Inhaltsverzeichnis
Gehen wir nun ans Eingemachte, der Etymotic ER4-XR soll zeigen, was er klanglich tatsächlich zu bieten hat.
Starten wir mit dem Tingvall Trio: Die klassische Dreierkombination aus Klavier, Schlagzeug und Kontrabass kann eigentlich internationaler kaum sein. Der aus Schweden stammende, namensgebende Pianist Martin Tingvall, der Bremer Schlagzeuger Jürgen Spiegel und der aus Kuba stammende Bassist Omar Rodruigez Calvo ergänzen sich bei den Kompositionen Martin Tingvalls nahezu perfekt (auf Amazon anhören).
Mit dem Etymotic ER4-XR wird die gefühlvolle Spielweise der drei Künstler sehr präzise herausgearbeitet. Das war auch grundsätzlich mein erster Gedanke, als ich den ER-4 mit Musikmaterial fütterte: „Präzision“. Selten hatte ich eine derart genaue Spielart bei In-Ears erlebt. Umso mehr war ich zudem überrascht, dass ich entgegen meines ursprünglichen Vorurteils gegenüber Etymotic-In-Ears – zu hell und zu scharf im Hochton – nun eines Besseren belehrt wurde. Die Hi-Hats im Titel „Vägen“ werden mit dem Etymotic ER4-XR gleichzeitig präsent und dennoch nie unangenehm oder den restlichen Frequenzbereich überstrahlend dargestellt. Klar, im Vergleich zum per se etwas dunkler gefärbten Fabs Dual Basic gerät der Beckenanschlag etwas heller, eine zu geringe Körperhaftigkeit kann ich der Wiedergabe des Etymotic aber keineswegs attestieren. Auch die Snare und Toms werden realistisch und keinesfalls zu dumpf dargestellt, könnten aber meiner Meinung nach grobdynamisch noch etwas kräftiger zulangen. Die Obertöne der Klavier- und Kontrabasssaiten werden äußerst feinsinnig präsentiert, was nicht zuletzt für überzeugend echte Klangfarben sorgt. Überhaupt scheine ich hier einen sehr talentierten Feindynamiker im Test zu haben. Kleinsten Nuancen zu Leben zu verhelfen ist für den ER4-XR kein Problem. Der Etymotic lässt hier sogar den Drei-Wege-In-Ear Audiofly AF-160 (ca. 350 Euro) alt aussehen, der sich allerdings auch mehr der Mittenwiedergabe verschrieben hat.
Der Ausklang der Becken wird vom ER4-XR ebenso superb bis aufs letzte Bit gemeistert, wie auch die tonale Balance zwischen Kontrabass und Schlagzeug keinen Anlass zu meckern gibt.
Ein Sprung auf den amerikanischen Kontinent bringt uns gleichzeitig der Grobdynamik etwas näher. Die in den Genres Progressive- und Alternative-Rock angesiedelte Band Dredg rund um den Sänger Gavin Hayes war in ihrer Gründungsphase recht experimentierfreudig, was sich aber mit dem 2005 erschienenen Album Catch without Arms (auf Amazon anhören) änderte, bei dem die Band sich mehr dem gefälligeren Alt-Rock zuwandte. Auch bei diesem Album stellt sich der Etymotic Research ER4-XR zunächst als präzise aufspielender Begleiter heraus. Die eingängige Stimme von Gavin Hayes wird vom ER4-XR absolut verständlich gezeichnet, man kann die Emotionen, mit denen der Sänger seine Texte vorträgt, förmlich spüren.
