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Ich freue mich immer, wenn ich HiFi-Produkte testen kann, deren Hersteller auch in meinem Metier, dem Pro Audio, tätig sind. SPL, RME, Sennheiser, Mutec oder Beyerdynamic sind gute Beispiele für Unternehmen, die sowohl die Anforderungen der Musikproduktion als auch die des Musikkonsums hervorragend bedienen. Dynaudio, mit Speakern wie den BM15, der LYD- und der Core-Serie in der Welt der Tontechnik prominent vertreten, hat mir nun ein Paar Focus 10 (Preis: 5.000 Euro) aus der Home-Audio-Sparte ins Haus geschickt. Sie einfach nur „Lautsprecher“ zu nennen wäre allerdings fahrlässig – „kabelloses All-in-One-Soundsystem“ trifft es schon eher.
Aufbau und Konzept
Das Pärchen Dynaudio Focus 10 besteht aus zwei kleinen Streaminglautsprechern, einer Primär- und einer Sekundärbox. Das Wort „klein“ ist alles andere als unpassend, denn anders als die beiden weiteren Systeme in der Focus-Line, Dynaudio Focus 30 und Focus 50, handelt es sich nicht um Stand-, sondern um Regallautsprecher. Sie sind 315 Millimeter hoch, mit 261 Millimetern nicht besonders tief und an der Front 180 Millimeter breit. Das Gehäuse der je 7,5 Kilogramm schweren Lautsprecher verjüngt sich von der Front zur Rückseite, wodurch eine Parallele im Gehäuse vermieden wird – und damit Probleme durch Moden im Inneren. Ich habe ein Paar in Hochglanzweiß erhalten, alternativ sind Schwarz oder eine von zwei Holzausführungen (Blonde Wood, Walnut Wood) lieferbar.
Die Schallwandlung übernehmen zwei hauseigene Treiber, die von getrennten, also hinter der Weiche liegenden Class-D-Verstärkern von Pascal mit 280 und 110 Watt Leistung angetrieben werden.
Oberhalb von 2200 Hertz bewegt sich ein 28-mm-Cerotar-Gewebehochtöner zur Musik. Dieser Tweeter ist darauf optimiert worden, Luftverwirbelungen und Resonanzbildungen zwischen Magnet und Membran zu verringern, was der Impulswiedergabe und Linearität zugutekommen soll. Im Frequenzbereich darunter generiert ein Konuslautsprecher von 140 mm Durchmesser mit Dynaudio-typischer Magnesium-Silikat-Polymer-Membran den Schall. Einen Bassreflexport gibt es nicht. Dadurch verzichtet Dynaudio zwar auf ein wenig zusätzlicher Energie im Bass, aber geschlossene Gehäuse können knackiger spielen als Bassreflex-Housings. Spoiler-Alert: Das ist bei den Dynaudio Focus 10 gelungen!
Die dänischen Schönheiten nehmen per Netzwerkbuchse oder WiFi Daten von allen wichtigen Streamingdiensten und Standards entgegen: Roon, Airplay2, Chromecast, Tidal Connect, Spotify Connect, Qplay und UPnP. Eine Bluetooth-Anbindung (4.2) ist vorhanden, und glücklicherweise sind analoge Line-Inputs sowie digitale Schnittstellen (S/PDIF elektrisch und optisch) ebenfalls mit an Bord. Mit der Dynaudio-App lassen sich Raumanpassungen vornehmen, das optionale Dirac Live ermöglicht das genaue Einmessen des Lautsprechers auf den Raum und die Speaker- wie Hörposition.
Die beiden Lautsprecher eines Stereosets sind nicht identisch. Der Sekundärspeaker benötigt lediglich eine eigene Spannungsversorgung per IEC-Kaltgerätekabel. Audiosignale werden ihm vom Primärspeaker per WiSA-Funkstandard zugespielt, alternativ über eine koaxiale S/PDIF-Kabelverbindung. WiSA kann selbstredend auch dafür genutzt werden, andere Signale entgegenzunehmen, beispielsweise von einem WiSA-fähigen Fernseher.
Makellos erscheint die Verarbeitung der Dynaudio Focus 10: Die Oberfläche ist perfekt, die Chassis und die rückseitigen Module sitzen in den penibel genau passenden Fräsungen der Gehäuse. In den alternativen Ausführungen kenne ich die Focus 10 nur von Bildern, aber in Weiß mit dem kontrastierenden Schwarz sehen die Schallwandler wirklich verdammt edel aus. Besonders im „Nachtmodus“ mit stark gedimmten LEDs sind sie zudem sehr unauffällig. Im Bewusstsein, dass die Nennung von skandinavischer Schlichtheit ein Klischee bedient: Es stimmt hier nun mal, die Dinger sind schlicht und schön, Punkt.
