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Irgendwas müssen die Dänen richtig machen, denn der Erfolg des Herstellers Dali ist seit über 50 Jahren ungebrochen – und die Lautsprecherfamilie vergrößerte sich seit der Gründung 1983 beachtlich: Rund 40 Mitglieder lassen sich aktuell zählen, die im Grunde alles zu bedienen vermögen, was das Herz begehrt: ausgewachsene Standmodelle, Kompakte, Subwoofer sowie diverse Schallwandler speziell für den Heimkino-Bereich oder In-Wall-Installationen. Wir wollen uns heute mit dem kleinsten Spross der Rubikore-Linie befassen, nämlich der Rubikore 2 (2.600 Euro | https://www.dali-speakers.com/de).
Erstkontakt
Für mich ist das eine Premiere, denn bisher schaffte es noch keine Dali-Box in meinen Hörraum. Umso gespannter bin ich, was mich erwartet. Der visuelle Erstkontakt mit den Dali Rubikore 2 fällt positiv aus: Zweieinhalbtausend Euro markieren im Kompaktbereich nicht mehr wirklich die Einsteiger-, aber bei weitem auch nicht die Königsklasse. Trotzdem wirken die nur 35 Zentimeter hohen Rubikore 2 – von der nur steckbaren und nicht magnetisch haftenden Lautsprecherbespannung mal abgesehen – ziemlich hochwertig. Und dafür gibt’s mehrere Gründe: Zunächst einmal hebe ich nicht einfach nur „Schuhkartons“ aus der Verpackung, sondern Lautsprecher mit leicht konvexer Gehäusegeometrie: Während die Seitenwände parallel sind, wölben sich Front- und Heckpartie etwas nach außen. Stehende Wellen minimiert man in so kleinen Gehäusen entgegen landläufiger Meinung dergestalt zwar eher nicht, verbessert aber durchaus das Abstrahlverhalten und die Gehäusestabilität.

Die Frontabdeckung haftet auf der leicht gewölbten Schallwand nicht magnetisch, sondern wird gesteckt
Das Furnier in der hier vorliegenden Variante „Maroon“ sieht richtig edel aus – mit wunderschöner Maserung und in makelloser Hochglanzlackierung erstrahlend. Das ergibt einen zugleich wertigen wie dezenten Auftritt ohne Bling-Bling. Auch die Verarbeitung ist gut: Ungebührliche Spaltmaße sind nicht auszumachen – klar, eh Standard in dieser Preisklasse.
Eigengewächs
Neben den beiden Treibern findet sich eine Zierblende auf der Schallwand, die weder akustisch noch mechanisch maßgeblich Einfluss nimmt, sondern einfach gut aussehen soll. Der sechseinhalb Zoll große Tiefmitteltöner ist da schon wesentlich interessanter – ein Eigengewächs, er wurde vollumfänglich bei Dali entwickelt und produziert. Er profitiert von einem Technologietransfer der Top-Serie Kore, kommt mit einer Papier-Holzfaser-Membran und einem von Dali entwickelten Antriebsmagneten. Das Magnetmaterial nennt Dali „Soft Magnetic Compound“, es wird aus keramikbeschichtetem Eisenpulver gepresst – so ist fast jede gewünschte Formgebung realisierbar. SMC soll laut Dali eine hohe magnetische Permeabilität aufweisen, aber deutlich weniger elektrisch leitfähig als Eisen sein, daher könne man Wirbelstromeffekten und mithin unerwünschten Verzerrungen auf diese Weise wirkungsvoll begegnen. Apropos Verzerrungsbekämpfung: Wer näher hinschaut, sieht ein gleichmäßiges Prägemuster auf der Membran des Tiefmitteltöners, dies soll vor allem den Klang im Übergangsbereich zum Hochtöner linearisieren.

Der Tiefmitteltöner der Dali Rubikore 2 wurde komplett inhouse entwickelt und wartet technisch nicht zuletzt mit besonderem Magnetmaterial auf
Klare Prioritäten
Der Tweeter wiederum wurde von Dali zwar designed, wird jedoch größtenteils bei Scan Speak exklusiv für Dali produziert und nach der Fertigung bei Dali „veredelt“. Die Ankopplung der überdurchschnittlich großen (29 Millimeter) Kalotte erfolgt bei etwa 2,8 kHz. Das „etwa“ ist wichtig, wie mir Chefentwickler Lars Worre schreibt: „Bei der Rubikore 2 kann der Übergangspunkt bei extremeren Messwinkeln (>30 Grad) bei etwa 2300 Hz liegen, während er bei einer Messung auf der geraden Achse eher bei 3000 Hz liegt.“ Das liegt laut Worre schlicht und einfach daran, dass der natürliche Hochtonabfall des Tiefmitteltöners in verschiedenen außeraxialen Messwinkeln mit der Frequenz variiert. Viel wichtiger sei den Dänen aber eh die Phasen– beziehungsweise Zeitrichtigkeit, so Worre. Um die Frequenzweiche hier möglichst wenig „verbiegen“ zu lassen, sei man bestrebt, die Roll-Offs der Treiber möglichst optimal auszunutzen. Der Treiber arbeitet übrigens ohne Ferrofluid – gut für die Langzeitstabilität beziehungsweise die Lebensdauer.
