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Die Legende besagt, dass Genelec-Entwicklungsingenieure nach der Arbeit im finnischen Nordsavo beim Saunieren beisammengesessen haben. Dabei kam die Idee auf, einen Lautsprecher zu entwickeln, der aussieht wie ein Breitbänder – aber keiner ist. Und so ward die Serie, die die Finnen „The Ones“ nennen und der auch die Aktivbox Genelec 8331 A angehört, geboren (Vertrieb: www.audioexport.de; Paarpreis: 4.398 Euro).
Wie das mit manchen Legenden so ist, ist auch diese erstunken und erlogen, das muss ich auf meine Kappe nehmen. Da aber so gut wie alle Legenden zumindest ein Körnchen Wahrheit enthalten, gibt es auch hier einen zutreffenden Bestandteil: Auf den ersten Blick sieht eine Genelec 8331 A doch tatsächlich aus wie ein Einmembraner. Dabei ist sie aufgrund des Koaxialprinzips ein Zweimembraner. Ha! Wieder falsch, denn tatsächlich sind es insgesamt drei Wege. Und die werden sogar mit vier Treibern umgesetzt: Zentral unter einem Lochblech befindet sich die 19-mm-Aluminiumkalotte, die optisch wie eine Staubschutzkappe für die umgebende 90-mm-Mittenmembran wirkt. Dieser Mitteltöner decket den Bereich von 500 Hz bis 3 kHz ab. Fehlen noch die beiden Basstreiber, die unter den oberen und unteren Schitzabdeckungen kauern. Hier scheint es zumindest eine Reminiszenz an HiFi-Urtage zu geben, denn die von Genelec verbauten Schallwandler sind oval (130 x 65 mm). Die notwendige Kraft, um diese vier Membranen vor- und zurückzubewegen, schöpft eine einzelne Genelec 8331 A aus Class-D-Amps, die 72 Watt für die Basstreiber und je 36 Watt für die beiden anderen bereitstellen können.
Die gesamte Front der Lautsprecherbox wirkt wie ein einziges Waveguide für die Koax-Kombination. Genelec verwendet auch für die 8331 Aluminium-Druckgussgehäuse mit Bassreflexport. Dieses „Bonbon“-Design gefällt nicht jedem, ist akustisch aber vorteilhaft: Es gibt so gut wie keine Kanten und keine Parallelen. Wie alle derartigen Genelec-Speaker kommen auch die 8331 mit Isopod-Füßen. Die entkoppeln nicht nur, sondern erlauben auch die vertikale und horizontale Aufstellung der Lautsprecher. Wem der Lautsprecher in Anthrazit nicht gefällt, der darf auf dem Bestellschein sein Kreuzchen auch bei Schwarz oder Weiß machen.
Beschickbar über einen analogen XLR-Eingang oder AES/EBU-Digitalinput mit Wortbreiten von bis zu 24 Bit und Samplingraten von bis zu 192 kHz, ist die 8331 mit rückseitig zugänglichen DSP-Filtern an den Aufstellort angleichbar, kann aber per Genelecs eigenem GLM-System (separat für knapp 500 Euro zu erwerben) auch eingemessen werden.
Den absoluten Tiefbass decken die Genelecs nicht ab. Bei 45 Hz ist schon ein Pegelabfall von -6 dB eingetreten. Wer tiefer will, sollte sich die beiden größeren Varianten Genelec 8341 und 8351 (Letztere war schon bei uns im Test) anhören. Diese generieren bei Bedarf auch höhere Schalldruckpegel, die 8331 schafft 104 dB SPL (Peak). Ein gutes Omen für Höhendarstellung, Detailzeichnung und Ortungsschärfe sollte die obere Grenze von 37 kHz (-6 dB) sein.
Klang: Genelec 8331 A
Lautsprecher von Genelec sind bekannt dafür, keine sofortigen „Oh, wow!“-Reaktionen hervorzurufen. Zu tief in der Firmen-DNA steckt die Ausrichtung von Lautsprechern als hochpräzise Werkzeuge für den Tontechniker. Und so ist es kein Wunder, dass ich, während die gute, alte Swing When you’re Winning von Robbie Williams (auf Amazon anhören) über die 8331 spielt, für die Hälfte des Albums vergesse, was ich eigentlich machen wollte. Ich höre einfach Musik und achte auf die Feinheiten der Produktion, anstatt die Lautsprecher kritisch zu beurteilen. Gutes Zeichen? Gutes Zeichen!
