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Betrachtet man Clearaudios neuen Plattenspieler Reference Jubilee (Laufwerk: 16.500 Euro) aus der Vogelperspektive, braucht’s nicht viel Fantasie, um ein Herz auszumachen – das ist mal ein ungewöhnliches Design! Die Idee hierzu ist schon etwas älter und stammt vom allerersten Clearaudio-Laufwerk überhaupt, dem „Reference“ aus den frühen 1990ern.
Der war seinerzeit noch sehr acryllastig aufgebaut, beim neuen Laufwerk sind inzwischen ganz andere Materialen am Start. Die Grundform mit der bumerangartigen Zarge ist aber geblieben. Doch natürlich will der Reference Jubilee viel mehr bieten als nur ein gefälliges Äußeres – und tatsächlich stecken in diesem auf 250 Stück limitierten Clearaudio-Dreher einige technische Besonderheiten. Schauen wir uns das mal genauer an.
Clearaudio Reference Jubilee – technisches Konzept
Gut 22 Kilogramm bringt der Clearaudio Reference Jubilee auf die Waage und geht damit als Masselaufwerk durch. Im Produktprogramm der Erlanger Analogspezialisten gibt es mit dem „Master Innovation“ und dem Flaggschiff „Statement V2“ zwar noch deutlich Schwereres – und Teureres –, aber der Reference Jubilee sitzt schon ganz schön satt auf dem Rack. Circa acht Kilo entfallen auf die Zarge, obwohl sie wegen besagter Bumerangform eigentlich wenig martialisch ausschaut.
Martialischer klingt da schon der Hauptbestandteil der Zarge: Panzerholz. Dieses besonders feste und schwere Kunstharzpressholz trägt nicht nur zum Gewicht bei, es unterstützt auch den erwünschten resonanzarmen Aufbau – der zudem davon profitiert, dass die vier Zentimeter dicke Panzerholzschicht von oben und unten von sieben Millimeter starken Aluminiumplatten flankiert wird. Ein solches „Sandwich“ aus unterschiedlichen Materialien – mit entsprechend unterschiedlichen Schallausbreitungsgeschwindigkeiten – wird gerne dort verwandt, wo es besonders schwingungsarm zugehen soll. Offenbar reichte Clearaudio das aber noch nicht, und so haben die Erlanger im Panzerholz an drei Stellen Ausfräsungen vorgenommen, in denen sogenannte Hawaphon-Dämmmatten platziert werden. Diese Dämmelemente sind mit unterschiedlich großen Stahlkügelchen befüllt und sollen eventuell auftretenden Resonanzen den (letzten) Rest geben.
Auch beim Plattenteller des Reference Jubilee treffen wir auf einen Materialmix: Der 8,55 Kilogramm schwere Subteller besteht aus Stahl, der obere Tellerteil aus dem im Analogbereich oft anzutreffenden Spezialkunststoff POM (Polyoxymethylen). Der erhöht das Gewicht noch einmal um fünf Kilo.
Der Plattenteller läuft auf einem invertierten Lager: Eine polierte Keramikachse ragt von der Zarge aus nach oben, auf sie wird die Buchse aus gesinterter Bronze „gesetzt“. Einen Kontakt zum Lagergrund hat die Achse nicht, denn natürlich kommt hier Clearaudios sogenanntes CMB-Lager (Ceramic Magnetic Bearing) zur Einsatz – Magnetkraft lässt den schweren Teller schweben und besonders reibungsarm laufen. Dergestalt wollen die Erlanger Rumpelgeräuschen den Garaus machen, wie uns seinerzeit schon Peter Suchy in einem Interview anlässlich unseres Firmenreports verriet. Und dass eine Keramikachse verwendet wird, ist selbstverständlich auch kein Zufall. Sie ist nicht nur besonders reibungsarm, sie leitet, im Gegensatz zu einer aus Metall, das Magnetfeld des Lagers nicht nach oben, wo das Vinyl liegt. Aus dem gleichen Grund hat Clearaudio auf der Unterseite des POM-Plattentellers eine schirmende Mu-Metall-Scheibe eingelassen.
Ein 24-V-Gleichstrommotor, der sein Drehmoment über einen Flachriemen weitergibt, treibt den Teller an. Er sitzt – oder besser gesagt: hängt – linkerhand in einer eigenen Behausung auf der Zarge. Insgesamt 18 O-Gummiringe halten ihn an Ort und Stelle, entkoppelt vom restlichen Plattenspieler. Der neu entwickelte, eisenkernlose Motor soll gegenüber den bisher besten Antrieben von Clearaudio für nochmalige 50 % Noise-Reduktion sorgen.
