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Beginnen wir den Hörtest mit dem, wie ich es nenne: Homöopathie-Klischee, welches in der audiophilen Szene seit jeher recht kontrovers diskutiert wird, nämlich der Annahme, bestimmte Materialien klängen in frappierender Exaktheit so, wie sie aussähen und/oder sich anfühlten. Rackböden aus Stein? Klingen kalt und starr. Spikes unter Lautsprechern? Klingen spitz und metallisch. Und Holz? Nun, natürlich natürlich, sprich: warm, mattiert, härtefrei, organisch. Es sei dahingestellt, ob diese synästhetische 1:1-Analogie tatsächlich in dieser Plattheit für derart verschiedene Komponenten wie Verstärker, Plattenspieler und Lautsprecher im belastbaren Rahmen zutrifft, jedoch: Beim AH-D7200 scheint sie fast 100-prozentig zu stimmen, denn der neue Denon klingt so, wie man es sich womöglich vorstellen würde, wenn man das kantenlos rundgeschliffene Gehäuseholz betrachtet.
Bei Rimshots etwa fehlt mit dem Denon jegliches „übertransiente“ Knallen oder Scheppern, nur ein angenehm körperhaftes, rechtschaffen crispes und kristallklares Flopp-Flopp ist zu hören. Stimmen? Präsentiert der AH-D7200 mit ausgeprägt sattem Brustton, mit Körper und Schmelz sowie voller Wärme, Farbe, Energie und, wenn Sie so wollen, „Seele“. Piano? Frei von vordergründigem Gleißen, sondern mild getragen vom sonor resonierenden Korpusholz. Ja, mit dem Denon AH-D7200 bleibt ein Flügel tatsächlich ein Flügel und kein Metallsaiten-bespanntes Holzkistchen wie bei vielen (zumindest für meinen Geschmack immer noch allzu häufig ins Analytisch-Technische abkippenden) Highend-Hörern im Preisbereich um 1.000 Euro.
Gesamttonal spielt der Denon also – Sie lesen es sicher schon heraus – kräftig und erdig auf, mit einem minimal angehobenen, angenehm weit nach unten langenden und im Oberbass für ein geschlossenes Konzept überraschend schlackenfreien Tieftonbereich sowie einem volltönenden Mittenband mit leichter Senke im Übergang zum unteren Hochton, das trotz demonstrativ entspannter Gangart stets transparent und klar bleibt und bei Bedarf ausgeprägt impulstreu anzuspringen weiß. Der Hochton schließlich wurde deutlich vernehmbar einem sanften Roll-off unterzogen, ohne dadurch muffig oder bedeckt zu klingen.
Wenn ich das so schreibe und wieder lese, muss ich sagen: Der hat doch ganz schön Charakter, der neue Siebentausender. Klingt er dadurch nicht ein wenig zu spezifisch? Um diese Frage mit einem entschiedenen „Nein“ zu beantworten, muss ich allerdings ein wenig ausholen. Es gibt ja bekanntermaßen (mindestens) zwei Gattungen audiophiler Zuhausehörer: den Detailfreak, der die konzentrierte Hörsituation in den heimischen vier Wänden dazu nutzen möchte, aus seinen Aufnahmen allerfeinste Verästelungen und subtilste Nebengeräusche herauszuhören, bei Streichquartetten jedem trennscharf separierten Interpreten klangmikroskopisch auf den kleinen Finger zu hören und seine Erfüllung vermutlich in Hörern à la Sennheiser HD 800 findet. Sowie den generösen Genießer, der Musik eher als tönend bewegtes Ganzes erleben und die Technik dahinter beziehungsweise davor vergessen möchte und der für eine herzliche akustische Umarmung gerne auf etwas Detailfülle, Raumausleuchtung oder Konturenschärfe verzichtet, was ihn seinen Kopf früher oder später etwa zwischen zwei Fazor-Membrane eines Audeze LCD-3 stecken lässt.
Das Besondere bei unserem Probanden ist nun, dass er zwar relativ klar inmitten letztgenannter Genuss-Fraktion verortbar ist, er sich aber auch im analytischen Hoheitsgebiet von Sennheiser, Ultrasone und Co. erstaunlich wenig Schwächen leistet. So lässt sich der Denon trotz der einnehmenden Wucht und Substanz seiner Bässe keineswegs als Schlammschieber, sondern als überdurchschnittlich „schneller“ Bassist einordnen. Selbst Technobässe werden mit, sagen wir, halbtrockenem Kick absolut sauber und wohlkonturiert abliefert.
Ein wohltuender Unterschied zu vielen vergleichbar opulent abgestimmten Hörern: Die Bässe „hinken“ den oberen Lagen nicht hinterher. Vor allem Konzertflügel, die naturgemäß ein besonders breites Frequenzspektrum bespielen, brechen in solchen Fällen bisweilen in der Gesamtwahrnehmung auseinander. Diese der Illusion eines Live-Vortrags abträglichen Effekte sind beim AH-D7200 zu keiner Zeit vernehmbar, und besonders großes Orchester kann über den Denon dabei bisweilen überwältigend fundamental wirken.