Dynaudio Focus 10: Hörtest und Vergleiche
Ich stelle die Dynaudios im Wohnzimmer auf Stativen auf, mit einem Meter Wandabstand und „baubedingter“ Asymmetrie: rechts Fensterfront, links noch viel Raum bis zur offenen Küche. Ich muss gestehen, dass ich etwas routiniert-zerstreut an diese Aufgabe herangehe, in meinem Kopf schwirren allerlei andere Aufgaben herum. Erst mal hinstellen, dann analog verkabeln, einschalten, schon mal mein WLAN und Bluetooth verbinden, was auf die Leitungen geben und vorsichtig die Lautstärke erhöhen und schauen, ob was kommt …
„Wie bitte?“ – Ich bin für mehrere Sekunden wie eingefroren. Ich habe in meinem Leben schon wirklich viele Audioprodukte getestet, ein so verblüfftes Gesicht werde ich wohl nur selten gemacht haben. Bei Lautsprechern glaube ich anhand des Äußeren halbwegs einschätzen zu können, in welchem Rahmen sich das bewegt, was klanglich zu erwarten steht. Die unschuldig dreinblickenden Focus 10 mit ihren kleinen, geschlossenen Gehäusen und ihren unprätentiös aussehenden Treibern haben mich aber mal ordentlich aufs Kreuz gelegt. So tief, so konturiert, so detailliert … ich bin tatsächlich verblüfft. Die nächsten Gedanken, die mir kommen, sind „Ok, so gesehen sind sie wirklich nicht teuer“, gefolgt von „Wie bekomme ich das jetzt seriös und nachvollziehbar in Textform, ohne dass mich alle für einen Spinner halten?“ Nun, ich werde mich bemühen, eigentlich halte ich mich ja für ziemlich normal. Anders als diese Speaker.
Tiefton
Besonders beeindruckt mich der Bass der Focus 10: Dass er im weitesten Sinne trocken und präzise ist, ist bei geschlossenem Gehäuse erwartbar. Dass er sehr weit nach unten reicht und auch bei Party-Pegeln seine Eigenschaften behält, verwundert aber doch. Ich überprüfe das anhand zweier Produktionen, die ich gerne für so was heranziehe: „Wake Up“, der Titelsong auf Above der Supergroup Mad Season, beginnt mit einem fundamentalen, aber runden Bass, der auf unterschiedlichen Anlagen nur zu gerne „verwabert“ – die Dynaudio Focus 10 spielen ihn mit einer atemberaubenden Akribie. Ganz besonders gut schaffen sie es, die exakte Tonhöhe zu treffen. Viele Speaker, gerade solche mit kleinerem Volumen und/oder mit Reflexsystem, blubbern zwar tief, aber sehr undifferenziert im Frequenzkeller herum. Nicht so die Dynaudios, die lassen sogar die kleinen (wie ich finde durchaus sympathischen!) Intonationsungenauigkeiten des Bassisten erkennen. Das schaffen meine größeren Harbeth Super HL5plus XD an der Abacus Electronics 60-120D Dolifet Endstufe (zusammen circa 7.400 Euro) nicht in diesem Maße, sie geben sich weicher im Frequenzkeller.
Auch im Bass etwas „verklebt“ wirkende Musikproduktionen – ich denke an das Donovan-Cover „Lalena“ von Deep Purple oder auch „Shield“ – stellen die weißen Dänen mit schöner Akkuratesse dar, ohne je kalt oder langweilig zu wirken. Pegelmäßig kann ich weder eine Schippe zu viel noch eine zu wenig feststellen. „Spybreak!“ von Propellerheads zeigt, wie die Focus 10 schnelle Lastwechsel im Bass problemlos nachfahren, eine selbst aufgezeichnete Kirchenorgel mit allerhand tiefem Pedalwerk überzeugt mich davon, dass man sogar echten Tiefbass mit diesen Speakern genießen kann. Selbstredend vermögen es auch die Dänen nicht, die physikalischen Gesetze aus den Angeln zu heben, denn es gibt schließlich kausale Zusammenhänge zwischen unterer Grenzfrequenz und Pegel. Aber man kann ihnen so einiges zutrauen.
Mitten und Höhen
In die Mitten kann ich wundervoll „hineinsehen“. Ob nun in sehr dichten Arrangements wie bei „Born To Die“ (gleichnamiges Album von Lana del Rey), auf der An Historic Musical First der beiden Genies Frank Sinatra und Count Basie, bei der die verschiedenen Bläser der Big Band um Aufmerksamkeit ringen, oder auf Musikproduktionen mit viel Platz in diesem Frequenzbereich, etwa auf der Pink Moon von Nick Drake – die Dynaudio Focus 10 stellen alles fein säuberlich und detailliert dar.