Bei „Mr Bojangles“ hat mich die Arbeitswirklichkeit als Tester wieder. Sowohl die mit Besen gespielte Snare zu Beginn als auch die nahe Mikrofonierung von Robbies Stimme strotzen nur so vor Detailreichtum, den die Genelec 8331 A absolut präzise, aber vollkommen ungehypt wiedergeben. Der Hochtöner scheint deutlich feiner zu arbeiten als der in meinen winzigen Genelec 8010, die ich zum Vergleich direkt danebengestellt habe und ebenfalls mit 1,5 Meter Abstand zueinander und zu mir betreibe. Trotz des sich in den Ultraschallbereich erstreckenden Frequenzgangs spielen die 8331 nicht außergewöhnlich luftig.
Tonales
Die Hochmitten zeigen ebenfalls eine eher neutrale, wenn nicht sogar ein wenig verhaltene Abstimmung. Für den Tontechniker in der Musikproduktion ist das vielleicht nicht die beste Nachricht, denn im so kritischen Bereich, in dem das Verhältnis von Signalen besondere Aufmerksamkeit benötigt, bieten Studiomonitore sonst gerne lieber etwas zu viel als zu wenig Pegel. Der Musikhörer kann sich bei den Genelec 8331 A dafür aber freuen, nicht von zu scharfen Zischlauten, Snareschlägen und anderen bissigen Signalen belästigt zu werden.
Bei einer Produktion, die ich über die Koax-Speaker höre, ist das aber fast schon ein wenig schade: Das erste Stück auf der EP Imaginary Appalachia von Colter Wall (auf Amazon anhören), „Sleeping On The Blacktop“, besitzt einen Vocalsound, den ich als geradezu heilig verehre. Ob sie Americana mögen oder nicht: Die Stimme ist wirklich ein Erlebnis! Sie klingt nach einer Pulle Rye Whisky am Tag über mehr als sechzig Jahre, nach Lungen voller Präriestaub, Bartstoppeln über sonnengegerbter Haut und nach metallenen Kaffeekannen im Lagerfeuer – dabei ist der junge Kanadier bei der Aufnahme nicht einmal 20 Jahre alt gewesen! Mit entsprechend „Chest Hair“, also stark harmonisch angereichert, einem etwas löchrigen Röhrenklingeln und grobkörnigem Übertragersound versehen, sorgt der Klang dieser Stimme dafür, dass ich meinen imaginären Cowboyhut vor dieser Musikproduktion ziehen will (und aufpassen muss, mich in einem Testbericht über Lautsprecher nicht in Tontechnik-Lobhudeleien zu verlieren). Die Genelec 8331 A dürften gerade im Präsenzbereich von mir aus gerne ein klein wenig mehr davon preisgeben. Für viele andere Produktionen sind die Boxen aber perfekt abgestimmt. Im Übergabebereich vom Mittel- zum Hochtöner kann ich keine Probleme erkennen.
Den Tiefmitten darf man ebenfalls eine angenehme Unaufgeregtheit bescheinigen. Der Brustton Robbie Williams‘, auf manchen Anlagen schnell zu viel Platz einnehmend, kann sich perfekt darstellen. Robbie kann glänzen, während Rupert Everett dank der Präzision der 8331 einmal mehr zeigt, wie man einen Songklassiker perfekt verhunzen kann und dafür sorgt, dass ein an Highlights überreiches Album wie Swing When you’re Winning eben doch nicht in die erste Reihe der besten Alben der 2000er Jahre gehört. Auf den Genelecs fällt auf, wie katastrophal und zerstörend der Auto-Tune-Effekt bei dieser Stimme wirkt: Der Grundtonbereich wird schlagartig schwammig, wenn diese Technik (zum Produktionszeitpunkt noch in den Kinderschuhen) zupackt. Zum Mithören: „They Can’t Take That Away From Me“, vor allem ab 0:43. Im Text des Klassikers ist entsprechend auch die Rede von „… the way you sing off key“.
Bass macht mit den Genelec 8331 A Spaß, trotz kleinem Gehäusevolumen und geringem Tiefgang. Es sind keine Strömungsgeräusche durch die Abdeckung der beiden Treiber oder an der hinteren Reflexöffnung zu beklagen. Die Gehäuserundungen leisten offensichtlich ganze Arbeit. Das Verhalten im Bass überprüfe ich so gut wie immer mit dem komplett unbearbeiteten Signal einer Stereoaufnahme einer Walcker-Orgel. Mit hoher Akkuratesse, also schnell und detailreich, geben die Lautsprecher den tiefen Frequenzbereich wieder. Ich finde es gut, dass die Genelec nicht auf Teufel komm raus Tiefbass generieren wollen, der dann wolkig vor sich hin wabert. Trotz unterschiedlicher Technik ähneln die beiden Genelec 8331 A der Kombination aus Abacus 60-120D Dolifet und Quadral Galan 9 (Gesamtpreis circa 3.000 Euro) diesbezüglich. Gut zu wissen ist übrigens, dass die Isopod-Entkopplungsfüße ganze Arbeit leisten und nur wenig Schwingungsenergie über das generell sehr ruhige Gehäuse an Stative, Tisch- oder Regalbrett abgeben.