Rechts auf der v-förmigen Zarge sieht man ein weiteres rundes „Töpfchen“: die Tonarmbasis. Sie lässt sich mit passend vorgebohrtem Deckelchen ordern, passend für den Tonarm, den man mit dem Clearaudio Reference Jubilee zu betreiben gedenkt. Natürlich ist „fremdgehen“ möglich, für einschlägige Tonarmmarken wie etwa SME, Jelco, Rega und so weiter sind entsprechende Deckel auf Lager, und Exotischeres lässt sich ebenfalls ordern.
Für unseren Test sind wir aber markentreu geblieben. Das Laufwerk Reference Jubilee kam mit Clearaudios hochwertigstem Radialtonarm, dem „Universal“ in der 9-Zoll-Ausführung (4.850 Euro). Der ist eine feinmechanische Show für sich, inklusive Karbonarmrohr, selektierten Kugellagern für die horizontale und vertikale Achse sowie der Möglichkeit, alle für die Tonabnehmerjustage relevanten Parameter einzustellen. Besonders schön: Der Mechanismus zur Justage der Auflagekraft mittels Rändelschraube – die geht besonders einfach, genau und reproduzierbar von der Hand. Und tatsächlich liegen dem Clearaudio Universal gleich fünf (!) unterschiedlich schwere Gegengewichte bei, sodass er für alle möglichen Tonabnehmer und deren Massen gerüstet scheint. Die Verarbeitung des Tonarms ist – wie die des Laufwerks – schlicht und ergreifend perfekt.
War es das an Besonderheiten? Nein. Ein echtes Highlight des Reference Jubilee, so Clearaudio-Techniker Stefan Kmuch, sei die ausgefuchste Motorsteuerung. Tatsächlich wirkt die etwas aufwendiger als üblich. In aller Kürze: Auf der Unterseite des Stahlsubtellers befinden sich 1600 Markierungen, die von einem auf der Zarge angebrachten optischen Sensor „getrackt“ werden. Das Ist-Ergebnis dieser Drehzahlmessung wird sodann doppelt weiterverarbeitet: Die Motorsteuerung besitzt nämlich einerseits einen „digitalen Teil“, in dem ein 12-Bit-DAC für die Generierung der Referenzspannung verantwortlich ist – dieser Part der Steuerung sei bewusst „langsam“ gehalten und messe nur alle drei Sekunden. Er ist „fürs Grobe“ verantwortlich, heißt: für Änderungen vom Soll aufgrund von Temperaturdrift, dem Alter der mechanischen Teile des Plattenspielers, den Verhältnissen im Lager und so weiter.
Und dann gibt‘s andererseits noch den „schnellen“, analogen Teil der Motorsteuerung, der mit 5 MHz arbeitet und kleine Drehzahländerungen, wie sie etwa durch die Abtastung der Schallplatte entstehen könnten (zum Beispiel durch dynamische, basslastige Passagen in der Musik), ausregeln soll. Der Witz an der Geschichte mit der doppelten Regelung, in einfachen Worten: Der langsame digitale Teil sorgt für die „Grundlagenarbeit“ und kann Alterungsprozesse ausgleichen, sodass die analoge Regelung nicht fortwährend eingreifen muss und sich auf die musikabhängigen Effekte „konzentrieren“ kann.
Clearaudio Reference Jubilee im Hörtest
Natürlich kann so ein „Über“-Plattenspieler – getestet wurde das Laufwerk mit dem Universal-Arm, als Tonabnehmer kam vorwiegend das Transrotor Figaro zum Einsatz, als Phonopre der B.M.C. Audio MCCI Signature ULN – im Grunde alles. Wäre ja auch noch schöner, wenn ein Dreher dieser Liga gewisse Klangparameter stiefmütterlich behandelte.
Trotzdem fand ich es sehr interessant, herauszufinden, was genau der Clearaudio denn noch mehr aus den Rillen herausholt im Vergleich zu meiner zwar nur halb so teuren Lösung – dem SME Model 15A –, die ich mit ihrem Preisschild von 11.000 Euro aber nun auch nicht als komplette Billiglösung bezeichnen kann. Die Leitfrage dieses Tests lautet also: Was soll denn da bitteschön noch groß passieren?