Dynaudio verzichtet dabei auf die „HiFi-Badewanne“ mit etwas hochgezogenem Bass und angehobenen Höhen. Auch wird der Bereich zwischen 500 und 1000 Hertz nicht „gedimmt“, also mit weniger Pegel wiedergegeben als die umliegenden Frequenzen. Das bedeutet: Ist eine Musikproduktion dort etwas überrepräsentiert, sei es aus geschmacklichen Gründen oder weil Fehler passiert sind, hört man das über die Dynaudio-Speaker auch. Wenn Sie ab und zu – wie so viele Freunde der hochwertigen Musikwiedergabe – die The Dark Side Of The Moon von Pink Floyd hören, werden Sie zum Beispiel bei „Time“ feststellen, dass es dort ziemlich dicht und drückend ist. Ja, vielleicht gefallen ihnen dann sogar andere Speaker besser als die ehrlichen Dynaudios, weil jene dort etwas zurückfahren.
Durch die Angabe der Übergabefrequenz zwischen Tiefmittel- und Hochtöner weiß ich zwar, wo ich „hinhören“ muss, erkenne aber keinen Einfluss auf den Gesamtfrequenzgang. Ergo ist das Zusammenspiel der Weiche mit Treibern und Gehäuse auch in dieser Hinsicht sehr gelungen. Und so auch das Verhalten, das die Dynaudio Focus 10 ab den Präsenzen bis hinauf zur oberen Hörgrenze zeigen. Sie kombinieren hier eine erstaunliche Detailtreue mit einer angenehmen Sanftheit, einer ganz, ganz leichten Milde und Dezenz. Nie spielen die Speaker analytisch-kalt auf. Klar: ja, kristallin: nein. Das gefällt mir sehr. Auch bei hohen Lautstärken bekommt das Signal keinen unangenehmen „Biss“, anders beispielsweise als mit den gleichteuren Genelec 1032C, die schon bei mittleren Pegeln etwas mehr Zähne zeigen.
Meine Harbeth protegieren Stimmen ein wenig durch eine etwas unterfütterte Darstellung der Präsenzen. Die Dynaudio Focus 10 tun dies nicht und sind somit näher an der eigentlichen Mischung. Dennoch besitzen Wortbeiträge eine gute Sprachverständlichkeit – wichtig, wo die Focus 10 doch sicher oft in Verbindung mit einem TV verwendet werden. Ich habe eine Abneigung dagegen, dass manche Menschen stundenlang den Fernseher laufen lassen oder sich durch Radio- oder Streamingdienste besäuseln lassen, obwohl ich selbst manchmal stundenlang lausche (dann aber, zu meiner Ehrenrettung sei’s gesagt, mit beruflichem Hintergrund oder privat mit der gebührenden Aufmerksamkeit). Wie auch immer, die Dynaudio Focus 10 stellen sich dem nicht entgegen: Viele Stunden hören gelingt ermüdungsfrei, ohne dass sich irgendwann ein „Zwacken“ in den Ohren einstellt. Gut, das ist per se noch keine Kunst, ich bitte aber zu bedenken, dass das bei den Focus 10 mit einer enormen Detaildarstellung einhergeht. Da ist sie dann, die Kunst. Also: Wenn sie „Maggie’s Farm“ mit Bob Dylans Knarzstimme und seiner potentiell Zahnschmerzen verursachenden Mundharmonika in Dauerschleife hören wollen: Nur zu, die Dynaudios verstärken das nicht noch zusätzlich.
Musikproduktionen, bei denen auch der Frequenzbereich nahe der oberen menschlichen Wahrnehmungsgrenze – „Air Band“ oder „Luftband“ genannt – kräftiger vorhanden ist, profitieren von der akkuraten Wiedergabe der Dynaudio Focus 10 in diesem Bereich. Bei manchen Speakern wirkt die Region gerne mal künstlich forciert, bei anderen wiederum leicht gebremst und belegt. Die Focus 10 spielen das Luftband, als wäre es das Normalste der Welt. Das gelingt nur wenigen Speakern. Meine Harbeth Super HL5plus XD tun das zwar auch, sind zu diesem Zweck aber eigens mit Superhochtöneren ausgestattet. Zum Nachvollziehen meiner Beurteilung kann ich weibliche Stimmen (weil laut und daher gut im Mix zu erkennen) moderner Popproduktionen ans Herz legen, also Dua Lipa, Ariane Grande und wiesienichtalleheißen. Seit einigen Jahren wird der Luftbereich beim Mischen gerne überhöht, um Stimmen trotz aller Kompression noch (etwas) lebendig klingen zu lassen; es gibt sogar spezialisierte Effektgeräte für diesen Zweck, die das Air Band im Audiosignal stark anheben.