Richtung Tiefmitteltöner wird ein Filter erster Ordnung verwendet, während die Trennung in Richtung Hochtöner mit 12 dB pro Oktave steiler erfolgt. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt übrigens B&W, wo die Frequenzweichen ebenfalls eher einen minimalistischen Eindruck machen, weil die mechanische Trennung der unterschiedlichen Wege maßgeblich mit einwirkt. Doch grau ist alle Theorie, am Ende soll’s ja einfach nur gut klingen. Und wie es so klingt, wollen wir jetzt mal genauer beleuchten.

Die mit 29 Millimetern Durchmesser überdurchschnittlich große Hochtonkalotte arbeitet ohne Ferrofluid
Bitte nicht unterschätzen
Eines noch vorweg: Die Rubikore 2 braucht, wie jeder Lautsprecher, eine angemessene Einspielzeit. Direkt aus dem Karton klang beispielsweise der Bass noch etwas verhalten, nach einer Nettospielzeit von über 70 Stunden hatte sich der Tiefmitteltöner aber „freigestrampelt“. Ich betone das hier noch einmal, weil man immer wieder Gefahr läuft, das wahre Potenzial eines Lautsprechers zu unterschätzen, wenn man „nur mal kurz“ in ein fabrikneues Exemplar reinhört. Gehört habe ich mit CDs (C.E.C. CD5) und via Qobuz (Cambridge Audio CXN V2), verstärkt wurde über den Audio Note Cobra Vollverstärker (5.500 Euro) sowie über die Vor-End-Kombi aus dem Vorverstärker Tsakiridis Alexander und den Valvet-A4-MK2-Monoblöcken.
Klangtest und Vergleiche: Dali Rubikore 2
Um es gleich mal aufs Tapet zu bringen: Die Dali Rubikore 2 hat etwas sehr Beeindruckendes an sich. Und zwar aufgrund eines schnell ins Ohr fallenden Talents: Sie spielt für eine Kompakte dieser Größen- und Preisklasse tonal geradezu sensationell breitbandig und vollständig. Ja, ich würde mich sogar zu der Aussage versteigen, dass sie im Blindtest (und in einem Hörraum bis 20 Quadratmetern) durchaus mit einer Standbox verwechselt werden könnte.
Ungerührt und profund: der Bass
Mal der Reihe nach: Aus sentimentalen Gründen habe ich unter anderem mal wieder die inzwischen reichlich abgehangene Doppel-CD DJ Kicks von Kruder & Dorfmeister herausgekramt. Hier wimmelt es bekanntermaßen von abgedrehten Soundeffekten und auch zahlreichen Passagen mit richtig tiefen Subbässen – vor allem beim Track „Shaolin Satellite“, der die Tieftöner vieler anderer Zweiwege-Kompaktboxen gerne mal zum nur schwer mitanzusehenden „Membranschlabbern“ treibt. Nicht so die Rubikore 2: Sie bringt den Subbass wesentlich ungerührter, profunder und realistischer zu Wege als meine Audio Note UK AX-Two 2 (3.750). Ja, selbst meine Harbeth 30.2 XD (5.400 Euro) kommt nicht ganz so tief hinunter. Echt jetzt? Wie ist das möglich?
Nun, auch das ist am Ende eine Frage der Abstimmung: Üblicherweise sollte ein ausgedehnterer Tiefgang mit einer geringeren Pegelfestigkeit einhergehen – ich komme auf das Thema inklusive einer kleinen Überraschung weiter unten noch zurück. Eine weitere Kehrseite mag darin liegen, dass die Dänin im Untergeschoss tatsächlich nicht so straff und pointiert aufspielt wie beispielsweise meine Harbeth. Stört mich das? Nicht wirklich. Es ist zwar am Ende ein Trade-Off, aber die „Erdigkeit“ und Tiefe des erzeugten Basses (ohne Überbetonung, das möchte ich betonen) machen mir so viel Freude, dass ich ziemlich gut darauf verzichten kann, den Tiefton an der vielzitierten „Abschleppstange“ zu hören. Und – klar: Natürlich kann eine „große Pappe“ in einem Standlautsprecherkonzept noch tiefer in den Basskeller hinabsteigen als die Dali Rubikore 2 – aber in ihrer Preis- und Größenklasse kenne ich aktuell kaum einen anderen Passivlautsprecher, der im Tiefton so vollständig aufspielt – mir fällt aktuell nur die Inklang Ayers Two ein.