Gesamtperspektive
„Über alles“ betrachtet kann ich das, was Kollege Hakopians beispielsweise über den Technics SL-1000R (16.000 Euro) und den SoReal Seismograph I plus (15.000 Euro) schrieb – nämlich dass sie tonal absolut neutral vorgehen –, dem Clearaudio nicht zu 100 % nachsagen. Balanciert und sehr ausgeglichen ist er, keine Frage. Und sehr breitbandig ebenfalls. Aber als „Urmeter der Neutralität“ geht er auch nicht durch, denn mit ihm ist schon ein bisschen analoge Wärme im Spiel. „Gut so“, werden die meisten Vinylfans da wohl sagen. Dieser ganz leichte sonore Einschlag des Clearaudio Reference Jubilee stammt von beiden Frequenzextremen: Obenrum geht’s minimal dezenter zu, ab Grundton abwärts ein Ideechen saftiger. Wohlgemerkt – es sind kleinere Nuancen.
Grundton & Bass
Gleichwohl vernehmbare. Auch in Relation zum SME stellt sich das so dar, und folgerichtig kommt Giant Sands schönes Album Blurry Blue Mountain (auf Amazon anhören) mit dem Erlanger Edel-Dreher einfach eine Spur saftiger aus den Boxen. Howe Gelb, Sänger und Kopf der Band, singt mit etwas breiterer Brust, die E-Gitarren wirken im Grundton kräftiger unterfüttert, Bass und Drum besitzen mehr Power. Demgegenüber gibt sich der britische Plattenspieler tatsächlich etwas nüchterner und zurückhaltender.
Der Bass des Clearaudio Reference Jubilee wirkt aber nicht einfach nur eine Spur ausgebauter – er langt auch tiefer hinab, als ich es sonst meist geboten bekomme. Gut vernehmbar ist das etwa dann, wenn beim Klavier die tiefsten Töne gespielt werden oder natürlich auch bei Electronica-Effekten (nette Kombi aus beidem: Soap&Skin/Lovetune for Vacuum). Der SME Model 15A schlägt sich tapfer, ja, geht aber nicht als Benchmark für den (Sub)bassbereich durch. Das macht der Clearaudio klar besser.
Der eigentliche Trumpf, den der Reference Jubilee im Feld zwischen Tief- und Grundton ausspielt, ist aber sein ziemlich ideales Auflösungsvermögen. Die unteren Lagen zeichnet er sehr schön durch, gleichzeitig präsentiert er sie aber nicht übertrocken oder gar „starr“. Mag schon sein, dass manch anderes Masse-Laufwerk Synthibassflächen noch härter und brutaler in den Raum stellt – hier hätte ich gerne einmal den Transrotor Massimo im Vergleich gehört, ich habe da so einen Verdacht. Doch zum einen fehlt mir da beim Clearaudio nicht viel, zum anderen kann eine knochentrockene „Brutalo“-Gangart Klangtexturen und Farbe in den unteren Mitten/den Tiefen beschneiden. Genau die aber kann der Reference Jubilee besonders gut herausarbeiten. So lässt sich bei Erik Saties Gymnopédies (Erik Satie: Klavierwerke/John McCabe; Decca) tiefer in die Klavierresonanzen „hineinhören“, der Clearaudio zeichnet das Ausschwingen und Verklingen der Noten minutiöser nach, als ich es gewohnt bin. Dito bei den richtig tiefen Lagen der Konzertharfe, gespielt von Joanna Newsom auf ihrem Meisterwerk Ys. Textur, Sustain und Decay der Töne kommen noch natürlicher rüber.
Mitten & Höhen
Nun ist das Auflösungsvermögen im Mittel-/Hochtonbereich keinesfalls schlechter als im Bass, gleichwohl fiel es mir in den unteren Gefilden eher als Besonderheit auf, während ich in den höheren schon irgendwie damit gerechnet hatte. Interessant ist hier vor allem die Kombination aus langzeittauglich gehaltenem Pegel ab den oberen Mitten aufwärts und der ausnehmend detailreichen Darstellung. Gerade bei Frauenstimmen kommt das gut: So bringt das tolle Auflösungsvermögen jede Eigenheit der Intonation, jedes Luftholen zwischen den Worten klar zutage – das erzeugt „Nähe“, die Illusion, dass hier leibhaftig jemand vor mir steht. Gleichzeitig sorgt die leichte tonale Milde für einen samtig-seidigen Eindruck, dem man sich einfach stundenlang hingeben möchte.
Wer sich nach obenraus trotzdem mehr Offenheit und Luft wünscht, muss gar nicht mal zu einem helleren System, Phonokabel oder Phono-Pre greifen, es dürfte in vielen Fällen schon reichen, den Tonarm hinten etwas höher einzustellen und via VTA für mehr Prickeln zu sorgen. Das klappt bei etwas schärferen Nadelschliffen ja meistens. Ich sagte es ja bereits: Hier geht es um Nuancen.
