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Mai 2014 / Michael Bruß
Focal, vor Jahren im Heimbereich mal ausschließlich unter dem Namen JM Lab auf dem Markt, dürfte den meisten HiFi-Kennern ein Begriff sein. Schon seit 1979 produziert die französische Marke herausragende Chassis und Komplettsysteme für den HiFi-Markt. Die Focal-Inverskalotte ist legendär und wird in zahllosen Fabrikaten vieler Hersteller in der einen oder anderen Form eingesetzt. Der Treiber gilt als extrem lebendig, hochauflösend und schnell, hatte aber auch lange (und nicht ganz zu Unrecht) den Ruf, etwas stressig und zuweilen sogar spitz zu klingen.
Vor etwa 12 Jahren habe auch ich für einige Zeit privat mit einer JM Lab Electra 905 gehört, einem quicklebendigen 2-Wege-Kompaktlautsprecher mit zwei 13er-Tiefmitteltönern in D’Appolito-Anordnung, der sehr wertig gemacht war und eine bezaubernde Bühne mit höchster Auflösung in den Raum stellen konnte. Leider war dieser Präzisionsmonitor im Hochton und den oberen Mittelton aber auf Dauer latent aggressiv – hörte man über einen längeren Zeitraum mit gehobenem Pegel, so stellte sich irgendwann (zumindest bei mir) das Bedürfnis ein, die Lautstärke wieder runterzudrehen. Als ich mich irgendwann dabei ertappte, die Musik, die ich hören wollte, nach dem Aspekt „nervt nicht mit diesem Lautsprecher“ auszuwählen, trennte ich mich schließlich von den beiden Kleinen. Das tat mir schon leid, denn in allen anderen Beziehungen konnte ich eigentlich ziemlich gut mit den JM Labs …
Mittlerweile sind etliche Jahre ins Land gegangen, aus JM Lab wurde die Marke Focal, und Focal ist seit etwa zweieinhalb Jahren mit Music Line, dem deutschen Naim-Vertrieb, verbandelt – auf diversen Messen konnte man sich bereits davon überzeugen, dass diese Kombi auch ziemlich gut funktioniert. Beeindruckend war die Vorführung einer Focal aus der Utopia-Range an Naim-Elektronik auf der High End 2012 in München – ein extrem lebendiger und aufgelöster Klang mit reichlich Tiefgang und Dynamikreserven war da zu vernehmen. Und am wichtigsten: keine Nervigkeiten im Hochton. Natürlich sind Messebedingungen und die Kürze der Zeit die natürlichen Feinde für eine seriöse und umfassende Beurteilung einer Komponente, aber neugierig gemacht hat mich die Vorführung schon. Von daher konnte ich quasi gar nicht nein sagen, als mir die brandneuen Focal Aria 926 als Testobjekte angeboten wurden.
Ausstattung und Finish
Die 926 sind die kleinsten Standlautsprecher der Aria-900-Serie, die Focal im Herbst letzten Jahres lanciert hat. Die Familie besteht des Weiteren aus zwei (noch) größeren Standlautsprechermodellen, einem Kompaktlautsprecher und einem Center. Preislich bewegt Focal sich mit 499 Euro für den Center (Stück), 748 Euro für die Kompakten und 3.198 Euro für die Familienoberhäupter Aria 948 in Klavierlack (jeweils im Paar) im durchaus noch bezahlbaren Rahmen. Die Aria 926 schlagen in der Standardausführung mit 1.898 Euro beziehungsweise mit 2.098 Euro für die Variante in schwarzem Klavierlack zu Buche. Der Begriff „klein“ ist in Bezug auf die 926er allerdings schon etwas irreführend, denn mit deutlich über 1 Meter Höhe und einem Gewicht von 25 Kilo pro Stück gehören sie sicher nicht mehr zur Gattung der visuell verschwindenden Lautsprecher.
Dazu trägt aber auch eine optische Besonderheit bei: Der eigentliche Lautsprecher wird in definiertem Abstand auf eine Bodenplatte montiert, die nicht nur die effektive Standfläche vergrößert, sondern auch die komfortable Verstellung der integrierten Spikes von oben mithilfe von großen, griffigen Stellschrauben ermöglicht. Der Grund für diese Montageweise ist allerdings weniger ein optischer als hauptsächlich der nach unten abstrahlende Bassreflexport (ein weiterer sitzt auf der Front des Lautsprechers).
Ein Bassreflexport weist nach unten, einer nach vorne
Diese Anordnung soll für eine gleichmäßige Anregung des Raumes durch die Tieftonenergie des Lautsprechers sorgen und gibt den Entwicklern gleichzeitig die Möglichkeit, den Frequenzgang im Bass deutlich zu beeinflussen.
Die Aria-Serie präsentiert sich in Walnuss-Folie auf den Seitenwänden, ist vorne und hinten mit Kunstleder bespannt und die Kopfplatte ist aus schwarzem Glas gefertigt. Dass es sich beim „Walnuss“ nicht um ein Echtholzfurnier handelt, ist nur aus der Nähe sichtbar und tut der insgesamt wertigen Anmutung der 926 keinen Abbruch. Das pure Gewicht der Focals deutet auch darauf hin, dass der Rotstift beim Materialeinsatz für das Gehäuse keine große Rolle gespielt haben dürfte.