Interessant ist: Sensoren erkennen, wenn die Magnete die Bespannung vor der Front der Focus 10 halten. Um dann nicht mit Höheneinbußen leben zu müssen, gleicht ein Equalizer automatisch den Verlust aus. Ich kann mir höchstens einreden, einen minimalen Unterschied zu hören, aber da spielt mir vielleicht das Wissen um das Vorhandensein eines Gitters einen Streich, insofern ist das nicht wirklich belastbar. Interessant wäre ein Test in der Dunkelkammer mit einer weiteren Person, die das Gitter installiert und deinstalliert …
Bühnendarstellung und Dynamik
Das „Streichquartett Nr. 1 d-moll op. 77“ von Joachim Raff in der Mannheimer Streichquartett-Aufnahme des SWR von 2020 (Label: cpo) zeigt, wie scharf und vor allem breit die Bühne durch die Dynaudio Focus 10 dargestellt werden kann. Bei meinen Aufstellungen konnte ich immer eine gleichmäßige Auffächerung des Stereobildes erkennen, ein „Auftürmen“ von Signalen auf den beiden Boxen oder ein Zurückfallen auf die Mitte gab es nie. Die hohe Detailauflösung unterstützt zudem die Darstellung der Raumtiefe, man kann schön tief hineinblicken (wenngleich es so scheint, dass auf der Produktion vor allem „künstlicher“ Raum Anwendung fand). In diesem Preissegment fallen mir die ähnlich gepreisten Genelec 8331A ein, die auf gleichem Niveau spielen. Diese sind aber auch explizit darauf gezüchtet, fast wie eine ideale Punktschallquelle wiederzugeben.
Wo die Dynaudios mich bisher so begeistert haben – schneidet sie da etwa bei der Dynamik mittelmäßig ab? Nein, im Rahmen ihrer Möglichkeiten beziehungsweise Größe erstaunen sie eher. Der zweite Satz („Sehr lustig, möglichst rasch“) ist wundervoll quirlig komponiert und gespielt. Diese leichte Hyperaktivität transportieren die Focus 10 genau so ins Hörzimmer. Dynamikanstiege und -abstiege innerhalb kürzester Zeit reißen mich mit. Auch diverse „Original Dynamics“-Aufnahmen des BIS-Labels spielen die Dynaudios mit Verve, Kompression kann ich nicht festzustellen. Wer hochdynamisches Material hört, muss für die gleiche Durchschnittslautstärke naturgemäß etwas weiter aufdrehen – gut zu wissen, dass die Focus 10 einen so gut wie unhörbaren Rauschteppich besitzen. Selbst bei geringen Abständen erscheinen die Dänen flüsterleise.
Eingangsfrage
Bei einigen HiFi-Setups kann man klar ausmachen, über welchen Weg ein Signal zu Verstärkern und Boxen gelangt. Was Auflösung und Frequenzgang angeht, sind die Focus 10 diesbezüglich unauffällig, sodass ich mich zu keiner verlässlichen Aussage hinreißen lassen möchte. Allerdings wirkt bei analoger Beschickung über RCA/Cinch die Stereobühne etwas gedrückter und flacher als bei den digitalen Eingangsformaten. Der dritte Satz des Raff-Quartetts („Mäßig langsam, getragen“) ließ mich bei analoger Ankunft an den Focal 10 etwas weniger eintauchen als bei digitaler. Für den Vergleich habe ich in erster Linie den analogen Ausgang eines Merging Technologies HAPI mkI (mit Premium-DA-Karte) mit dem optischen Ausgang desselben Geräts verglichen.
App und Aufstellung
Die Verwendung von WiFi/LAN wird wahrscheinlich die häufigste Nutzungsart sein. Die App, die problemlos und verständlich durch die Anmeldung und Installation führt, erlaubt auf einfachem Wege die Anpassung an räumliche Gegebenheiten. Dazu zählen einfache Dinge wie Filter für Wandpositionen und Raumecken, die wirklich gut abgestimmt sind, aber auch Abstandsangaben im Hördreieck (Speaker – Speaker, Hörposition). Generelle Frequenzabstimmungen (neutral, höhenreich, gedämpft) sind möglich, aber – wie ich während des Tests erfahren habe – gar nicht nötig.
Noch ein Wort zur Aufstellung: Tatsächlich spielen die Dynaudios auch in der Nähe einer Wand sehr gut. Sie erlauben sowohl große Stereodreiecke in Hör-/Wohnzimmern als auch nahe Schreibtischdistanzen. Was vermieden werden sollte, wenn man auf gute Bühnendarstellung Wert legt, sind zu flache oder spitze Dreiecke oder das Heraustreten zur Linken oder Rechten, das verzeihen sie naturgemäß weniger gut. Erstaunlicherweise bleiben sie im Frequenzbild trotzdem sehr homogen an den verschiedenen Hörpositionen im Raum.
Test: Dynaudio Focus 10 | Streaming-Lautsprecher