Kam mir der bisher perfekte Auftritt des kleinen In-Ears schon fast unheimlich vor, so konnte ich schließlich doch noch eine leichte „Schwäche“ des In-Ears ausmachen – und zwar beim Umgang des Etymotic ER4-XR mit verzerrten, lauteren Passagen. Beim eher balladenartigen „Sang Real“ war davon nichts zu hören, beim lärmigeren „Bug Eyes“ fiel’s mir dann aber doch auf:
Anders als für Rock und Metal geradezu prädestinierte In-Ears – wie etwa der sonor zeichnende Fabs Dual Basic oder auch ein Rhines Customs Stage 3 (999 Euro) – packt der Etymotic ER4-XR die grobdynamisch recht fordernden Einsätze der verzerrten Gitarre und des exzessiven Schlagzeugspiels etwas weniger mitreißend an. Zur Schokoladenseite des ER4-XR zählt eher seine Feinfühligkeit, was natürlich nicht heißt, dass man mit dem Etymotic nicht auch laut hören kann, die sehr hohe Präzision einzelner Instrumente ist bei sehr hohen Pegeln – wohl auch systembedingt, wir haben es ja mit einem Single-BA-Treiber-Konzept zu tun – aber nicht mehr auf ganz so hohem Niveau wie bei moderaterer Lautstärke.
Mit einem etwas größeren Saiteninstrument, jedoch wesentlich weniger hektisch, geht es bei dem von Kritikern vielfach gelobten Albumdebüt der amerikanischen Singer/Songwriterin Joanna Newsom zu. Die Harfenspielerin hinterließ mit ihrer exzentrisch-extravaganten Stimme im Album The Milk Eyed Mender (auf Amazon anhören) sicher nicht nur bei mir einen bleibenden Eindruck. Der Wechsel zwischen ihrer normalen Sopranstimme und des krächzenden Gesangs eignet sich hervorragend für einen genaueren Blick auf den Präsenzbereich.
Der Etymotic Research fühlt sich hier sowohl in puncto Stimme als auch Wiedergabe des Cembalos bei „Peach, Plum, Pear“ sichtlich wohl. Durch das im Vergleich zum restlichen Mittenbereich inklusive Grundton etwas angehobene obere Mitten- bis untere Hochtonspektrum klingt das Cembalo sehr lebendig und frisch, ist aber trotzdem nicht überspitzt. Mit dem Audiofly AF160 ist hier zum Beispiel eine leichte Dämpfung zu hören, die mir vorher nicht so stark aufgefallen war. Geht Joanna Newsom mit der Tonhöhe etwas weiter hinauf, wird hier ebenfalls die stärkere Frische in diesem Bereich hörbar. Insgesamt war dadurch zwar ein etwas hellerer, weniger vollmundigerer Einschlag als bei In-Ears mit angehobenem Grundtonvolumen zu vernehmen, durch die saubere, hochaufgelöste Wiedergabe gerät es aber auch bei längeren Hörsessions niemals anstrengend.
Fokussiert man seine Ohren nun auf die tieferen Frequenzen, wird schnell klar, dass auch im Bassbereich eine sehr hohe Detailtreue geboten wird. Das Stück „The book of right on“ beginnt mit einer auf der Harfe gespielten Bassmelodie, welche dem Etymotic Research ER4-XR eine detaillierte und auch im Pegel nicht zu knappe Basswiedergabe bescheinigt. Dem Etymotic merkt man hier nicht an, dass nur ein BA-Treiber für die Wiedergabe verantwortlich zeichnet.
Gleichzeitig wird in diesem Stück hörbar, dass die Räumlichkeit für einen Single-BA-In-Ear beachtlich ist. Sogar der mit drei Treibern ausgestattete Audiofly FA160 kommt nicht an diese Raumdarstellung heran. Positiv wirkt hier bestimmt der erwähnte leicht erhöhte Präsenzbereich, der zu einer besseren räumlichen Ortung führen dürfte. Dabei zeichnet der Etymotic einen für einen In-Ear zwar großen Raum, übertreibt aber auch nie damit und lässt kleinere Aufnahmestudios und Konzerträume nicht übergroß oder unwirklich erscheinen.