Gleiches gilt mit Sicherheit auch für die Treiber. Focal hat hier eine Neuheit zu bieten: Die Membranen von Tief- und Mitteltöner bestehen aus einem Glasfaser-Flachsfaser-Sandwich. Der soll nicht nur extrem leicht, sondern auch steif und gleichzeitig resonanzarm sein – eigentlich widersprechen sich diese Attribute gemeinhin. Die Membranen selbst sind nur 0,48 mm dick, und nur 0,08 mm davon gehen auf das Konto der Glasfasern, die den inneren Flachsfaserteil umschließen. So erzielt Focal eine Masse von 327 Gramm pro Quadratmeter – es gibt zwar Membranmaterialien, die bei im Membranbau gebräuchlichen Stärken noch leichter ausfallen, dann aber in Hinsicht auf innere Dämpfung das Nachsehen haben.
Mitteltöner der Focal Aria 926
Schallausbreitungsgeschwindigkeit und Steifigkeit bieten ebenfalls einen optimierten Kompromiss im Vergleich mit herkömmlichen Membranmaterialien, ja, sie schlagen sogar die Focal-eigene W-Sandwich-Technologie unter Einbeziehung von Dicke und Gewicht deutlich. Wer sich für die F-Sandwich-Technik im Detail interessiert, sollte sich unbedingt das gut verständliche Whitepaper durchlesen. Die Arbeit im Bassbereich teilen sich übrigens zwei 16er-Woofer, und oberhalb von 290 Hz kommt ein weiterer 16-cm-Treiber mit modifizierter Staubschutzkalotte zum Einsatz. Alle Treiber werden von graphitgrauen Ringen eingefasst. Ich muss sagen, so sehen die Aria-Modelle richtig schick aus, für die mit Magnethalterungen anbringbaren Frontbespannungen sehe ich ästhetisch keinen Montagezwang.
Im Hochton kommt – wie sollte es anders sein – Focals bewährte Inverskalotte zum Einsatz, hier mit einer Membran aus einer Aluminium-Magnesium-Legierung. Sie übernimmt bei 2.400 Hz das Zepter. Statt wie sonst üblich Schaumstoff oder Gummi für die Sicken zu verwenden, setzt Focal bei diesem Treiber auf Poron, das laut Hersteller langlebiger ist und ein besseres Schwingungsverhalten aufweisen soll, was insgesamt zu einem „smootheren“ Sound führe.
Hochton-Inverskalotte der Focal Aria 926
Angeschlossen wird die Aria 926 über solide Single-Wiring-Terminals. Focal gibt einen Frequenzgang von 45 Hz bis 28 kHz bei +/- 3 dB an, der -6-dB-Punkt liegt bei 37 Hz. Mit 8 Ohm nominaler Impedanz und einem überdurchschnittlich hohen Wirkungsgrad von 91,5 dB/2,83 V/1 m dürften die Focal kaum einen Verstärker vor größere Probleme stellen. Die minimale Impedanz liegt bei 2,9 Ohm, auch das ist recht unkritisch. Freunde von Glühkolbensignalverstärkung können es also durchaus mal auf einen Versuch ankommen lassen.
Auspacken, aufstellen und warten …
Leider hielt die Qualität der Verpackung unseres Testmusters nicht ganz mit der des Gehäuses und der Treiber mit. Eine Kiste kam fast schon halb geöffnet in der Redaktion an, und viele der Styroporteile im Inneren waren mehr oder weniger beschädigt. Der Lautsprecher selbst hatte gottlob keinen Schaden genommen. Das mit der Verpackung dürfte für den Endkunden aber wohl keine Rolle spielen, sondern damit zusammenhängen, dass es für unsere Exemplar nicht die erste Reise war. Nun, genug herumgemäkelt, alles Weitere ging schnell und einfach vonstatten: Die Montage der Sockelplatten gelang äußerst unproblematisch mit den beigefügten Bordmitteln, kleine Gummikappen für die Spikes ermöglichten dabei eine bodenschonende Aufstellung.
Focal empfiehlt die Aria 926 für Räume ab etwa 20 qm und einen Hörabstand von mindestens drei Metern. In meinem knapp 27 qm großen Hörraum bin ich dann auch auf keine diesbezüglichen Probleme gestoßen: Schon beim ersten Reinhören ließ sich sagen, dass diese Raumgröße für die Aria 926 bestens passt. Zwar spielte der Bass zu Beginn noch nicht sehr locker nach unten, aber das sollte sich im Laufe der Zeit (viel Zeit!) noch recht stark ändern. Die üblichen 24 Stunden Dauereinsatz brachten schon eine hörbare Besserung. Die tonale Ausrichtung war zu Anfang immer noch eher schlank, der Bass der Größe der Lautsprecher angemessen tief, aber noch nicht wirklich druckvoll. Weitere etwa fünf Tage später schienen mir die Focal dann bereit für eine eingehendere Beschäftigung – und diese Einspielzeit hatte es wirklich in sich …
Test: Focal Aria 926 | Standlautsprecher