No comment
Mitteltonseitig ist die Rubikore 2 ebenfalls voll da, wirkt absolut verfärbungsfrei und – anders als im Bassbereich – auch pfeilschnell. Die Akustikgitarre in „I could have lied“ von den Red Hot Chili Peppers tönt nicht nur tonal absolut authentisch und glaubwürdig, sie manifestiert sich auch angenehm körperhaft und in realistischer Größe.
Als später eine E-Gitarre zum Solo hinzukommt, offenbaren sich sowohl der sehr saubere Übergang zum Hochton als auch dessen eigenständige Qualitäten: Es ist nämlich so, dass die durchaus etwas räudige Produktion des Songs gewisse Schärfen im Oberton mit sich bringt; die E-Gitarre „zwiebelt“ beim Kulminationspunkt des Solos schon ganz ordentlich im Ohr. Das soll so sein – und wird von der Dali Rubikore 2 nicht eingedämmt oder „beschönigt“. Während meine B&W 606 S2 Anniversary Edition (749 Euro) – wie oft bei B&W – obertonseitig noch eine Extraprise Pfeffer mitbringt, legt die Dali-Kompaktbox hochtonpegelseitig gefühlt nicht mal den Bruchteil eines Dezibels drauf, sondern reicht einfach „unkommentiert“ durch.
Die Qualität des Hochtons wird dabei offenbar weniger durch irgendeinen „Eigenklang“ des Hochtöners geprägt, sondern eher durch das Ausgangsmaterial – entsprechend kann es obenrum mal offensiver (luftiger, schärfer, …), mal defensiver (dunkler, milder, …) tönen. Meine Harbeth hingegen softet – ebenfalls typisch Harbeth – hier etwas ab, was die Wiedergabe etwas gefälliger macht, aber nicht unbedingt der reinen Lehre folgt. Summa summarum empfinde ich den Frequenzgang der Dali Rubikore 2 mit Seitenblick auf Größe und Preis der Box als überdurchschnittlich breitbandig, was sie sehr universell einsetzbar macht.
Sauber durchgereicht: die Auflösung
Worauf auch die Auflösung einzahlt: Wenn beispielsweise Helge Schneider in dem wunderbar schroff abgemischten Jazzstück „Crazy, Crazy“ ein beißend-glockiges Vibraphon bespielt und zugleich ein knarzend-federnder Kontrabass als Grundierung unterwegs ist, kriegt man trotzdem noch absolute Feinheiten mit. So lässt sich nachverfolgen, dass kurz vor Beginn des ersten Klaviersolos halblinks eine offenkundig uralte Hammondorgel gestartet wird (Schalterklicken, Anlaufen der elektromechanischen Orgel), die später den Sound mit eiernden Tönen anreichert (und dabei so asthmatisch zischelt, dass man den bald bevorstehenden Tod der Verstärkerröhren ahnt). Diese feinen Nebeneffekte und -geräusche reicht die Dali Rubikore 2 problemlos durch, auch wenn Vibraphon und Bass die Hauptrolle spielen und wesentlich präsenter im Mix sind. Wirklich gut.
Pegel und Punch, Tempo und Timing
Ich hatte oben bereits das Spannungsfeld zwischen den beiden Entwicklungszielen „Tiefgang“ und „Pegelfestigkeit“ angesprochen: Und trotz ihres erstaunlich erwachsenen Bassbereichs zeigt sich die Rubikore 2 angesichts ihrer Größe und ihres Zweiwegedesigns überraschend pegelfest. Man kann mit ihr gutgelaunt laut hören, ohne dass sie anstrengt, zerrt oder komprimiert. In meinem 18 Quadratmeter großen Hörraum jedenfalls ist es mir nicht gelungen, sie in Grenzbereiche zu bringen, ohne vorher aus Rücksicht auf die Nachbarn (oder auch mein Gehör) abregeln zu müssen. Respekt!