Dynamik
Nicht zuletzt, weil er im Untergeschoss ganz gut beieinander ist, fällt es dem Clearaudio Reference Jubilee auch leicht, dynamisch zuzupacken. Grobdynamische Lastwechsel und Orchestertutti zieht er stoisch durch, da wackelt nix im Klangbild, es wird einfach nur lauter. So soll das sein, so darf man es in dieser Liga erwarten.
Die Impulswiedergabe – etwa von Saiteninstrumenten, Drums & Becken, aber auch bei computergenerierten Sounds – wirkt authentisch, manche Vertreter der analogen Zunft gehen aber mit „mehr Kante“ bei transienten Ereignissen vor. So wirkt das Drumkit im nervenzerfetzend repetitiven „The End of Radio“ von Shellac (Album: Excellent Italian Greyhound; auf Amazon anhören) mit dem SME Model 15A härter und knalliger, wenn der Stick aufs Fell trifft. Andererseits kommt der ewig gleiche E-Gitarrenriff mit dem Clearaudio nicht nur sonorer, sondern auch mit mehr Verve und Impact rüber. Summarisch, so ließe sich sagen, wirken beiden Plattenspieler ähnlich dynamisch – wenn auch mit unterschiedlichen Talenten in unterschiedlichen Frequenzbereichen.
Was den zeitlichen Verlauf der Klänge, ihre Hüllkurve angeht, wirkt der Reference Jubilee „vorne“ (Attack) standesgemäß und „hinten“ (Sustain/Decay) kommt sein besonderes Talent zum Tragen – also im körperhaften Nachzeichnen des Verklingens der Töne. Wahrscheinlich machen sich hier das Magnetlager und die besondere Art der Motorsteuerung bezahlt, die für Totenstille beim Abtastvorgang sorgen, sodass sich noch allerleiseste Signalanteile abheben und eben nicht in den Nebengeräuschen versinken.
Raumdarstellung
Diese besondere Ruhe ist vermutlich auch ein wesentlicher Grund für das neben dem formidablen Auflösungsvermögen auffälligste Talent des Clearaudio Reference Jubilee – er versteht sich darauf, eine sehr weitläufige und glaubhafte Bühnenillusion ins Zimmer zu beamen. Was das angeht, setzt der Clearaudio bei mir tatsächlich eine neue Benchmark. Damit habe ich so nicht gerechnet, schließlich bin ich Gutes gewöhnt. Hatte ich den SME seinerzeit nicht ebenfalls für seine tolle Raumdarstellung gelobt? Ja, und das zu Recht. Um so erstaunter muss ich zur Kenntnis nehmen, dass da offenbar noch mehr geht.
Und zwar gar nicht mal so wenig, jetzt mal rein von den Raum-Dimensionen her betrachtetet. Die Breite des Klangpanoramas legt nicht so viel zu, doch der Gewinn in der Tiefe ist erstaunlich. Natürlich profitieren insbesondere Klassikaufnahmen davon – die Instrumentengruppen bekommen mehr Platz spendiert, die Musiker müssen nicht „aufeinandersitzen“ –, aber auch bei Pop- und Rock-Platten wie etwa Tori Amos‘ Doppelalbum Boys for Pele (auf Amazon anhören) oder der eingangs erwähnten Giant-Sand-Scheibe habe ich das Gefühl, dass nach hintenraus jetzt locker noch ein Meter mehr geht. Dabei lässt der Clearaudio Reference Jubilee die Bühne dort beginnen, wo es die Aufnahme will: Vor, bei, hinter der Boxen-Grundlinie, das alles ist möglich, da ist er nicht festgelegt. Gut so.
Fast noch besser als den schieren Raumgewinn finde ich die Abbildungspräzision. Das ist das Plastischste, was ich von einem Plattenspieler bis dato geboten bekommen habe. Wobei die recht üppigen Raumdimension die Lokalisationsschärfe gewissermaßen unterstützen: Bei „Way down“ steht der Chor nun weiter hinten, also entfernter von Amos‘ im Vordergrund platzierter Stimme – das steigert den Kontrast, hebt beides voneinander ab. Gleichzeitig habe ich aber auch das Gefühl, dass der Clearaudio Reference Jubilee mir die Stimme als solche punktgenauer und 3-D-hafter präsentiert – und dass zwischen den einzelnen Klängen „tiefe Schwärze“ liegt. Diese Ruhe zwischen den Akteuren macht die Bühne besonders transparent durchhörbar. Also: Wenn Sie sich insbesondere von einer gelungenen räumlichen Darstellung Ihrer Musik klanglich verführen lassen, dann sollten Sie diesem Plattenspieler wirklich einmal Ihr Ohr schenken – oder auch nicht, denn es kann Sie teuer zu stehen kommen.
Test: Clearaudio Reference Jubilee | Plattenspieler