das alles vermitteln. Allerdings macht er auch gnadenlos deutlich, wenn der Toningenieur nicht blitzsauber gearbeitet oder getrickst hat: Künstlicher Hall oder Tracks, die in unterschiedlichen Aufnahmeräumen aufgenommen und zusammengemischt wurden, enttarnt der MU2 nur allzu gerne.
Test: Grimm Audio MU2 | D/A-Wandler, Netzwerk-Player