Auch in den Mitten fühle ich mich als langjähriger Harbeth-Hörer sofort dermaßen zuhause und „angekommen“, dass ich den neuen Denon einfach gerne „auf“ habe. Emotional war ich tatsächlich selten so eng mit dabei auf der Voyage, als ich selbiges Album meiner aktuellen Lieblingssängerin Youn Sun Nah (auf Amazon anhören) höre – und das, obwohl mein knapp dreimal so teurer, geschlossener Referenzhörer Audeze LCD-XC noch einmal drastisch mehr Information über Raumbeschaffenheit, Nebengeräusche, Artikulationsmodus und stimmliche Textur offeriert. Nämliches gilt auch für die Höhen des AH-D7200. Gut, die Detailauflösung des Denon insbesondere im Hochton ist angesichts des Preises von immerhin 800 Euro mehr Pflicht als Kür, wird aber im Grunde einwandfrei erledigt.
Wie es Fukushima und seinem Entwicklerteam gleichwohl gelungen ist, den Hochton derart „involvierend“ zu gestalten, das ist allerdings schon ein kleines abstimmungstechnisches Kunststück, denn Hörer, die dermaßen stressfrei aufspielen, haben es für meinen Geschmack stets nicht nur an Hochtoninformation, sondern zumeist auch an differenzierter Feindynamik vermissen lassen.
Während grobdynamisch abermals klassentypisches geboten wird und Kontrabassist Charlie Haden im Duett mit Gitarrist Antonio Forcione auf dem Album Heartplay (auf Amazon anhören) über vergleichbare Hörer ähnlich schnell und exakt schnalzen, lässt der Denon AH-D7200 die Wiedergabe der Fingernagel-Zupfer von Haden feindynamisch dermaßen lebendig erscheinen, dass hier tatsächlich frei nach Leibniz „kein natürlicher Ton exakt dem andern gleicht“.
Auch bei der Bühne bleibt „das Ganze“ der Musik wichtiger als ihre Analyse. Klar könnte man behaupten, die Kompaktheit in Abbildungsbreite und -tiefe im Vergleich zu anderen dezidierten Heimhörern sowie der Verzicht auf übermäßig viel „Luft“ zwischen eher mittelscharf umrissenen Einzelinstrumenten seien ein unvermeidlicher Tribut an den kantenfrei-integrativen Gesamtansatz des Denon AH-D7200. Jedoch: Man vermisst in praxi beim Hören weder etwas an der Kontur der Instrumente selbst noch an besagter Luft dazwischen, sondern genießt vielmehr die eingängige Geschlossenheit des Gebotenen. Jegliches Zerfasern von Instrumenten oder Zerklüften von Ensembles glänzt durch Abwesenheit.
Vergleiche
Im klanglichen Gesamtpaket erinnert der Denon AH-D7200 damit sogar ein wenig an meinen Audeze LCD-XC. Die Überlegenheit des kalifornischen Magnetostaten beschränkt sich dabei auf Detailauflösung, Basskontrolle und Abbildung und wird im direkten Vergleich über meinen mit zwei Miniklinke-Ausgängen ausgestatteten Chord Mojo unmittelbar ohrenscheinlich. Die Klassenunterschiede in jenen Disziplinen führen allerdings keineswegs dazu, dass ich bei längerem Hören mit dem Denon im Vergleich zum Audeze irgendetwas dringlich vermisse, obwohl zwischen dem AH-D7200 und einem der weltbesten geschlossenen Hörer immerhin 1.400 Euro Listenpreis liegen.
Den Direktvergleich mit B&Ws P9 (um 900 Euro) mit ähnlich substanziell umarmender Signatur entscheidet der Denon AH-D7200 schließlich deutlich für sich. Ja, der B&W macht dank seidig-alerterem Hochton und kickenderen Bässen auf Anhieb mehr „Kirmes“; hat man sich jedoch erst einmal auf den Denon eingehört, empfindet man den P9 zu exaltiert, mithin artifizieller. Für meinen persönlichen – zugegebenermaßen eher englisch-dezent kalibrierten – Hörgeschmack gilt dies jedenfalls.
„Richtig“ – das als letzten Tipp, um diesen Klangteil abzurunden – sollte mithin unbedingt auch der Verstärker sein, der den Denon befeuert. Zwar ließen der hohe Wirkungsgrad von 105 dB/mW sowie die niedrige Impedanz von 25 Ohm auch einen ausreichend lauten und stabilen Betrieb am schrabbeligen Kopfhörerausgang meines iPhone 5S zu.
Die klangliche Potenz des AH-D7200 jedoch verlangt recht deutlich nach einer qualifizierteren Verstärkung des Quellsignals. Die tonale Ausrichtung des Kopfhörerverstärkers spielt dabei weniger eine Rolle als seine Qualität, denn der Denon spielt in Kombination mit verschiedenen Verstärkern seine tonale Dominanz recht deutlich aus. Anders als mein Referenzhörer AKG 812, der selbst kleinste Veränderungen in der vorgeschalteten Kette hörbar werden lässt, drückt der AH-D7200 sowohl dem erzneutralen Studioverstärker SPL Phonitor Mini als auch dem knuffig-rundlichem Chord Mojo seine tonale Signatur derart auf, dass sich beide ähnlich bepreisten Verstärker im Grunde nur in einigen Details hörbar unterscheiden.
Wirklich „devot“ wird der Denon lediglich – ich hatte es vermutet und wurde nicht enttäuscht! – bei Röhren, deren Charme, Natürlichkeit und Mittenverliebtheit der AH-D7200 wunderbar zur Geltung bringt. Ein heißer Tipp ist hier der zuckersüße Brocksieper EarMax Special Edition. Der erscheint mit 888 Euro preislich adäquat und könnte einen Denon-Besitzer für Jahre wunschlos glücklich machen. Wir wissen ja nicht, wie lange sich Mister Fukushima für den AH-D7300 Zeit lässt …
Test: Denon AH-D7200 | Kopfhörer