Dynamik, Pegel, Rauschverhalten
Babylon Berlin ist der zum Testzeitpunkt brandneue Soundtrack zur gleichnamigen Serie, welcher mit zwar höherer musikalischer Dynamik als typische Popmusikproduktionen, aber deutlich weniger als bei den meisten Klassikaufnahmen aufwartet. Genelecs „Einäuger“ meistern die Lastwechsel der Musik problemlos – was ich ihnen aufgrund der nicht gerade üppigen Leistungsdaten gar nicht zugetraut hatte. Enorme Pegel machen dann aber offenbar der Verstärkung zu schaffen. Bei voller Beanspruchung scheinen Bässe matter und Höhen leicht bissig zu werden.
Toll dagegen ist, dass auch bei hoher Verstärkung und geringem Hörabstand so gut wie kein Rauschen wahrnehmbar ist. Als ich Babylon Berlins (auf Amazon anhören) Zwanzigerjahre-Groteske „Zu Asche, zu Staub“ nicht im kleinen Raum, sondern im großen Wohnzimmer mit hohen Pegeln hören will, zeigt sich, dass man auch in Finnland nicht zaubern kann. Ich würde die 8331 A in etwas größeren Räumen durchaus empfehlen – allerdings nur bei nicht allzu großen Hörabständen. Mit typischer Couch-HiFi-Entfernung von drei Metern und mehr sollte man in Räumen jenseits der 30 Quadratmeter zum nächstgrößeren oder besser noch zum größten Modell (siehe Test Genelec 8351) greifen.
Bühnentechnik
Was im Gegensatz zu Pegelfestigkeit und Bassgehalt in Räumen jeglicher Größe vorbildlich ist, ist das Schallfeld, das ein Pärchen Genelec 8331 A generieren kann. Wenn man parallel zur Basislinie vor den Boxen vorbeiläuft, erfährt man in Mitten und Höhen ausschließlich sanfte Verläufe, niemals plötzliche Veränderungen. Diese Homogenität ist erstaunlich und geht eindeutig auf das Konto des Koaxialsystems und des diffraktionsarmen Gehäusedesigns. Sicher: Im Bass ist man stärker von den Gegebenheiten des Raumes abhängig. Auffällige Überhöhungen und Einbrüche durch Raummoden können durch Genelecs GLM-Einmesssystem, welches aus separat anzuschaffender Basiseinheit, Messmikrofon und Software besteht, deutlich verringert werden. In den meisten Fällen kommen die 8331 A aber auch ohne Einmessung aus, zumal die an Bord befindlichen Filter gute Arbeit leisten. Im Tischbetrieb ist das Desktop-Filter eine klare Bereicherung; an Wänden oder in Ecken – beides kein Problem für die äußerst aufstellungstoleranten Lautsprecher – leistet die Basskompensation über die rückseitigen Dip-Schalter sehr gute Dienste.
Ihre annähernd rotationssymmetrische Abstrahlcharakteristik ermöglicht eine vertikale wie horizontale Aufstellung der Genelec 8331 A, ohne dass es groß Klangfarbenveränderungen wahrzunehmen gibt. Und bei kleinen wie bei großen Hörabständen gilt: Ein Stereoset dieser Lautsprecher erlaubt eine Ortung wie mit der Akkupunkturnadel. Sind keine stark störenden Einflüsse durch die Raumakustik vorhanden, erscheint das musikalische Geschehen plastisch vor dem Hörer.