Um aber dem Bassbereich noch stärker auf den Zahn zu fühlen, muss etwas druckvolleres Musikmaterial herhalten. Die in Seattle beheimatete Solokünstlerin Erica Dunham startete bereits 1998 ihr recht eigenwilliges Musikprojekt Unter Null. Das Album The Failure Epiphany (auf Amazon anhören) wird der dem Techno und Industrial untergeordneten Kategorie „Aggrotech“ zugeordnet. Ein sehr bass- und vor allem auch beatlastiger Musikstil, der In-Ears im Grunde alles abverlangt, was sie zu bieten haben.
Und das ist, vorausgesetzt er sitzt ausreichend tief im Ohr, beim Etymotic ER4-XR nicht zu verachten. Der Bassbereich von In-Ears ist regelmäßig umso stärker ausgeprägt, je näher man sie ans Trommelfell führt. Beim ER4-XR wird dieser Umstand besonders offensichtlich.
Vor allem beim Kickbass lässt sich dies gut beobachten. Bei richtigem Sitz der Tri-Flanges ist eine druckvolle Präsentation von elektronischen Rhythmen zu vernehmen. Wechselt man zu den zumindest bei meinen Ohren nicht so weit hineinreichenden Memoryfoam-Aufsätzen, nehmen Druck und Spielfreude etwas ab. Ein optimaler Sitz ist hier also Voraussetzung, damit der Etymotic ER4-XR sein volles Potential entfalten kann. Im Ober- und Midbassbereich gibt er sich gegenüber bassbetonteren In-Ears tonal aber so oder so zurückhaltender.
Dass der Etymotic ER4-XR trotz seines einzelnen BA-Treibers tief hinab reicht und dort im Vergleich zum restlichen Bassbereich sogar noch eine Schippe an Pegel zulegen kann, wird spätestens bei 0:23 im Stück „The failure epiphany“ deutlich, wenn der pulsierende Tiefton als Nachhall zum Bassbeat hinzukommt. Dieser wird nahezu mit gleicher Quantität als auch Qualität wiedergegeben wie mit dem schon im Test für seine Bassstärke gelobten Fabs Dual Basic.
Vergleich mit verschiedenen Verstärkern
Ein nicht außer Acht zu lassender Punkt stellt bei meinen Tests natürlich auch immer ein möglichst homogenes Zusammenspiel mit Quellgeräten und eventuell zwischengeschalteten Verstärkern dar:
Der Etymotic Research ER4-XR ist durch seine für einen In-Ear recht hohe Impedanz von 46 Ohm tendenziell auch bei hochohmigen und leistungsstärkeren Amps gut aufgehoben. Sowohl die geringe Beeinflussbarkeit der tonalen Homogenität – bei einer zu hohen Impedanz des Verstärkers kann bei niederimpedanten In-Ears ein Pegelabfall insbesondere an den Frequenzenden die Folge sein – als auch die bessere Regelbarkeit der Lautstärke sind auf der Habenseite des ER4-XR zu verbuchen. Natürlich werden verstärkertypische Klangeigenheiten mit dem Etymotic gut hörbar.
So war mit dem Benchmark DAC1 zum Beispiel eine etwas kickbassbetontere Wiedergabe zu vernehmen. In Kombination mit dem Burson Audio Soloist SL legte der detailverliebte ER4-XR feindynamisch nochmals eine Schippe drauf, spielte aber im Bassbereich etwas sanfter. Mit dem Nuprime HPA-9 wies der Etymotic trotz der tonal sehr ausgewogenen Spielweise eine zu hohe Anfangslautstärke und dadurch einen zu geringen Regelbereich auf. Dies ist aber dem für eher große, schwierig anzutreibende Kopfhörer konstruierten Verstärker zuzuschreiben.
Am ehesten gefiel mir der Etymotic ER4-XR – und das war mir bei einem derart mobilen Hörer sehr genehm – in Kombination mit meinem FiiO E17. Auch am Smartphone spielte der Etymotic ER4-XR in Verbindung mit dem FiiO sehr ausgewogen, detailreich und erwachsen auf.
Test: Etymotic Research ER4-XR | Kopfhörer