Was die Grobdynamik angeht, also die Fähigkeit, abrupte Pegelsprünge unverschleppt wiederzugeben, zeigt sich die Rubikore 2 überwiegend souverän, nämlich ab dem unteren Mittenband aufwärts. Wie zuvor erwähnt: Ganz unten im Tiefbassbereich gibt es schneller reagierende Lautsprecher, zum Beispiel meine erwähnte Harbeth, oder auch eine B&W 705 S3 Signature (4.000 Euro) – letztere ist jedoch merklich weniger pegelfest. Wenn es aber um „brettharte“ Akustikgitarrenarbeit (Pixies: „Where ist my mind?“) geht, ist die Dali Rubikore 2 unverschleppt und zackig unterwegs, und die mit krasser Attack auflebenden Snaredrums in „I could have lied“ (nochmal Chili Peppers) kommen nachgerade wie Pistolenschüsse, was auch für hart angerissene Splashbecken gilt („The bed’s too big without you“, The Police).
Etwas schubladig ausgedrückt, kommen rund 3/4 des Frequenzbereichs mit wirklich ausgezeichneter Grobdynamik, nur untenrum geht es etwas gebremster, wenn auch sicherlich nicht flügellahm zu. Feindynamisch kann der Rubikore 2 auch nicht am Zeug geflickt werden: Selbst sehr leise Schallquellen bietet sie ohne Verzug mit klar nachvollziehbarer Hüllkurve dar. Man nehme das Album „Sunset Mission“ von Bohren & Der Club Of Gore – hier werden fast alle Stücke nur von einer langsam getretenen Hi-Hat rhythmisch zusammengehalten. Diese sitzt mixtechnisch stark im Hintergrund (während Bass, Fender Rhodes und Saxophon tragende Rollen spielen), trotzdem liefert die Dali das „Tschick!“ der Hi-Hat wie ein Uhrwerk ab.
Auffällig unauffällig: Bühnenabbildung
Sie haben das bestimmt auch schon mal erlebt: Da kabelt man ein geschickt gemachtes Zweiwege- oder sogar Breitbänderkonzept an und denkt, „boah, was für eine Räumlichkeit“. So ging’s mir zum Beispiel mit der P3ESR XD von Harbeth (2.950 Euro), die einen dermaßen in der Musik baden lässt, dass man fast schon meint, sich Badeschaum von den Pfoten pusten zu können. Einen solch starken Aha-Effekt in Sachen Räumlichkeit bringt mir die Rubikore 2 zunächst (!) nicht, weil erstens ihre bereits erwähnte Breitbandigkeit meine Aufmerksamkeit fesselt – und weil die klitzekleine Harbeth auch eine gewisse kognitive Dissonanz auslöst: Es wirkt nun mal einfach erstaunlich (obwohl es das physikalisch gar nicht ist), wenn ein solcher Mini-Lautsprecher eine relativ zu den Gehäuseabmessungen so große Bühne aufzieht.
Das heißt aber nicht, dass die Dali Rubikore 2 das nicht könnte. Je länger ich mit ihr höre, desto mehr stelle ich fest, dass sie das Thema stereofone Raumabbildung ausgezeichnet beherrscht, dieses Talent aber nicht ostentativ in den Vordergrund rückt.
Um ein letztes Mal (versprochen!) den Chili-Peppers-Song „I could have lied“ heranzuziehen: Hier haben die Tonkutscher auf die Snare einen nicht sehr langen Plate Reverb (Hallplatte) gelegt, der witzigerweise per Mischpult räumlich so beschnitten wurde, dass er fast (aber nur fast) in Mono genau aus der Mitte des Panoramas kommt. Das kann man über die Dali-Lautsprecher ganz exakt herausfinden.
Wenn man hingegen eine Produktion nimmt, die die gesamte Stereo-Breite komplett und intensiv ausfüllt, dann können die dänischen Kompaktboxen dies auch tadellos abbilden. Hier empfehle ich den erstaunlicherweise wenig bekannten und stark unterschätzten Song „You and your friend“ von den Dire Straits (Album: On Every Street). Was hier an feinen Klanggespinsten, breiten Hallräumen, Schlagzeug-Detailarbeit und diversen Gitarren kreuz und quer durch den Raum schallert, qualifiziert den Song zum Komponententest-Track erster Güte. Diese Vollbesetzung kann die Rubikore 2 vor allem in der Breite unlimitiert darbieten – die eine oder andere Schallquelle lugt dabei auch schon mal ein paar Zentimeter über die Boxengrundlinie hinaus, ohne dass es aber Cinemascope-artig werden würde. Das Klangbild beginnt vielmehr ziemlich exakt auf der Grundlinie und staffelt sich nach hinten ordentlich auf – es gibt dennoch Lautsprecher, die stärker und besser ausgeleuchtet in die Tiefe hören lassen: Da fällt mir die oben erwähnte P3ESR XD von Harbeth ein – oder auch eine Fyne Audio F1-5 (3.799 Euro).
Test: Dali Rubikore 2 | Kompaktlautsprecher