Ich genieße „Reason Or Rhyme“ des Bryan Ferry Orchestra, welches sich ebenfalls auf dem Soundtrack zu Babylon Berlin findet. Direkt zu Beginn des höchst stimmungsvollen Songs lassen sich Mandoline und Piano messerscharf voneinander separieren, was wahrlich nicht jedem Lautsprecher so überzeugend gelingt. Die Holzbläser sind schön vor den sanften Streichern positioniert, kurz nacheinander „blecht“ eine einsame, wundervolle Solotrompete mit reflexionsreichem Klang zwar laut, aber recht weit hinten in der Mischung vor sich hin, während die Stimme der Roxy-Music-Größe Bryan Ferry direkt vor mir erscheint. Ich schreibe bewusst „erscheint“, weil die warmen und nahen Vocals in diesem Song wirklich einer Erscheinung gleichkommen. Wenn man sich tief in eine Musikproduktion hineinhört und erkennt, was einem auf schlechteren Boxen alles entgeht, dann kommt es langsam, dieses „Wow“: Die glasklare Darstellung der Musik in Breite und Tiefe gelingt den Genelecs so, wie es Lautsprecher kaum besser machen können. Eine klitzekleine Einschränkung finde ich in den Tiefmitten, deren Bild mir etwas hinter der ansonsten absolut superben Darstellung zurückfällt und in verschiedenen Aufstellsituationen geringfügig schwammiger erschien. Die Einschränkungen durch „etwas“ und „geringfügig“ sind hier genau so gemeint – denn alles in allem bleibt die Bühne atemberaubend.
Eine gute Ortbarkeit und feine Darstellung des Raumes ist ohne eine entsprechende Feindynamik kaum möglich. Und so profitiert jede Produktion davon, dass auch schnelle, kurze Pegelanstiege anstaltslos umgesetzt werden. Die Attacks des knurrenden E-Basses auf Megadeths „My Last Words“ (auf der 2004 remasterten Peace Sells… But Who’s Buying?) kommen genauso klar und griffig aus den Speakern wie die metal-typischen Crashbecken-Stopps. Doch auch hier gilt: Die Genelec 8331 A können zwar laut für ihre Größe, doch sollte man dabei beobachten, was passiert: Wenn die Feindynamik bei Partypegeln schlappmacht, fangen die Boxen an, gepresst und angestrengt zu klingen. Ein bisschen leiser stellen, dann ist gut. Wer also in Erinnerung an glorreiche Zeiten bei lautem Trashmetal beide Hände (die eine gehörnt, die andere mit Dosenbier bestückt) in die Luft werfen will, trotzdem aber seine Audiophilie nicht auf schlammigem Festivalboden zertreten sehen möchte, der braucht andere Boxen. Größere, potentere. Das ist nur logisch, denn die Genelec 8331 A ist ein „3-Weg-System mit geringen Abmessungen für alle Anwendungen mit begrenztem Platzangebot“, wie der deutsche Vertrieb sich ausdrückt. Oder anders gesagt: keine Disco-Box.
Lautsprecher-Vergleiche
Unter den etwa gleichgroßen Lautsprechern verlor die schon genannte Kombination aus Abacus & Quadral bei höheren Pegeln etwas später die Contenance im Bass und den Höhen, kam aber definitiv nicht an die Abbildungsleistung der Genelecs heran. Und trotz fehlender Möglichkeit zum Direktvergleich – ich kann meinem akustischen Erinnerungsvermögen ganz gut vertrauen – will ich behaupten: Vor allem was die Ortung angeht, haben die Genelec 8331 A auch die (freilich nur halb so teure) KEF LS50W in der Tasche. Doch nicht nur dort, auch die Sauberkeit des Basses und die Linearität des Frequenzgangs sind eine Klasse besser.
Es ist fast so, als müsste man sich an das Fehlen von „klassischen Klangeigenschaften“ üblicher Lautsprecher gewöhnen. So sind beispielsweise Dreiwege-Aktivboxen wie die Neumann KH310, Focal Twin 6 Be oder HEDD Type 20 (preislich zwischen 3.400 und 3.800 Euro angesiedelt) ebenfalls hervorragende Lautsprecher mit ähnlich guter Auflösung und ordentlicher Linearität – doch erlebt man mit ihnen das altbekannte „Kistensystem“ mit diesen leichten, aber eben „wohlbekannten Zacken“ im Frequenzgang. Hierfür mag die eine oder andere Kantenreflexionen verantwortlich sein. Ungenauigkeiten, gerade im absoluten Nahbereich, entstehen zudem durch die versetzte Anordnung von Mitten- und Hochtontreiber – doch klingen diese Boxen hierdurch eben auch etwas „vertrauter“ als die Genelec 8331 A.
Schon die Zweiwege-Genelec-8350 im ähnlich „rundgelutschten“ Alugehäuse, besonders aber die klassische kantige Genelec 1032 machen die genannten Unterschiede deutlich. Und im herstellereigenen Vergleich wird auch klar: Den zusätzlichen Weg der 8331 A und das Koaxialkonzept mit den doppelten Basstreibern und die damit einhergehenden klanglichen Vorteile wie punktgenaue Ortung und geradezu geniale Bühnendarstellung auch im absoluten Nahbereich erkauft man sich – mit geringerem Gesamtpegel und weniger Tiefgang im Bass.
Test: Genelec 8331 A | Aktivlautsprecher