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Spikes gehören bei der Xeo 5 nicht zum Lieferumfang, sondern sind optional erhältlich
Eine leichte Zurückhaltung in Sachen Attacke bestimmt gleichwohl ihren Grundcharakter. Das ist nicht schlimm, man sollte es aber wissen. Wer sich – wie ich – musikalisch überwiegend im Rock- und Indie-Genre wohlfühlt und es dann und wann auch gern mal so richtig krachen lässt, vermisst etwa bei „Not supposed to sing the Blues“ aus Bag of Bones der Schwedenrocker Europe (ja, die gibt es noch – und nein, nach „The Final Countdown“ klingen sie nicht mehr …), dass weder das kurze und harte Drumintro noch die im besten „Hardrock-Breitwandsound“ überzerrte Hookline von Gitarrist John Norum so richtig schön ansatzlos-brachial in den Raum platzen. Man kann sich von diesem Stück die Haare föhnen lassen und erst dann macht es Spaß. Nicht, dass die Xeo 5 nicht ihr Allerbestes tun würde, aber man hört, dass es ihr nicht so recht gefällt.
Meine zum Vergleich herangezogenen, kabelgebundenen und aus Fairnessgründen an meinen Yamaha A-S 1000 gekoppelten (der Vergleich Kabel + externe Elektronik gegen Funk-Aktivlautsprecher hinkt sowieso, da wollte ich nicht noch meinen Symphonic Line-Amp ins Spiel bringen) Magnat Quantum 905 knüppeln die Nordmänner so unvermittelt und mit so viel Kraft in mein Arbeitszimmer, dass die Dynaudio dagegen etwas „dünn“ aussieht. Sie zeichnet Klangfarben mit viel feinerem Strich, gibt sich im Präsenzbereich nüchterner, treibt nicht so sehr nach vorn. Vermutlich ist das sogar authentischer, natürlicher, wirkt im direkten Wechselhören mit der insgesamt auch stämmiger aufspielenden Rheinländerin aber – übertrieben formuliert – wie mit leicht angezogener Handbremse auf dem Verkehrsübungsplatz.
Man muss an dieser Stelle vorsichtig sein, denn ich vergleiche hier die berühmten Äpfel mit Birnen. Auf der einen Seite ein vollaktives System, das per Funkstrecke angesteuert wird, auf der anderen ein klassisches HiFi-Setup, das mitsamt externer Elektronik und Verkabelung preislich über der Dänin liegt und ausgehend von den ehemaligen Preisempfehlungen der Hersteller (die Magnat gibt es ja schon lange nicht mehr neu) auf etwa 4.000 Euro kommt. Dennoch scheint es mir zulässig zu sein, eine gewisse Tendenz im Charakter der Xeo 5 auszumachen: Eine „Rampensau“, die sich voller Feuer nach vorn wirft und dabei auch kleine Ungenauigkeiten in der Wiedergabe in Kauf nimmt, dabei durch minimale Verdeckungseffekte auch komprimierte Musikformate noch gnädig weiterreicht, ist die Dynaudio Xeo 5 nicht. Auch das eine Eigenschaft, die für mich ganz typisch ist für die Produkte aus Skanderborg.
Viel lieber widmet sich die Xeo Piers Faccinis „Sharpening Bone“ (Album: Tearing Sky), stellt die Stimme des kanadischen Songwriter-Kauzes mit ihrem brüchigem Timbre nackenhaaraufstellend intensiv und „echt“ vor den Hörplatz, postiert seine Musikerkollegen realistisch intim und in die Tiefe kompakt und gleichsam nachvollziehbar gestaffelt dicht hinter ihm und lässt der Nummer mit ihrem verschleppt-angebluesten Grundrhythmus ihre Laid-Back-Atmosphäre. Bläst Faccini unvermittelt in seine Mundharmonika – die er dylanesk stets um den Hals trägt –, zerschneidet das den Frieden urplötzlich, wird aber nicht unangenehm. Eben diese Mundharmonika habe ich auch schon schneidender gehört. Das würde aber wiederum nicht zur frequenzmäßig sorgsam ausbalancierten Xeo passen.
Die Ausleuchtung von Räumen in Breite und Tiefe gelingt der Funkbox exzellent. Hier ziehe ich immer wieder gern den Live-Mitschnitt Volles Programm der Kölschrocker BAP zurate, der anlässlich des Doppelgeburtstages (Wolfgang Niedecken: 60, BAP: 35) auf dem Kölner Roncalliplatz gleich neben dem Dom produziert wurde. Der Vergleich mit der Realität fällt mir leicht – ich habe das Konzert gesehen. Und deshalb kann ich auch mit geschlossenen Augen nachvollziehen, an welcher Stelle ich selbst im Publikum gestanden habe und wo die Musiker einschließlich des grandiosen WDR-Rundfunkorchesters postiert waren. Die großzügigen Dimensionen des Platzes zeichnet die Dynaudio präzise nach, erlaubt einen tiefen Einblick in die zahlreichen Soli des Orchesters und fügt die Darbietung doch immer zu einem großen Ganzen zusammen. In ihrer inneren Geschlossenheit, ihrem Fluss und der tonalen Homogenität liegen die Stärken dieses Lautsprechers. Kein Schnickschnack. Kein Effekt. Und alles ohne Strippen. Ein überzeugendes Konzept.
Test: Dynaudio Xeo 5 | Aktivlautsprecher, Standlautsprecher